Die Lithografie zeigt Kämpfe zwischen dänischen Truppen, preußischen Truppen und deutschen Freischaren im Krieg um Schleswig Holstein, Frühjahr 1848. (© ullstein bild – Archiv Gerstenberg)
Die Lithografie zeigt Kämpfe zwischen dänischen Truppen, preußischen Truppen und deutschen Freischaren im Krieg um Schleswig Holstein, Frühjahr 1848. (© ullstein bild – Archiv Gerstenberg)
Wenn es ein Thema gab, in dem sich die Probleme der Revolution von 1848/49 bündelten, also das Verhältnis zwischen politischen Erwartungen und konkreten Erfahrungen wie zwischen Handlungsmacht und Handlungsgrenzen, dann war es der Weg zu einem deutschen Nationalstaat. Die Abgeordneten sollten dafür nicht allein eine Verfassung ausarbeiten, sondern sie mussten auch die präzisen Grenzen eines künftigen Nationalstaates bestimmen. Genau hier berührte die deutsche Frage gesamteuropäische Interessen. Denn die auf dem Wiener Kongress 1815 gefundene Machtbalance hatte ganz wesentlich auf einem Bund souveräner Staaten in Mitteleuropa beruht, der eben kein föderal organisierter Bundesstaat war. Der Vorstellung eines Nationalstaates widersprach auch, dass der Deutsche Bund durch Personalunionen mit anderen europäischen Staaten verknüpft war. Eine Personalunion bedeutete, dass verschiedene selbständige Staaten unter einem Monarchen oder einer Monarchin miteinander verbunden waren. So wurde das Königreich Hannover nach 1815 in Personalunion mit dem englischen Thron verbunden, während der dänische König zugleich als Herzog von Schleswig und Graf von Holstein regierte. Vor allem die Zukunft der Habsburgermonarchie erschien unsicher. Denn hier ging es nicht allein um politische Freiheit, sondern für Italiener und Ungarn auch um das Ziel, aus dem Verband der Monarchie auszutreten und eigenständige Nationalstaaten zu bilden. Das warf die Frage auf, welche Teile der Monarchie überhaupt in einen künftigen deutschen Nationalstaat integriert werden sollten: nur diejenigen Regionen, die zum Deutschen Bund gehörten, oder auch die mehrheitlich von anderen Bevölkerungen bewohnten Gebiete? Und was würde das für die Zukunft der Gesamtmonarchie bedeuten?
Der Testfall für den Weg zum deutschen Nationalstaat: Die Krise um Schleswig-Holstein
Während die Regierungen in London und Paris die Bildung eines deutschen Nationalstaates nicht von vornherein ablehnten, blickten der Zar und die russische Diplomatie kritisch auf die Anläufe zu neuen Nationalstaaten. Denn sie sahen damit das monarchische Prinzip als entscheidende Grundlage politischer Ordnung in Frage gestellt, zu dessen Garantie sich das Zarenreich auf dem Wiener Kongress bekannt hatte. Zudem fürchteten die politischen Eliten des Zarenreichs nationale Unabhängigkeitsbewegungen, vor allem durch die Polen. Aber erst als die teils aggressiven nationalen Forderungen in Deutschland die Interessen der europäischen Großmächte direkt berührten, entstand daraus eine Belastung für den Fortgang der Revolution.
Seit dem Zusammentritt der Nationalversammlung war die Konkurrenz zwischen den nationalen Ansprüchen nicht-deutscher Bevölkerungsgruppen, vor allem der Polen in Posen, der Böhmen, Ungarn und der Italiener in der Habsburgermonarchie, und dem Ziel eines deutschen Nationalstaates immer mehr hervorgetreten. Ost- und Westpreußen, Schleswig und schließlich Posen wurden im Verlauf des April 1848 Teile des Deutschen Bundes und waren entsprechend auch in der Nationalversammlung vertreten. In den Debatten begründeten viele Abgeordnete die kontroversen Ansprüche auf Posen mit einer angeblich wirtschaftlichen und kulturellen Überlegenheit Deutschlands gegenüber den Polen.
Nur wenige Monate nach der ersten Plenarsitzung in der Paulskirche, im Sommer 1848, geriet Schleswig-Holstein als Krisenzone in den Fokus und wurde zum Testfall für die Handlungsfähigkeit der Frankfurter Zentralgewalt. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hatten Schleswig und Holstein zusammen mit Dänemark einen „Gesamtstaat“ gebildet. Als die Diplomaten auf dem Wiener Kongress Holstein dann zu einem Glied des Deutschen Bundes machten, nicht aber Schleswig, verstärkten sich die Versuche der dänischen Politik, die historische und staatsrechtliche Verbindung der beiden Herzogtümer aufzulösen und Schleswig stärker an die dänische Monarchie zu binden. Als der dänische König Friedrich VII. (1808–1863) am 21. März 1848 schließlich ankündigte, das Herzogtum Schleswig der dänischen Monarchie einzuverleiben, eskalierte die Krise.
