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Politisches Vertrauen in Krisenzeiten | bpb.de

Politisches Vertrauen in Krisenzeiten

Gundula Zoch Steffen Wamsler

/ 13 Minuten zu lesen

Politisches Vertrauen ist eine wichtige Ressource in Demokratien, weil es Regelakzeptanz, Kooperation und Konfliktfähigkeit ermöglicht. In Krisenzeiten steigt dieses Vertrauen zu Beginn zwar meist an, droht aber mit fortschreitender Dauer zu erodieren.

Krisen sind wahre Bewährungsproben für demokratische Gemeinwesen. Wenn Finanzmärkte taumeln, Viren ganze Gesellschaften lahmlegen oder ein Angriffskrieg Europas Friedensordnung erschüttert, richtet sich der Blick der Bevölkerung auf Regierung, Parlament und Verwaltung: Können sie Schutz und Orientierung bieten, oder scheitern sie angesichts einer externen Bedrohung an dieser elementaren Aufgabe? Eine zentrale Ressource für erfolgreiche Krisenbewältigung ist politisches Vertrauen. Menschen, die politischen Akteuren und Institutionen vertrauen, halten sich eher an geltende Regeln und sind bereit, persönliche Einschnitte zum Schutz der Gesamtgesellschaft hinzunehmen. Somit ermöglicht Vertrauen seitens der Bevölkerung gerade in Krisenzeiten politischen Akteuren den notwendigen Handlungsspielraum, um anstehende Bedrohungen zu meistern. Diejenigen hingegen, die nur wenig politisches Vertrauen aufweisen, gewähren einen solchen Handlungsspielraum nicht. Sie wählen eher Parteien an den politischen Rändern, sind anfälliger für Verschwörungserzählungen oder lehnen den Staat und seine Institutionen und Akteure sogar rundweg ab.

Politisches Vertrauen ist kein universelles Konstrukt, sondern bezieht sich auf unterschiedliche Akteure und Institutionen – gerade in Krisenzeiten. Das wichtigste dieser Vertrauensobjekte ist für gewöhnlich die Bundesregierung. Darüber hinaus sind insbesondere der Bundestag sowie Gerichte und die Polizei als gesetzgebende und rechtsdurchsetzende Gewalten essenziell. Neben diesen klassischen Institutionen werden häufig auch Print- und Fernsehmedien sowie Soziale Medien zu einem erweiterten Begriff politischen Vertrauens zusammengefasst, da diese eine fundamentale Rolle bei der Vermittlung politischer Entscheidungen und in der Krisenkommunikation spielen.

Politisches Vertrauen bildet sich, basierend auf psychologischen Merkmalen und Kindheitserfahrungen, während der Jugend bis ins frühe Erwachsenenalter heraus. Dies führt zu einer grundsätzlich stabilen Vertrauensdisposition bei Erwachsenen. Nichtsdestotrotz kommt es über die Zeit regelmäßig zu meist graduellen Veränderungen. Diese hängen häufig mit parteipolitischer Polarisierung, veränderten Wahrnehmungen von Anstand und Fairness im politischen System oder sich verändernder Mediennutzung zusammen. Sozialisationserfahrungen und aktuelle Bewertungen und Evaluationen bedingen politisches Vertrauen im Lebensverlauf daher häufig wechselseitig.

Wie Krisen das Vertrauen verändern können

Krisen eröffnen zumeist ein Fenster der Solidarisierung: Sobald äußere Bedrohungen nationale oder gruppenspezifische Sicherheit und Handlungsfähigkeit infrage stellen, versammeln sich Bürgerinnen und Bürger reflexhaft hinter der eigenen Regierung – der klassische Rally-round-the-flag-Effekt. Patriotische Gesten, verkürzte Nachrichtendiskurse und das diffuse Bedürfnis, „jemand“ möge das Steuer übernehmen, lassen selbst skeptische Milieus vorübergehend milde urteilen. Dieses Phänomen ist in der internationalen Forschung bereits aus Kriegszeiten, aber auch im Kontext von Terroranschlägen, Naturkatastrophen oder Gefahren für die öffentliche Gesundheit bekannt. Letzteres konnte im Zuge der Covid-19-Pandemie in vielen Ländern der Welt nachgewiesen werden.

