„Propaganda! Amerikanische Propaganda“, murmelten Zuschauer beim Verlassen des Kinos. Andere schwiegen betreten, nachdem sie „Die Todesmühlen“ gesehen hatten. So beobachtete es Erich Kästner, als er im Februar 1946 die Filmaufnahmen von den Konzentrationslagern sah. Unter Pseudonym hatte Kästner, dessen Romane im Frühjahr 1933 öffentlich verbrannt worden waren, an Film-Drehbüchern der Goebbels-Propaganda mitgeschrieben: „Warum klingt ihre Stimme so vorwurfsvoll, wenn sie ‚Propaganda‘ sagen? Hätte man ihnen die Wahrheit nicht zeigen sollen? Wollen sie die Wahrheit nicht wissen? Wollen sie die Köpfe lieber wegdrehen, wie einige Männer in Nürnberg, als man ihnen diesen Film vorführte?“
Die Reeducation begann in den ersten Nachkriegsmonaten mit harschen Formen der Konfrontation, und seither wird um die Demokratisierung der Deutschen gerungen. Von Anfang an zählte dazu nicht nur die Abgrenzung von den Erfahrungen mit Diktatur und Propaganda, sondern immer auch deren Instrumentalisierung als politisches Argument. Der so verstandene Propaganda-Vorwurf gegenüber einer staatlichen politischen Bildung hat seine eigene, inzwischen 80-jährige Geschichte, der sich angesichts aktueller Zuspitzungen nachzugehen lohnt. Zwei Einschränkungen sind nötig: Zum einen braucht es keine Arbeitsdefinition von Propaganda, die hier ausdrücklich nicht als Praxis interessiert, sondern als Argument.
Abgrenzungsbedürfnisse
Schaut man auf die unmittelbare Nachkriegszeit, dauerte der Aufbau von Strukturen und Institutionen der politischen Bildung auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik knapp neun Jahre.
Erstens signalisierte der Begriff „Heimatdienst“, den einige der neu gegründeten Landeszentralen im Namen trugen, dass an eine deutsche Tradition der politischen Bildung anzuknüpfen sei, deren unmittelbare Vorläufer bis zur Heimatfrontpropaganda des Ersten Weltkrieges zurückreichen. Zwar war die Reichszentrale für Heimatdienst bereits 1919 aus dem militärischen Kontext herausgelöst worden. In der Krise von Weimar hatte die Reichszentrale sich aber nicht als ideeller Verteidiger demokratischer Werte hervorgetan, und so galt sie nach 1945 längst nicht überall als positiver Bezugspunkt. Es war also kein Zufall, wenn etwa in Düsseldorf nun ausdrücklich eine „staatsbürgerliche Bildungsstelle“ entstand; der linkskatholische Ministerpräsident Rudolf Amelunxen signalisierte schon mit dieser Bezeichnung seine Distanzierung von der Weimarer Tradition der Regierungspropaganda. Beim Begriff des „Heimatdienstes“, wie er in Stuttgart und Tübingen und später auch in Bonn verwendet wurde, schwang sie hingegen immer mit.
Zweitens grenzten sich sämtliche Akteure von der Propaganda des NS-Staates ab, die als totalitär und undemokratisch wahrgenommen wurde. Gerade weil diese Erfahrung noch so jung war, ließ sich der Propaganda-Vorwurf mit leichter Hand als politisches Argument einsetzen. Über die Frage, was politische Bildung in der Demokratie ausmachen und wodurch genau sie sich von staatlicher Propaganda unterscheiden solle, wurde ebenso intensiv gestritten wie über die vieldeutigen Lehren aus dem Scheitern der Weimarer Republik. Im entstehenden Kalten Krieg kam der Siegeszug der Totalitarismustheorie hinzu, deren Verfechter eine Mobilisierung der Massen und die Lenkung der Öffentlichkeit als Wesensmerkmale totalitärer Systeme identifizierten. Diese Wahrnehmung hatte zwei Vorzüge: Wer glaubte, dass die Mehrheit der Deutschen von der nationalsozialistischen Propaganda „verführt“ worden war, sah in Moskau und Ost-Berlin ganz ähnliche Mechanismen am Werk. Ungeachtet der normativen Abgrenzung von den Inhalten galten die Methoden der NS-Propaganda als effektiv; manche gedachten daran anzuknüpfen.
Drittens ging es jetzt vielerorts um eine offene Abgrenzung von der alliierten Reeducation. Dabei spielte immer auch kulturbürgerlicher Dünkel hinein, der in einer Phase der „Besinnung“ strapaziert wurde. Wer die Demokratisierungspolitik als Oktroi empfand, setzte dem die deutsche Demokratietradition entgegen. So standen die westlichen Besatzungsmächte unter pauschalem Propagandaverdacht. Das zeigte sich auch bei den Volkshochschulen, die vielerorts im ersten Jahr der Besatzung neu errichtet wurden – etwa in Stuttgart und Ulm. US-amerikanische Offiziere waren irritiert, weil die jüngste Vergangenheit so wenig zum Gegenstand der Bildungsarbeit wurde wie die Demokratie. Die VHS-Leitungen verwahrten sich gegen diese Kritik. Das Publikum habe „bis zum Überdruss die Methode Propaganda studieren“ können und deshalb gar kein Interesse, nunmehr einen „demokratischen Lehrgang mitzumachen“.
Dieses dreifache Spannungsverhältnis erklärt auch die langwierige Gründung der späteren Bundeszentrale für politische Bildung. Erstmals im Juni 1949 brachte Hermann Pünder (CDU) eine „propagandistische Zentrale“ der künftigen Bundesregierung ins Spiel.
Zwar trat Heinemann im Streit um die Wiederbewaffnung schon im Oktober 1950 zurück und machte Platz für Robert Lehr (CDU), der einem Instrument der Regierungspropaganda viel offener gegenüberstand. Aber in der Ministerialbürokratie blieb Carl-Heinz Lüders mit dem Vorhaben betraut, und der frühere Heinemann-Referent focht hartnäckig für eine vom Kanzleramt unabhängige Einrichtung. Deren Bildungsarbeit müsse neben den überzeugten Demokraten besonders die „politisch Indifferenten, Gleichgültigen, Interesselosen, Ablehnenden“ ansprechen.
Wissenschaftlichkeit als Korrektiv
Gründungsidee der Bundeszentrale war ein antitotalitärer Konsens, und die demonstrative „Überparteilichkeit“ ist eigentlich als Abwesenheit des Politischen zu verstehen. So mied die Programmarbeit anfangs konfrontative Formen des Antikommunismus und zielte vorwiegend auf eine demokratische Staatsgesinnung. Erst als das KPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorangeschritten war und 1953 mit Gerhard Schröder (CDU) ein ambitionierter Mann das Innenressort übernommen hatte, nahm der politische Druck in Richtung antikommunistischer Propaganda zu. Im November 1955 sah Schröder im organisierten Rechtsradikalismus keine Gefahr mehr für die Wirtschaftswunder-Demokratie. DDR und Sowjetunion hingegen seien Feinde, gegen deren „militante Ideologie“ man mit „Motorrollern und Musiktruhen“ allein nicht bestehen könne. Vielmehr brauche es Schulung und ein ideelles Gegengewicht, gerade in der politischen Bildung.
Wo Lüders noch vor Methoden gewarnt hatte, die der „Kampfart der totalitären kommunistischen Weltanschauung“ entsprächen, setzte Paul Franken, der erste Direktor der Bundeszentrale, dosierte Kontrapunkte: So erschienen 1958 gleich drei Bände in der Schriftenreihe der Bundeszentrale, die den jüdischen Widerstand thematisierten. Auch für die Übersetzung von Gerald Reitlingers „Endlösung der Judenfrage“ kam die Bundeszentrale auf. Ebenso ermöglichte sie mit ihrer Garantieabnahme die Veröffentlichung von Léon Poliakovs und Joseph Wulfs „Das Dritte Reich und die Juden“ sowie Hans Günter Adlers Studie über Theresienstadt. Im Innenministerium empfand man das als Provokation: Diese Themen seien „in den letzten Jahren“ nun wirklich „ausreichend behandelt“ worden. Stattdessen gebe es einen eklatanten Mangel an „wirksamen Massenveröffentlichungen, etwa über das Thema Weltkommunismus“.
