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Liberale Weltordnung Editorial Liberale Demokratien unter Druck. Geoökonomische, geopolitische und innere Herausforderungen Trump 2.0 und die Abkehr von der Liberalen Internationalen Ordnung Demokratien unter Druck? Weltordnung und Geldordnung. Gegenwart und Zukunft des internationalen Währungssystems Zu einer echt-stabilen Weltordnung - Essay

Weltordnung und Geldordnung Gegenwart und Zukunft des internationalen Währungssystems

Stefan Schäfer

/ 14 Minuten zu lesen

Die internationalen Konflikte der Gegenwart werden nicht nur, aber auch mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen ausgetragen. Wer geostrategische Themen bearbeiten möchte, sollte sich deshalb auch mit der Frage befassen, ob der US-Dollar die globale Leitwährung bleibt.

Die internationalen Konflikte der Gegenwart werden nicht nur, aber auch mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen ausgetragen. Dabei kommen Instrumente wie Zölle und Gegenzölle, Sanktionen, die Regelung des Zugangs zu kritischen Rohstoffen oder auch die Beeinflussung von Energielieferungen zum Einsatz. All das kann für das Schicksal der liberalen Weltordnung wenigstens mitentscheidend sein. Wer geostrategische Themen bearbeiten möchte, sollte sich deshalb auch mit ökonomischen Fragen befassen. Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Gestaltung der internationalen Geldordnung, also des Weltfinanz- beziehungsweise Weltwährungssystems. In dessen geografischem beziehungsweise monetärem Zentrum standen bis in die 1930er Jahre die Londoner City und das Britische Pfund, nach dem Zweiten Weltkrieg abgelöst von der Wall Street und dem US-Dollar. Was genau aber versteht man unter dem internationalen Finanzsystem, wie sieht es heute aus und wie wird es sich womöglich weiterentwickeln?

Dazu ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Deutschland und seine Nachbarstaaten werden aufgrund eines Extremereignisses unbewohnbar – etwa durch eine Naturkatastrophe, ein Reaktorunglück oder einen Krieg. Sie müssen Zentraleuropa in kürzester Zeit verlassen und wissen nicht, wohin Ihre Flucht Sie führen wird – von der Iberischen Halbinsel über Zentralafrika und Ostasien bis Australien und Nord- beziehungsweise Südamerika ist alles möglich. Nur die Antarktis scheidet aus.

Stellen Sie sich weiterhin vor, dass auf Ihrem Grundstück an vier Stellen Vermögen versteckt ist: 1000 Euro in bar, 1100 US-Dollar in bar, 18 Gramm Feingold sowie die Zugangsinformationen, um über 0,01 Bitcoin verfügen zu können. Wir nehmen dabei an, dass alle vier Arten von Vermögensgegenständen umgerechnet 1000 Euro wert sind. Die Evakuierung Ihres Wohngebietes steht unmittelbar bevor, weshalb Sie unter enormem Zeitdruck stehen. Sie können nur noch zu einem der vier Verstecke gehen. Was nehmen Sie mit: Euro, Dollar, Gold oder Bitcoin?

Leitwährung Dollar

Wenn Sie US-Dollar wählen, sind Sie in guter Gesellschaft, denn so würden sich wohl die meisten Menschen in dieser Situation entscheiden. Das ist auch kein Wunder, denn der Dollar steht nach wie vor im Zentrum des internationalen Finanzsystems und bleibt die globale Leitwährung. Ihm wird mehr als allen anderen Vermögensgenständen zugetraut, die drei klassischen Funktionen des Geldes erfüllen zu können: Er wird weltweit am ehesten erstens als Tauschmittel akzeptiert, zweitens als Wertmaßstab eingesetzt und drittens zur Wertaufbewahrung genutzt. Der „Greenback“ ist nicht nur das gesetzliche Zahlungsmittel der Vereinigten Staaten von Amerika, sondern fungiert auch für fast die gesamte Welt als internationales Geld. Das bedeutet: Hersteller von Waren und Dienstleistungen sind auch außerhalb der Vereinigten Staaten bereit, ihre Produkte gegen Dollar zu verkaufen, und Menschen rund um den Globus investieren ihre Ersparnisse wenigstens teilweise in Vermögenswerte, die in US-Dollar denominiert sind beziehungsweise über die nur – beispielsweise im Falle von Immobilien – in den USA verfügt werden kann.