Allerdings ist dieser Rally-Effekt oft kurzlebig und lässt mit zunehmender Krisendauer meist schnell nach. So formiert sich beispielsweise häufig politischer Protest gegen das Krisenmanagement einer Regierung, wenn deren Bewertung durch die Bevölkerung aufgrund einer nicht hinreichend bearbeiteten Bedrohung zunehmend kritisch ausfällt. Insbesondere im Zuge meist langfristiger Finanz- und Wirtschaftskrisen kommt es dann auch zu einer Erosion von politischem Vertrauen unter das Vorkrisenniveau, mit langfristigen Folgen.

Die Dynamik von politischem Vertrauen in Krisenzeiten hängt neben den genannten Evaluationen auch von emotionalen Faktoren ab. So ist der Rally-Effekt bei Personen, die mit Angst auf Bedrohungen reagieren, stärker, da für diese Menschen Sicherheit ein zentraler Wert ist. Wut hingegen führt dazu, dass die Schuld für einen Missstand bei der Regierung gesucht wird, weshalb Vertrauen im Krisenverlauf schneller sinkt.

Zu diesen affektiven Dynamiken treten strukturelle Filter hinzu: wahrgenommene Kompetenz, das Fairnessurteil über staatliches Handeln und vor allem die sozialen Erfahrungswelten entlang von Bildung, Einkommen und sozialer Herkunft. Wer wiederholt an bürokratischen Hürden scheitert oder sich von „denen da oben“ oder „den Medien“ ignoriert fühlt, startet mit geringeren Vertrauenswerten in jede neue Krise. Im Zusammenspiel von Emotionen und langfristigen Ungleichheiten entscheidet sich häufig, ob eine Krise als Bewährungsprobe oder als weiterer Angriff auf das politische Vertrauen in Erinnerung bleibt.

Politisches Vertrauen im Zuge der Covid-19-Pandemie

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 stieg das politische Vertrauen innerhalb kürzester Zeit stark an – ein globaler Rally-round-the-flag-Moment. Dessen Intensität variierte jedoch spürbar. Jüngere Menschen reagierten skeptischer als ältere; letztere galten in den ersten Monaten der Pandemie als stärker gefährdet. Höhere Bildung korrelierte mit geringeren Vertrauenszuwächsen, Personen mit Migrationshintergrund oder ausgeprägter Bedrohungsangst verhielten sich wiederum heterogener. Auf der Makroebene wirkten vor allem Infektionsdynamik und Lockdown-Strenge: Dort, wo die Fallzahlen hoch waren oder entschiedene Eindämmungsmaßnahmen angekündigt wurden, stieg das Vertrauen bis zum Herbst 2020 zunächst stärker an.

Gleichwohl schränken methodische Vorbehalte viele dieser Befunde zu pandemiebedingten Vertrauensveränderungen ein. Zahlreiche internationale und nationale Studien erfassten lediglich die ersten Pandemiemonate, ohne dass vergleichbare Messwerte aus der Vorkrisenzeit vorlagen. Längsschnittanalysen, die dieselben Personen über mehrere Jahre hinweg begleiten und Vertrauensveränderungen auf individueller Ebene vor und während der Krise auch über einen längeren Zeitraum vergleichen konnten, waren hingegen selten – und gerade deshalb besonders aufschlussreich.

