Spätestens seit der Debatte um die kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen der Zivilgesellschaft, diversen ähnlichen Anfragen in den Landesparlamenten sowie der Debatte über EU-Zahlungen an Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ist das Handeln zivilgesellschaftlicher Organisationen (im Weiteren: ZGOs) in den Fokus einer breiteren öffentlichen Diskussion gerückt.
Gleichwohl ist es nicht so, dass ZGOs ausschließlich politischen Druck ausüben, wie dies in der jüngsten Debatte teilweise unterstellt wird. Mindestens ebenso wichtig sind die Kooperationsleistungen innerhalb und im Zusammenspiel mit der Zivilgesellschaft. Diese Kooperationen erfüllen spezifische Funktionen für die Gesellschaft, die nicht ohne Weiteres von anderen Akteuren erbracht werden können. Im Folgenden soll deshalb danach gefragt werden, was wissenschaftlich über Kooperationen in und mit ZGOs bekannt ist, gerade auch über den gesellschaftlichen Sektor der Zivilgesellschaft hinaus. Denn ZGOs – das meint hier Non-Profit-Organisationen, NGOs, Vereine, Verbände und Initiativen – gestalten nicht nur den eigenen gesellschaftlichen Sektor, sondern erbringen in Koproduktion mit anderen Akteurinnen und Akteuren auch öffentliche Aufgaben und Leistungen.
Begriff der Kooperation
Kooperation bezeichnet das Zusammenwirken von unabhängigen Akteurinnen und Akteuren zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels. Sie gilt als eine „handwerkliche Kunst, einander zu verstehen und aufeinander zu reagieren, um gemeinsames Handeln zu ermöglichen und um etwas zu schaffen, das allein nicht zu bewerkstelligen ist“.
Zur Annäherung an den Begriff der Kooperation sind zunächst allgemeinere Unterscheidungen hilfreich: Kooperationen können ad hoc entstehen und/oder auf Dauer angelegt sein; sie betreffen mitunter nur zwei kooperierende Akteure, manchmal aber auch große und umfangreiche Netzwerke und Bündnisse; in diesen wiederum kann sowohl die Zieldefinition als auch die Übereinkunft, wie dieses Ziel zu erreichen sei, unterschiedlich ausgestaltet sein. Alternative Begrifflichkeiten in diesem Zusammenhang sind Kollaborationen, Partnerschaften, Netzwerke oder Allianzen.
Maßgeblich ist, dass ein mitunter komplexer Gegenstand oder ein Problem gemeinsam bearbeitet wird und dass dabei auf die gegensätzliche Strategie der Konkurrenz verzichtet wird.
Kooperation innerhalb der Zivilgesellschaft
Kooperation, zivilgesellschaftliches Engagement und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind ein bekannter diskursiver Zusammenhang, nicht zuletzt seit den Arbeiten des amerikanischen Politologen Robert Putnam. Dieser ist auch deswegen Ende der 1990er Jahre in Deutschland mit seiner Klage über zurückgehendes Engagement in den USA bekannt geworden, weil er einen wichtigen Mechanismus betont: Kooperation in der Zivilgesellschaft schaffe Vertrauen und den Glauben an die Geltung von Reziprozitätsnormen. Davon profitiere die Gesellschaft insgesamt, weil sie so ihr sogenanntes soziales Kapital steigern könne.
Auf der Mikroebene zeigt sich empirisch gleichwohl die Ambivalenz von Kooperationsbeziehungen: Selbst bei besten Absichten kann Kooperation scheitern, weil beispielsweise unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, wer eigentlich legitimerweise Ziele definieren oder Wege zu ihrem Erreichen vorschlagen darf.
Ein zusätzlicher Aspekt, der insbesondere die Zivilgesellschaft betrifft, der aber auch in die transsektorale Kooperation überlappt, ist die Kooperation zwischen haupt- und ehrenamtlichen Kräften.
Über Kooperation auf der Mesoebene lässt sich vor allem durch die Analyse von sozialen Bewegungen einiges lernen. Soziale Bewegungen sind laut Definition Netzwerke von Organisationen und Einzelpersonen, sie sind also immer auch Ergebnis zivilgesellschaftlicher Kooperation.
Bei der Entscheidungsfindung innerhalb von Bewegungen spielt Macht eine ambivalente Rolle, denn diese kann in geradezu widersprüchlichen Konstellationen Kooperationen in Gang setzen: Die Bewegungsforschung kennt sowohl Beispiele, in denen (charismatische) Führungsfiguren oder eine hierarchische Struktur ein Zusammenwirken auf gewisse Dauer ermöglicht haben, als auch Versuche der hierarchiefreien Entscheidungsfindung in Graswurzelbewegungen, etwa in den Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre. Wie auf der individuellen Ebene zeigt sich auch hier die wechselseitige Unverträglichkeit von horizontaler und vertikaler Entscheidungsfindung und Zielbestimmung: In der globalisierungskritischen und antikapitalistischen Bewegung beispielsweise hat das Vorhandensein dieser gegensätzlichen Kooperationslogiken dauerhafte Kooperationen verhindert, weil insbesondere jüngere, an egalitären Entscheidungsfindungsprozessen interessierte Organisationen nicht (mehr) mit jenen Organisationen zusammenarbeiten wollten, die eher konventionellen, vertikalen Organisationslogiken folgten.
