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Kooperationen innerhalb und mit der Zivilgesellschaft | bpb.de

Kooperationen innerhalb und mit der Zivilgesellschaft

Andreas Kewes

/ 14 Minuten zu lesen

Zivilgesellschaftliche Akteure gestalten nicht nur den eigenen gesellschaftlichen Sektor, sondern erbringen in Koproduktion mit anderen Akteurinnen und Akteuren auch öffentliche Leistungen. Wichtig hierfür sind funktionierende Kooperationsformen und -formate.

Spätestens seit der Debatte um die kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen der Zivilgesellschaft, diversen ähnlichen Anfragen in den Landesparlamenten sowie der Debatte über EU-Zahlungen an Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ist das Handeln zivilgesellschaftlicher Organisationen (im Weiteren: ZGOs) in den Fokus einer breiteren öffentlichen Diskussion gerückt. Die Kritik lautet, ZGOs erhielten öffentliche Mittel, verhielten sich aber politisch nicht neutral, sondern setzten staatliche und wirtschaftliche Akteure unter Druck. Bemerkenswert an dieser Debatte ist, dass zivilgesellschaftliches Engagement nicht wie sonst mit Kooperation und Zusammenhalt in Verbindung gebracht wird, sondern mit Konflikt.

Gleichwohl ist es nicht so, dass ZGOs ausschließlich politischen Druck ausüben, wie dies in der jüngsten Debatte teilweise unterstellt wird. Mindestens ebenso wichtig sind die Kooperationsleistungen innerhalb und im Zusammenspiel mit der Zivilgesellschaft. Diese Kooperationen erfüllen spezifische Funktionen für die Gesellschaft, die nicht ohne Weiteres von anderen Akteuren erbracht werden können. Im Folgenden soll deshalb danach gefragt werden, was wissenschaftlich über Kooperationen in und mit ZGOs bekannt ist, gerade auch über den gesellschaftlichen Sektor der Zivilgesellschaft hinaus. Denn ZGOs – das meint hier Non-Profit-Organisationen, NGOs, Vereine, Verbände und Initiativen – gestalten nicht nur den eigenen gesellschaftlichen Sektor, sondern erbringen in Koproduktion mit anderen Akteurinnen und Akteuren auch öffentliche Aufgaben und Leistungen.

Begriff der Kooperation

Kooperation bezeichnet das Zusammenwirken von unabhängigen Akteurinnen und Akteuren zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels. Sie gilt als eine „handwerkliche Kunst, einander zu verstehen und aufeinander zu reagieren, um gemeinsames Handeln zu ermöglichen und um etwas zu schaffen, das allein nicht zu bewerkstelligen ist“. Wenngleich eine solche Definition Konsens suggeriert, fehlt bislang in der empirischen Zivilgesellschaftsforschung eine gemeinsame begriffliche Basis und eine Übersetzung in handlungspraktisches Wissen. Sozialwissenschaftliche Forschung orientiert sich insbesondere am spieltheoretischen Verständnis von Kooperation; dadurch wird diese allerdings formalisiert, den beteiligten Akteurinnen und Akteuren werden insbesondere rationale Motive unterstellt.

Zur Annäherung an den Begriff der Kooperation sind zunächst allgemeinere Unterscheidungen hilfreich: Kooperationen können ad hoc entstehen und/oder auf Dauer angelegt sein; sie betreffen mitunter nur zwei kooperierende Akteure, manchmal aber auch große und umfangreiche Netzwerke und Bündnisse; in diesen wiederum kann sowohl die Zieldefinition als auch die Übereinkunft, wie dieses Ziel zu erreichen sei, unterschiedlich ausgestaltet sein. Alternative Begrifflichkeiten in diesem Zusammenhang sind Kollaborationen, Partnerschaften, Netzwerke oder Allianzen. Zudem bestehen Unterschiede hinsichtlich des Grades der Formalisierung (informell oder vertraglich abgesichert) und der Richtung der Kooperation (horizontale Kooperation versus vertikale Kooperation). Und schließlich lassen sich im Diskurs unterschiedliche sozialwissenschaftliche Analyseebenen unterscheiden: auf der Mikroebene die Kooperation als individuelle Interaktion, auf der Mesoebene die Kooperation zwischen kollektiven Akteuren wie etwa Vereinen, Verbänden und Initiativen und auf der Makroebene zum Beispiel die Kooperation zwischen Nationalstaaten.