Für Deutschland liegen Befunde zur Coronapandemie auf Basis langjähriger Befragungsdaten vor, etwa im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Diese spiegeln das erwartbare „Krisenhoch“ zu Beginn der Pandemie: Zwischen September 2020 und März 2021 stieg das durchschnittliche Institutionenvertrauen auf einer Skala von 1 (kein Vertrauen) bis 4 (starkes Vertrauen) zunächst auf 2,83 Punkte; in vergleichbaren Zeiträumen vor der Pandemie hatte es bei 2,59 gelegen. Im zweiten Pandemiejahr 2021/22 fiel der Wert fast exakt auf sein Vorkrisenniveau zurück, ehe er im dritten Jahr 2022/23 wieder leicht anzog (Abbildung). Diese Dynamik verlief allerdings nicht synchron über alle Institutionen hinweg: Polizei und Bundesverfassungsgericht etwa starteten bereits mit hohen Vertrauenswerten in die Krise. Insbesondere erstere gewann in der Krise kaum hinzu und büßte im Verlauf deutlich an Zustimmung ein. Umgekehrt stieg das Vertrauen in Bundesregierung und Bundestag zunächst am stärksten an, um bereits im zweiten Jahr die größten Vertrauensverluste zu verzeichnen. Ende 2022/23 lag das Vertrauen daher nur noch knapp über dem Vorkrisenniveau. Das Vertrauen in Medien – Fernsehen, Zeitungen und Soziale Medien – zeigte eine eigene Dynamik: Bei generell geringem Medienvertrauen verzeichnete es leichte Gewinne im ersten Krisenjahr, einen merklichen Absturz 2021/22 – vor allem für Soziale Medien –, gefolgt von einer moderaten Erholung. Klassische Printmedien verharrten jedoch weiter unter Vorkrisenniveau.

Für Deutschland lassen sich diese pandemiebedingten Veränderungen des politischen Vertrauens nur bedingt auf veränderte Lebensumstände in der Krise zurückführen. Zwar zeigten Befragte in Landkreisen mit rapide steigenden Inzidenzraten zu Beginn der Krise zunächst größere Vertrauenszuwächse – eine plausible Reaktion auf die unmittelbare Bedrohung. Doch sobald die Fallzahlen über den Bundesdurchschnitt stiegen oder strenge Ausgangsverbote den Alltag prägten, kehrte sich dieser Effekt um: Das Vertrauen sackte deutlicher ab als in anderen Regionen. Im zweiten Pandemiejahr schlug der Zusammenhang zwischen Infektionszahlen und politischem Vertrauen sogar durchweg ins Negative um, und längere Kontaktbeschränkungen belasteten das Vertrauen zusätzlich. Insgesamt können für Deutschland Infektionsgeschehen und Krisenmaßnahmen den Vertrauensanstieg wenig erklären, während Vertrauensrückgänge häufiger mit dem konkreten Krisenmanagement und der Bedrohungslage zusammenhängen. Veränderungen im Berufs- und Familienleben – Homeoffice, Kurzarbeit, Einkommenseinbußen – blieben statistisch folgenlos für das Vertrauen, ebenso der Gesundheitszustand oder das subjektive Wohlbefinden. Die Daten legen damit nahe, dass der anfängliche Höhenflug weniger auf konkreten Politik- oder Lebenslagen, sondern vor allem auf einem kollektiven, emotionsgetriebenen Rally-round-the-flag-Effekt beruhte: Bedrohung mobilisierte Unterstützung, solange Institutionen als handlungsfähig galten. Als die Krise andauerte und die teilweise extrem hohe und ungleiche Belastung durch die Maßnahmen sichtbar wurde, kollabierte dieses anfängliche Bündnis – unabhängig davon, ob der Einzelne persönlich stärker oder schwächer betroffen war.

Soziale Ungleichheiten – ungleiche Vertrauensdynamiken?