Sein Schritt provozierte eine Empörungswelle in der deutschen Öffentlichkeit, die eine militärische Aktion gegen diese als Annexionsversuch wahrgenommene Politik forderte. Aus einem nationaldeutschen Aufstand war in Kiel bereits im März 1848 eine „Provisorische Regierung“ für Schleswig und Holstein hervorgegangen. Wahlen zur Nationalversammlung wurden demonstrativ auch in Schleswig organisiert, um dessen Zugehörigkeit zum Deutschen Bund zu reklamieren. Nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestages und der Nationalversammlung entsandte die preußische Regierung im Auftrag des Deutschen Bundes schließlich eigenes Militär gegen Dänemark. Schleswig mit militärischer Gewalt in einen entstehenden deutschen Nationalstaat zu integrieren, bedeutete eine faktische Expansion über die Grenzen des Deutschen Bundes hinaus und provozierte den entschiedenen Widerstand Russlands. Demgegenüber suchte die britische Regierung zunächst nach einem Kompromiss, favorisierte dazu eine Teilung des zwischen Deutschen und Dänen umstrittenen Herzogtums entlang einer Sprachgrenze.
Zunächst führte die Krise den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen vor Augen, dass sich die Zentralgewalt in Frankfurt im Krieg gegen Dänemark auf preußische Truppen stützen musste. Ohne eigene militärische Kontingente blieb sie von den Einzelstaaten abhängig, weil der fürstliche Oberbefehl seit Frühjahr 1848 zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden war. Als auch die britische Regierung das europäische Mächtegleichgewicht gefährdet sah, zwangen Petersburg und London Preußen am 26. August 1848 dazu, den Waffenstillstand von Malmö zu unterzeichnen. Dass dies gegen den ausdrücklichen Willen der Mehrheit der Nationalversammlung geschah, demonstrierte für die deutsche Öffentlichkeit die militärische und außenpolitische Machtlosigkeit der Frankfurter Zentralgewalt. Ohne die Abgeordneten oder das Reichsministerium zu konsultieren, zog Preußen seine im Auftrag des Bundes entsandten Truppen zurück und räumte die Herzogtümer Schleswig und Holstein. Die „Provisorische Regierung“ wurde durch eine gemeinsame Verwaltung ersetzt, wobei wiederum weder die Zentralgewalt noch die Nationalversammlung involviert waren. Der 1850 abgeschlossene Frieden von Berlin überließ zunächst Schleswig und ab 1852 auch Holstein der dänischen Monarchie, während die Erbfolge in beiden Herzogtümern gemeinsam von den europäischen Großmächten 1852 im Londoner Vertrag geregelt wurde.
Generalmajor Hans von Auerswald und Felix Fürst von Lichnowsky, zwei konservative Abgeordnete der Nationalversammlung, werden am 18. September 1848 bei Frankfurt am Main von Aufständischen ermordet. Beide setzen sich für die Annahme des Waffenstillstands von Malmö ein.
Der Konflikt um die Annahme des Waffenstillstands von Malmö markierte einen entscheidenden Krisenmoment der Revolution. Er bewies die weitreichenden internationalen Konsequenzen, die aus dem Versuch resultierten, die Grenzen eines künftigen deutschen Nationalstaates zu bestimmen. Jetzt zeigte sich, dass die eindrucksvolle Dynamik vom Frühjahr und Frühsommer 1848 von der Etablierung der Nationalversammlung bis zur Einrichtung der Zentralgewalt nichts über die konkrete Handlungsmacht dieser Institutionen aussagte. Schließlich unterstrich das Vorgehen Preußens die ungebrochene Machtposition der Einzelstaaten, denn der militärische Oberbefehl lag weiterhin bei deren Fürsten. Friedrich Wilhelm IV. verstand sich zu keinem Zeitpunkt als Instrument der Frankfurter Nationalversammlung.
Militärisch erwiesen sich die preußischen Truppen den dänischen Kontingenten zwar als überlegen, aber die dänische Seeblockade führte den Abgeordneten und der deutschen Öffentlichkeit vor Augen, was das Fehlen einer eigenen Bundesflotte bedeutete. Als Reaktion darauf forderten zahlreiche Artikel in der Öffentlichkeit und Abgeordnete in der Paulskirche in einem teils aggressiv-nationalistischen Tonfall den Bau einer eigenen deutschen Kriegsflotte. In einer Hinsicht allerdings bewies die Krise, wie stabil die neuen parlamentarischen Errungenschaften bereits waren. Die Nationalversammlung lehnte am 5. September den Waffenstillstand von Malmö zunächst ab, bevor er dann doch noch mit knapper Mehrheit angenommen wurde. In beiden Fällen funktionierte das parlamentarische Prinzip: Nach den Abstimmungen wurden jeweils neue Kabinette auf der Grundlage der entsprechenden Mehrheiten in der Nationalversammlung gebildet.
Von der äußeren zur inneren Krise: Der Herbst 1848
Die Krise führte zu einer nach dem Frühjahr 1848 zweiten gewaltsamen Eskalation, durch die sich die politische Polarisierung zwischen Parlament und außerparlamentarischem Raum sowie zwischen den politischen Lagern innerhalb der Nationalversammlung vertiefte. Das hatte wesentlich mit der Angst vieler linker Demokraten zu tun, das durch den preußischen Truppenrückzug verfügbare Militär könne gegen die Oppositionsbewegung und die Frankfurter Nationalversammlung eingesetzt werden. Sie deuteten die Entscheidung der Mehrheit der Nationalversammlung für eine Annahme des Waffenstillstands als Verrat an der Revolution. Die Konzessionen der Liberalen und Konservativen gegenüber den regierenden Fürsten im März schien sich jetzt in ihren Augen in ihrer Bereitschaft fortzusetzen, sich einseitig auf die Politik der preußischen Regierung einzulassen und den Primat der Nationalversammlung und Zentralgewalt gegenüber den Einzelstaaten zu opfern.
Wie in der Frühphase vollzog sich auch die Krise seit Sommer 1848 auf einer europäischen Ebene und innerhalb Deutschlands in unterschiedlichen regionalen und lokalen Varianten, und wie im März 1848 waren die politischen Ereignisse erneut vielfältig miteinander verflochten. In Paris führten Arbeiterdemonstrationen im Juni 1848 zu bürgerkriegsartiger Gewalt, als General Louis-Eugène Cavaignac (1802–1857) mit massiver Gewalt gegen die Aufständischen vorging, die Tausende Opfer forderte. In Prag schlug österreichisches Militär eine proslawische Volksbewegung nieder.
Diese Entwicklungen schürten die Angst vor einer allgemeinen Gegenrevolution und dem Einsatz des Militärs. In Frankfurt selbst löste die Annahme des Waffenstillstandes von Malmö am 16. September 1848 einen gewaltsamen Aufstand aus. Das auf der von 15 000 Menschen besuchten Pfingstweidenversammlung verabschiedete Manifest lehnte die wahrgenommene Kapitulation des Parlaments gegenüber Preußen ab. Die Teilnehmer appellierten erneut an die Bevölkerung, die Revolution fortzusetzen. Es kam zu Barrikadenkämpfen zwischen Aufständischen und aus Mainz herbeigerufenen preußischen und österreichischen Bundestruppen. Diese Eskalation rief bei vielen Abgeordneten Erinnerungen an den nach den Jakobinern als den Mitgliedern des radikalsten und wichtigsten politischen Klubs während der Französischen Revolution benannten Terror wach. In ihren Augen drohte jetzt ein offener Aufstand gegen das Parlament und eine unkontrollierte soziale Revolution – erst recht, nachdem mit Generalmajor Hans von Auerswald (1792–1848) und Felix Fürst von Lichnowsky (1814–1848) zwei Abgeordnete der Nationalversammlung, die sich für die Annahme des Waffenstillstands ausgesprochen hatten, bei einem Umritt in Frankfurt von Aufständischen ermordet wurden. Auch an anderen Orten Deutschlands fand die Krise ein Echo. Wie im März und April 1848 wurde Baden ein weiteres Mal zum Ausgangspunkt für eine demokratisch-republikanische Volksbewegung. Sie gipfelte in der Proklamation einer deutschen Republik durch Gustav Struve in Lörrach am 21. September 1848, bevor badische Truppen die Unruhen niederschlugen.
Der Septemberaufstand bildete einen entscheidenden Einschnitt in der Entwicklung der Revolution. Obwohl sich die demokratische Linke in der Nationalversammlung dezidiert von der Gewalteskalation distanzierte, vertiefte sich in der Wahrnehmung eines Großteils des Bürgertums die Kluft zwischen der demokratisch-republikanischen Linken und dem konstitutionellen Lager. Eine wichtige Konsequenz bestand darin, den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen die engen Handlungsspielräume der Frankfurter Institutionen vorzuführen, außenpolitisch und militärisch durch den Ausgang des Krieges mit Dänemark, innenpolitisch, weil man die im September um sich greifenden Aufstände nicht aus eigener Kraft bekämpfen konnte, sondern auch hier auf die militärische Macht der Einzelstaaten angewiesen war.
In Deutschland und anderen Teilen Europas ging ab dem Spätsommer 1848 das politische Momentum auf die gegenrevolutionären Mächte über. Tatsächlich waren ab Oktober weder die Regierungen Preußens noch Österreichs daran interessiert, mit der Nationalversammlung oder der Zentralgewalt zusammenzuarbeiten. Bei der Niederschlagung der Oktoberaufstände in Wien und beim Vorgehen der Berliner Regierung gegen die Preußische Nationalversammlung nahm in Wien und Berlin niemand mehr Rücksicht auf die Frankfurter Institutionen.