Maßgeblich ist, dass ein mitunter komplexer Gegenstand oder ein Problem gemeinsam bearbeitet wird und dass dabei auf die gegensätzliche Strategie der Konkurrenz verzichtet wird. Die Mehrzahl der nachfolgend referierten Studien bezieht sich auf Kooperationen auf der Mesoebene, wobei die etablierte Sektoren-Dreiteilung zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft genutzt werden soll, um die unterschiedlichen Kooperationsformen und -bedingungen zu erörtern.

Kooperation innerhalb der Zivilgesellschaft

Kooperation, zivilgesellschaftliches Engagement und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind ein bekannter diskursiver Zusammenhang, nicht zuletzt seit den Arbeiten des amerikanischen Politologen Robert Putnam. Dieser ist auch deswegen Ende der 1990er Jahre in Deutschland mit seiner Klage über zurückgehendes Engagement in den USA bekannt geworden, weil er einen wichtigen Mechanismus betont: Kooperation in der Zivilgesellschaft schaffe Vertrauen und den Glauben an die Geltung von Reziprozitätsnormen. Davon profitiere die Gesellschaft insgesamt, weil sie so ihr sogenanntes soziales Kapital steigern könne. Dieser Ansatz ist mitunter als „Neo-Tocquevilleanisch“ beschrieben worden, mit Verweis auf den französischen Gelehrten Alexis de Tocqueville, der bereits im 19. Jahrhundert in den USA den demokratieförderlichen Charakter von freiwilligen Vereinigungen festgestellt hatte. Wenngleich Putnams Theorie aus unterschiedlichen Gründen kritisiert wurde, ließ sich aus seinen Arbeiten dennoch folgende Einsicht gewinnen: Wenn engagierte Personen einander vertrauen, arbeiten sie zusammen – etwa in ZGOs. Diese Zusammenarbeit schafft ihrerseits wieder neues Vertrauen, was auch zukünftige Zusammenarbeit ermöglicht.

Auf der Mikroebene zeigt sich empirisch gleichwohl die Ambivalenz von Kooperationsbeziehungen: Selbst bei besten Absichten kann Kooperation scheitern, weil beispielsweise unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, wer eigentlich legitimerweise Ziele definieren oder Wege zu ihrem Erreichen vorschlagen darf. Die Forschung zu Kooperationen etwa in Vereinsvorständen oder Arbeitsgruppen dokumentiert hier sowohl ein eher horizontales als auch ein eher vertikales Kooperationsmuster, die nur schlecht miteinander vereinbar sind.

Ein zusätzlicher Aspekt, der insbesondere die Zivilgesellschaft betrifft, der aber auch in die transsektorale Kooperation überlappt, ist die Kooperation zwischen haupt- und ehrenamtlichen Kräften. In Non-Profit-Organisationen kann beobachtet werden, dass zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen statt eines Kooperationsverhältnisses auch Konkurrenzen entstehen – sei es, weil Hauptamtliche sich und ihre Arbeit durch freiwillig Engagierte herausgefordert sehen, sei es, weil Freiwillige sich durch hauptamtliche Kräfte nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen.