Sozialstrukturelle Merkmale prägten den Verlauf des politischen Vertrauens in den verschiedenen Krisenjahren der Pandemie sehr unterschiedlich. Befragte ohne Hochschulabschluss, deren Vertrauen in Institutionen und Medien vor der Krise tendenziell niedriger war als bei Akademikerinnen und Akademikern, verzeichneten im ersten Krisenjahr die deutlichsten Vertrauenszuwächse, mit besonders starken Anstiegen für Regierung, Parlament und Medien. Der anschließende Rückgang setzte zwar etwas eher bei Akademikerinnen und Akademikern ein, zeigte in der Stärke der Reduktion aber kaum statistisch bedeutsame Bildungsungleichheiten. 2022/23 lag das institutionelle Vertrauen in beiden Gruppen unter Vorkrisenniveau; beim Medienvertrauen blieben Nicht-Akademiker auf reduziertem Niveau, während Akademiker auf das Vorkrisenniveau zurückkehrten, teils sogar darüber hinaus.

Auch für Menschen mit Migrationsgeschichte zeigten sich leichte Unterschiede im Rally-round-the-flag-Effekt. Vor der Krise verfügten Zugewanderte der ersten Generation über ein höheres Vertrauensniveau als die der zweiten Generation. Der anfängliche Vertrauensanstieg erfasste jedoch primär Befragte ohne Migrationshintergrund und die zweite Zuwanderergeneration, während die erste Generation zunächst in ihrer Vertrauenszuschreibung stagnierte und erst später moderat zulegte. Bis Mitte 2021 lagen alle Gruppen über ihrem Ausgangswert – unabhängig von ökonomischen Ressourcen oder individuellen Gesundheitsbelastungen. Auch im Ost-West-Vergleich zeigen sich eher moderate Differenzen. Der anfängliche Vertrauensanstieg verlief zwischen Herbst 2020 und Frühjahr 2021 beiderseits der Elbe nahezu parallel, im Osten etwas stärker. Mit Fortdauer der Pandemie näherten sich die Werte wieder dem Vorkrisenniveau; 2022/23 ging das institutionelle Vertrauen im Osten jedoch spürbar stärker zurück, besonders bei älteren Befragten mit längerer DDR-Sozialisation. Jüngere Ostdeutsche im Alter von unter 50 Jahren unterschieden sich in ihren Vertrauensdynamiken kaum von westdeutschen Altersgruppen. Auch das Medienvertrauen startete im Osten zwar niedriger, zeigte aber keinen vergleichbar starken späteren Einbruch wie das Institutionenvertrauen. Insgesamt deuten stärkere Vertrauensveränderungen älterer Ostdeutscher darauf hin, dass eine autoritäre Sozialisation kurzfristige Angleichungen nicht verhindert, aber längerfristige Erosionen wahrscheinlicher macht.

Diese Befunde zu gruppenspezifischen Vertrauensveränderungen verdeutlichen, dass die Pandemie zwar ein gemeinsames Krisenszenario darstellte, aber keineswegs einen ausnahmslos uniformen Vertrauensschock bedeutete. Vorerfahrungen, Erwartungshaltungen und Prägungen bestimmen die Vertrauensgewinne zu Beginn der Krise, während Vertrauensverluste weniger starke gruppenspezifische Trends verzeichneten. Gleichwohl dürfte der Umfang tatsächlicher Vertrauensverluste zu niedrig bemessen sein. Da die Teilnahme an Umfragen in der Regel freiwillig ist, sind Personen, die Institutionen und staatlichen Akteuren mit grundsätzlicher Skepsis begegnen, in klassischen Befragungen häufig unterrepräsentiert. Gewichtungsverfahren mildern diesen Bias, beseitigen ihn aber nicht vollständig. Während die Richtung der Vertrauensentwicklung robust erscheint, sind die tatsächlichen Umfänge der beobachteten Veränderungen daher als konservative Schätzung zu interpretieren, wobei gerade stärkere Erosionsprozesse in klassischen Befragungsdaten stark untererfasst sein dürften.