Eine stärker abstrahierende, auch ländervergleichende Perspektive zeigt zudem die Volatilität von Kooperationen zwischen Bewegungsorganisationen: So gilt etwa die deutsche Umweltbewegung im Vergleich zur französischen als eher integriert, weil in Deutschland – anders als in Frankreich – unterschiedliche Gruppen gemeinsam an politischen Zielen arbeiten.
Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Staat
Kooperationen zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und dem Staat sind bei Weitem nicht so unüblich oder konfliktbeladen, wie es nach der jüngst so hitzig geführten politischen Debatte über zivilgesellschaftliche Akteure anmutet. Im Gegenteil: Staatliche Akteure kooperieren regelmäßig mit ZGOs, weil diese oft über eine höhere Flexibilität, besseren Zugang zu Zielgruppen oder eine kostengünstigere Verwaltungsstruktur verfügen.
Ein maßgeblicher Befund für Deutschland lautet, dass zwar bestimmte Formen des Makrokorporatismus gescheitert sind – ein Beispiel wäre etwa das „Bündnis für Arbeit“ –, dass sich aber insbesondere auf kommunaler Ebene Formen des Mesokorporatismus durchgesetzt haben.
Konkret wird staatlich-zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit im Bereich der Bildung, etwa bei Angeboten der offenen Ganztagsbetreuung,
Kooperationen zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren zeichnen sich zum einen durch ein Legitimierungsverhältnis aus – zivilgesellschaftliche Beteiligung etwa bei Verbändeanhörungen in Gesetzgebungsverfahren und bei Entscheidungsfindungen legitimiert staatliches Handeln – und zum anderen durch ein Dienstleistungsverhältnis: Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure erbringen Dienstleistungen für den Staat. Entsprechend kritisch wird dieses Verhältnis mitunter betrachtet: Seitens der ZGOs etwa besteht die Sorge vor dem Verlust ihrer Autonomie, wenn es durch die Akquise öffentlicher Gelder zu einer Verzerrung der eigenen Struktur oder Mission kommt – etwa durch eine mögliche Bürokratisierung, eine Überprofessionalisierung bei dem Versuch, staatlichen Handlungsmaximen zu entsprechen, oder durch die Drosselung der eigenen Lobbyarbeit, um die öffentliche Finanzierung nicht zu gefährden.
Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Markt
Im Vergleich zum Verhältnis zwischen Akteurinnen und Akteuren aus Staat und Zivilgesellschaft scheint das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Wirtschaft noch wenig beforscht,
Doch ist das Verhältnis zwischen ZGOs und Wirtschaftsunternehmen keineswegs so konfliktgeladen, wie es angesichts der Bilder demonstrierender Umweltorganisationen vor Bohrinseln oder in Braunkohletagebauen den Anschein hat. Bereits Anfang der 2000er Jahre wurden in Studien zahlreiche Gründe genannt, weshalb eine Kooperation zwischen Unternehmen und Umwelt-NGOs aus Sicht der Wirtschaft sinnvoll sein kann: um einer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme zu helfen oder vom Wissen einer NGO zu profitieren – etwa bei der Suche nach kreativen Lösungen, bei der Entwicklung von neuen Produkten oder neuen Wegen des Marketings.
Für eine erfolgreiche Kooperation müssen Misstrauen überwunden und fehlende Erfahrungen mit der Arbeitsweise der jeweils anderen Seite kompensiert werden – dies gilt insbesondere für Bewegungs-NGOs, die ihrerseits von anderen Bewegungsorganisationen beobachtet werden
Nach aktuellen Zahlen unterstützen in Deutschland zahlreiche Unternehmen die Freiwilligenarbeit ihrer Mitarbeitenden im Rahmen von Corporate Volunteering, beispielsweise durch Freistellungen zugunsten gemeinnütziger Projekte.
Fazit
Dieser kursorische Überblick über verschiedene zivilgesellschaftliche Kooperationsformen zeigt, dass solche Kooperationen nicht nur die Zivilgesellschaft nach innen stärken, sondern dass auch die Gesellschaft insgesamt von der transsektoralen Zusammenarbeit profitiert. Empirisch zeigt sich, dass eine Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen und Verwaltungen insbesondere auf kommunaler Ebene erfolgt und weniger auf Bundesebene – und dass die Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Organisationen und Unternehmen im Vergleich dazu gering ausfällt. Auch in Bezug auf die konkreten Handlungsfelder lassen sich deutliche Unterschiede feststellen.
Die Gelingensbedingungen für erfolgreiche Kooperationen innerhalb der Zivilgesellschaft und mit ZGOs sind zahlreich, am wichtigsten aber erscheint (gegenseitiges) Vertrauen, eine einheitliche Kooperationsrichtung und die Möglichkeit zur Bewahrung von Eigenständigkeit. Dem ließen sich noch Wertschätzung und flache Hierarchien hinzufügen – die sprichwörtliche Augenhöhe, auf der die Partner miteinander umgehen können sollten.
Doch wie dem auch sei: Außer Frage steht, dass Kooperationen innerhalb und mit der Zivilgesellschaft positive Effekte für die gesamte Gesellschaft nach sich ziehen. Diskussionen wie jene, ob diese zivilgesellschaftlichen Gruppierungen politisch hinreichend „neutral“ seien, gehen an den entscheidenden Fragen der täglichen Kooperationsarbeit vorbei. Diese lauten nicht, ob ZGOs politisch auf Linie gebracht werden müssen, sondern, wie die notwendigen Kooperationen zwischen Zivilgesellschaft, Staat und restlicher Gesellschaft zum Wohle aller verbessert werden können.