Über Kooperation auf der Mesoebene lässt sich vor allem durch die Analyse von sozialen Bewegungen einiges lernen. Soziale Bewegungen sind laut Definition Netzwerke von Organisationen und Einzelpersonen, sie sind also immer auch Ergebnis zivilgesellschaftlicher Kooperation. Sie benötigen eine Art kollektive Identität oder zumindest eine Vorstellung darüber, dass sie eine Bewegung sind. Diese Identität wird zum einen über eine Grenzziehung hergestellt – wer sind wir, wer sind die anderen? –, zum anderen über ein gemeinsames Verständnis darüber, was die Ziele und Mittel ihres Protests sein sollen. Während dieser Aushandlungsprozesse können soziale Bewegungen durchaus auch scheitern, etwa, wenn einzelne Teile der Bewegung andere, radikalere politische Ziele anvisieren.

Bei der Entscheidungsfindung innerhalb von Bewegungen spielt Macht eine ambivalente Rolle, denn diese kann in geradezu widersprüchlichen Konstellationen Kooperationen in Gang setzen: Die Bewegungsforschung kennt sowohl Beispiele, in denen (charismatische) Führungsfiguren oder eine hierarchische Struktur ein Zusammenwirken auf gewisse Dauer ermöglicht haben, als auch Versuche der hierarchiefreien Entscheidungsfindung in Graswurzelbewegungen, etwa in den Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre. Wie auf der individuellen Ebene zeigt sich auch hier die wechselseitige Unverträglichkeit von horizontaler und vertikaler Entscheidungsfindung und Zielbestimmung: In der globalisierungskritischen und antikapitalistischen Bewegung beispielsweise hat das Vorhandensein dieser gegensätzlichen Kooperationslogiken dauerhafte Kooperationen verhindert, weil insbesondere jüngere, an egalitären Entscheidungsfindungsprozessen interessierte Organisationen nicht (mehr) mit jenen Organisationen zusammenarbeiten wollten, die eher konventionellen, vertikalen Organisationslogiken folgten.

Eine stärker abstrahierende, auch ländervergleichende Perspektive zeigt zudem die Volatilität von Kooperationen zwischen Bewegungsorganisationen: So gilt etwa die deutsche Umweltbewegung im Vergleich zur französischen als eher integriert, weil in Deutschland – anders als in Frankreich – unterschiedliche Gruppen gemeinsam an politischen Zielen arbeiten. Ähnlich volatil sind übergreifende Bündnisse oder Kampagnen, die sich aus unterschiedlichen Gruppierungen etwa aus der Umwelt-, Friedens-, Arbeits- oder Antirassismusbewegung zusammensetzen. Ein Beispiel dafür wäre etwa das Protestbündnis gegen die „Remigrationspläne“ der AfD im Frühjahr 2024. Von Dauer sind solche Bündnisse häufig nicht.

Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Staat

Kooperationen zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und dem Staat sind bei Weitem nicht so unüblich oder konfliktbeladen, wie es nach der jüngst so hitzig geführten politischen Debatte über zivilgesellschaftliche Akteure anmutet. Im Gegenteil: Staatliche Akteure kooperieren regelmäßig mit ZGOs, weil diese oft über eine höhere Flexibilität, besseren Zugang zu Zielgruppen oder eine kostengünstigere Verwaltungsstruktur verfügen. Auch wenn sich, etwa im Vergleich zwischen den USA und Mitteleuropa, unterschiedliche Wohlfahrtsstaatsverständnisse finden lassen, Staaten und Nichtregierungsorganisationen also verschiedene Arrangements bei der Erbringung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen hervorbringen, zeigt sich doch gleichermaßen, dass nicht Staaten alleine solche Leistungen verantworten, sondern dass dies in einem hohen Maß in Kooperation mit Vereinen oder Verbänden geschieht.