Folgen des Vertrauensverlusts

Politisches Vertrauen ist mehr als nur die Beliebtheit einer Regierung; es fungiert als Ressource, die Regelakzeptanz, Kooperation und Konfliktfähigkeit ermöglicht. Wer Regierung, Gerichte oder Polizei für kompetent und integer hält, trägt eher unpopuläre Entscheidungen mit und hält sich an Gesetze und Vorschriften – in der Pandemie zeigte sich das zum Beispiel an höheren Impf- und Maskenquoten und geringerer Anfälligkeit für Verschwörungsnarrative. Der anfängliche Mobilisierungsschub eines Rally-round-the-flag-Effekts kann hier funktional wirken, da ein stärkeres politisches Vertrauen hilft, auch unangenehme Maßnahmen und Regelungen zu befolgen. Dauerhafte wirtschaftliche Belastungen, wahrgenommene Unfairness oder widersprüchliche Kommunikation lassen dieses Kapital jedoch erodieren. In solchen Phasen gelingt es populistischen Akteuren leichter, Kosten und Nebenfolgen politischer Maßnahmen als „Systemversagen“ zu deuten. Empirische Befunde zeigen zudem, dass progressive Politikeingriffe – etwa umfassende Klimamaßnahmen oder großzügige Sozialpakete – besonders dann stark an Rückhalt verlieren, wenn sie von rechter Rhetorik des „Systemversagens“ begleitet werden; wo beides zusammenkommt, sinkt das allgemeine Politikvertrauen über Parteigrenzen und soziale Gruppen hinweg. Sinkendes Vertrauen korreliert dann mit höherer Protestneigung, größerer Offenheit für populistische Angebote, der Ablehnung von Zuwanderung und einer geringeren Bereitschaft, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren – im Extrem bis hin zur Infragestellung von Wahlergebnissen. Die Krise wird so zum Katalysator: Sie kann kurzfristig Legitimität mobilisieren, langfristig aber auch fragile Bruchstellen freilegen, die demokratische Stabilität gefährden. Die empirischen Befunde auf Basis von Längsschnittdaten für Deutschland zeigen, dass selbst in stabilen Demokratien politisches Vertrauen kein statischer Vorrat ist. Vielmehr pendelt es zwischen Zuversicht und Ernüchterung – getrieben von Evaluationen von konkretem Krisenmanagement und Kommunikation, aber eingebettet in langfristige Dispositionen und strukturelle Ungleichheiten. Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern eine Ressource, von der die Handlungsfähigkeit und Belastbarkeit einer demokratischen Ordnung abhängen. Die zentrale Frage bleibt daher, ob aus kurzfristigen Mobilisierungsschüben dauerhafte Legitimitätsgewinne werden – oder ob jede Krise eine weitere Schicht des Misstrauens zurücklässt.

Insbesondere vor dem Hintergrund der komplexen Dynamiken einer andauernden Polykrise ist ein tieferes Verständnis für diese Prozesse von elementarer Bedeutung für eine demokratische Gesellschaft. Für Politik und Gesellschaft folgt daraus eine doppelte Agenda. Erodierendes Vertrauen erhöht die gesellschaftliche Polarisierungsanfälligkeit und treibt die Durchsetzungskosten politischer Steuerung in die Höhe, weil Regelbefolgung sinkt und stärkere Kontrolle nötig wird. Zentral erscheint daher ein nüchternes Erwartungsmanagement: Transparente Ziele, nachvollziehbare Zwischenstände und klare Kriterien der Lastenteilung reduzieren Interpretationsspielräume für Schuldzuweisungen. Ebenso wichtig scheint der Umgang mit Emotionen – insbesondere Wut und Angst –, die Unterstützung oder Ablehnung strukturieren. Etablierte demokratische Parteien sollten populistischen Deutungen nicht hinterherlaufen, sondern konsistente Gegenangebote machen, die Risiken benennen, ohne Ressentiments zu bedienen. Langfristig verschiebt sich Resilienz so von rein institutioneller Effizienz zu bürgerlicher Befähigung. Hierfür braucht es politische Bildung und Kompetenzen, aber auch erfahrbare Beteiligungsformate über den Lebensverlauf hinweg, damit Bürgerinnen und Bürger politische Veränderungen als gestaltbar erleben und politische Selbstwirksamkeit erfahren. Damit steigt auch die Chance, kurzfristige Mobilisierung in belastbare Legitimität zu überführen – statt einen Kreislauf aus Enttäuschung, Gegenmobilisierung und womöglich weiterem Vertrauensabbau in Krisenphasen zu verstetigen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Jack Citrin/Laura Stoker, Political Trust in a Cynical Age, in: Annual Review of Political Science 1/2018, S. 49–70; Daniel Devine et al., Political Trust in the First Year of the COVID-19 Pandemic: A Meta-Analysis of 67 Studies, in: Journal of European Public Policy 3/2024, S. 657–679.