Voraussetzung dafür ist – wie immer in Geldangelegenheiten – Vertrauen. Genauer: das Vertrauen darauf, mit den erworbenen Dollars beziehungsweise in Dollar denominierten Vermögenswerten morgen oder gegebenenfalls in zehn Jahren auch außerhalb der USA etwas anfangen zu können. Dieses Vertrauen basiert auf der Stabilität des Dollars, der Stärke des amerikanischen Rechtssystems, der Potenz der dortigen Wirtschaft und der Durchsetzungsfähigkeit der US-Regierung. Oder anders ausgedrückt: Wer bereit ist, etwas im Austausch gegen US-Dollar anzubieten oder Teile seines Vermögens in Dollar anzulegen, vertraut darauf, dass er vor Inflation geschützt ist, nicht enteignet wird, die Vereinigten Staaten in Zukunft interessante Produkte und Investitionsmöglichkeiten bieten und die amerikanische Politik all das auch weiterhin wird garantieren können (und wollen).

(© bpb)

Technisch betrachtet ruht eine Geldordnung, egal ob sie nationaler oder internationaler Natur ist, auf drei Säulen: auf einer Währung, der dazugehörigen Infrastruktur sowie einer regulatorischen Rahmenordnung (Abbildung 1). Auf nationaler Ebene (beziehungsweise in der Eurozone innerhalb eines Staatenverbundes) obliegt es dem politischen Prozess, das gesetzliche Zahlungsmittel zu bestimmen, die Zahlungsverkehrs- sowie sonstige monetäre Infrastruktur zu regeln und ein Währungs-, Bank- und Kapitalmarktrecht zu schaffen. Auf internationaler Ebene sind diese institutionellen Festlegungen das Ergebnis komplexer und langwieriger Entwicklungsprozesse.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich nach und nach die heutige globale Finanzordnung herausgebildet. Am Beginn dieser Entwicklung steht die berühmte Konferenz von Bretton Woods 1944. Das nach ihr benannte System band die Währungen zahlreicher Länder an den US-Dollar, der wiederum selbst in Gold einlösbar war. Seine Stellung als Weltleitwährung behielt der Dollar auch nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems Anfang der 1970er Jahre bei. Für den Dollar sprachen und sprechen der hohe Entwicklungsgrad des amerikanischen Kapitalmarktes, die makroökonomische Stabilität und politische Stärke des Landes, die Kraft der US-Wirtschaft sowie die Rechtssicherheit für Investoren. Um die Leitwährung Dollar herum hat sich eine globale finanzielle Infrastruktur gebildet, zu der unter anderem das Informationssystem SWIFT und ein verzweigtes Netz sogenannter Korrespondenzbanken gehört. Der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington, D.C., die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, die G20 und andere Institutionen haben ein umfangreiches Regelwerk erarbeitet, das den rechtlichen Rahmen für die internationalen Finanzbeziehungen bietet.

Stabilität von Geldordnungen

Währungssysteme können über einen sehr langen Zeitraum sehr stabil sein. Ökonomen führen das darauf zurück, dass eine Geldordnung die Eigenschaften eines natürlichen Monopols aufweist und von Netzwerkeffekten sowie Zeitpfadabhängigkeiten gekennzeichnet ist. Unter einem natürlichen Monopol versteht man eine Situation, in der es für die Nutzer eines Gutes sinnvoll ist, dass dieses Gut nur einmal und nur von einem Anbieter produziert wird. Netzwerkeffekte bewirken, dass ein bestimmtes institutionelles Arrangement für alle Beteiligten desto besser funktioniert, je mehr Teilnehmer es hat. Wenn beispielsweise auf Basis eines bestimmten regulatorischen Rahmens technologische Lösungen entwickelt werden und spezifische Expertise entsteht, dann werden diese technologischen Lösungen und diese Expertise desto wertvoller sein, je mehr Nutzer sie haben. Wenn einmal ein natürliches Monopol etabliert wurde und um es herum Netzwerkeffekte wirken, dann ist es in der Regel nicht sinnvoll, dieses Gefüge grundlegend zu verändern. Was einmal da ist, bleibt – und damit hat sich eine sogenannte Zeitpfadabhängigkeit entwickelt.

Übertragen auf das Weltwährungssystem bedeutet das: Es wäre weder betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich effizient, wenn es in einem Land beziehungsweise einem Wirtschaftsraum wie der Eurozone zwei oder drei Währungen gäbe und alle Kalkulationen doppelt oder dreifach erfolgen müssten. Die Bereitstellung von Geld ist also ein natürliches Monopol. Das gilt auch für das international genutzte Geld, die Leitwährung Dollar. Dieses globale natürliche Monopol verwaltet derzeit die US-Notenbank Federal Reserve, flankiert von der entsprechenden Gesetzgebung und Regulierung, für die die US-Politik Verantwortung trägt. SWIFT, das Korrespondenzbankensystem, der IWF, der hochliquide amerikanische Kapitalmarkt und zahlreiche weitere Bausteine bilden um die Leitwährung Dollar herum eine technologische und regulatorische Infrastruktur, die von erheblichen Netzwerkeffekten geprägt ist. Wer international im Finanzwesen tätig ist, wird um die Nutzung dieser Dollar-zentrierten Infrastruktur kaum herumkommen. Und mit jedem weiteren Nutzer steigt ihr Wert für die bisherigen Teilnehmer des Systems. Der Zeitpfad, während dessen sich all das entwickelt hat, beginnt mit der bereits genannten Bretton-Woods-Konferenz von 1944. Seitdem ist das Weltwährungssystem entstanden, wie wir es heute kennen. Jeder Entwicklungsschritt auf dem Weg zu dem heutigen Zustand ist abhängig von den zuvor gegangenen Schritten – es besteht eine Zeitpfadabhängigkeit.

Natürliches Monopol, Netzwerkeffekte, Zeitpfadabhängigkeit – diese drei Faktoren erklären also die Stabilität des Weltwährungssystems; auf ewig in Stein gemeißelt ist es damit dennoch nicht. Schließlich ist auch die Pfund-basierte Ordnung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts irgendwann zugrunde gegangen. Mit dem schleichenden politischen, militärischen und ökonomischen Machtverlust des British Empire hätten sich der internationale Handel und der globale Finanzmarkt schrittweise von London ab- und immer mehr New York beziehungsweise Washington zugewandt, so eine gängige Erklärung. Das führt zu der Frage, ob wir gerade den Niedergang des Dollar-Systems und die Entstehung einer alternativen Ordnung beobachten können.

In der Tat verlieren die USA – jedenfalls in relativer Perspektive – seit Jahrzehnten an ökonomischer Bedeutung. Ihr Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung hat sich seit den 1970er Jahren von knapp 30 Prozent auf heute unter 15 Prozent halbiert; und auch ihr Anteil an den weltweiten Devisenreserven liegt nur noch bei gut 50 Prozent und damit 20 Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2000. Dem steht der Aufstieg der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und anderer Schwellenländer ebenso gegenüber wie die neue Rolle, die Europa seit Einführung des Euro auf den Währungsmärkten spielt. Doch die Welt des Geldes wird nicht nur neu sortiert; vielmehr steht sie am Anfang eines grundlegenden Umbruchs. Bitcoin, Ether und andere Kryptovermögenswerte, sogenannte Stablecoins, Zahlungsdienstleister wie Paypal oder Alipay und Digitales Zentralbankgeld bieten Alternativen zu klassischen bankbasierten Bezahlverfahren, deren Bezugspunkt in der Regel das Girokonto ist. Solche Umwälzungen könnten nicht nur die Kräfteverhältnisse zwischen den staatlichen Währungen verändern, sondern auch gänzliche neue Akteure aus dem „Big Tech“-Segment mit privaten, digitalen Geldangeboten ins Spiel bringen.

Niedergang des Dollar-basierten Systems?

Der Reihe nach: Zunächst einmal gilt es zu klären, ob sich die Dollar-basierte globale Geldordnung wirklich im Niedergang befindet. Sinkende Anteile der US-Wirtschaft und des Dollars am globalen Bruttoinlandsprodukt beziehungsweise den Devisenreserven der Zentralbanken reichen als Evidenz hierfür nicht aus. Noch immer ist der Dollar das internationale Zahlungsmedium, fungiert bei sehr vielen Geschäften als Wertmaßstab und ist das bevorzugte Wertaufbewahrungsmittel.

Letzteres ist besonders wichtig. Der amerikanische Kapitalmarkt weist eine weltweit einzigartige Breite und Tiefe auf. Nirgendwo sonst kann man aus einer derart umfangreichen Palette an Vermögenswerten aller Art wählen. Dank der ungebrochenen Innovationskraft der amerikanischen Unternehmen und dem großen Finanzierungsbedürfnis der US-Regierung finden internationale Kapitalanleger Investitionsmöglichkeiten in schier unbegrenztem Umfang. Von klassischen Aktien und Unternehmensanleihen über Venture-Capital-Finanzierungen und Derivaten bis hin zu Staatsanleihen der höchsten Bonitätsnote ist in den Vereinigten Staaten praktisch alles in großen Volumina verfügbar, was der Finanzmarkt des 21. Jahrhunderts zu bieten hat. Das Ganze findet in einem emittenten- und investorenfreundlichen regulatorischen Umfeld statt, die Abwicklung der Transaktionen erfolgt rasch und kostengünstig. Ausländische Erwerber von US-Vermögenswerten werden nicht diskriminiert und genießen die gleiche Rechtssicherheit wie Inländer.

Zusammengefasst heißt das: Am US-Finanzmarkt als „sicherem Hafen“ kommen Kapitalanleger kaum vorbei. Der Dollar ist mit weitem Abstand die wichtigste Anlagewährung. Das wiederum macht ihn als Medium der Unternehmensfinanzierung auch außerhalb der USA interessant. Den Willen der internationalen Investoren, in Dollar-Vermögenswerte zu investieren, nutzen weltweit Banken und andere Unternehmen, um sich durch die Emission von Dollar-Anleihen zu finanzieren. Sie verschulden sich also in Dollar – nicht zuletzt, weil Dollar-Kredite oftmals niedriger verzinst sind als ihre Pendants in der jeweiligen örtlichen Währung. Wer einen Teil seines Vermögens in Dollar angelegt beziehungsweise einen Teil seiner Verbindlichkeiten in Dollar aufgenommen hat, ist wiederum eher gewillt, einen Teil seiner Geschäftstätigkeit in der amerikanischen Währung abzuwickeln. Wenn Zinserträge und Dividenden in Dollar fließen beziehungsweise der Schuldendienst in Dollar zu leisten ist, kann es sinnvoll sein, auch die Einnahmen und Ausgaben der regulären Geschäftstätigkeit zu einem gewissen Prozentsatz in Dollar abzuwickeln. Denn so reduziert sich das aus Wechselkursänderungen resultierende Risiko. Die Rolle des Dollar als Anlage- und Emissionswährung stärkt seine Rolle als Transaktionswährung – und umgekehrt.

(© bpb)

Die Beliebtheit des US-Dollar und amerikanischer Vermögenswerte stabilisiert wiederum die Rolle der USA als Mittelpunkt des Weltfinanzsystems. Der US-Regierung und den amerikanischen Unternehmen fällt es dadurch erstens leicht, sich zu finanzieren. Zweitens können sie ihr internationales Geschäft weitgehend in der eigenen Währung und damit ohne Wechselkursrisiken abwickeln. Das stärkt die Rolle der US-Wirtschaft und -Politik in der Welt, lässt die globalen Finanzströme auf amerikanischer Infrastruktur und innerhalb eines amerikanischen Regulierungsrahmens fließen – und lenkt so neues Kapital in die USA. Abbildung 2 gibt einen Überblick über diesen Mechanismus.

Wer möchte den USA Konkurrenz machen?

Ein Konkurrenz-Währungssystem zu etablieren, ist entsprechend schwierig – auch wenn nicht zuletzt Länder wie China, Russland und Iran großes Interesse daran hätten. Mit disruptiven Änderungen ist vorerst nicht zu rechnen. Stattdessen sind sechs Entwicklungsprozesse am Werk, die die US-Dominanz kurz- und mittelfristig zwar nicht brechen, aber doch verringern könnten:

  1. Der Anteil von Dollar-Vermögenswerten an den Devisenreserven zahlreicher Zentralbanken – auch im Westen – wird weiter sinken, zum einen zulasten traditioneller (Euro, Yen, Britisches Pfund) und neuerer (Australischer Dollar) Reservewährungen, zum anderen zulasten von Gold.

  2. „Chinas neue Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative) soll die politische und ökonomische Macht des Landes in anderen Teilen der Welt mithilfe von Investitionen in Straßen, Schienen sowie See- und Flughäfen stärken. Neben der Verkehrs- könnte zukünftig auch die finanzielle Infrastruktur der Einflussnahme dienen. Mögliche Instrumente hierbei wären der Digitale Yuan, das Zahlungssystem CIPS (Cross-Border Interbank Payment System) oder auch private Plattformen wie Alipay.

  3. Gewisse Autarkiebestrebungen sind auch in Europa zu verzeichnen. Die Europäische Zentralbank begründet ihr Projekt „Digitaler Euro“ nicht zuletzt mit dem Bestreben, bei grenzüberschreitenden Bezahlvorgängen innerhalb Europas endlich von außereuropäischer Infrastruktur unabhängig zu werden. Zurzeit werden viele Transaktionen noch weitgehend von Mastercard oder Visa abgewickelt. Wer als Tourist im Ausland am Automaten Geld abhebt oder an der Supermarktkasse mit Girocard bezahlt, nutzt für ihn unbemerkt oft amerikanische Zahlungsdienste – auch wenn er innerhalb der Eurozone bleibt.

  4. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer möchten weniger von den USA abhängig sein – und stoßen mit diesem Ansinnen in Staaten wie China, Russland oder auch Iran auf offene Ohren. Der BRICS-Gruppe werden regelmäßig Bestrebungen zugeschrieben, in puncto Zahlungsinfrastruktur ein eigenes System aufbauen zu wollen. Auch von einer mit Gold gedeckten BRICS-Digitalwährung war in diesem Zusammenhang schon die Rede.

  5. Auch private Konkurrenz zur derzeitigen Weltwährungsordnung ist denkbar. Den Regierungen und Notenbanken steckt noch der „Libra-Schock“ vom Sommer 2019 in den Knochen. Damals wollte ein Konsortium einflussreicher Unternehmen (darunter Mastercard, Visa, Paypal, Ebay, Booking.com, Vodafone) unter der Führung von Facebook eine Digitalwährung namens „Libra“ etablieren. Die Projektpartner hätten Zugang zu mehreren Milliarden potenziellen Nutzern gehabt. Auch wenn das Vorhaben schließlich am massiven Widerstand der Politik scheiterte, ist nicht auszuschließen, dass Paypal, Google, Apple, Bytedance, Meta, Alibaba & Co einen neuen Anlauf in diese Richtung starten.

  6. Die Fans von Kryptovermögenswerten schließlich sehen in einem staatsunabhängigen, dezentralen Finanzsystem auf Basis von Bitcoin, Ether oder Ähnlichem die globale Zukunft des Geldes.

All diese Alternativen zur derzeitigen Ordnung verdienen eine detaillierte Betrachtung. Das würde aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Daher sei hier nur auf die in den Fußnoten angegebene Literatur verwiesen, die Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Entwicklungen allgemeinverständlich aufzeigt. Kurz zusammengefasst gilt: Keine dieser Entwicklungen wird unser derzeitiges System kurz- und mittelfristig umstürzen; in der Summe können sie sein Erscheinungsbild aber grundlegend verändern.

Welche Rolle spielen Trump und Stablecoins?

Zum Abschluss stehen zwei Fragen im Fokus – die eine auch für Laien offensichtlich, die andere dürften sich bislang eher Fachleute gestellt haben (was sie für die Laien nicht weniger interessant macht). Die erste Frage lautet: Was bedeutet die zweite Trump-Präsidentschaft in den USA für die Weltwährungsordnung? Die kurze Antwort ist: Der US-Präsident sägt auch in dieser Beziehung an dem Ast, auf dem die Vereinigten Staaten sitzen. Dies tut er zum einen, indem er sein Land und dessen Währung für ausländische Investoren und international tätige Unternehmen weniger attraktiv macht. Seit dem Zweiten Weltkrieg werden die USA und der Dollar nicht zuletzt deshalb global als „sicherer Hafen“ angesehen, weil sie ein stabiles institutionelles und makroökonomisches Umfeld und damit Planungssicherheit bieten. Damit ist es jetzt vorbei. Wenn die derzeitige US-Regierung eines nicht ermöglicht, dann ist es Planungssicherheit. Zum anderen beschleunigt Trump die Suche nach Alternativen zum westlichen Währungssystem, wenn er die starke Stellung der USA ständig einsetzt, um eigene Vorteile herauszuschlagen. Die Katze beißt sich hier in den Schwanz: Je öfter mit (Finanz-)Sanktionen gedroht wird, desto stumpfer wird diese Waffe. Denn jede Drohung lässt die Bedrohten vom derzeitigen Weltwährungssystem ein weiteres Stück abrücken. Die weaponization des Dollar macht ihn über die Zeit immer weniger als Druckmittel einsetzbar. Trump beschleunigt somit die beschriebenen sechs Prozesse hin zu einer alternativen Geldordnung.

Die zweite Frage stellen und gegebenenfalls beantworten zu können, erfordert einen genaueren Blick auf das unüberschaubare Feld der Kryptovermögenswerte. Am Anfang steht hier Bitcoin. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, Vermögenswerte – eben Bitcoins – digital speichern und übertragen zu können. Die Technologie basiert auf einem kryptografischen Verfahren (deshalb „Kryptovermögenswerte“), das 2008, als Bitcoin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, revolutionär war. Zum ersten Mal gewährleistete ein dezentrales System ohne zentrale Autorität, dass digitale Einheiten einem Eigentümer fälschungssicher zugeordnet werden konnten. Die Menge an verfügbaren Bitcoins entwickelt sich algorithmisch und wird im Jahr 2140 mit rund 21 Millionen ihr Maximum erreichen. Hier liegt ein entscheidendes Problem: Da das Angebot nicht auf die Nachfrage reagiert, sondern dem Algorithmus gemäß immer langsamer anwächst, sorgen Nachfrageschwankungen für erhebliche Preisschwankungen. Deshalb kann Bitcoin auch kein „Kryptogeld“ beziehungsweise keine „Kryptowährung“ sein. Die erheblichen Kursänderungen verhindern, dass es sinnvoll als Tauschmittel oder Recheneinheit genutzt werden kann. Von den drei Geldfunktionen erfüllt es – wenn überhaupt – nur die der Wertaufbewahrung. Deshalb ist Bitcoin auch viel eher „digitales Gold“ als „digitales Geld“.

Um dem Problem der Preisschwankungen zu begegnen, wurden sogenannte Stablecoins geschaffen. Dabei handelt es sich um digitale Werteinheiten, die sich von klassischen Kryptowerten wie Bitcoin dadurch unterscheiden, dass sie einen festen Preis garantieren. Sie sind preislich an einem anderen Vermögenswert verankert. Oftmals handelt es sich bei dem Anker um traditionelles Geld. Die Ausgabe neuer Stablecoins erfolgt hierbei gegen Einzahlung eines festgelegten Geldbetrages je ausgegebenem Stablecoin. Das eingezahlte Geld bildet eine Reserve. Wenn ein Stablecoin an den Emittenten zurückgegeben wird, zahlt dieser die vereinbarte Geldsumme wieder aus. Im einfachsten Fall bedeutet das: Ein Stablecoin-Emittent bietet seine Coins zum Preis von einem Euro an. Damit hat er immer genauso viele Euro in der Reserve, wie Stablecoins zirkulieren, und kann Stablecoins jederzeit wieder im Verhältnis 1:1 gegen Euro eintauschen. Der Preis von Stablecoins ist also (im Idealfall) fix. Gleichzeitig können sie wie Bitcoins rein digital ohne Rückgriff auf das traditionelle Finanzsystem gespeichert und übertragen werden. Stablecoins werden als Transaktionsmedium im Kryptouniversum, vermehrt aber auch in der realen Welt genutzt. Ein Beispiel hierfür sind die Rücküberweisungen (remittances) von ausländischen Arbeitern an ihre Familien in den Herkunftsländern.

Vor dem Hintergrund ihrer Vorteile verwundert es nicht, dass Transaktionen mit Stablecoins mittlerweile fast 50 Prozent der Volumina im Kryptobereich ausmachen. Und diese Transaktionen finden zu 99 Prozent mit Stablecoins statt, die an den US-Dollar gebunden sind. Damit ist – jedenfalls auf dem aktuellen Stand – ein Zukunftsbereich des Geldwesens dollarbasiert. Stablecoins sind nicht nur ein Vermögenswert, sondern bilden aufgrund ihrer technologischen Eigenschaften einen Teil der monetären Infrastruktur und stützen die Rolle des Dollar als Leitwährung.

Wenn es der US-Politik gelingt, eine zielführende Kryptoregulierung zu schaffen, die weltweit als Vorbild wirkt, wären die drei Säulen des Weltfinanzsystems in einer neuen Dimension von den USA dominiert. Einmal mehr würde die Innovationskraft der amerikanischen Gesellschaft damit die dominante Stellung der amerikanischen Währung und des amerikanischen Finanzmarktes – und damit der USA insgesamt – im Weltwährungssystem sichern. Ob dies gelingt, hängt wie so vieles andere von der Antwort auf Frage 1 ab: Was macht Trump?

ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomik, an der Wiesbaden Business School der Hochschule Rhein-Main.