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Analyse: Russlands Pläne für die Nordostpassage: Aussichten und Hindernisse | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Russlands Pläne für die Nordostpassage: Aussichten und Hindernisse

Arbachan Magomedow

/ 10 Minuten zu lesen

Dieser Beitrag untersucht die Vorteile und Hindernisse der Entwicklung der Nordostpassage (des "Nördlichen Seeweges" in der Arktis). Der Aufbau dieses Handels- und Schiffsweges von der Karasee bis zur Beringstraße, von Murmansk nach Waldiwostok, bietet Russland große wirtschaftliche und politische Vorteile. Es liegen jedoch zahlreiche Hindernisse auf dem Weg. Einige haben nichts mit Russland zu tun, während andere in der Schwäche des Managementsystems liegen, mit dem die erklärten Ziele verfolgt werden.

Handelsschiff durchkreuzt die Nordostpassage. (© picture-alliance/dpa)

Die Nordostpassage

Moskaus Bestreben, die Entwicklung der Nordostpassage (den "Nördlichen Seeweg", wie sie im Russischen heißt) voranzutreiben ist vollauf verständlich. Der Zugang zur Arktis mit ihren natürlichen und Energieressourcen und einem kürzeren Schifffahrtsweg zwischen Europa und Asien könnte Russland in eine bedeutende Seemacht verwandeln. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatten einige westliche Geostrategie-Experten das enorme Potential erkannt, das für Russland in der Arktis schlummert. Die Nordostpassage erstreckt sich über 5.600 Kilometer entlang der russischen Arktisküste, von der Karasee bis zur Beringstraße. Das ist rund die Hälfte der anderen Schifffahrtsrouten zwischen Europa und Fernost. An dem Projekt hatten bereits sowjetische Fachleute gearbeitet. Sie haben ein ganzes Verkehrssystem errichtet, um die Route ohne Beeinträchtigung befahrbar zu halten. 1991, noch vor dem Zusammenbruch der UdSSR, verkündete die Regierung dann, dass die Route schiffbar sei. In jenen Jahren interessierten jedoch niemanden die Probleme des Meeres im Norden. Das hatte einen allmählichen Verfall der Infrastruktur zur Folge, die zu Sowjetzeiten errichtet worden war. Darüber hinaus wurden die Systeme zur Unterstützung der Schiffsroute aufgegeben. Dadurch sank das Frachtaufkommen von 6,7 Millionen Tonnen im Jahr 1989 auf derzeit 2 Millionen Tonnen. Die Route hat erst seit relativ kurzer Zeit – wegen des schmelzenden Meereseises der Arktis – ausländische Reedereien angelockt. 2009 wurden die Gewässer im Norden Russlands, zwischen Europa und Asien von zwei Handelsschiffen befahren. 2011 war die Zahl der Schiffe auf 34 gestiegen; 2012 betrug sie 46. Zum Vergleich: Der Suezkanal wird jährlich von 18.000 Schiffen passiert. Schätzungen zufolge könnte sich das Frachtaufkommen in der Arktis bist 2019 verzehnfachen. Längerfristig könnte es 50 Millionen Tonnen erreichen. Heute hat die Nordostpassage für Russland wieder nationale Priorität. Das Verkehrsministerium möchte das Projekt aus der zwanzigjährigen Versenkung holen und die Verwaltung für den Nördlichen Seeweg wiedererrichten, die den Schiffsverkehr überwachen und entlang der Route Schiffsleit- und hydrographische Informationssysteme unterhalten soll. Im September 2009 führte die Reederei "Sovkomflot" eine Testfahrt von Murmansk zu Häfen in Südostasien durch. Im gleichen Jahr fuhren zwei deutsche Schiffe vom Pazifischen zum Atlantischen Ozean, durch die Nordostpassage und durch Gebiete, die früher eisbedeckt waren. "Wir gehen davon aus, dass dieses Experiment den Reedern deutlich gemacht hat, dass es eine wirtschaftliche Alternative zur südlichen Route durch den Indischen Ozean gibt, die ja aus bekannten Gründen unsicher geworden ist", erklärte 2010 der damalige Verkehrsminister Igor Lewitin. Die Selbstkosten für den Transport eines Containers im Winter durch die Nordostpassage sind nach Angaben des Zentralen Forschungsinstituts der Meeresflotte bei leichten Eisverhältnissen um 25–27 % höher als auf der südlichen Route durch den Suezkanal. Im Sommer ist der Transport per Schiff um 33–35 % günstiger als die Südroute. Somit könnte der Containertransport durch die Nordostpassage dem auf der Suezkanalroute reale Konkurrenz machen, da die jährlichen Durchschnittskosten geringer wären. Das Verkehrsministerium hat in die russischen Verkehrsstrategie bis 2030 detaillierte Empfehlungen für den Bau neuer Eisbrecher sowie See- und Flusshäfen aufgenommen. Als Ersatz für ausgediente Eisbrecher werden drei neue atomgetriebene Eisbrecher gebaut, damit die Nordostpassage ganzjährig befahren werden kann. Darüber hinaus sind dieselgetriebene Eisbrecher vorgesehen, die die Versorgungshäfen und die Offshore-Energieprojekte bedienen sollen; kleinere Eisbrecher sind für küstennahe und Seenotrettungseinsätze vorgesehen. Sechs atomgetriebene Eisbrecher (vier schwere Schiffe der "Arktika"-Klasse und zwei der "Taimyr"-Klasse mit geringem Tiefgang) gewährleisten die Funktionsfähigkeit der Nordostpassage. Zusätzlich haben die Reedereien damit begonnen, eigene eisbrechende Frachtschiffe zu erwerben. Die Flotte von "Norilskij Nikel" hat 2009 eine Million Tonnen Fracht von Dudinka durch die Karasee zur Halbinsel Kola transportiert. Nach dem Erfolg von "Norilskij Nikel" erfolgte die Indienststellung ähnlicher Schiffe für den Transport von Öl und Gas ohne Eskorte. 2011 befuhren zwei finnische Tanker die Route und demonstrierten dabei das Potential für eine Beschleunigung von Öllieferungen in die Länder des Pazifikraumes. Gegenwärtig beträgt das Frachtaufkommen 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr und besteht vor allem aus Produkten von "Norilskij Nikel". Russlands Pläne sehen vor, das Frachtaufkommen bis 2020 durch die Verschiffung von Öl- und verflüssigtem Erdgas aus den Fördergebieten Priraslomnoje und Schtokman auf bis zu 50 Millionen Tonnen ansteigen zu lassen. Wenn die Arktis weiterhin mit der derzeit zu beobachtenden Intensität abschmilzt, könnte sie zu einem noch günstigeren Schifffahrtsgebiet werden. "Wegen der Erwärmung und der sich ständig verbessernden Technologien dürften die Nordwestpassage entlang der kanadischen Küste, sowie die Route nach Osten entlang der sibirischen Küste zur wichtigsten Schifffahrtsroute zwischen Atlantischem und Pazifischen Ozean werden", meint Frédéric Lasserre vom Institut québécois des hautes études internationales (IQHEI). So beträgt beispielsweise die Entfernung zwischen London und Yokohama durch die Nordostpassage 13.841 km, durch den Suezkanal 21.200 km und durch den Panamakanal 23.300 km. Eine kürzere Entfernung kann sehr profitabel sein, da eine verringerte Überfahrtszeit die Brennstoff- und Personalkosten senkt und mehr Fahrten pro Jahr ermöglicht. Solche Zahlen haben in Russland große Hoffnungen geweckt. Daher hat das Land beträchtliche Ressourcen aufgewandt, um Verwaltungsprozeduren zu vereinfachen und die Häfen des Nordens zu modernisieren. Die Route Shangahai – Wladiwostok – Tschukotien – Murmansk – norwegische / deutsche Küste ist 5.200 km kürzer als die Routen durch den Indischen Ozean und den Suezkanal, wobei Treibstoff und Heuer gespart und Frachtgebühren reduziert werden. Im Norden gibt es keine somalischen Piraten, keine Schlangen vor dem Suezkanal, oder Gebühren für die Durchfahrt dort. Andererseits müssen dort Eisbrecher bezahlt werden; die Route ist acht bis neun Monate im Jahr zu großen Teilen mit Eis bedeckt.

Ressourcen und die Nordostpassage: Bau des Hafens Sabetta für das Flüssiggasprojekt "Jamal SPG"

Heute entfallen auf die arktischen und subarktischen Regionen 98 % der russischen Diamantengewinnung sowie 90 % der Öl-, Gas-, Nickel- und Platingewinnung Russlands. Vor allem wegen der Entdeckung neuer Vorkommen an fossilen Energieträgern ist die Aufmerksamkeit für die Nordostpassage gesichert. In diesem Zusammenhang dürfte der Nördliche Seeweg am interessantesten für Besitzer und Betreiber des Schtokman-Vorkommens sein: Verflüssigtes Erdgas mit Tankern zu transportieren, könnte billiger werden, als unter den schwierigen Bedingungen der arktischen Landschaft eine Pipeline zu bauen. Die jüngsten Entwicklungen in der russischen Arktispolitik sprechen für ein solches Szenario. Auf der Jamal-Halbinsel ist mit dem Bau eines neuen Hafens mit angeschlossener Siedlung begonnen worden, des Hafens Sabetta, der zu einem der größten Häfen der russischen Polarregion werden soll. Sabetta soll zum Schlüsselelement für die Infrastruktur des Projektes "Jamal SPG" (engl.: "Yamal LNG") werden. Dort ist eine Verflüssigungsanlage für Erdgas aus dem Vorkommen "Jushno-Tambejskoje" ("Tambej Süd") geplant. Der Bau des Hafens, dessen Jahresumschlag über 30 Millionen Tonnen betragen soll, schafft die Voraussetzungen, um die Vorkommen der Jamal-Halbinsel zu erschließen. Analytiker heben hervor, dass der Hafen trotz des vielen Eises in der Region ganzjährig funktionieren werde. Als erster Schritt des Hafenbauprojekts sind geeignete Anleger zum Abladen der Großmodule der Verflüssigungsanlage und der Baustoffe geplant. In einem zweiten Schritt soll der Bau von Piers zur Verladung von Flüssiggas und Gaskondensat erfolgen. Der Regierungsbeschluss "Über Veränderungen im Föderalen Zielprogramm ›Entwicklung des Verkehrssystems Russlands (2010–2015)‹ " sieht für den Bau von Sabetta 47, 2 Milliarden Rubel aus dem Föderalen Haushalt vor; private Investoren sollen 25,9 Milliarden Rubel aufbringen. Nicht weniger interessant sind die Besitzverhältnisse an dem Hafen. Die Hauptbeteiligten am Bau des Hafens sind die OAO "Jamal SPG", die Föderale Agentur für das See- und Flussschifffahrtswesen (Rosmorretschflot) und das Föderale Staatliche Unternehmen "Rosmorport". "Jamal SPG" befindet sich zu 80 % im Besitz von "Nowatek" und zu 20 % im Besitz des Französischen Energiekonzerns Total. Gegenwärtig haben die indischen Unternehmen ONGC, Indian Oil Corporation und Petronet LNG ihr Interesse an einem Erwerb von 15 % am Projekt bekundet.

Verstärkung der Kontrolle durch Moskau und Unterdrückung regionaler Interessen

Ende 2012 setzte Moskau dem langwährenden Streit über den Standort der Verwaltung des "Nördlichen Seeweges" ein Ende. Im Dezember 2012 verkündete der stellvertretende Verkehrsminister Viktor Olerskij Wichtiges: Die Verwaltung für den "Nördlichen Seeweg" werde ihren Sitz in Moskau haben. Die Behörde werde am 28. Januar 2013 seine Arbeit aufnehmen. Allerdings kündigte Olerskij auch an, dass in Archangelsk eine Außenstelle und Hilfseinrichtungen eröffnet würden. Er erklärte, dass der Standort Moskau unter anderem deshalb sinnvoll sei, weil hier die Zentralen des Katastrophenschutzministeriums und diverser Rettungsdienste sowie des Föderalen Dienstes für Hydrometeorologie und Umweltmonitoring (Rosgidromet) angesiedelt sind, die alle für das Funktionieren des Seeweges zu sorgen haben. Die alte Konkurrenz von Murmansk und Archangelsk um den Sitz der Seewegsverwaltung endete also damit, dass beide gegenüber der Hauptstadt das Nachsehen hatten. Dem Verkehrsministerium zufolge wurde die Entscheidung zugunsten Moskaus "salomonisch" gefällt, um weder Murmansk noch Archangelsk zu brüskieren. Die Entscheidung ist ein heftiger Schlag für die politischen Ambitionen der Regionalregierungen, die jeweils darauf abzielen, zum Zentrum der russischen Arktispolitik zu werden. Einige Tage vor der Ankündigung hatte der Gouverneur des Gebiets Archangelsk Igor Orlow gesagt, dass man bereit sei, die Behörde einzurichten, die sich mit den praktischen Fragen des Seeweges befassen würde. Zu diesen Fragen gehört unter anderem die Entgegennahme der Anträge auf Nutzung der Nordostpassage, die Koordination der Arbeit mit Rosgidromet und der Einsatz von Polarflugzeugen. Eine weitere schlechte Nachricht für die Region ist der Plan, die staatliche Trawlerflotte Archangelsk zu privatisieren. Die Bewohner vor Ort sind besorgt, dass die Flotte bei einer Privatisierung nach Murmansk verlegt werden könnte. Das würde die Kosten für die Fischerei senken, aber auch zur Schließung der Fischverarbeitungsfabrik führen, was über 300 Familien arbeitslos machen würde. Marina Strukowa, die für die Zeitung "Sawtra" schreibt, hat darauf verwiesen, dass in einigen Medien Informationen veröffentlicht worden waren, die auf Vorgabe interessierter Kreise das Bild einer veralteten Flotte schaffen sollten, damit die leichter an private Interessenten zu verkaufen wäre.

Hindernisse für eine schnelle Umsetzung des Regierungspläne und Perspektiven für den Nördlichen Seeweg.

Die Begeisterung der russischen Regierung steht in scharfem Kontrast zu den Schwierigkeiten, die für die Entwicklung der Schifffahrt im Norden bestehen. So klingen beispielsweise norwegische Untersuchungen zu den Perspektiven einer wirtschaftlichen Ausbeutung der Arktis, unter anderem durch Schiffsverkehr, höchst skeptisch. Dem ehemaligen Außenminister Norwegens Jonas Gahr Støre zufolge wird die Arktis wohl bis 2040 für einen beträchtlichen Teil des Jahres eisfrei sein, was zur Entstehung neuer Transportwege führen dürfte. Ein wichtiges Problem der Arktis-Route sind allerdings die fehlenden Möglichkeiten, auf der Route selbst auf Zwischenstationen Handel zu treiben. Auf der Südroute fahren Schiffe typischerweise nicht ohne Halt von Rotterdam nach Shanghai. Für gewöhnlich nehmen Frachtschiffe in Häfen, die auf dem Weg liegen, zusätzliche Fracht auch oder laden welche ab, um die Beladung und den Profit zu optimieren. In der Arktis bestehen solche Möglichkeiten nicht. Darüber hinaus beginnt die Eisschmelze jedes Jahr zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt, was die Festlegung eines bestimmten Fahrplans in der Region erschwert. Containerverkehr ist in hohem Maße von genauen Zeitplänen abhängig. Demnach wäre für die nähere Zukunft kaum eine ernstzunehmende Entwicklung des Schiffsverkehrs in der Arktis zu erwarten. Andererseits dürfte die Klimaerwärmung es Schiffen ermöglichen, Häfen in der Arktis anzulaufen, um fossile Brennstoffe oder Erze aus der Region zu exportieren. Laut Frédéric Lasserre gibt es wenig Zweifel daran, dass das Frachtaufkommen allmählich zunehmen wird. Bis zur Jahrhundertmitte könnte das Aufkommen 500–1.000 Schiffspassagen pro Jahr erreichen. Das ist erheblich mehr als gegenwärtig. Es ist aber auch beträchtlich weniger als die 75.000 Schiffe, die die Malakkastraße passieren oder die 15.000–20.000 Schiffe, die den Panamakanal durchqueren.3 Es fehlt noch einiges, um die Arktisroute zu einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Erde zu machen. Es besteht aber auch eine Reihe von Problemen inner­halb Russlands, die das Funktionieren des "Nördliche Seeweges" beeinträchtigen. Das wichtigste besteht in der Unfähigkeit der derzeitigen Regierung, beherzt an staatlichen Projekten zu arbeiten, in Korruption und Ineffizienz. Ein typisches Beispiel ist das Unvermögen, Gelder für eine Modernisierung der Transsibirischen Eisenbahn und den Bau eines zweiten Stranges aufzutreiben. Die Strecke ist bereits jetzt überlastet. Schließlich ist die Transsib gegenwärtig günstiger als der "Nördliche Seeweg" mit seinen schwierigen Klimabedingungen. Japan und andere Länder Asiens haben sogar angeboten, in die Entwicklung der Eisenbahnverbindung zu investieren, weil sie von dieser Verkehrsader erheblich profitieren und für Länder des asiatischen Pazifikraumes garantierte günstige Lieferwege sehr wichtig sind. Die Regierung Russlands arbeitet jedoch nur sehr langsam. Ein weiteres typisches Beispiel ergab sich vor einigen Jahren, als in Russland spekuliert wurde, welche enormen Gelder mit Gaslieferungen nach Japan und China verdienen ließen. Während man jahrelang hehre Pläne schmiedete, konnten sich andere Länder bereits auf diesem Markt etablieren. Ungeachtet all der geplanten Projekte besteht Russlands Präsenz auf diesem aussichtsreichen Markt allein in den bereits bestehenden Projekten Sachalin-1 und Sachalin-2. Bei Öllieferungen sieht es ganz ähnlich aus; wie auch beim Transfer zwischen Asien und Europa. Russland verfügt über enorme geographische Vorteile, es ist aber nicht in der Lage gewesen, Nutzen daraus ziehen. Das gilt auch für den "Nördlichen Seeweg": Norwegen hat auf dieser Route bereits Probelieferungen von verflüssigtem Erdgas von seinen Unternehmen nach Japan durchgeführt. Eine funktionierende Transportverbindung von Archangelsk nach Tschukotien und weiter nach Wladiwostok ist von vitaler Bedeutung. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass Russland nach dem Seerechtsübereinkommen kein Monopol auf diese Route hat. Nach internationalem Recht kann kein Land die Durchfahrt von Handelsschiffen durch seine Hoheitsgewässer blockieren. Der Status des "Nördlichen Seeweges" als Russische Sonderzone mit einem speziellen Transitregime bedeutet nur, dass die russischen Behörden die Versicherungsvorschriften für die Schiffe festlegen, die Seenotrettung gewährleisten und die Begleitung durch Eisbrecher bereitstellen können. Daher meinen viele Politiker und Analytiker in Russland, dass es sinnvoll wäre, ernstzunehmende Partner zu finden, um den Ausbau des "Nördlichen Seeweges" abzuschließen. Einige schlagen vor, mit China zusammenzuarbeiten und ein Sonderabkommen zur gemeinsamen Ausbeutung des "Nördlichen Seewegs" zu unterzeichnen. Es geht hier nicht nur darum, dass China über das nötige Geld verfügt. Auf dem 18. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas wurde verkündet, dass China eine große Seemacht sei. Im Haushalt des Landes ist eine große Summe bereitgestellt worden, mit der die maritimen Programme umgesetzt werden sollen. Alexander Panow, Russlands ehemaliger Botschafter in Japan, Norwegen und Südkorea, hat unterstrichen, dass der "Nördliche Seeweg" rund ein Fünftel des chinesischen Außenhandels übernehmen kann, indem China seine Produkte nach Europa transportiert und die Schiffe auf dem Rückweg Rohstoffe aus Russland laden.

Fussnoten

ist promovierter Politologe und Professor für russische und internationale Politik. Er leitet den Lehrstuhl "Öffentlichkeitsarbeit" an der Staatlichen Universität Uljanowsk. Der Artikel, der hier in gekürzter Form übersetzt wurde, ist im Rahmen des Forschungsprojektes "How to Build Coherent Energy Politics in the Caspian Basin and the Far East? Understanding the Nature of Russian Energy Diplomacy" entstanden, das von der Stiftung zur Entwicklung und Förderung des Waldai-Klubs finanziert wird (Externer Link: http://valdaiclub.com/valdai_club/34140.html).