  2. Vgl. Sofie Marien, Measuring Political Trust Across Time and Space, in: Sonja Zmerli/Marc Hooghe (Hrsg.), Political Trust: Why Context Matters, Colchester 2011, S. 13–46.

  3. Vgl. M. Kent Jennings/Richard G. Niemi, Political Character of Adolescence, Princeton 1981; Jeffery J. Mondak/Matthew Hayes/Damarys Canache, Biological and Psychological Influences on Political Trust, in: Sonja Zmerli/Tom van der Meer (Hrsg.), Handbook on Political Trust, Cheltenham 2017, S. 143–159.

  4. Vgl. Marc J. Hetherington/Thomas J. Rudolph, The Nature of Political Trust in Mass Publics, in: Thomas J. Rudolph (Hrsg.), Handbook on Politics and Public Opinion, Cheltenham 2022, S. 356–369.

  5. Vgl. William D. Baker/John R. Oneal, Patriotism or Opinion Leadership? The Nature and Origins of the „Rally ’Round the Flag“ Effect, in: Journal of Conflict Resolution 5/2001, S. 661–687; Michael A. Hogg et al., Uncertainty, Entitativity, and Group Identification, in: Journal of Experimental Social Psychology 1/2007, S. 135–142.

  6. Vgl. Robert A. Blair/Benjamin S. Morse/Lily L. Tsai, Public Health and Public Trust: Survey Evidence from the Ebola Virus Disease Epidemic in Liberia, in: Social Science & Medicine 172/2017, S. 89–97; Virginia A. Chanley, Trust in Government in the Aftermath of 9/11: Determinants and Consequences, in: Political Psychology 3/2002, S. 469–483; Peter Thisted Dinesen/Mads Meier Jæger, The Effect of Terror on Institutional Trust: New Evidence from the 3/11 Madrid Terrorist Attack, in: Political Psychology 6/2013, S. 917–926; John E. Mueller, Presidential Popularity from Truman to Johnson, in: American Political Science Review 1/1970, S. 18–34.

  7. Vgl. Devine et al. (Anm. 1).

  8. Vgl. Klaus Armingeon/Kai Guthmann, Democracy in Crisis? The Declining Support for National Democracy in European Countries, 2007–2011, in: European Journal of Political Research 3/2014, S. 423–442; Marc Hooghe/Martin Okolikj, The Long-Term Effects of the Economic Crisis on Political Trust in Europe: Is There a Negativity Bias in the Relation Between Economic Performance and Political Support?, in: Comparative European Politics 6/2020, S. 879–898.

  9. Vgl. Julian Erhardt et al., The Emotional Foundations of Political Support: How Fear and Anger Affect Trust in the Government in Times of the Covid-19 Pandemic, in: Swiss Political Science Review 2/2021, S. 339–352; Pavlos Vasilopoulos et al., Emotions, Governmental Trust and Support for the Restriction of Civil Liberties During the Covid-19 Pandemic, in: European Journal of Political Research 2/2023, S. 422–442.

