Für moderne Demokratien sind mediale Meinungsbildungsprozesse von großer Bedeutung. Um sich politisch zu orientieren, brauchen die Bürgerinnen und Bürger Informationen, die sie zwar nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil aus medialen Angeboten entnehmen. Sind diese Informationen falsch, gibt es ein Problem – zumindest dann, wenn die Menschen ihnen vertrauen und sich bei ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung auf sie stützen.
In Zeitdiagnosen werden beide Störungen des für die Demokratie so wichtigen Verhältnisses problematisiert. Durch Propaganda-Aktivitäten sei eine Fülle falscher Informationen im Umlauf, die sich im Internet besonders leicht verbreiten ließen.
Der Ausdruck „Fake News“ ist weit verbreitet. Umgangssprachlich ist er für diverse Formen unseriöser und falscher Informationen gebräuchlich, wird von Politikern wie US-Präsident Donald Trump aber zudem als Kampfbegriff zur Abwertung von Gegnern und unliebsamen Medien verwendet. In der Wissenschaft wird zwischen falscher Information (misinformation), die auf einem Irrtum beruhen kann, und Desinformation (disinformation), die vorsätzlich verbreitet wird, unterschieden.
Da Fake News und andere Formen von Desinformation als Herausforderungen immer wieder öffentlich thematisiert werden, ist die Bevölkerung dafür sensibilisiert.
Auch wenn eine einzelne Studie es nicht leisten kann, solche Szenarien umfassend zu überprüfen, bietet unsere „Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen“ einige aufschlussreiche Befunde für die Diskussion möglicher Trends. Wir nutzen hierfür Daten aus unseren telefonischen Befragungen zum Medienvertrauen der Bevölkerung in Deutschland, die wir seit 2015 jedes Jahr (außer 2021) mit einer bundesweiten Stichprobe von 1200 Menschen ab 18 Jahren erheben.
Quellen von Fake News
Vor allem im Internet nehmen viele Menschen nach eigener Aussage Fake News wahr. In unserer Studie wurde den Befragten erläutert, dass darunter „absichtlich falsche Informationen“ zu verstehen sind, nicht etwa Irrtümer und Fehler ohne Vorsatz. Es ging also um Desinformation, ein Begriff, der für eine repräsentative telefonische Befragung jedoch zu anspruchsvoll ist, während der Ausdruck „Fake News“ weithin bekannt ist.
Die Menschen sollten die Frage beantworten, wie häufig Fake News in bestimmten Medienangeboten vorkamen: in etablierten Medien, in Messengerdiensten, auf Social-Media-Plattformen und in linken oder rechten sogenannten Alternativmedien. Für etablierte journalistische Angebote fällt das Ergebnis recht positiv aus (Tabelle): Fast die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, in diesen Medien seien nur selten oder nie Fake News zu finden. Nur knapp 16 Prozent sagen, Fake News gebe es dort häufig oder sehr häufig. Es sind zwar immer noch sehr viele Menschen, die dort regelmäßig Desinformation zu erkennen meinen, aber deutlich weniger als bei Messengerdiensten und Social-Media-Plattformen. Dort nehmen jeweils etwa zwei Drittel häufig oder sehr häufig Fake News wahr. Auch Alternativmedien, die sich bewusst vom „Mainstream“ absetzen, erscheinen vielen Befragten als anfällig für Fake News. Dies vermuten bei linken Alternativmedien 41 Prozent, bei rechten Alternativmedien 61 Prozent. Auffällig ist hier der hohe Anteil von „weiß nicht“-Antworten, die vermutlich damit zusammenhängen, dass diese Medien eine Nische sind, die vielen Menschen unbekannt ist.
Die Befragten sollten außerdem angeben, wie häufig ihnen Fake News in den Medien begegnen, die sie „ganz persönlich regelmäßig nutzen, um sich zu informieren“. Die Verteilung der Antworten ähnelt den Angaben zu den etablierten Medien: 18 Prozent geben an, dass ihnen in den von ihnen persönlich regelmäßig genutzten Medien häufig oder sehr häufig Fake News begegnen. 34 Prozent erklären, dies geschehe gelegentlich, und 46 Prozent geben an, sie seien in ihren bevorzugten Medien selten oder nie mit Fake News konfrontiert. Demnach versuchen viele Menschen, sich im eigenen Informationsverhalten auf solche Medien zu konzentrieren, von denen sie den Eindruck haben, dass sie wenige Fake News enthalten.
Aus der Befragung lässt sich nicht ableiten, ob die Menschen mit ihrer Wahrnehmung richtig liegen und ob tatsächlich so viel oder so wenig Desinformation in den jeweiligen Medien zu finden ist, wie sie glauben. Allerdings erlauben die Zahlen den Rückschluss, dass eine Mehrheit der Bevölkerung mit Skepsis und Vorsicht vor allem auf Informationen von Messengerdiensten und Social-Media-Plattformen schaut. Für seriöse journalistische Angebote liegt darin eine Chance, sich als verlässliche Quellen zu empfehlen – zumal viele Redaktionen den Kampf gegen Desinformation ausdrücklich als ihre Aufgabe betrachten: In einer Studie, für die 2022/23 in einer repräsentativen Stichprobe bundesweit Journalistinnen und Journalisten befragt wurden, sagten 86 Prozent, es sei für ihre tägliche Arbeit sehr wichtig oder extrem wichtig, „Desinformation entgegenzuwirken“.
Stabilität im Vertrauen
Wie steht es nun allgemein um das Vertrauen in die Medien? Im Zusammenhang mit Fake News und dem Eindruck, diese hätten durch die Digitalisierung und durch forcierte (ausländische) Propaganda-Aktivitäten zugenommen, wird bisweilen auch vermutet oder behauptet, es gäbe eine Erosion des Vertrauens in die Medien.
In Deutschland ist die Lage etwas anders, obwohl auch hierzulande seit Jahren Tendenzen einer politischen und medialen Polarisierung zu erkennen sind.
So sind die Vertrauenswerte in Deutschland über die Jahre hinweg stabiler als es manche Diskussionen vermuten lassen. Misstrauen oder sogar feindselige Einstellungen gegen etablierte Medien sind zwar verbreitet, aber kein Mehrheitsphänomen. Auf Basis der Mainzer Langzeitstudie können wir feststellen, dass es in Deutschland bisher keine flächendeckende Erosion im Medienvertrauen gibt.
Aufschlussreich ist der Vergleich mit anderen Institutionen (Abbildung 1). Die Medien liegen im Vertrauensranking mit derzeit 47 Prozent im Mittelfeld. Besser schneiden schon seit Jahren die Wissenschaft (72 Prozent) und die Justiz (63 Prozent) ab, kaum schlechter die Bundeswehr (45 Prozent), deutlich schlechter die Politik (19 Prozent) und die Kirchen (14 Prozent). Betrachtet man die Entwicklung im Zeitverlauf, ist das Vertrauen in die Medien von Stabilität geprägt, während für die Kirchen tatsächlich von einer Erosion gesprochen werden kann. Die Bundeswehr und die Justiz haben im Laufe der Zeit an Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen.
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass viele Befragte sich weder auf die Seite der Vertrauenden noch der Misstrauenden schlagen, sondern mit der Antwort „teils, teils“ eine mittlere oder ambivalente Position einnehmen. Dies muss für die jeweilige Institution nicht unbedingt ein Krisensymptom sein, da bei einer pauschalen Abfrage (Vertrauen in die Medien) eine Grundskepsis und der Wunsch nach Differenzierung verständlich und sogar wünschenswert sein können. So beträgt der Anteil der Menschen, die angeben, sie würden den Medien kein Vertrauen schenken beziehungsweise ihnen misstrauen, aktuell nur 20 Prozent; etwa ein Drittel vertraut den Medien „teils, teils“.
Es ist daher wichtig, nicht nur auf das Institutionenvertrauen an sich zu schauen, sondern auch zu prüfen, welchen Mediengattungen die Menschen Vertrauen aussprechen und welchen nicht. Bei einer Abfrage unterschiedlicher Medientypen erreicht in Deutschland der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit Jahren die höchsten Anteile von Vertrauenden. Aktuell sind es 61 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Allerdings sind hier Veränderungen erkennbar: In früheren Jahren lagen die Werte bei rund 70 Prozent. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk lässt sich demnach tatsächlich ein Schwund im Vertrauen diagnostizieren, wenn auch ausgehend von einem recht hohen Niveau. Mögliche Ursachen für diesen Rückgang finden sich in grundlegenden Diskussionen über die Rolle und Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen oder in Skandalen wie der Schlesinger-Affäre im Rundfunk Berlin-Brandenburg.
„Lügenpresse“-Vorwürfe
Aus der Mainzer Langzeitstudie geht hervor, dass eine Minderheit in der Bevölkerung äußerst kritisch bis feindselig auf etablierte Medien blickt.
In der jüngsten Befragung der Langzeitstudie Ende 2024 stimmten bundesweit 20 Prozent der Aussage zu, dass die Bevölkerung in Deutschland von den Medien „systematisch belogen“ werde (Abbildung 2).
Etwa jede fünfte Person in Deutschland hat demnach eine extrem negative Sicht auf die Arbeit der Medien, wir sprechen in diesem Zusammenhang von „Medienzynismus“.
Der Anteil der Befragten, die dem „Lügenpresse“-Narrativ zustimmen, ist ähnlich hoch wie der Anteil der Befragten, die angeben, in den etablierten Medien gebe es häufig oder sehr häufig Fake News. So stimmten zuletzt rund 60 Prozent derjenigen, die häufig Fake News in den etablierten Medien wahrnehmen, auch dem „Lügenpresse“-Narrativ zu. Umgekehrt ist die Zustimmung zu diesem Narrativ unter denjenigen, die keine Fake News in den etablierten Medien wahrnehmen, mit 7,7 Prozent viel geringer.
Glaube an Verschwörungstheorien
Die Vorstellung, Medien und Politik würden Hand in Hand arbeiten, um die Bevölkerung zu manipulieren, hat einen verschwörungstheoretischen Einschlag. Die Eliten, so ließe es sich übersetzen, würden unter einer Decke stecken – und das nicht zum Wohle der „einfachen“ Bürgerinnen und Bürger. Für Journalistinnen und Journalisten, die sich zu großen Teilen in der Rolle als sachliche, zudem kritische Beobachter, Gegengewicht zur Macht und gegebenenfalls als Enthüller von Missständen sehen,
Über Verschwörungstheorien wird seit einigen Jahren intensiver geforscht.
Der Glaube an einzelne Verschwörungstheorien ist im Zeitverlauf instabil und teilweise rückläufig. So hielten in unserer Befragung Ende 2024 nur etwa 6 Prozent die Aussage, die USA hätten „9/11“ selbst inszeniert, für „wahrscheinlich wahr“ oder „ganz sicher wahr“, während es in früheren Jahren (2017, 2018 und 2019) jeweils 13 Prozent waren.
Unsere Analysen zeigen soziopolitische Zusammenhänge: Sowohl der Glaube an Verschwörungstheorien als auch die Zustimmung zu medienzynischen Aussagen sind bei Menschen, die zur AfD neigen, stärker verbreitet als bei Menschen, die mit anderen Parteien sympathisieren.
Wird der Blick wieder vom Thema Verschwörungstheorien auf das größere Feld der Falschinformationen gelenkt, legen neue Befunde nahe, dass jüngere Menschen und formal weniger Gebildete solchen Informationen unvorsichtiger begegnen und sie weniger gut von akkuraten Darstellungen unterscheiden können.
Ausblick
Die Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen zeichnet ein differenziertes Bild: Alarmistische Diagnosen, die einen flächendeckenden Schwund des Vertrauens in die Medien erkennen wollen und Verbindungen zu einer Zunahme von Propaganda und Desinformation herstellen, erweisen sich für Deutschland als übertrieben. Dennoch gibt es aus der Perspektive einer normativen Demokratie- und Öffentlichkeitstheorie problematische Entwicklungen.
Das allgemeine Vertrauen in etablierte Medien ist in Deutschland relativ robust. Dazu passt, dass nur eine Minderheit in den großen Fernsehsendern und Zeitungen häufig Fake News wahrzunehmen meint. Viele Menschen sehen Probleme eher auf den digitalen Plattformen, in Telegram-Gruppen und alternativen Medien eines dezidiert rechten oder linken Spektrums. Diese werden von deutlich mehr Menschen als Verbreiter von Fake News gesehen.
Zur Entdramatisierung trägt außerdem die Überlegung bei, dass Desinformation von vielen als solche erkannt und verworfen wird.
Ohnehin wäre es verfehlt, die Ergebnisse unserer Studie für eine umfassende Entwarnung zu nutzen. Erstens kann auf Basis der Umfragen nicht ermessen werden, wie viel Desinformation die Menschen tatsächlich ausgesetzt sind und wie sehr diese in konkreten Fällen verfängt. Ein Problem könnten weniger die recht offensichtlichen Falschmeldungen sein, denen nur wenige glauben, als das Ausmaß an verzerrten und sensationalistischen Darstellungen, die auch in klassischen Informationsmedien vorkommen können.
Die Versuche, das Vertrauen in die etablierten Medien zu erschüttern, können das Publikum dazu nötigen, das Verhältnis zum Journalismus immer wieder neu zu überprüfen. Für seriös arbeitende Redaktionen kann eine Chance darin liegen, dass viele Menschen auf der Suche nach verlässlichen Quellen sind. Zugleich besteht stets die Gefahr, dass Teile des Publikums verunsichert werden und sich Risse im Vertrauen bilden – zumal dann, wenn auch etablierten Medien Fehler unterlaufen oder sie bei schwierigen Themen durch eine verzerrte oder unfaire Berichterstattung negativ auffallen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der als wichtiger Faktor für eine im internationalen Vergleich noch immer große Stabilität des deutschen Mediensystems wirkt, ist laut unseren Langzeitdaten bereits mit einem Rückgang des Vertrauens konfrontiert.
Hinzu kommt als weitere Unsicherheit und mögliche Bedrohung für die Stabilität ein Wandel in der Mediennutzung, deren Richtung – beispielsweise mit Blick auf Künstliche Intelligenz – schwer vorhersagbar ist. Insofern steht für die demokratische Öffentlichkeit viel auf dem Spiel. Wenn journalistische Angebote irgendwann nur noch wenige Menschen erreichen, ist die Frage, ob sie frei von Fake News sind, weitgehend hinfällig.