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Die deutschen Parteien in Europa | Themen | bpb.de

Die deutschen Parteien in Europa

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Europäische Politik ist Parteipolitik. So gut wie alle wichtigen Akteure sind Parteipolitiker. Die nationalen Parteien haben sich in Europarteien zusammengeschlossen. Diese haben allerdings im Wahlkampf wenig zu sagen und spielen auch sonst eher eine Nebenrolle.

Das Europäische Parlament in Straßburg. (© picture alliance / Wiktor Dabkowski)

Fast alle Abgeordneten des Europäischen Parlamentes sind von politischen Parteien zur Wahl nominiert worden. Wenn die Vertreter der Regierungen im Ministerrat und im Europäischen Rat miteinander verhandeln, sitzen fast ausschließlich Parteipolitiker am Tisch, sind doch bis auf wenige und kurzfristige Ausnahmen alle diese Regierungen parteipolitisch zusammengesetzt. Ähnliches gilt auch für die Mitglieder der Europäischen Kommission. Bei den Europawahlen von 2014 treten nun alle großen europäischen Parteiföderationen, die Europarteien, erstmals mit Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten an, was die Rolle der Parteipolitik bei der Zusammensetzung der EU-Kommission weiter stärken wird.

Deutsche Parteien einflussreich

Alle im Bundestag vertretenen Parteien engagieren sich in den entsprechenden Europarteien und sind mit ihren Abgeordneten in den jeweiligen Europafraktionen vertreten. Aufgrund der Größe Deutschlands und der damit einhergehenden großen Zahl deutscher Abgeordneter im Europäischen Parlament haben die deutschen Parteien ein großes Gewicht in der Parteipolitik auf europäischer Ebene. So besetzen sie traditionell viele wichtige Ämter innerhalb des Europäischen Parlaments und innerhalb der Europarteien. CDU und SPD stellten beispielsweise bereits mehrfach Präsidenten des Europaparlaments. Der aktuelle Präsident Martin Schulz ist nun auch Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokratie für die kommenden Wahlen.

Beim Aufbau der Europarteien waren deutsche Parteien ebenfalls sehr einflussreich. Dies gilt nicht nur für die beiden Großparteien CDU/CSU und SPD, sondern vor allem für die Grünen und die Linken, die beim Aufbau der Europäischen Grünen Partei bzw. der Europäischen Linken federführend waren. Bislang sind die Europarteien allerdings organisatorisch schwach ausgebildet und gleichen hinsichtlich ihrer Strukturen eher Dachverbänden als politischen Parteien. Anders als die nationalen Parteien haben sie, von eher symbolischen Ausnahmen abgesehen, keine individuellen Mitglieder. Außerdem sind ihre Handlungsmöglichkeiten auf nationalstaatlicher Ebene bislang beschränkt. Zwar verfassen sie europäische Wahlprogramme, doch haben sie bislang keine wichtige Rolle im Europawahlkampf und keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der nationalen Wahllisten.

Wichtige Treffen am Vorabend

Eine beträchtliche Rolle im europäischen Politikprozess spielen jedoch die Treffen der Parteivorsitzenden, bei denen die großen Europarteien ihre politische Marschrichtung vor den europäischen Gipfeltreffen (den Sitzungen des Europäischen Rates) koordinieren. Die Rolle dieser Treffen, die traditionell am Vorabend der Gipfel stattfinden, hängt allerdings auch davon ab, ob die politischen Schwergewichte an ihnen teilnehmen bzw. ob sie bereit sind, tatsächlich in diesem Forum Entscheidungen vorzustrukturieren.

Während beispielsweise Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) in der Regel an diesen Treffen teilnahm und sie dafür nutzte, die Positionen der EVP zu koordinieren, ist die Weigerung seines Nachfolgers Gerhard Schröder (SPD) legendär: Er hielt die Treffen eher für Zeitverschwendung und verließ sich lieber auf Absprachen mit Regierungschefs der wichtigsten Partnerländer. Ähnlich hielt es seinerzeit der britische Labour-Premier Tony Blair. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen nutzte die Möglichkeit der Party Leader Meetings schon zu Oppositionszeiten, um wichtige Kontakte in alle europäischen Partnerländer zu knüpfen. Während der Eurokrise hat sie dann allerdings häufig bilaterale Absprachen bevorzugt, beispielsweise mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Über Jahre hinweg war das europäische Spitzenpersonal in die nationalen Entscheidungsstrukturen der Parteien nur schwach eingebunden. Im Zuge der Ausweitung der Kompetenzen der Europäischen Union insgesamt und vor allem des Europäischen Parlaments haben die deutschen Parteien allerdings damit begonnen, die europäische Ebene stärker mit den nationalen Entscheidungsstrukturen zu verknüpfen. beispielsweise dadurch, dass europäische Spitzenpolitiker in den nationalen Parteiführungsgremien präsent sind.

Strukturelle Grenzen

Der engeren Verknüpfung von nationaler und europäischer Parteipolitik sind allerdings strukturelle Grenzen gesetzt. Erstens hindert der dichte Terminkalender die Europaabgeordneten daran, mehr Präsenz bei Veranstaltungen ihrer nationalen Parteien zu zeigen. Zweitens müssen die Abgeordneten wählen zwischen der Präsenz in Berlin, wo sie ihre europapolitische Expertise in den relevanten politischen Kreisen einbringen können, und der Pflege ihrer regionalen Parteibasis, die über die Wiedernominierung für ein Mandat im Europaparlament entscheidet. Und drittens repräsentieren ab der Wahl 2014 nur 96 Abgeordnete Deutschland in Europa, während sich im Berliner Bundestag 631 Abgeordnete diese Aufgabe teilen.