  10. Vgl. Gundula Zoch/Steffen Wamsler, Crisis Vulnerability and Social Stratification: Educational Inequalities in Political Trust Dynamics During the COVID-19 Pandemic, SocArxiv, 24.4.2025, Externer Link: https://doi.org/10.31235/osf.io/3wbzv_v3; Citrin/Stoker (Anm. 1).

  11. Vgl. Devine et al. (Anm. 1).

  12. Vgl. Sven Hegewald/Dominik Schraff, Who Rallies Around the Flag? Evidence from Panel Data During the Covid-19 Pandemic, in: Journal of Elections, Public Opinion and Parties 1/2024, S. 158–179; Zoch/Wamsler (Anm. 10); Florian Weber et al., Differences in Political Trust Between Migrants and Non-Migrants in Pandemic Times, in: Soziale Welt 1/2023, S. 146–169.

  13. Vgl. Dominik Schraff, Political Trust During the Covid-19 Pandemic: Rally Around the Flag or Lockdown Effects?, in: European Journal of Political Research 4/2021, S. 1007–1017; Martin Bækgaard et al., Rallying Around the Flag in Times of COVID-19: Societal Lockdown and Trust in Democratic Institutions, in: Journal of Behavioral Public Administration 2/2020, Externer Link: https://doi.org/10.30636/jbpa.32.172.

  14. Vgl. Gundula Zoch/Steffen Wamsler, From Rally to Reality: Unveiling Long-Term Dynamics in Political Trust Over Two Years of COVID-19 in Germany, in: Political Research Exchange 1/2024, S. 1–24.

  15. Vgl. Steffen Wamsler/Gundula Zoch, Auf und Ab: Die wechselhafte Entwicklung politischen Vertrauens in andauernden Krisenzeiten, Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, LIfBI Forschung Kompakt, Bericht 6/2025.

  16. Vgl. Zoch/Wamsler (Anm. 14).

  17. Vgl. ebd.

  18. Vgl. Zoch/Wamsler (Anm. 10).

  19. Vgl. Weber et al. (Anm. 12).

  20. Vgl. Steffen Wamsler/Gundula Zoch, Authoritarian Legacies or Government Policies? Trust Dynamics and Regime Socialisation in Times of Crisis, SocArXiv, 28.7.2025, Externer Link: https://doi.org/10.31235/osf.io/gv3z7_v2.

  21. Vgl. Devine et al. (Anm. 1) sowie André Krouwel et al., Does Extreme Political Ideology Predict Conspiracy Beliefs, Economic Evaluations and Political Trust? Evidence from Sweden, in: Journal of Social and Political Psychology 2/2017, S. 435–462.

  22. Vgl. Citrin/Stoker (Anm. 1).

  23. Vgl. Paul Vierus/Conrad Ziller, Political Support in Times of Progressive Policy Change and Radical-Right Populist Party Success, in: West European Politics 2025, Externer Link: https://doi.org/10.1080/01402382.2025.2477420.

  24. Vgl. Sophia Hunger/Swen Hutter/Eylem Kanol, The Mobilisation Potential of Anti-Containment Protests in Germany, in: West European Politics 4/2023, S. 812–840; David Macdonald, Political Trust and Support for Immigration in the American Mass Public, in: British Journal of Political Science 4/2021, S. 1402–1420; Erin B. Fitz/Kyle L. Saunders, Distrusting the Process: Electoral Trust, Operational Ideology, and Nonvoting Political Participation in the 2020 American Electorate, in: Public Opinion Quarterly S1/2024, S. 843–857.

  25. Vgl. Quinton Mayne/Armen Hakhverdian, Education, Socialization, and Political Trust, in: Zmerli/van der Meer (Anm. 3), S. 176–196; Nadja Bömmel/Guido Heineck, Revisiting the Causal Effect of Education on Political Participation and Interest, in: Education Economics 6/2023, S. 664–682.

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ist Juniorprofessorin für die Soziologie sozialer Ungleichheiten an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

ist promovierter Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg.