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Syrerinnen und Syrer auf dem deutschen Arbeitsmarkt | bpb.de

Syrerinnen und Syrer auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Anika Jansen Sarah Pierenkemper Fabian Semsarha

/ 15 Minuten zu lesen

Mit dem Sturz des Assad-Regimes entbrannte in der deutschen Öffentlichkeit eine lebhafte Debatte über die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien. Die Frage, wie gut sich Syrerinnen und Syrer in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren, prägte die Diskussion maßgeblich.

Der 2011 begonnene Bürgerkrieg in Syrien löste eine massive Fluchtbewegung aus, die dazu führte, dass heute rund eine Million Syrer:innen in Deutschland leben. Spätestens mit dem Sturz des Assad-Regimes Anfang Dezember 2024 entbrannte die öffentliche und politische Diskussion über den Verbleib der in Deutschland lebenden Syrer:innen. Die antizipierte Stabilisierung des Landes führte zu einer Rückkehrdebatte, die sich insbesondere um Fragen der Arbeitsmarktintegration drehte. So äußerte sich der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz bereits kurz nach dem Sturz Assads zu diesem Thema: „Wer hier arbeitet, wer gut integriert ist, der ist und bleibt in Deutschland willkommen.“ Zehn Jahre nach dem Hauptzuwanderungsjahr 2015 stellt sich daher die Frage: Wie ist es um das syrische Leben in Deutschland bestellt?

Anzahl und Aufenthaltsstatus

Nach Angaben des Ausländerzentralregisters lebten Ende 2023 insgesamt 972.460 Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, was einem Anteil von rund 1,2 Prozent an der Gesamtbevölkerung entspricht. Damit bilden syrische Staatsangehörige nach türkischen (1.548.095 Personen) und ukrainischen (1.239.705 Personen) die drittgrößte Gruppe von Ausländer:innen in Deutschland. Ihr Anteil an der ausländischen Bevölkerung beträgt rund sieben Prozent.

Hinzu kommen die rund 160.000 Syrer:innen, die zwischen 2015 und 2023 eingebürgert wurden. Voraussetzungen für eine Einbürgerung sind Sprachkenntnisse, ein gesicherter Lebensunterhalt und in der Regel ein Mindestaufenthalt von fünf Jahren, der durch besondere Integrationsleistungen auf drei Jahre verkürzt werden kann. Die meisten Menschen mit syrischer Einwanderungsgeschichte leben in Nordrhein-Westfalen (374.000 Personen beziehungsweise 29 Prozent). Rund elf Prozent leben in Niedersachsen, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg (jeweils neun Prozent).

Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich von den rund eine Million Syrer:innen knapp 712.000 Schutzsuchende in Deutschland. Die übrigen gut 250.000 verfügen über Aufenthaltstitel wie eine Niederlassungserlaubnis, eine befristete Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit oder Ausbildung oder eine befristete Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen. Mit rund 624.000 Personen (88 Prozent) verfügt ein Großteil der Schutzsuchenden über einen anerkannten Schutzstatus. In den meisten Fällen wurde dieser im Rahmen des Flüchtlingsschutzes nach der Genfer Flüchtlingskonvention (279.000 Personen beziehungsweise 39 Prozent) oder als subsidiärer Schutz (240.000 beziehungsweise 34 Prozent) gewährt. Subsidiärer Schutz greift, wenn weder Flüchtlingsschutz noch Asylberechtigung gewährt werden kann, aber eine ernsthafte Bedrohung im Herkunftsland besteht. Rund 81.000 Personen (elf Prozent) haben einen offenen, also noch nicht entschiedenen Schutzstatus. Rund 7.000 Personen (ein Prozent) haben einen abgelehnten Schutzstatus. Gründe hierfür sind unter anderem ein negativer Asylbescheid oder der Verlust eines zuvor gewährten Schutzstatus. Von den rund 624.000 syrischen Schutzsuchenden mit anerkanntem Schutzstatus ist dieser in 90 Prozent der Fälle befristet.