Ein maßgeblicher Befund für Deutschland lautet, dass zwar bestimmte Formen des Makrokorporatismus gescheitert sind – ein Beispiel wäre etwa das „Bündnis für Arbeit“ –, dass sich aber insbesondere auf kommunaler Ebene Formen des Mesokorporatismus durchgesetzt haben. Zu nennen sind hier etwa Konzepte wie Runde Tische, Bürgerhaushalte oder kommunale Integrationsräte, aber auch Jugendhilfeausschüsse, in denen gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Gebietskörperschaften mit freien Trägern der Jugendhilfe und mit Jugendverbänden zusammenkommen. Auch in der Erwerbslosenhilfe (Paragraf 18 SGB II) oder der Sozialhilfe (Paragraf 4 SGB XII) arbeiten staatliche Akteure mit ZGOs zusammen. Letztlich lässt sich hier der gesamte Bereich der Sozialwirtschaft nennen, in dem solche Kooperationen stattfinden – also auch soziale Arbeit und soziale Dienstleistungen sowie Aspekte der kommunalen Daseinsvorsorge wie Bürgerbusse oder die Freiwillige Feuerwehr.

Konkret wird staatlich-zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit im Bereich der Bildung, etwa bei Angeboten der offenen Ganztagsbetreuung, aber auch in den Netzwerken der sogenannten kommunalen Bildungslandschaften. Diese Kooperationsformate sind schon heute bei der Behebung von Defiziten im Bildungssystem bedeutsam, wegen der zukünftigen Ganztagsbetreuungsgarantie werden sie noch wichtiger werden. Gleichwohl konstatiert die Forschung hier eine gewisse Spannung zwischen programmatischen Entwürfen und der Umsetzungsrealität: Die Kooperationsprozesse selbst sind strukturell noch eher schwach verankert und aus sich heraus kein Garant für dauerhaftes Gelingen.

Kooperationen zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren zeichnen sich zum einen durch ein Legitimierungsverhältnis aus – zivilgesellschaftliche Beteiligung etwa bei Verbändeanhörungen in Gesetzgebungsverfahren und bei Entscheidungsfindungen legitimiert staatliches Handeln – und zum anderen durch ein Dienstleistungsverhältnis: Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure erbringen Dienstleistungen für den Staat. Entsprechend kritisch wird dieses Verhältnis mitunter betrachtet: Seitens der ZGOs etwa besteht die Sorge vor dem Verlust ihrer Autonomie, wenn es durch die Akquise öffentlicher Gelder zu einer Verzerrung der eigenen Struktur oder Mission kommt – etwa durch eine mögliche Bürokratisierung, eine Überprofessionalisierung bei dem Versuch, staatlichen Handlungsmaximen zu entsprechen, oder durch die Drosselung der eigenen Lobbyarbeit, um die öffentliche Finanzierung nicht zu gefährden. Darüber hinaus wird staatlichen Akteuren mitunter vorgeworfen, zivilgesellschaftliche Hilfe bei der Sicherstellung der Daseinsvorsorge gerade in ländlichen Räumen über Gebühr in Anspruch zu nehmen. Der Vorwurf unkooperativen Verhaltens trifft also häufig den Staat selbst – und nicht die Zivilgesellschaft.

Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Markt

Im Vergleich zum Verhältnis zwischen Akteurinnen und Akteuren aus Staat und Zivilgesellschaft scheint das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Wirtschaft noch wenig beforscht, prinzipiell aber auch konfliktanfälliger. Während der Staat bei der Leistungserbringung regelmäßig auf ZGOs zurückgreift, scheinen gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Organisationen im Bereich der profitorientierten Wirtschaft eher fehl am Platz.