Wenig später löste sich die Bundeszentrale von der Vorstellung, politische Konfliktthemen vermeiden zu müssen. Was unter „Förderung des demokratischen Gedankens“ zu verstehen sei, definierte sie neu. Wichtigstes Ziel war die „Entwicklung einer aktiven Anteilnahme“ an der Demokratie und die „Überwindung der Skepsis gegenüber allem Politischen“.
Spätestens 1967 wurde allerdings deutlich, dass die dazugehörige Diagnose der demokratiepolitischen Passivität kaum noch zur Wirklichkeit passte. Auch der antitotalitäre Konsens wankte, seit Willy Brandt als Außenminister vorsichtige Schritte der Annäherung gegenüber dem Osten wagte. Die nun einsetzende Reformdebatte wurde häufig beschrieben. Im Kontext dieses Aufbruchs lebten aber auch die alten Propaganda-Ideen letztmalig auf. Werner Ernst, Staatssekretär im Innenministerium, war der Ansicht, dass man Erkenntnisse aus Psychologie und Werbung auch dann aufgreifen müsse, wenn dies den Vorwurf der Regierungspropaganda provoziere: „Wir sind in der Frage der Anwendung der Methoden gar nicht mehr unsere freien Herren, weil die halbe Welt sich dieser Methoden bedient.“
Indoktrination und Ausgewogenheit
Zu dieser Zeit dachte man in der SPD darüber nach, die Bundeszentrale aus der Exekutive herauszulösen. Dies war jedoch mit der Union nicht zu machen, und so blieb es dabei, dass künftig auch ein Publikum jenseits der Multiplikatoren angesprochen werden sollte. Zugleich erhielt die Bundeszentrale nun erstmals die Möglichkeit, Forschungsaufträge zu vergeben. Der bei ihrer Gründung vorgesehene wissenschaftliche Beirat wurde erstmals besetzt. Allerdings zeigte sich bald, dass politische Konflikte nicht automatisch endeten, nur weil Experten die aus fachwissenschaftlicher Sicht „richtigen“ Lösungen empfahlen. Bei der Bundeszentrale betraf das ein wichtiges Projekt des Aufbruchs: die „PZ“, ein anfangs im Boulevardstil gestaltetes Magazin, dessen Auftaktheft im Januar 1971 überall auf scharfe Kritik stieß. In dieser Situation vergab die Bundeszentrale einen Forschungsauftrag, der zu einem eindeutigen Ergebnis gelangte: Die „PZ“ war herkömmlich gestalteten Magazinen weit überlegen und sprach die typischen Boulevardleser effektiver an.
In dieser bildungspolitischen Debatte war „Propaganda“ ein wichtiger Kampfbegriff – von rechts wie von links. Das Lager der Bildungsreformer warf damit vor allem den Mitgliedern des Bundes Freiheit der Wissenschaft vor, in der Bevölkerung irrationale Ängste zu schüren. Umgekehrt sahen die Gegner von Gesamtschule und Konfliktpädagogik überall linke Propaganda am Werk, die auf einen gesellschaftlichen Umsturz ziele. Die Zuspitzung dieser Kontroverse ist nur vor dem Hintergrund einer beispiellosen politischen Polarisierung erklärlich, die einem inneren Belagerungszustand glich. Das zeigte sich auch bei der Bundeszentrale, die unter der Regie von Innenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) ein parteipolitisch ausgewogenes Dreierdirektorium erhalten hatte. Zwar fanden sich immer wieder Proporzlösungen, doch wie sollte beispielsweise mit dem Terrorismus der RAF umgegangen werden? Die Unionsleute und auch die FDP-Innenminister drängten auf mehr Extremismusprävention, während der sozialliberale Flügel innerhalb der Bundeszentrale bremste: Politische Bildung sei per se Extremismusprävention, und man gefährde die eigene Glaubwürdigkeit, wenn man als „Hilfsorgan des Verfassungsschutzes“ auftrete.
Solche Lähmungen gab es nicht nur bei der Bundeszentrale. Die damalige Politikdidaktik fand in der Debatte über Curricula, Schulreformen und Lehrbücher ein attraktives Betätigungsfeld, weil sie die Praxis verändern wollte. Wer aber politisch Einfluss nahm, dessen wissenschaftliche Position wurde politisch angreifbar. Eine Lösung versprach der 1976 von Didaktikern gefundene sogenannte Beutelsbacher Konsens, in dem sich die Profession mehreren Prinzipien für die schulische politische Bildung verschrieb: dem Kontroversitätsgebot, dem Überwältigungsverbot und der Schülerorientierung. Die politischen Spannungen der 1970er Jahre, etwa im Zusammenhang mit der Extremismusprävention, sind als Vorgeschichte des Beutelsbacher Konsenses viel bekannter als die theoretischen Diskussionen darüber, was Propaganda oder Parteilichkeit in der politischen Bildung bedeuten.
Aufbrüche in die Zivilgesellschaft
Propaganda-Vorwürfe stehen auch am Anfang der heute dominierenden Vorstellung, wonach politische Bildungsarbeit vor allem bei der Zivilgesellschaft anzusetzen habe. Wie unter dem Brennglas wurde dies im Kontext der Wiedervereinigung sichtbar. Die Bundestagsfraktion der Grünen formulierte im Sommer 1990 eine Generalabrechnung: Noch immer beruhe politische Bildung „vorwiegend auf einem ‚Reeducation‘-Ansatz“. Es handele sich um staatliche Erziehung, deren eigentliches Ziel die „Einübung von Loyalität gegenüber Rechtsstaat und Verfassung“ sei. In den künftigen neuen Ländern, die „vorwiegend mit Material über bundesdeutsche Gesetzes- und Institutionenkunde“ traktiert würden, trete dieser „Anachronismus“ deutlich hervor.
Zugleich brachten die Grünen ein neues Verständnis von politischer Bildung zum Ausdruck. Diese habe sich auf die „Entwicklung der Demokratiefähigkeit“ zu konzentrieren und „nicht auf die Verteidigung überkommener Institutionen und Ämter, deren Problemlösungskompetenz von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern seit Langem angezweifelt wird.“
Einiges davon wurde umgesetzt. So gelangte „Das Parlament“ im Juli 2000 unter der Regie von Rot-Grün tatsächlich in die Zuständigkeit der Bundestagsverwaltung, und die Leitungsstruktur der Bundeszentrale wurde vereinfacht. Der folgenreichste Reformvorschlag knüpfte jedoch an die Ideen der Zivilgesellschaft an, die im Sommer 1990 wichtige Brückenfunktionen zwischen Ost und West übernahmen. Wäre es nach den West-Grünen gegangen, hätte man die Bundeszentrale in eine flexible Koordinierungsstelle umgewandelt, über die vorwiegend Projektförderung abgewickelt werden sollte. Das zielte zwar auch darauf, Personalmittel zu sparen und Geld für die Sacharbeit freizumachen, aber es galt insbesondere, jene „neuen Träger“ mit „unkonventionellen und innovatorischen Ansätzen in der Startphase“ zu fördern, die sich im zivilgesellschaftlichen Vorfeld der Grünen tummelten. Vieles davon sollte in die seit 2007 aufgelegten Programme zur Extremismusprävention einfließen, aus denen schließlich 2014 das Förderprogramm „Demokratie leben“ des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend entstand.
Gegenwärtige Kampfsituation
„Vom Heimatdienst zur politischen Propaganda“ lautete der Titel der alternativen Festschrift, die das Institut für Staatspolitik zum 60-jährigen Jubiläum der Bundeszentrale im Herbst 2012 herausbrachte. Im selbsterklärten intellektuellen Zentrum der Neuen Rechten scheint der tautologische Titel (sinngemäß: von der Propaganda zur Propaganda) niemandem aufgefallen zu sein. Viel Beachtung fand die Schrift damals nicht. Dennoch liegt dort einer der Anfänge für die aktuelle Wiederbelebung des Propaganda-Vorwurfs gegenüber der politischen Bildung. In der Broschüre wurde einerseits behauptet, dass Propaganda der Wesenskern staatlicher politischer Bildung sei. Andererseits wurde für die Bundeszentrale ein Niedergang konstatiert, der mit der Amtszeit des ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers Thomas Krüger als deren Leiter am Tiefpunkt angelangt sei. Die darin erhobenen Vorwürfe lesen sich wie ein Skript für die aktuellen Attacken auf die politische Bildung: Verharmlosung des Linksextremismus, identitätspolitische Projekte, systematische Unterschätzung des Islamismus.
Was damals noch in einem Kleinstverlag erschien, sickert seither in den politischen Mainstream und nimmt inzwischen auch die staatliche Förderung zivilgesellschaftlicher Akteure ins Visier, etwa im Rahmen von „Demokratie leben“. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten die Attacken rund um die Bundestagswahl im Februar 2025: Nachdem die CDU/CSU-Fraktion einen Entschließungsantrag mit den Stimmen der AfD durch das Parlament gebracht hatte, stemmten sich Demonstrationen und Resolutionen gegen das Einreißen der demokratischen „Brandmauer“. Zugleich wurden jene Stimmen lauter, welche die Union in einer „babylonischen Gefangenschaft“ wähnten und eine „konditionierte Gesprächsbereitschaft“ mit den Rechtspopulisten forderten. Zur publizistischen Begleitmusik gehörte der Vorwurf der Propaganda: So war etwa in der Tageszeitung „Die Welt“ die Rede vom „Deep State“, weil die Bundesregierung die Zivilgesellschaft mit Steuergeldern alimentiere.
Dieser Debatte mangelt es an der hier skizzierten historischen Dimension: Wenn der demokratische Staat politische Bildung betreibt oder fördert, ergibt sich ein Legitimationsproblem, das seit jeher im Vorwurf der Propaganda gipfelt. Das begann bereits mit den ersten Aktionen der alliierten Reeducation, von denen sich deutsche Initiativen bewusst abzugrenzen versuchten. Es setzte sich im Ringen um neue Institutionen wie die Bundeszentrale fort und endete auch nicht mit Versuchen der Legitimation durch wissenschaftliche Expertise oder mit der Konsenssuche von Beutelsbach. Lösungen für dieses Dilemma fand man anfangs in einer Selbstbeschränkung auf Wissensvermittlung und Institutionenkunde, also einer faktischen Abwesenheit vom Politischen, die bald als künstlich empfunden wurde. „Mündigkeit“ wurde danach ebenso wichtig wie die demokratiepolitische „Aktivierung“ und eine kritische Haltung – faktisch lief das zugleich auf Politisierung und Polarisierung hinaus. Der Beutelsbacher Konsens formulierte schließlich eine „regulative Idee“ methodischer Mindeststandards – eine Zielvorstellung, die in der Praxis in all ihren Dimensionen paradoxerweise kaum je zu erreichen ist, die es aber dennoch immer anzustreben gilt.
Die regulative Idee von Beutelsbach zielte auf beide Seiten des Propaganda-Problems: einerseits die Sicherung der Legitimität im Rahmen der staatlichen Finanzierung, andererseits die Abgrenzung vom politischen Aktivismus. Eine stärkere Fokussierung auf die Zivilgesellschaft forderten Mitte der 1980er Jahre zuerst die Grünen. Seit 2004 steht dabei besonders die Extremismusprävention im Mittelpunkt entsprechender Programmlinien. Wenn es jetzt im „Pilotmonitor politische Bildung“ heißt, dass nicht alle im Programm „Demokratie leben“ geförderten Inhalte tatsächlich als „politische Bildung im engeren Sinne“ verstanden werden können, dann weist dies sehr diskret auf ein zentrales Problem der Gegenwart hin: Seit der Orientierung auf die Zivilgesellschaft spielt „Demokratie leben“ zwar eine „bedeutende Rolle“ bei der Förderung freier Bildungsträger – von ihnen fühlen sich aber nicht alle dem Methodenkonsens à la Beutelsbach verpflichtet.