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Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas | Propaganda und Desinformation | bpb.de

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Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas

Mareike Ohlberg

/ 15 Minuten zu lesen

Die Propaganda der Kommunistische Partei Chinas dient dem Machterhalt und ist zentraler Bestandteil des autoritären Parteistaats. Unter Xi Jinping wurde der Einfluss massiv ausgeweitet – national wie international.

„Partei, Regierung, Militär, Gesellschaft, Wissenschaft – Norden, Süden, Osten, Westen und Zentrum: Die Partei führt alles.“ Mit diesen Worten verkündete Generalsekretär und Staatsoberhaupt Xi Jinping 2017 auf dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei (KPCh) den Führungsanspruch der Partei über sämtliche Bereiche der Volksrepublik. Wenige Monate später wurde dieser Anspruch durch eine weitreichende Staatsreform untermauert: Zahlreiche Regierungsinstitutionen wurden in Parteistrukturen eingegliedert oder ihrer Kontrolle unterstellt.

Einige Bereiche galten in China bereits vor der Rückkehr der Partei zu ihrem allumfassenden Führungsanspruch als zu bedeutend, um sie dem Staat zu überlassen. Dazu zählen das Militär (die Volksbefreiungsarmee untersteht der KPCh, nicht dem Staat) sowie die „Organisationsarbeit“, also die Ernennung von leitenden Kadern. Ebenso gehört dazu ein Bereich, den die KPCh unter dem Begriff „Propaganda- und Ideologiearbeit“ zusammenfasst. Auch dieser Bereich war in der Geschichte der Volksrepublik schon immer Parteisache. Obwohl im Zusammenhang mit China häufig von „staatlicher Propaganda“ und „staatlichen Medien“ die Rede ist, wäre es also korrekter, von Parteipropaganda und Parteimedien zu sprechen. Die korrekte Benennung des treibenden Akteurs ist wichtig, um die zugrunde liegende politische Logik und Motivation für Propaganda in und aus China zu verstehen.

Vorweg: Im Unterschied zum Deutschen ist der Begriff „Propaganda“ zumindest im bürokratischen Chinesisch nicht negativ belegt. Zwar wissen einige um die Konnotation des Begriffs in westlichen Sprachen, doch die KPCh spricht weiterhin offen von „Propaganda“ und betrachtet sie als legitimen Bestandteil der eigenen Parteiarbeit.

Für die KPCh ist Propaganda mehr als nur ein legitimes Instrument, um im In- oder Ausland die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Sie ist ein zentrales Element zur langfristigen Sicherung der eigenen Machtstellung. Dies betonte auch Xi Jinping auf der zentralen Konferenz für Propaganda-, Ideologie- und Kulturarbeit im Oktober 2023: Propaganda sei eng mit „der Zukunft und dem Schicksal der Partei“ sowie mit der „langfristigen Stabilität Chinas“ verknüpft. Dies unterstreicht die Bedeutung für die KPCh, denn in einem autoritären System, in dem politische Stabilität unmittelbar mit dem persönlichen Schicksal der Parteispitze verknüpft sein kann, ist diese Motivation auch auf persönlicher Ebene existenziell.

Die Überzeugung der KPCh, dass ihr Machterhalt vom Erfolg auf dem „Schlachtfeld der öffentlichen Meinung“ abhängt, gilt in erster Linie für die nach innen gerichtete Propaganda, zunehmend aber auch für die nach außen gerichtete. Die Partei sieht sich in einem „Kampf um die öffentliche Meinung“ mit dem Westen und möchte die Front dieses Kampfes ins Ausland verschieben. Die verwendete martialische Sprache ist in Parteipublikationen üblich und spiegelt das Denken innerhalb der KPCh wider.

In Deutschland und Europa erhält die Propaganda der KPCh im Vergleich zu der anderer Akteure, wie beispielsweise Russland, immer noch wenig Aufmerksamkeit. Das hat gute Gründe, denn Russland agiert destabilisierender – aber China sollte im Bereich der Informationsmanipulation nicht unterschätzt werden, auch weil China und Russland ähnliche Ziele verfolgen und bereits in einigen Bereichen kooperieren. Zudem sind chinesische globale Propagandainitiativen gut finanziert und wurden in der Ära Xi an die moderne Kommunikationslandschaft angepasst.

Sowjetisches Erbe

Propaganda hat in der KPCh eine lange Tradition. Bereits kurz nach ihrer Gründung etablierte die Partei unter Anleitung der Kommunistischen Internationale (Komintern) ihre erste Propagandaabteilung nach sowjetischem Vorbild. Wie andere kommunistische Parteien auch sah sich die KPCh als ideologische Vorhut, deren Aufgabe es war, das politische Bewusstsein der Bevölkerung im Sinne des Marxismus-Leninismus zu formen. Propaganda galt dabei als zentrales Instrument, um die revolutionären Ideen in das Bewusstsein der „Volksmassen“ zu tragen.

Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 war Propaganda Teil der Schaffung eines „neuen Menschen“ im „neuen China“, also der umfassenden Umerziehung der Gesellschaft im Sinne der Parteiideologie. Insbesondere während der Kulturrevolution ab 1966 nahmen diese Ambitionen totalitäre Züge an: Jeder Aspekt des Lebens in China sollte kontrolliert werden; die Partei beanspruchte das Recht, nicht nur zu bestimmen, was Menschen sagen durften, sondern auch, ihre Gedanken zu formen.

Dieser totalitäre Anspruch trat nach Beginn der Reform- und Öffnungspolitik ab 1978 zunächst in den Hintergrund; Alltagsbelange wurden nicht länger als politisch relevant betrachtet. Zwar wurde der Propagandaapparat insbesondere in den 1990er Jahren massiv ausgebaut und professionalisiert, doch konzentrierte sich die Kontrolle primär auf die Unterdrückung politischen Dissenses. Protestbewegungen wie die Demokratiebewegung von 1989 sollten durch Zensur und patriotische Erziehung verhindert werden.

Unter Xi Jinping ist der Anspruch, das Denken der Menschen zu formen, zurückgekehrt. Dies gilt insbesondere für die rund 100 Millionen Parteimitglieder und Parteikader, für die die höchsten ideologischen Anforderungen gelten. Auf der Nationalen Konferenz für Propagandaleiter betonte Xi: „Die Seele [der Kader] soll durch Lernen geformt werden“. Auch wenn es nicht mit den frühen Jahren der Volksrepublik vergleichbar ist, zeigt dies eine Rückkehr zu totalitären Ansätzen unter Xi: Das Ziel ist die umfassende Kontrolle über das gesprochene und geschriebene Wort sowie das Denken selbst.

Propagandaapparat

Die Propaganda- und Ideologiearbeit umfasst zahlreiche Bereiche: die Lenkung von Medien und Presse, die Kontrolle über Bildung und Forschung sowie die Einflussnahme auf Film, Literatur, Kunst, Kultur und sogar den Sport. An der Spitze des chinesischen Propagandasystems steht die Zentrale Führungskleingruppe für Propaganda und Ideologie, welche die Propagandaarbeit über verschiedene Ministerien, Parteiorgane und andere „Arbeitseinheiten“ hinweg koordiniert. Die bedeutendste Institution innerhalb des Propagandasystems ist die Zentrale Propagandaabteilung der KPCh, die auch als Büro der Führungskleingruppe dient. Sie ist sowohl für die theoretische Ausarbeitung ideologischer Leitlinien als auch für deren praktische Umsetzung verantwortlich und ist auf allen Ebenen (Provinzen, Städte, Distrikte – überall, wo es Parteikomitees der KPCh gibt) vertreten.

Auch deutsche Institutionen interagieren häufig mit der Zentralen Propagandaabteilung oder ihren unterstellten Abteilungen – allerdings oft, ohne es zu wissen. Das liegt an einem üblichen Arrangement im chinesischen Parteistaat: Eine Organisation kann je nach Kontext unter verschiedenen Namen auftreten. Wenn die Zentrale Propagandaabteilung mit dem Ausland interagiert, beispielsweise bei Pressekonferenzen, in den sozialen Medien wie Facebook und X oder im Rahmen gemeinsamer kultureller Veranstaltungen, dann tut sie dies unter dem Namen „Informationsbüro des Staatsrats“.

Seit Xi Jinping 2012 an die Macht kam, wurden die ideologischen Kontrollen in allen Bereichen der Gesellschaft deutlich verschärft. Den Auftakt bildete eine intern zirkulierte Parteidirektive, die informell als „Dokument Nummer 9“ bekannt wurde. Darin werden sieben politische Konzepte aufgeführt, die als Bedrohung für die Herrschaft der KPCh gelten, informell bekannt als „sieben Dinge, über die nicht gesprochen werden darf". Dazu zählen unter anderem die „westliche konstitutionelle Demokratie“, „universelle Werte“, „Zivilgesellschaft"“ und „westlicher Journalismus“ sowie die Infragestellung der Reform- und Öffnungspolitik.

2016 hielt Xi eine Rede, in der er betonte: „Medien müssen den Namen der Partei tragen“, also der Partei absolut treu sein. Die Propagandaabteilung und weitere Organisationen innerhalb des chinesischen Propagandaapparats geben regelmäßig konkrete und kleinteilige Anweisungen an Medien heraus. Diese sind verbindlich umzusetzen; andernfalls drohen den Verantwortlichen Geldstrafen, Kündigungen und andere Sanktionen. Diese Instruktionen betreffen sowohl Themen, über die gar nicht oder nur eingeschränkt berichtet werden darf, als auch solche, die besondere Aufmerksamkeit erhalten sollen.

Diskursmacht und ideologische Sicherheit

Die KPCh will nicht nur innerhalb Chinas Kontrolle über das Sagbare ausüben, auch international strebt sie nach „Diskursmacht“. Dieses Konzept, das bereits vor Xi Jinping im politischen Diskurs präsent war, unter seiner Führung jedoch eine strategische Aufwertung erfahren hat, bezeichnet die Fähigkeit, Deutungshoheit über Begriffe, Narrative und normative Ordnungsvorstellungen auszuüben. Dabei wird Diskursmacht als zentrale Ressource geopolitischer und ideologischer Steuerung und als Bestandteil der „umfassenden nationalen Macht“ verstanden.

Zugrunde liegt der Gedanke, dass es aus Sicht der Partei langfristig wirksamer ist, „gefährliche“ Ideen wie jene im „Dokument Nummer 9“ genannten bereits auf dem globalen „Markt der Ideen“ zu diskreditieren, bevor diese innerhalb Chinas Verbreitung finden können. Ziel der globalen Strategie ist es deshalb vor allem, Einfluss auf diskursive Arenen zu nehmen, in denen zentrale Interessen der Partei berührt werden. Hierzu zählen die Bewerbung des chinesischen Politik- und Wirtschaftsmodells, die Kontrolle über aus Sicht der KPCh politisch sensible Themenfelder sowie zunehmend die Delegitimierung der liberalen Demokratie.

Unter Begriffen wie „Chinas Erfahrung“, und „Chinas Weisheit“ bewirbt die KPCh das eigene System. Durch eine Vielzahl an Stimmen, die das chinesische Modell loben, soll der Eindruck breiter Unterstützung im In- und Ausland geschaffen werden. Im Mittelpunkt stehen dabei wirtschaftlicher Aufstieg, politische Stabilität und technologische Modernisierung unter Führung der KPCh, präsentiert als Vorbild insbesondere für Länder des Globalen Südens.

Westliche Demokratien werden als schwach, chaotisch und illegitim dargestellt. Das Ziel dahinter ist einerseits, die eigene Bevölkerung von der Legitimität der KPCh-Herrschaft zu überzeugen, und andererseits, im Ausland Zweifel an der Leistungsfähigkeit demokratischer Ordnungen zu säen sowie das chinesische Modell als erfolgreichere Alternative zu positionieren. Dazu werden innenpolitische Spannungen, Krisen, Chaos und Gewalt im westlichen Ausland hervorgehoben, um die vermeintlichen Schwächen pluralistischer Systeme zu betonen.

Obwohl die KPCh insgesamt weniger stark als Russland auf Informationschaos und Destabilisierung setzt, hat sie in den vergangenen Jahren begonnen, mit „russischen Methoden“ zu experimentieren. So verbreiteten offizielle Stellen unterschiedliche und teils widersprüchliche Narrative zum Ursprung der Corona-Pandemie.

In diesem Bereich überschneiden sich die Interessen der KPCh mit denen Russlands, mit dem sie seit 2002 über ein gemeinsames Gremium für Medienkooperation im Austausch steht und in den vergangenen Jahren immer mehr kooperiert. So unterstützt China weitgehend die russische Sichtweise auf den Ukrainekrieg, indem die NATO als Aggressor und Russland als Verteidiger seiner legitimen Sicherheitsinteressen dargestellt wird. Die gegen Russland verhängten Sanktionen kritisiert China hingegen als einseitig und völkerrechtswidrig. Darüber hinaus fördert China die russische Verschwörungstheorie über Biowaffenlabore in der Ukraine, nicht zuletzt, weil diese sich in Chinas eigene Corona-Verschwörungstheorien einfügen.

Anpassung ans digitale Zeitalter

Mit dem Aufkommen des Internets in den 1990er Jahren verband sich zunächst die Hoffnung, dass es die strikte Informationskontrolle der KPCh aufweichen und zu einer allmählichen Stärkung der Zivilgesellschaft und Liberalisierung des Landes beitragen könnte. Tatsächlich konnte die Partei nicht nur einen effektiven (wenn auch nicht perfekten) Zensurapparat aufbauen, sondern auch ihre Propagandamethoden an die neuen Umstände anpassen. So kann sie das Internet nun als „zentrales Schlachtfeld im Kampf um die öffentliche Meinung“ für ihre Propagandainteressen im In- und Ausland nutzen.

Der Propagandaapparat der KPCh richtete vergleichsweise früh seinen Fokus auf die Fusion traditioneller und digitaler Medien sowie die Integration verschiedener Medienformate. Xi fördert seit 2014 selbst die „Medienkonvergenz“ als zentrale Modernisierungsstrategie für Parteimedien. Diese wurden beispielsweise früh dazu angehalten, Kurzvideos zu produzieren und ihre Inhalte über Apps anzubieten. Ein wesentlicher Grund hierfür war, dass Medieninhalte in China schon seit Längerem über Mobilgeräte statt über Computer konsumiert werden.

Die Strategie zeigt Erfolg: Unter Xi konnte der Propagandaapparat seine Methoden effektiv und kontinuierlich anpassen. Soziale Medien in China und im Westen gehören heute zu den wichtigsten Kanälen parteistaatlicher Kommunikation. Im Unterschied zur traditionellen Propaganda setzen Partei und Parteimedien inzwischen auf Storytelling, visuell hochwertige Formate, Meme-Kultur und eine gezielte Optimierung für eine virale Verbreitung.

Neben den zentralen Parteimedien kann die KPCh auf eine Vielzahl weiterer Akteure zurückgreifen, denn auch lokale Parteimedien bauen seit einigen Jahren Zentren zur Förderung innovativer Inhalte auf. Mehrere Dutzend Provinzen und Städte haben „Internationale Kommunikationszentren“ eingerichtet, die KPCh-Kernnarrative modern verpackt auch im Ausland verbreiten sollen.

Der chinesische Propagandaapparat arbeitet zudem seit einigen Jahren mit chinesischen sowie internationalen Influencern zusammen. Es bestehen zahlreiche Kooperationen mit ausländischen Youtubern und anderen Social-Media-Persönlichkeiten, die China besuchen und anschließend positive Videos posten. Besonders beliebt sind Reisen in „sensible“ Regionen wie Xinjiang. Ziel ist es, den Eindruck authentischer und unabhängiger Berichterstattung zu erzeugen. China macht sich dabei zunutze, dass es den Zugang zur Region strikt kontrolliert und gezielt auswählt, wer vor Ort sein und „berichten“ darf.

Chinesische Trollfabriken

Trollfabriken – Einrichtungen, die mithilfe einer großen Anzahl unauthentischer Nutzerkonten in sozialen Medien systematisch Informationsmanipulation betreiben – werden in Europa meist als russisches Phänomen verstanden. Tatsächlich bedient sich der Propagandaapparat der KPCh sowohl im In- als auch im Ausland schon lange ähnlicher Methoden.

Bezahlte Kommentatoren, die im Auftrag des Parteistaats regimetreue Narrative verbreiten, wurden unter chinesischen Internetnutzern zunächst als „50-Cent-Partei“ bekannt – eine Anspielung auf die angebliche Vergütung von 50 Cent pro Post. Inzwischen lagern staatliche und parteiliche Stellen diese Aufgaben zunehmend an externe Dienstleister aus. Zahlreiche Firmen bieten sogenannte „Internetkommentatorensysteme“ als kommerzielle Dienste für parteistaatliche Stellen an. Häufig genutzt werden Apps, die es ermöglichen, halbautomatisiert massenhaft Beiträge zu erstellen, zu liken oder zu kommentieren.

Neben kommerziellen Dienstleistern betreibt die Kommunistische Jugendliga, der Jugendverband der KPCh mit über 75 Millionen Mitgliedern, ein „Freiwilligennetzwerk“ von über 20 Millionen unbezahlter „patriotischer“ Online-Kommentatoren.

Der größte Teil der Manipulation sozialer Medien ist nach wie vor nach innen gewandt und zielt darauf ab, Diskurse innerhalb Chinas eigener sozialer Medien steuern zu können. Dennoch wird es für die KPCh immer wichtiger, auch auf nicht-chinesischen Plattformen durch Kommentarfluten in Diskurse eingreifen zu können. Inzwischen gehören westliche soziale Medien zum Standard-Angebot von Firmen, die derartige Dienste anbieten.

Zensur und Überwachung

Die chinesische Internetzensur wurde in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich an neue Entwicklungen angepasst. Mithilfe eines Netzwerks aus Filtern, automatisierter Kontrolle und manueller Moderation soll sichergestellt werden, dass chinesische Nutzer möglichst keinen Zugang zu verbotenen oder politisch sensiblen Inhalten haben. Dabei zielt das System nicht auf eine vollständige Eliminierung abweichender Inhalte ab – vielmehr wird bewusst ein gewisses Maß an Durchlässigkeit in Kauf genommen, solange der Großteil sowie die reichweitenstärksten Beiträge entfernt werden.

Die Zensur ist zudem dynamisch anpassbar: In sensiblen Zeiträumen, etwa an politisch aufgeladenen Jahrestagen oder während sozialer Unruhen, werden Inhalte umfassender gefiltert oder gelöscht. In Extremfällen geht die Regierung sogar so weit, das Internet regional vollständig abzuschalten – so geschehen etwa 2009 in Xinjiang. Solche Maßnahmen sind jedoch mit erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten verbunden und daher in wirtschaftlich bedeutenden Regionen Chinas kaum praktikabel.

Neben der international bekannten „Great Firewall“, die den Datenverkehr an den Landesgrenzen filtert und bestimmte ausländische Webseiten blockiert, findet die Zensur vor allem innerhalb des Landes statt. Plattformen, Blogs und soziale Medien sind selbst für die Zensur zuständig, setzen automatisierte Software ein und beschäftigen große Teams von Moderatoren, die Inhalte manuell prüfen und gegebenenfalls löschen.

Zudem spielen Einschüchterung und Selbstzensur eine Rolle. Die KPCh hat zu verstehen gegeben, dass auch im Ausland getätigte Äußerungen bestraft werden können. So wurde beispielsweise ein chinesischer Student, der an der University of Minnesota studiert hatte, nach seiner Rückkehr nach China 2019 wegen regierungskritischer Tweets, die er in den USA gepostet hatte, zu sechs Monaten Haft verurteilt. Eine neue Eskalationsstufe ist erreicht, da inzwischen sogar das passive Folgen überwacht und sanktioniert wird. So berichtete der in Europa lebende Li Ying (bekannt als „Lehrer Li“), der auf X über Proteste in China postet, dass chinesische Behörden gezielt seine Follower in China ausfindig machen.

Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) wird auch vom Propagandaapparat genutzt. Large Language Models (LLM) werden zur Erstellung von Inhalten in sozialen Medien oder auf Nachrichtenseiten eingesetzt. Zudem können Fake-Accounts mit realistisch wirkenden Profilen schnell und in großer Zahl erzeugt werden. Diese überfluten soziale Medien mit Inhalten (während sie früher mit deutlich mehr Aufwand manuell erstellt werden mussten). Chinesische KI-Firmen bewerben ebenfalls Dienste zur Überwachung der internationalen Meinung zu China, um potenzielle Krisen rechtzeitig erkennen und abwehren zu können.

Durch KI erstellte audiovisuelle Inhalte werden einerseits transparent verwendet. Die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua stellte bereits 2018 ihren ersten KI-Nachrichtensprecher vor. Andererseits werden Deepfakes bewusst zur Täuschung und Manipulation eingesetzt. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Taiwan im Januar 2024 wurden Wählerinnen und Wähler mit KI-generierten gefälschten Inhalten überflutet.

Chinesische LLM haben das Potenzial, der Partei langfristig Vorteile zu verschaffen. Während sich zensierte chinesische Suchmaschinen wie Baidu international nicht durchsetzen konnten, könnte dies bei KI-Modellen wie Deepseek anders sein, denn diese kommen bereits jetzt international zum Einsatz. So generieren auch vermeintlich „unzensierte“ Versionen von Deepseek ihre Antworten auf Grundlage des Trainingsmaterials, das laut chinesischer Gesetzgebung ausschließlich aus Quellen stammen darf, die vom Parteistaat als legitim anerkannt sind. Entsprechend spiegeln die Antworten häufig Narrative der KPCh wider. Versuche, diese parteinahen Tendenzen durch nachträgliches (und teures) Training zu reduzieren, waren bislang nur teilweise erfolgreich.

Herausforderung für Europa

Deepseek steht exemplarisch für ein dynamisch wachsendes Feld, in dem technologische Fortschritte im Bereich der KI die Erstellung und Verbreitung von Inhalten erleichtern. Künftige Entwicklungen dürften das Potenzial gezielter Desinformationskampagnen deutlich erweitern. Dies wird vor allem dann Konsequenzen für Europa haben, wenn die KPCh stärker versucht, auch hier Einfluss auf normative Grundannahmen wie die Wahrnehmung von Demokratie zu nehmen.

Die Propaganda der KPCh ist nicht perfekt – weder im Inland noch im Ausland –, und es wäre ein Fehler, sie zu überschätzen. Dennoch ist es der Partei gelungen, ihren ursprünglich aus dem Sowjetsystem stammenden Propagandaapparat an die moderne Kommunikationslandschaft anzupassen, sodass sie nicht nur ein Quasi-Monopol über die Informationsflüsse im Inland hat, sondern auch global mitmischen kann. Solange die Diskursmacht als zentral für den Machterhalt in China gilt, wird die KPCh auch in Zukunft in deren Ausbau investieren.

Eine wichtige Aufgabe für Europa wird deshalb darin bestehen, Informationsräume so zu gestalten, dass offene, freie Debatten weiterhin möglich sind, ohne dass Akteure, die gezielt auf die Schwächung demokratischer Systeme abzielen, diese Offenheit zur Unterwanderung demokratischer Strukturen ausnutzen können. Dafür ist vor allem ein stärkeres Bewusstsein für die Strategien und Ziele der KPCh notwendig, denn viele ihrer propagandistischen Inhalte werden weder als solche erkannt noch als problematisch eingeordnet.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass China vielerorts entweder nicht als strategischer Akteur wahrgenommen wird oder immer noch als rein rationaler Partner gilt, der vor allem an Handel und Win-win-Kooperationen interessiert ist. Tatsächlich will die KPCh aber auch hierzulande ihre Diskursmacht ausbauen, um die langfristige Regimesicherheit zu gewährleisten. Dazu gehört leider auch, das Konzept der Demokratie selbst zu diskreditieren. Es wäre ein Fehler, den chinesischen Parteistaat in diesem Bereich zu unterschätzen, wie es bereits bei vielen anderen Fragen der Fall war.

ist Senior Fellow im Indo-Pazifik-Programm des German Marshall Fund. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die chinesische Außenpolitik sowie die Medien- und Digitalpolitik.