Doch ist das Verhältnis zwischen ZGOs und Wirtschaftsunternehmen keineswegs so konfliktgeladen, wie es angesichts der Bilder demonstrierender Umweltorganisationen vor Bohrinseln oder in Braunkohletagebauen den Anschein hat. Bereits Anfang der 2000er Jahre wurden in Studien zahlreiche Gründe genannt, weshalb eine Kooperation zwischen Unternehmen und Umwelt-NGOs aus Sicht der Wirtschaft sinnvoll sein kann: um einer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme zu helfen oder vom Wissen einer NGO zu profitieren – etwa bei der Suche nach kreativen Lösungen, bei der Entwicklung von neuen Produkten oder neuen Wegen des Marketings. Weitere Motive können sein, Konflikte entschärfen und ein negatives Image verhindern zu wollen; auch die Steigerung der eigenen Attraktivität als Arbeitgeberin und die Stärkung der Mitarbeiterbindung können eine Rolle spielen. Kooperationsinteresse vonseiten der Wirtschaftsunternehmen entsteht insbesondere da, wo sich ökonomische Vorteile erzielen lassen. Zwar gibt es Fälle, in denen Unternehmen gezielt der Sache wegen Kooperationen mit ZGOs eingehen, allerdings geht die Häufigkeit solcher Kooperationen, das „Flagge zeigen für einen guten Zweck“, offenkundig zurück.

Für eine erfolgreiche Kooperation müssen Misstrauen überwunden und fehlende Erfahrungen mit der Arbeitsweise der jeweils anderen Seite kompensiert werden – dies gilt insbesondere für Bewegungs-NGOs, die ihrerseits von anderen Bewegungsorganisationen beobachtet werden und sich mitunter dem Vorwurf ausgesetzt sehen, problematisches unternehmerisches Handeln mit ihrem Namen zu „zertifizieren“. Wachsen kann das Vertrauen zwischen den Akteuren über verschiedene Formen der Zusammenarbeit, beginnend mit kurzfristigen und kleinen Projekten über mittelfristige Interaktionen bis hin zu langfristigen strategischen Partnerschaften.

Nach aktuellen Zahlen unterstützen in Deutschland zahlreiche Unternehmen die Freiwilligenarbeit ihrer Mitarbeitenden im Rahmen von Corporate Volunteering, beispielsweise durch Freistellungen zugunsten gemeinnütziger Projekte. Zugleich berichten Kommunen jedoch, dass es für sie immer schwieriger wird, Freistellungen für Mitglieder etwa der Freiwilligen Feuerwehren zu erhalten, weswegen diese dann häufig im öffentlichen Dienst beschäftigt werden (müssen) – hier zeigen sich privatwirtschaftliche Unternehmen offenbar zunehmend unkooperativ. Weitere Formen des unternehmerischen Engagements umfassen Geld- und Sachspenden, Nutzungsüberlassungen oder kostenlose Dienstleistungen.

Fazit

Dieser kursorische Überblick über verschiedene zivilgesellschaftliche Kooperationsformen zeigt, dass solche Kooperationen nicht nur die Zivilgesellschaft nach innen stärken, sondern dass auch die Gesellschaft insgesamt von der transsektoralen Zusammenarbeit profitiert. Empirisch zeigt sich, dass eine Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen und Verwaltungen insbesondere auf kommunaler Ebene erfolgt und weniger auf Bundesebene – und dass die Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Organisationen und Unternehmen im Vergleich dazu gering ausfällt. Auch in Bezug auf die konkreten Handlungsfelder lassen sich deutliche Unterschiede feststellen.

Die Gelingensbedingungen für erfolgreiche Kooperationen innerhalb der Zivilgesellschaft und mit ZGOs sind zahlreich, am wichtigsten aber erscheint (gegenseitiges) Vertrauen, eine einheitliche Kooperationsrichtung und die Möglichkeit zur Bewahrung von Eigenständigkeit. Dem ließen sich noch Wertschätzung und flache Hierarchien hinzufügen – die sprichwörtliche Augenhöhe, auf der die Partner miteinander umgehen können sollten. Auch schiere Größe, Kapazitäten und Ressourcen sind kritische Faktoren beim Gelingen von Kooperation, ebenso wie eine gewisse kulturelle Ähnlichkeit, etwa ähnliche Visionen oder vergleichbare Netzwerke. Die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom wiederum argumentiert, dass sich solche einzelnen Faktoren nur schwer generalisieren lassen – vielmehr brauche Kooperation Kommunikation und eine gewisse Wiederholung.