Der Großteil der syrischen Schutzsuchenden kam im Zuge der großen Fluchtbewegung in den Jahren 2014 bis 2016 nach Deutschland. Davor spielte die Zuwanderung aus Syrien für Deutschland eine untergeordnete Rolle. Im Laufe des Jahres 2016 ging die Zahl der in Deutschland ankommenden Schutzsuchenden zurück. Eine Entwicklung, die auf gezielte Maßnahmen zur Verringerung der Durchlässigkeit der EU-Außengrenzen zurückzuführen ist, etwa durch das Schließen der sogenannten Balkanroute und das EU-Türkei-Abkommen. Dennoch führt Syrien seit 2014 die Liste der zehn zugangsstärksten Staatsangehörigkeiten an. Im Jahr 2024 beantragten 76.765 syrische Staatsangehörige Asyl in Deutschland. Damit entfiel 2024 jeder dritte in Deutschland gestellte Asylantrag auf syrische Staatsangehörige, die damit die größte Gruppe unter den insgesamt 213.499 Asylsuchenden bildeten. Nach dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Bearbeitung der Asylanträge von Syrer:innen vorübergehend eingestellt. Betroffen sind Medienberichten zufolge knapp 50.000 Anträge im Jahr 2024. So lässt sich bisher nicht absehen, wie sich die Anzahl der syrischen Asylbewerbungen in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Seit 2012 gab es aufgrund der Sicherheitslage vor Ort keine Abschiebungen nach Syrien. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Anfang 2025 startete ein freiwilliges Ausreiseprogramm der Bundesregierung für Syrer:innen in Deutschland, über das nach Medienberichten bis zum 16. Februar 2025 allerdings erst 40 Personen freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.

Altersstruktur und Bildung

Die syrische Bevölkerung in Deutschland ist mit einem Durchschnittsalter von 26,2 Jahren deutlich jünger als die Gesamtbevölkerung Deutschlands, die im Schnitt 44,6 Jahre alt ist. Zudem besteht in dieser Gruppe ein Ungleichgewicht in der Geschlechterverteilung: Etwa 60 Prozent sind männlich, 40 Prozent weiblich. Rund 70 Prozent (670.985 Personen) sind zwischen 15 und 65 Jahre alt und damit im erwerbsfähigen Alter. In der Gesamtbevölkerung liegt dieser Anteil bei 81 Prozent. In den kommenden Jahren wird ein großer Teil der syrischen Bevölkerung das erwerbsfähige Alter erreichen, während gleichzeitig immer mehr deutsche Staatsbürger:innen in den Ruhestand treten.

Der Bildungsabschluss syrischer Zuwanderer:innen liegt im Schnitt unter dem der deutschen Bevölkerung und auch unter dem anderer Zuwanderungsgruppen. Außerdem verfügen Geflüchtete gerade in den ersten Jahren häufig nicht über ausreichende Sprachkenntnisse, da diese erst im Laufe ihres Aufenthalts erworben werden. 2023 hatten den Angaben im Mikrozensus zufolge 24 Prozent der aus Syrien zugewanderten Personen, die weder schulpflichtig noch in Ausbildung waren, keinen Schulabschluss – im Vergleich zu vier Prozent in der Gesamtbevölkerung.

Der Anteil der syrischen Zuwanderer:innen, die entweder aufgrund ihres geringen Alters bisher nicht schulpflichtig sind oder sich noch in der Schule befinden, ist mit 40 Prozent überdurchschnittlich hoch. Hier besteht demografisch gesehen ein großes Fachkräftepotenzial. Im Vergleich: Bei der Gesamtbevölkerung liegt dieser Anteil bei 18 Prozent.

Von den syrischen Zugewanderten mit Schulabschluss haben 24 Prozent einen Abschluss, der mit dem deutschen Abitur oder der Fachhochschulreife vergleichbar ist, acht Prozent einen Abschluss auf Realschulniveau und zehn Prozent auf Hauptschulniveau. Dieser Anteil liegt deutlich unter dem der Gesamtbevölkerung. Um syrische Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sind daher häufig Bildungsinvestitionen notwendig (Abbildung 1).

Bleibeabsichten

In der aktuellsten Befragung zu Bleibeabsichten aus dem Jahr 2022 bekundeten 94 Prozent der zwischen 2013 und 2019 eingereisten, in Syrien geborenen Geflüchteten den Wunsch, dauerhaft in Deutschland zu verbleiben. Diese Daten wurden jedoch unter den bis zuletzt in Syrien herrschenden Bedingungen – geprägt von Krieg, Bürgerkrieg und Verfolgung – erhoben und lassen sich daher nicht unmittelbar auf die Situation nach dem Sturz des Assad-Regimes übertragen.

Wie sich die Bleibeabsichten unter den veränderten politischen und humanitären Rahmenbedingungen in Syrien weiterentwickeln, bleibt derzeit spekulativ. Mit dem Ende des Assad-Regimes könnten sich neue Perspektiven eröffnen, wenn sich die Situation in Syrien stabilisiert und eine Rückkehr in ihr Heimatland für Syrer:innen eine sichere Option wird. Allerdings zeigt sich, dass die Rückkehrneigung mit zunehmender Aufenthaltsdauer tendenziell abnimmt.

Zudem haben institutionelle Rahmenbedingungen einen signifikanten Einfluss auf die Bleibeabsichten. So führt unter anderem das fortbestehende Recht, dass EU-Bürger:innen auch nach einer Rückkehr in ihr Herkunftsland wieder nach Deutschland einreisen können, in der Regel zu höheren Rückwanderungsraten. Übertragen auf syrische Geflüchtete bedeutet dies, dass jene, die inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, unter vergleichbaren Bedingungen eher dazu geneigt sein könnten, vorübergehend oder dauerhaft nach Syrien zurückzukehren, da ihnen grundsätzlich die Option offensteht, jederzeit wieder nach Deutschland einzureisen. Im Gegensatz dazu ist für syrische Staatsangehörige ohne entsprechende aufenthaltsrechtliche Perspektiven in Deutschland eine Rückkehrentscheidung mit deutlich höheren Risiken verbunden, was den Anreiz zum Verbleib in Deutschland verstärkt.

Arbeitsmarkt

Mit der verstärkten Zuwanderung von Syrer:innen in den vergangenen zehn Jahren hat auch ihre Relevanz am hiesigen Arbeitsmarkt deutlich zugenommen. Während im Juni 2014 lediglich 8.110 Syrer:innen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland nachgingen, traf dies im Juni 2024 bereits auf 224.940 Syrer:innen zu. Die syrische Bevölkerung Deutschlands, die vorwiegend aus humanitären Gründen zuwanderte, integriert sich folglich zunehmend in den Arbeitsmarkt.

Die Beschäftigungsquote ist der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 15 bis unter 65 Jahren, der einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht. Im Jahresdurchschnitt 2023 traf dies auf 31,9 Prozent der syrischen Bevölkerung in Deutschland zu. Nachdem die Beschäftigungsquote aufgrund der starken Fluchtzuwanderung, die eine direkte Arbeitsmarktintegration ausschließt, in den Jahren 2015 und 2016 leicht abfiel, stieg sie ab 2017 deutlich an (Abbildung 2). Die Zahlen der Beschäftigungsstatistik spiegeln jedoch nicht die gesamte Arbeitsmarktintegration von syrischen Zuwanderern wider, da sie nur Syrer:innen erfassen, die keinen deutschen Pass haben. Die rund 160.000 Syrer:innen, die zwischen 2015 und 2023 eingebürgert wurden und in der Regel erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert sind, bleiben demnach unberücksichtigt. Die Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung mit syrischem Migrationshintergrund fällt dadurch positiver aus, als aus der Beschäftigungsstatistik nach Nationalität hervorgeht. Des Weiteren erfasst die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit keine selbstständigen und verbeamteten Personen, wenngleich diese Gruppen im Falle der Syrer:innen zu vernachlässigen sind.

Bei diesen Betrachtungen ist zu beachten, dass die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten grundsätzlich langsamer erfolgt als bei anderen Migrationsgruppen und mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigt. Im ersten Jahr nach dem Zuzug lag die Erwerbstätigenquote der in Syrien geborenen Flüchtlinge bei nur sechs Prozent, während sie sieben Jahre nach dem Zuzug bei 61 Prozent lag – wobei hier auch Minijobs, Selbstständigkeit und andere Formen der Erwerbstätigkeit berücksichtigt sind. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass auch die Erwerbsbeteiligung der jüngst zugewanderten Syrer:innen mit steigender Aufenthaltsdauer zunimmt und sich die Erwerbsbeteiligung der syrischen Bevölkerung immer weiter der Quote der Gesamtbevölkerung (Stand 2023: 77,2 Prozent) annähern dürfte. Die Stabilisierung Syriens und damit rückläufige Fluchtmigration dürfte den Aufholprozess der Erwerbstätigenquote weiter beschleunigen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

In der Gruppe der syrischen Beschäftigten herrscht ein starkes Geschlechtergefälle: Im Juni 2024 waren 84 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit syrischer Staatsangehörigkeit männlich. Auch unter Berücksichtigung, dass Männer hierzulande die Mehrheit der syrischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bilden, sind syrische Frauen am hiesigen Arbeitsmarkt deutlich unterrepräsentiert, wie ein Blick auf die Beschäftigungsquoten verdeutlicht: Während im Juni 2024 lediglich 14 Prozent der in Deutschland lebenden Syrerinnen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen, traf dies auf 44,8 Prozent der Männer zu. Zum Vergleich: In der übrigen ausländischen Bevölkerung Deutschlands liegen diese Quoten bei 41,5 Prozent (Frauen) und 56,4 Prozent (Männer). Neben Barrieren wie der überproportionalen Übernahme von Sorgearbeit, die auch in der Mehrheitsgesellschaft wirken, sind migrationsspezifische Gründe heranzuführen, um die geringe Erwerbsbeteiligung von Syrerinnen zu erklären. Zu nennen ist, dass Syrerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Landsleuten geringere Investitionen in Sprache und Bildung in Deutschland tätigen und bereits in Syrien deutlich seltener erwerbstätig waren. Zudem arbeiteten syrische Frauen im Herkunftsland häufig in Tätigkeitsfeldern, die in Deutschland zu den reglementierten Berufen zählen (zum Beispiel Gesundheit, Erziehung, Bildung), was den Transfer beruflicher Kompetenzen erschwert.

Engpassberufe

Auch wenn Syrer:innen lediglich gut 0,6 Prozent (Juni 2024) der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland ausmachen, spielen sie in einigen Branchen bereits eine wichtige Rolle, um den Fachkräftemangel zu entschärfen.

Zuletzt arbeiteten knapp 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrer:innen in qualifizierten Jobs für Fachkräfte mit Berufsausbildung, Fortbildung oder Studium. Gut 80.000 von diesen 213.589 Beschäftigten waren in sogenannten Engpassberufen tätig, in denen Stellen aktuell besonders schwierig zu besetzen sind. Syrische Fachkräfte leisten somit einen erheblichen Beitrag zur Milderung des Fachkräftemangels in Deutschland.

Besonders in Engpassberufen, die von sehr starken Besetzungsschwierigkeiten betroffen sind, finden sich syrische Fachkräfte in hoher Zahl. Hierzu gehören primär Sozial- und Gesundheitsberufe sowie klimarelevante Handwerksberufe wie Bauelektrik, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Metallbau sowie elektrische Betriebstechnik. Besonders im Bereich der Bauelektrik sind diese Fachkräfte eine Schlüsselressource für den Ausbau erneuerbarer Energien. Hier blieben zuletzt 80 Prozent der offenen Stellen unbesetzt, da bundesweit rechnerisch mehr als 18.000 passend qualifizierte Fachkräfte fehlen. Auch in anderen, systemrelevanten Berufen sind Syrer:innen stark vertreten: Summiert man alle Fachrichtungen, waren im betrachteten Zeitraum rund 5.300 Syrer:innen als angestellte Ärztinnen und Ärzte tätig.

Berufsausbildung

Die Zahl der Syrer:innen am deutschen Ausbildungsmarkt ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Während im Jahr 2010 lediglich 102 Syrer:innen eine Ausbildung im dualen System begannen, waren es 2023 bereits 6.885. Damit machen sie 11,5 Prozent aller ausländischen Auszubildenden aus, und sogar 45,5 Prozent aller geflüchteten Auszubildenden. Da Syrer:innen sieben Prozent aller Ausländer:innen in Deutschland ausmachen und 22 Prozent aller Schutzsuchenden, ist der Anteil der Syrer:innen in Ausbildung überproportional hoch, was sicherlich auch durch die junge Altersstruktur zu erklären ist.

Betrachtet man die Entwicklung von Männern und Frauen, zeigen sich deutliche Unterschiede. Nach der großen Migrationsbewegung im Jahr 2015 stieg die Zahl der Männer in der dualen Ausbildung stark an und erreichte 2018 ihren vorläufigen Höhepunkt. Seitdem sinkt die Zahl der Männer in der dualen Ausbildung. Die Zahl der Frauen dagegen stieg wesentlich leichter an, dafür aber kontinuierlich. Ihren vorläufigen Höchstwert erreichte sie 2022, seitdem stagniert die Zahl. Dies lässt vermuten, dass syrische Frauen mehr Zeit benötigen, um auf dem Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen, sich aber langfristig auch erfolgreich integrieren. Es könnte aber auch daran liegen, dass sie aufgrund einer geringeren Vorbildung mehr Zeit benötigen, um einen Schulabschluss nachzuholen.

Zuletzt befanden sich mit 840 neuen Verträgen die meisten syrischen Auszubildenden in Berufen der Kraftfahrzeugtechnik, gefolgt von dem Beruf zahnmedizinische Fachangestellte und Berufen im Friseurgewerbe mit jeweils 780 neuen Verträgen. Viele syrische Jugendliche gehen außerdem in Berufe im Verkauf und in Berufe in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Knapp 400 junge Syrer:innen starteten eine Ausbildung im Bereich Bauelektrik, ein Beruf, der im Zuge des Ausbaus der erneuerbaren Energien eine immense Bedeutung hat. Viele der unter Syrer:innen beliebten Ausbildungsberufe zählen zu Engpassberufen auf dem Arbeitsmarkt (Abbildung 3).

Der Anteil junger Syrer:innen, die eine Ausbildung in einem Beruf beginnen, der auf dem Arbeitsmarkt einen Engpass aufweist, hat sich seit 2010 stark erhöht. Waren es 2010 noch 13,8 Prozent, so sind es 2023 bereits 75,7 Prozent. Das liegt auch daran, dass aufgrund des Fachkräftemangels immer mehr Berufe auf dem Arbeitsmarkt von Engpässen betroffen sind. Auch bei den anderen Gruppen, darunter Deutsche, Ausländer:innen und Geflüchtete, ist der Anteil gestiegen. Allerdings war der Anteil der Syrer:innen in Engpassberufen im Vergleich zu den anderen Gruppen lange Zeit – bis zur Corona-Pandemie 2020 – am höchsten von allen Bevölkerungsgruppen. Das veränderte sich 2021. Seitdem liegt der Anteil leicht unter dem der anderen Gruppen.

Studium

Auch immer mehr junge Syrer:innen nehmen ein Studium auf. Die Zahl der syrischen Studierenden an deutschen Hochschulen ist seit 2015 gestiegen. Von 2005 bis 2015 erhöhte sich die Zahl nur leicht von 1.616 auf 2.889 Studierende. Seitdem steigt sie stark an. Zuletzt lag sie im Wintersemester 2023/24 bei 20.710 Studierenden. Der Höchststand wurde im Vorjahr, im Wintersemester 2022/23, mit 21.393 Studierenden erreicht.

Da dies eine Bestandszahl von syrischen Studierenden an deutschen Hochschulen in allen Semestern ist, lässt sich diese Zahl nicht unmittelbar mit der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge vergleichen. Möchte man die Zahlen zur Beteiligung am Studium mit denen der Ausbildung vergleichen, lohnt sich ein Blick auf die Gesamtzahl der Auszubildenden im dualen System. Zum 31.12.2023 befanden sich 17.000 Syrer:innen in einer dualen Ausbildung. In einem Studium befanden sich mit 20.700 lediglich etwas mehr Syrer:innen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein Studium im Schnitt länger dauert als eine Ausbildung und dadurch die Bestandszahlen per se höher sind.

Bei den Deutschen sieht das Verhältnis zwischen Studierenden und Auszubildenden in der dualen Ausbildung ganz anders aus. Während sich zuletzt etwas mehr als eine Million Deutsche in der Ausbildung befanden, waren es mit 2,4 Millionen wesentlich mehr Studierende. Es gab also beinahe 2,5-mal mehr Studierende als Auszubildende bei den Deutschen. Bei den Syrer:innen war die Zahl beinahe gleich. Damit gehen Syrer:innen im Vergleich zu Deutschen häufiger in eine duale Ausbildung. Da die Berufe auf Fachkräfteniveau am häufigsten von Engpässen betroffen sind, zeigt die vergleichsweise hohe Beteiligung an der dualen Berufsausbildung die Bedeutung der Syrer:innen für die Fachkräftesicherung.

Schluss

Fluchtmigration unterscheidet sich fundamental von Arbeitskräftemigration, insbesondere indem sie nicht ökonomischen, sondern humanitären Logiken folgt: Geflüchtete migrieren in erster Linie nicht, um zu arbeiten, sondern um Schutz zu erhalten. Das hat wesentliche Implikationen für die Erwartungen bezüglich der Schnelligkeit ihrer Arbeitsmarktintegration. Denn im Gegensatz zu Arbeitsmigrant:innen sind Geflüchtete in der Regel nicht optimal auf den Arbeitsmarkt des Aufnahmelandes vorbereitet: Es fehlen Sprachkenntnisse, Netzwerke und formale Qualifikationen. Darüber hinaus ist die Anerkennung von Abschlüssen häufig ungeklärt. Hemmend hinzukommen psychische und körperliche Belastungen durch die Fluchterfahrung.

Der Diskurs um die Erwerbsbeteiligung von Geflüchteten darf daher nicht mit dem Diskurs um die Fachkräfteeinwanderung gleichgesetzt werden. Um die Integration von Syrer:innen erfolgreich zu gestalten, gilt es, den Prozess von einer ressourcen- und nicht etwa defizitorientierten Perspektive zu rahmen. Zentral bleibt die Frage: Welche Kompetenzen bringen Geflüchtete mit, und wie können diese gewinnbringend in die Aufnahmegesellschaft eingebracht werden? Vor dem Hintergrund, dass das Beschäftigungswachstum in Deutschland schon heute vornehmlich von Ausländer:innen getragen wird und der Bedarf an Fachkräftezuwanderung anhaltend besteht, sollten die integrationspolitischen Weichen so gestellt werden, dass die Potenziale von Geflüchteten bestmöglich ausgeschöpft werden. Das Ziel muss demnach sein, durch passende Rahmenbedingungen möglichst unbürokratische Arbeitsmarktzugänge zu ermöglichen.

Ein zentraler Hebel zur Förderung der Integration liegt im Erhalt und Ausbau der Sprach- und Bildungsförderung. Berufsspezifische Deutschkurse, die gezielt an die Anforderungen des Arbeitsmarktes angepasst sind, helfen dabei, Sprachbarrieren abzubauen und eine zügige Integration zu fördern. Die im vorläufigen Haushalt 2025 vorgesehenen Mittelkürzungen bei Integrations- sowie Sprachkursen weisen diesbezüglich in die falsche Richtung. Besonders kritisch zu sehen ist die zum 1. Mai 2025 geplante Abschaffung der gesonderten Kurse für Frauen, Eltern und Jugendliche sowie die Einschränkung der Kurswiederholung. Denn vor dem Hintergrund der Unterrepräsentation syrischer Frauen am Arbeitsmarkt sollten diese besonders gefördert werden. Des Weiteren bedarf es einer kontinuierlichen Sprachförderung auch nach Beschäftigungseintritt.

Ein weiteres Hindernis sind lange Asylverfahren und damit einhergehende Beschränkungen bei Beschäftigung und Freizügigkeit. Asylbewerber:innen sind nach Paragraf 47 Asylgesetz verpflichtet, bis zum Ende ihres Asylverfahrens in der für sie zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (maximal 18 Monate). Weitere Wohnsitzauflagen, teilweise auch über die Verfahrensdauer hinaus, erschweren etwaige Umzüge in die Region potenzieller Arbeitgeber:innen. 2023 lag die durchschnittliche Asylverfahrensdauer bei 6,8 Monaten, wobei bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung durchschnittlich 18,5 Monate vergingen. Dies schränkt die Planungssicherheit sowohl für Geflüchtete als auch einstellende Betriebe zusätzlich ein. Weitere Auswirkungen behördlicher Engpässe sind fehlende Erreichbarkeit von Ausländerbehörden und nicht rechtzeitig verlängerte Aufenthaltstitel. Nicht zuletzt spielt die Optimierung von Anerkennungsverfahren eine wichtige Rolle.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Beschleunigung der Anerkennungsprozesse von im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüssen ein entscheidender Schritt für eine erfolgreiche Integration von Fachkräften in den deutschen Arbeitsmarkt ist. Hierzu gehört auch eine bessere Vernetzung der zuständigen Stellen mit der neu geschaffenen staatlichen Institution in Syrien. Dies stärkt nicht nur die Arbeitsmarktintegration, sondern trägt auch zur positiven Entwicklung der deutschen Wirtschaft bei.

ist Economist am Institut der deutschen Wirtschaft.

ist Senior Economist für Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft.

ist Referent für Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft.