Auswärtige Kulturpolitik gilt als „Basis für starke internationale Beziehungen“.
Ziel auswärtiger Kulturpolitik ist es, die internationalen Beziehungen Deutschlands durch Kunst, Bildung und Kulturaustausch im Ausland zu gestalten. Dabei stehen sowohl Dialog und Kooperation mit Partnerländern im Zentrum als auch die kulturelle Selbstdarstellung Deutschlands, die der Vermittlung eines modernen Deutschlandbildes dienen soll. Als aktuelle Ziele definiert das Auswärtige Amt: „[I]m Ausland für Deutschland interessieren und einen Dialog und Austausch starten; Verständnis für unsere Werte und Unterstützung für unsere Politik in Europa und der Welt schaffen; Menschen für Deutschland als ein modernes und weltoffenes Land, einen Hub für Kreativität und Innovation begeistern; Kultur- und Kommunikationspolitik europäisch denken und eine europäische Öffentlichkeit fördern.“
Es geht demnach nicht nur um Deutschlands Einfluss in der Welt, sondern auch um seine Repräsentation und eine demokratische Wertevermittlung – und darum, internationales Interesse an Deutschland zu wecken. Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist ein zentraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik, wichtiges Element der Soft Power Deutschlands und damit ein strategisches Instrument im globalen Wettbewerb um Ansehen, Einfluss, Narrative, Ideen und Werte. (…) Wir werden sie und die strategische Auslandskommunikation gezielt weiterentwickeln und als geopolitisches Instrument noch wirkungsvoller an unseren Werten und Interessen ausgerichtet einsetzen.“
Nach dem Politikwissenschaftler Joseph Nye ist Soft Power „Macht durch Anziehung“, die sich durch die Überzeugungskraft und Attraktivität des eigenen Landes, seiner Werte und Politik auszeichnet. Demnach entsteht Einfluss ohne Zwänge, militärische Gewalt oder wirtschaftliche Anreize.
Innerhalb der Kulturdiplomatie zeigen sich unterschiedliche Narrative und Strategien. Während Deutschland auf Austausch, Kooperation und den Aufbau langfristiger Beziehungen setzt, verfolgt beispielsweise China Konzepte wie „gegenseitigen Respekt, friedliche Koexistenz und Win-win-Kooperation“. Frankreich hingegen betreibt eine Außenkulturpolitik, die sehr nah an der diplomatischen Arbeit angesiedelt ist und auf Einflussnahme und die Verbreitung der französischen Kultur, verzahnt mit Kulturaustausch, abzielt.
In Deutschland wurde der Begriff der „auswärtigen Kulturpolitik“ (AKP) 1911 durch den Kulturhistoriker Karl Lamprecht geprägt. Anpassungen erfuhr er zuletzt in den späten 1990er und 2000er Jahren, als Bildung stärker als Ziel fokussiert und mit dem Begriff der „auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“ (AKBP) spezifiziert wurde, sowie in der Amtszeit von Außenministerin Annalena Baerbock (2021–2025), als er zur „auswärtigen Kultur- und Gesellschaftspolitik“ (AKGP) avancierte, um seine gesellschaftlichen Dimensionen und Effekte stärker herauszustellen.
Die Implementierung der auswärtigen Kulturpolitik erfolgt über sogenannte Mittlerorganisationen. Diese schließen Rahmenverträge mit dem Auswärtigen Amt ab und entwickeln darauf basierend eigene, oftmals regionalspezifische Strategien. Beispiele für solche Mittlerorganisationen sind das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), die Deutsche Welle, die Deutsche UNESCO-Kommission, die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Pädagogische Austauschdienst (PAD) oder das Deutsche Historische Institut (DHI). Das Goethe-Institut, die größte deutsche Mittlerorganisation, ist seit 1952 an 150 Standorten in 99 Ländern weltweit aktiv.
Die Formate auswärtiger Kulturpolitik sind je nach Zielsetzung und Adressat:innen sehr unterschiedlich. Sie umfassen beispielsweise die Förderung von Künstler:innen durch Mobilitätshilfen oder Ko-Produktionsfonds, Kulturevents wie die „Deutschen Filmwochen“ oder internationale Ausstellungstouren, Fortbildungsprogramme für Theatertechniker:innen, Residenzprogramme (etwa in der Villa Aurora in Los Angeles), Jugendaustauschprogramme, Film- und Medienproduktionen der Deutschen Welle, die Veranstaltung von „Deutschlandjahren“ im Ausland, Übersetzungsförderungen deutschsprachiger Bücher oder Städtepartnerschaften. In den vergangenen Jahren wuchs die Bedeutung von Schutzprogrammen für gefährdete Künstler:innen im Ausland, und auch der Umgang mit Desinformation, Fake News und populistischer Manipulation wurde häufiger thematisiert, ebenso die Aufarbeitung kolonialer Vermächtnisse.
Durch die organisatorische Ansiedlung der auswärtigen Kulturpolitik beim Auswärtigen Amt ist sie einerseits Teil der Steuerung der auswärtigen Beziehungen Deutschlands, andererseits sollen mit ihr internationaler Kulturaustausch und dialogische Prozesse mit den Partnerländern aufgebaut werden.
Die Bundesregierung stellte im Jahr 2023 rund 2,1 Milliarden Euro für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zur Verfügung.
Wertevermittlung durch Kulturaustausch?
Bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Wertevermittlung ein starker impliziter Bestandteil der deutschen auswärtigen Kulturpolitik. Ziel war die Etablierung eines neuen Deutschlandbildes in der Welt und die Förderung von Frieden und Versöhnung. Im Zuge des deutschen Vereinigungsprozesses nach 1990 wurde dies weiter gestärkt. Insbesondere seit der „Konzeption 2000“ des Auswärtigen Amts gehören explizit die Vermittlung von Werten wie Frieden und Demokratie sowie die Förderung von Krisenprävention, Menschenrechten und Meinungsfreiheit zu den zentralen Ansätzen. In der „Konzeption 2011“ zeigt sich beispielhaft, wie diese Ziele definiert werden. So sind nach 2012 zum Beispiel Demokratisierungsprozesse im Rahmen der Transformationspartnerschaften mit arabischen Ländern verstärkt unterstützt worden. Der Anspruch des Goethe-Instituts war es hier, kulturspezifische Wege der Demokratieförderung aufzuzeigen, da die neuen politischen Realitäten mit veränderten Bedürfnissen und Interessen der Bevölkerung einhergingen und auch neue Handlungsmöglichkeiten für ausländische Akteure mit sich brachten.
In den vergangenen Jahren, insbesondere seit der sogenannten Zeitenwende 2022, verschiebt sich das Narrativ aufgrund der zahlreichen weltweiten Krisen und Konflikte stark in Richtung Sicherheitspolitik. „Ihr Engagement“, so die damalige Außenministerin Annalena Baerbock, „ist gefordert wie nie zuvor, weil Kulturpolitik auch ganz klar Sicherheitspolitik ist. Wenn wir die Freiheit von Kultur, Wissenschaft und Medien fördern, dann stärken wir damit auch die Freiheit und Sicherheit der Menschen.“
Im 27. Bericht der Bundesregierung über die auswärtige Kultur- und Gesellschaftspolitik für das Jahr 2023 wurde angesichts des Ukrainekriegs, dem Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan, dem Bürgerkrieg im Sudan und der Konflikte im Nahen Osten ebenfalls ein verstärkter Fokus auf Wertevermittlung gelegt. Es gelte, „Deutschlands Werte und Interessen in der ganzen Welt besser und verständlicher zu erklären“, heißt es im Bericht.
Derzeit ist die auswärtige Kulturpolitik mit massiven Kürzungen konfrontiert, die Umstrukturierungen erfordern. Im Zuge der Haushaltskürzungen der Ampelregierung wurden seit 2022 neun Goethe-Institute in Europa (etwa in Frankreich, Italien und den Niederlanden) und den USA geschlossen (zum Beispiel in Washington, D.C.), zugleich wurden Dependancen in Georgien, Armenien oder der Republik Moldau neu eröffnet. Die Kürzungen führen einerseits zu schlankeren Strukturen, mehr digitalen Formaten, einem gezielteren Ressourceneinsatz (auch durch Umstrukturierungen innerhalb von Regionen) und einer Reduktion der Präsenz in Westeuropa – mit neuer Fokussierung auf Regionen mit geopolitischen Herausforderungen. Andererseits ist das Goethe-Institut stärker auf das Einwerben von Drittmitteln angewiesen, da durch die Kürzungen oftmals weniger Mittel für die Programmarbeit zur Verfügung stehen. Das alles führt zwar zu einer stärkeren europäischen Zusammenarbeit in der Außenkulturpolitik, reduziert aber zugleich die Präsenz vor Ort, womit potenziell ein Verlust an Soft Power einhergeht.
Wertevermittlung als Soft-Power-Instrument und zentraler Bestandteil deutscher auswärtiger Kulturpolitik ist nicht unumstritten. Kunst und Kultur laufen Gefahr, als Teil eines Kulturimperialismus instrumentalisiert zu werden, wenn sie im Rahmen der Demokratieförderung für den Export von Werten eingesetzt werden.
Das Bild ist demnach durchaus ambivalent: Einerseits ist die auswärtige Kulturpolitik geprägt von einer instrumentellen Ausrichtung auf das Ziel einer aktiven Wertevermittlung zur „Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts“ Deutschlands und zur Unterstützung von Demokratisierungsprozessen. Andererseits verfügen die Mittlerorganisationen bei der Umsetzung der Kulturarbeit und der Förderung des Kulturaustauschs über große Freiheiten in ihren inhaltlichen Entscheidungen und bei der Auswahl der strategischen Partner, die sie durchaus auch wahrnehmen, was ihre Unabhängigkeit unterstreicht.
Kulturelle Zusammenarbeit aus lokaler Perspektive
Die Modalitäten des Kulturaustauschs haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Früher lag der Fokus auf Kulturexporten und der Darstellung Deutschlands im Ausland, heute stehen zunehmend ein gleichberechtigter Austausch und langfristige Partnerschaften auf Augenhöhe im Vordergrund. Internationale Kooperationen und Koproduktion in den Künsten, die auch die lokalen Bedürfnisse der Kulturakteur:innen berücksichtigen, werden verstärkt gefördert. Der Kulturwissenschaftler Wolfgang Schneider beschreibt dies als einen Prozess von der „Einbahnstraße“ zur „Zweibahnstraße“.
Lokale Künstler:innen begrüßen und schätzen oftmals das Engagement von verlässlichen externen Partnern wie dem Goethe-Institut. Das spielt etwa eine wichtige Rolle bei der Förderung und Entwicklung der kulturellen Infrastruktur und der professionellen Aus- und Fortbildung in den Zielländern, beispielsweise beim Kulturmanagement. In Ägypten oder Tunesien zum Beispiel sind internationale Workshops, Trainings und Stipendien die Hauptformate des Wissensaustauschs. Auch an der Dezentralisierung der Kulturarbeit abseits der Metropolen und am besseren Zugang zu Ressourcen wird gemeinsam gearbeitet. Diese Formate kompensieren einerseits mangelnde formale Ausbildungen und Zugänge, gehen andererseits aber zugleich mit anhaltenden internationalen Abhängigkeiten einher.
Die lokalen Bedürfnisse stehen dabei oftmals in einem klaren Spannungsverhältnis zu Wertevermittlung und Soft Power. Es gilt daher kritisch zu hinterfragen, wie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe, oft als „Fair Cooperation“ definiert, tatsächlich umgesetzt werden kann.
Interessant ist, dass das Goethe-Institut in seiner Selbstdefinition die Rolles des Ermöglichers und Partners einnimmt, während lokale Künstler:innen es überwiegend als Sponsor sehen – eine Rolle, die sich das Institut selbst nicht primär zuschreibt. Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis des Goethe-Instituts (und anderer Organisationen) und der tatsächlichen Wahrnehmungen durch Künstler:innen in den Partnerländern: Gerade die starke finanzielle Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern ist in vielen Weltregionen ein wunder Punkt bei der Implementierung auswärtiger Kulturpolitik. Finanzierungsstrukturen und damit verbundene Prioritäten sind oft mit vordefinierten europäischen Agenden verbunden. Dadurch wird die thematische Ausrichtung häufig durch „westliche“ Terminologien und Begriffe geprägt wie „Empowerment“, „Entwicklung“ oder „Gender“. Westliche Kulturinstitute bringen oft feste Definitionen dieser Begriffe mit, die teilweise nur wenig Spielraum für lokale Ausformungen lassen.
Langfristiges Vertrauen und die Grenzen von Soft Power
Der Aufbau von Vertrauen als Kern internationaler kultureller Zusammenarbeit ist in einer fragilen und krisengeprägten Welt überaus wichtig. Um Soft Power auszuüben, braucht es Vertrauen. Vertrauen wiederum entsteht durch offene Konversation, Transparenz und den Willen zum Dialog. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass Vertrauen in Institutionen oft auf individuellem Handeln basiert und durch persönliche Integrität ermöglicht wird. Viele Expert:innen beschreiben Vertrauen nicht als Instrument, sondern als gemeinsamen Prozess, der Zeit, langfristiges Engagement, Dialog, Transparenz und Offenheit erfordert. Zu den Voraussetzungen für eine resiliente internationale Kulturkooperation gehören deshalb die Pflege vertrauensvoller Netzwerke ebenso wie Investitionen in die Kontinuität von Zusammenarbeit. Wenn auswärtige Kulturpolitik und ihre jeweiligen Mittlerorganisationen „kulturelle Ökosysteme“ statt einmaliger Pilotprojekte fördern, können solche langfristigen Beziehungen entstehen. Wichtig hierfür sind Co-Kreation, lokale Relevanz und kontextspezifische Ansätze.
Angesichts einer sich rasant verändernden Geopolitik stellt sich abschließend die Frage, wie zeitgemäß das Narrativ von auswärtiger Kulturpolitik als einer dritten Säule der Außenpolitik noch ist. Angesichts der wachsenden Relevanz von Soft Power in einer multipolaren Welt behält die Vermittlung von Werten sicherlich ihr Gewicht, Vertrauen ist hierbei von enormer Bedeutung. Gleichzeitig aber lässt sich eine zunehmende Instrumentalisierung der Kulturpolitik für außenpolitische Ziele oder sicherheitspolitische Interessen beobachten. Der Politikwissenschaftler Günther Maihold spricht hier von einer „Konvergenzvorgabe“: „Mit der Richtschnur einer ‚Außenpolitik aus einem Guss‘ durch die neue Bundesregierung wird implizit eine politische Konvergenzvorgabe statuiert, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einer gemeinsamen Agenda für Handel und Sicherheitspolitik sowie auswärtiger Kulturpolitik verschmelzen will.“
Diese neue sicherheitspolitische Priorisierung könnte, verbunden mit den Kürzungen bei der auswärtigen Kulturpolitik, langfristig zu einem Verlust an Soft Power führen. Eine stärkere europäische Zusammenarbeit könnte dies ein Stück weit kompensieren, jedoch drängen Nationen wie China ebenfalls auf Einfluss, hier etwa durch die Konfuzius-Institute. Auch die Entwicklungen in den USA unter Präsident Donald Trump, der sein Land aus vielen kulturpolitischen Bereichen kulturell und diplomatisch zurückzieht – der Austritt aus der UNESCO ist das sichtbarste Beispiel –, werden langfristig Auswirkungen auf das globale Soft-Power-Gefüge haben.
Auswärtige Kulturpolitik stößt in vielen Kontexten an Grenzen. In autoritären oder restriktiven Staaten sowie im Rahmen der Demokratisierungsförderung bleibt ihr Einfluss oft gering und reaktiv, da Zugang, Infrastruktur und Ressourcen begrenzt sind. Zudem werden eurozentrische Perspektiven, koloniale Kontinuitäten und subtile Einflussstrategien, die westliche Dominanz bewusst oder unbewusst fortschreiben, vor Ort kritisch gesehen. Viele Formate erreichen nur begrenzte Zielgruppen, wodurch eine breitere gesellschaftliche Wirkung erschwert wird. Oftmals wird an der auswärtigen Kulturpolitik auch die fragmentierte kulturpolitische Landschaft, eine unklare Abgrenzung der Zuständigkeiten, eine unübersichtliche Vielzahl von Förderinstrumenten und ein hoher Koordinationsaufwand kritisiert.
Doch trotz all dieser Limitationen besitzt auswärtige Kulturpolitik das Potenzial, als „kluge Positionierung in dieser volatilen Welt von hoher Bedeutung“ zu sein, beispielsweise, um freiheitliche Werte zu fördern.