Doch wie dem auch sei: Außer Frage steht, dass Kooperationen innerhalb und mit der Zivilgesellschaft positive Effekte für die gesamte Gesellschaft nach sich ziehen. Diskussionen wie jene, ob diese zivilgesellschaftlichen Gruppierungen politisch hinreichend „neutral“ seien, gehen an den entscheidenden Fragen der täglichen Kooperationsarbeit vorbei. Diese lauten nicht, ob ZGOs politisch auf Linie gebracht werden müssen, sondern, wie die notwendigen Kooperationen zwischen Zivilgesellschaft, Staat und restlicher Gesellschaft zum Wohle aller verbessert werden können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. hierzu die Bundestagsdrucksache (BT-Drs.) 20/15035 sowie exemplarisch die Drucksachen der Landtage Mecklenburg-Vorpommern (8/4639), Nordrhein-Westfalen (18/13444) und Saarland (17/1426). Für die europäische Ebene vgl. Stefan Beutelsbacher/Axel Bojanowski, Die mächtige EU-Schattenlobby, in: Welt am Sonntag, 8.6.2025, S. 17.

  2. Diese Bewertung wird hier nicht weiter kommentiert. Vgl. aber den von 2169 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterzeichneten offenen Brief anlässlich der Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen, Externer Link: https://doi.org/10.17176/20250305-001113-0; Civil Society Europe, NGOs Under Attack. 600 Organisations Join Forces to Defend Civil Society, Externer Link: https://civilsocietyeurope.eu/wp-content/uploads/2025/05/07.05-Civil-Society-Europe-NGO-Funding-Statement.pdf.

  3. Vgl. Christoph Gille et al. (Hrsg.), Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste, Baden-Baden 2024.

  4. Vgl. Deutscher Bundestag, Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, BT-Drs. 14/8900, S. 38.

  5. Vgl. Richard Sennett, Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält, Berlin 20195.

  6. Für eine Unterscheidung der einzelnen Rechts- und Organisationsformen vgl. Matthias Freise, Organisations- und Rechtsformen. Die Infrastruktur zivilgesellschaftlichen Engagements, in: Christoph Gille et al. (Anm. 3), S. 245–257; Birgit Weitemeyer, Eine neue Gemeinnützigkeit? Organisations- und Rechtsformen von Nonprofit-Organisationen, in: Annette Zimmer/Ruth Simsa (Hrsg.), Forschung zu Zivilgesellschaft, NPOs und Engagement. Quo vadis?, Wiesbaden 2014, 41–62.

  7. Stefan Schick, Kooperationen in der Sozialwirtschaft – Grundlagen, in: ders. (Hrsg.), Kooperationen in der Sozialwirtschaft. Sonderband 2017 der Zeitschriften Blätter der Wohlfahrtspflege und Sozialwirtschaft, Baden-Baden 2017, S. 11–31, hier S. 12.

  8. Vgl. Beth Gazley/Chao Guo, What Do We Know About Nonprofit Collaboration? A Systematic Review of the Literature, in: Nonprofit Management and Leadership 2/2020, S. 211–232; ChiaKo Hung/Beth Gazley/Chao Guo, Antecedents of Nonprofit Collaboration: A Meta-Analysis, in: Nonprofit Management and Leadership 2025, Externer Link: https://doi.org/10.1002/nml.21664.

  9. Vgl. z.B. Martin Schunk, Intersektorale und Nonprofit-Kooperationen: Bedeutung, Bewertung und Wirkung. Nachweisführung anhand der Spieltheorie und Erweiterung um einen Impact-Parameter, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 4/2019, S. 393–407.

  10. Vgl. Gazley/Guo (Anm. 8), S. 213.

  11. Vgl. Herbert Schubert, Kooperation, in: Fachlexikon der Sozialen Arbeit, Baden-Baden 20229, S. 525ff., hier S. 525.

  12. Vgl. ebd. Zu Strategien zwischen diesen Extrempositionen vgl. Maike A. Diepeveen, How Advocacy Nonprofits Interact With and Impact Business: Introducing a Strategic Confrontation and Collaboration Interaction Model (SCCIM), in: Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly 4/2024, S. 1074–1088.

  13. Vgl. Rupert Graf Strachwitz/Eckhard Priller/Benjamin Triebe, Handbuch Zivilgesellschaft, Berlin–Bosten 2020, S. 142. Strachwitz et al. selbst sprechen von „Arenen“; vgl. auch Frank Adloff, Zivilgesellschaft. Theorie und politische Praxis, Frankfurt/M.–New York 2005, S. 8.

  14. Vgl. Robert D. Putnam, Bowling Alone. The Collapse and Revival of American Community, New York 2000.

  15. Vgl. z.B. Paul Lichterman, Elusive Togetherness: Church Groups Trying to Bridge America’s Divisions, Princeton 2005, S. 26ff.

  16. Vgl. Andreas Kewes/Moritz Müller/Chantal Munsch, Why Cooperation in Volunteer Work Can Fail Despite the Best Intentions: Conflicting Ideas in Narrations from Volunteers, in: Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly 2024, Externer Link: https://doi.org/10.1177/08997640241301767.

  17. Vgl. dies., Kooperationsbeziehungen im Engagement, in: Christoph Gille/Katja Jepkens (Hrsg.), Teilhabe und Ausschlüsse im Engagement. Ergebnisse empirischer Forschungsprojekte zu formellem und informellem Engagement, Baden-Baden 2022, S. 67–84.

  18. Vgl. Anna Einarsdóttir/Salome U. Osia, „That’s My Job“: Tensions Between Employees and Volunteers in the Fire Service, in: Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly 4/2020, S. 871–889; Sibylle Studer/Georg von Schnurbein, Organizational Factors Affecting Volunteers. A Literature Review on Volunteer Coordination, in: Voluntas 2/2013, S. 403–440.

  19. Vgl. Jürgen Schumacher, Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlichen in Pflege, Sport und Kultur. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Berlin 2015.

  20. Vgl. Dieter Rucht, Kollektive Proteste und soziale Bewegungen. Eine Grundlegung, Weinheim 2023, S. 20ff.

  21. Vgl. ders., Social Movements. A Theoretical Approach, Oxford 2023, S. 163ff.

  22. Vgl. ebd., S. 172ff.

  23. Vgl. ebd., S. 159.

  24. Vgl. Rucht (Anm. 20), S. 78.

  25. Vgl. Lester M. Salamon/Stefan Toepler, Government–Nonprofit Cooperation: Anomaly or Necessity?, in: Voluntas 6/2015, S. 2155–2177.

  26. Vgl. Ruth Simsa/Annette Zimmer, Quo vadis?, in: Zimmer/Simsa (Anm. 6), S. 11–37, hier S. 13f.

  27. Vgl. Lars Holtkamp, Formen kommunaler Demokratie. Direkt – Repräsentativ – Kooperativ, Frankfurt/M. 2017, S. 183ff.

  28. Vgl. Schick (Anm. 7).

  29. Vgl. Christine Steiner/Alexander Kanamüller/Ronald Langner, Zusammen ganz anders? Zu den Verhältnissen zwischen ganztätiger Bildung und Zivilgesellschaft, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 4/2024, S. 536–547.

  30. Vgl. Heinz-Jürgen Stolz, Beteiligung neu denken. Bildungslandschaft und Zivilgesellschaft, in: Christine Steiner et al. (Hrsg.), Gemeinsam für bessere Bildung?! Zivilgesellschaftliche Akteure in kommunalen Bildungslandschaften, Weinheim 2024, S. 178–191.

  31. Christine Steiner et al., Zivilgesellschaftliche Organisationen in kommunalen Bildungslandschaften. Eine Schlussbetrachtung, in: dies. (Anm. 30), S. 192–200, hier S. 193.

  32. Vgl. Steiner/Kanamüller/Langner (Anm. 29).

  33. Vgl. Salamon/Toepler (Anm. 25), S. 2169.

  34. Vgl. Tuuli-Marja Kleiner/Andreas Klärner, Bürgerschaftliches Engagement in ländlichen Räumen. Politische Hoffnungen, empirische Befunde und Forschungsbedarf, Thünen Working Paper 129/2019, S. 10ff. Silke van Dyk und Tine Haubner sprechen gar noch offensiver von der Ausbeutung der Kooperationsbereitschaft der engagierten Zivilgesellschaft und schlagen dagegen „eine Politik des Insourcing der Gesellschaft in die wohlfahrtsstaatlichen Strukturen“ vor. Vgl. Silke van Dyk/Tine Haubner, Community-Kapitalismus, Hamburg 2021, S. 151ff., Zitat S. 160.

  35. Vgl. Diepeveen (Anm. 12).

  36. Nicht besprochen werden kann hier das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und NGOs, denen unterstellt werden könnte, dass sie eigentlich verschiedenen Handlungsmaximen folgen, obwohl sie bei bestimmten Kampagnen zusammenarbeiten. Vgl. dazu Edmund Heery/Steve Williams/Brian Abbott, Civil Society Organizations and Trade Unions: Cooperation, Conflict, Indifference, in: Work, Employment and Society 1/2012, S. 145–160; Melanie Kryst, Transnationale Bündnisse von Gewerkschaften und NGOs. Strategien in Interaktion, in: Industrielle Beziehungen 2/2018, S. 209–230.

  37. Vgl. Dennis A. Rondinelli/Ted London, How Corporations and Environmental Groups Cooperate: Assessing Cross-Sector Alliances and Collaborations, in: The Academy of Management Executive 1/2003, S. 61–76.

  38. Vgl. Kate Odziemkowska/Mary-Hunter McDonnell, Ripple Effects: How Collaboration Reduces Social Movement Contention, in: Strategic Management Journal 4/2024, S. 775–806.

  39. Vgl. Peter Schubert/David Kuhn, Monitor Unternehmensengagement 2025. Farbe bekennen, in Notlagen helfen, Mehrwerte generieren: Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen im Wandel, Berlin 2025, S. 36ff.

  40. Vgl. ebd., S. 13f.

  41. Vgl. Kate Odziemkowska, Frenemies: Overcoming Audiences’ Ideological Opposition to Firm–Activist Collaborations, in: Administrative Science Quarterly 2/2022, S. 469–514.

  42. Vgl. Rondinelli/London (Anm. 37), S. 67.

  43. Vgl. ebd., S. 64ff.

  44. Vgl. Schubert/Kuhn (Anm. 39), S. 20f.

  45. Vgl. BMFSFJ, Vierter Engagementbericht. Zugangschancen zum freiwilligen Engagement und Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 20/14120, S. 136.

  46. Vgl. Schubert/Kuhn (Anm. 39), S. 12ff.

  47. Vgl. Peter Schubert/David Kuhn/Birthe Tahmaz, ZiviZ-Survey 2023. Zivilgesellschaftliche Organisationen im Wandel – Gestaltungspotenziale erkennen. Resilienz und Vielfalt stärken, Berlin 2023, S. 56ff.

  48. Vgl. Sara Sohrabi/Sabine Süß, Zivilgesellschaftliche Bildungsakteure als Kooperationspartner vor Ort, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 4/2024, S. 524–535, hier S. 530ff.

  49. Vgl. Hung/Gazley/Guo (Anm. 8).

  50. Vgl. Elinor Ostrom, Analyzing Collective Action, in: Agricultural Economics S1/2010, S. 155–166.

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ist promovierter Soziologe und Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie und Genderforschung der Deutschen Sporthochschule in Köln.