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Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss | Gesundheitspolitik | bpb.de

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Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss

Thomas Gerlinger

/ 5 Minuten zu lesen

Das Versorgungsstrukturgesetz beauftragte den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit der Erarbeitung einer neuen Bedarfsplanungsrichtlinie. Diese Neufassung trat Anfang 2013 in Kraft. Sie verfolgt das Ziel, flexiblere Handlungsmöglichkeiten bei der Steuerung der Zulassung zur vertragsärztlichen Zulassung zu eröffnen. Was beinhaltet diese Planung und wo setzt sie an?

Werbeaktion der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Haus- und Fachärzte. (© picture-alliance, Arco Images)

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legte im Dezember 2012 gemäß dem vom GKV-Versorgungsstrukturgesetz erteilten Auftrag eine neue Bedarfsplanungsrichtlinie vor . Die neue Richtlinie sieht eine Reihe von Veränderungen gegenüber dem vorherigen Recht vor. Die neuen Regelungen sind flexibler als die vorherigen und sollen es ermöglichen, entstandene Versorgungsprobleme schneller zu erkennen und zu lösen. Mit ihnen soll es gelingen, die Verteilung der Ärzte besser am tatsächlichen Versorgungsbedarf zu orientieren.

Ausgangspunkt der neuen Bedarfsplanung ist die Überlegung, dass die hausärztliche Versorgung möglichst vor Ort gewährleistet werden muss, während Fachärzte umso größere Einzugsgebiete versorgen können, je größer ihre Spezialisierung ist. Daher nimmt das neue Verfahren eine Differenzierung der Planungsbereiche vor. Ihnen werden die unterschiedlichen Arztgruppen in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Spezialisierungsgrad zugewiesen. Die vorherige Orientierung des Planungsverfahrens an den Grenzen der Landkreise und der kreisfreien Städte wird damit aufgegeben und durch ein differenzierteres Planungsraster ersetzt.

Bei diesen neuen Planungsbereichen handelt es sich um (§ 7)

  1. den Mittelbereich,

  2. die kreisfreien Städte, Landkreise oder die Kreisregion,

  3. die Raumordnungsregion,

  4. den KV-Bezirk.

Der Mittelbereich entspricht dem Bereich der mittleren und großen kreisangehörigen Städte. Er ist also kleiner als die zuvor zugrunde gelegten Landkreise und kreisfreien Städte.

Die kreisfreien Städte, Landkreise oder die Kreisregion entsprechen den vorherigen Planungsbereichen entsprechen.

Die Raumordnungsregion fasst mehrere Landkreise und kreisfreie Städte zusammen. Hierbei handelt sich um große Raumeinheiten, die häufig durch ein ökonomisches Zentrum und dessen Umland beschrieben sind. Raumordnungsregionen sind z.B. Nordthüringen oder Rhein-Main. In Deutschland gibt es insgesamt 97 Raumordnungsregionen (ohne Hamburg und Berlin). Raumordnungsregionen sind also erheblich größere Einheiten als Landkreise oder kreisfreie Städte.

Der KV-Bezirk ist mit den Grenzen der Bundesländer identisch. Lediglich in Nordrhein-Westfalen ist dies nicht der Fall, denn hier gibt es zwei KV-Bezirke (Westfalen-Lippe, Nordrhein).

Die verschiedenen Arztgruppen werden den einzelnen Planungsbereichen und -verfahren in folgender Weise zugewiesen:

  • Der Mittelbereich ist der Planungsbereich für die hausärztliche Versorgung (§ 11). Dazu zählen Fachärzte für Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte und Ärzte ohne Gebietsbezeichnung sowie Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die sich für die hausärztliche Versorgung entschieden haben.

  • Die Kreise und kreisfreien Städte sind die Planungsbereiche für die fachärztliche Versorgung (§ 12). Darunter fallen Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Orthopäden, Psychotherapeuten, Urologen und auch die Kinderärzte.

  • Die Raumordnungsregion ist der Planungsbereich für die spezialisierte fachärztliche Versorgung (§ 13). Diesem Planungsbereich sind Anästhesisten, fachärztliche Internisten, Kinder- und Jugendpsychiater sowie Radiologen zugeordnet.

  • Der KV-Bezirk ist der Planungsbereich für die gesonderte fachärztliche Versorgung (§ 14). Darunter fallen Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Physikalische- und Rehabilitations-Mediziner, Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner, also zahlenmäßig jeweils kleine Arztgruppen.

Merkmale der Bedarfsplanung gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie 2012

PlanungsbereichGröße Betroffene Arztgruppen
Mittelbereichmittlere und große kreisangehörige Städte (kleiner als die zuvor zugrunde gelegten Landkreise und kreisfreien Städte)Hausärztliche Versorgung
Kreisfreie Städte und Landkreisewie bisherFachärztliche Versorgung: Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Orthopäden, Psychotherapeuten, Urologen, Kinderärzte
Raumordnungs-
region
umfasst mehrere Landkreise und kreisfreie Städte (erheblich größer als bisher)spezialisierte fachärztliche Versorgung: Anästhesisten, fachärztliche Internisten, Kinder- und Jugendpsychiater, Radiologen
KV-Bezirkidentisch mit Grenzen der Bundesländer (Ausnahme: Nordrhein-Westfalen)gesonderte fachärztliche Versorgung: Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Rehabilitations-Mediziner, Strahlentherapeuten, Transfusionsmediziner

Quelle: Eigene Darstellung.

Die hausärztliche Versorgung unterliegt also künftig einer feingliedrigeren Planung, um so eine größere Wohnortnähe der Versorgung zu gewährleisten. Der G-BA ging zunächst davon aus, dass die Planzahlen für Hausärzte um bundesweit rund 2.500 Sitze und für Psychotherapeuten um rund 1.400 Sitze steigen würden. Jedoch haben sich diese Erwartungen nicht erfüllt, denn die regionalen Planungsakteure nutzten die mit dieser Richtlinie eingeräumten Möglichkeiten zur regionalen Abweichung von bundesweiten Vorgaben. Nach einer Befragung der Kassenärztlichen Vereinigungen durch den Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen reduzierte sich in der Folge die Sollzahl der Hausarztsitze um knapp 1.400 (2,8 %) und die Sollzahl der Facharztsitze (ohne Psychotherapeuten) in der allgemeinen fachärztlichen Versorgung um 5,2 Prozent auf etwa 1 800 Sitze . Auch in der spezialisierten fachärztlichen Versorgung (u.a. Anästhesisten, Fachärztliche Internisten, Radiologen reduziert sich die Zahl der Sitze, und zwar um etwa 200 oder 3,0 Prozent .

Das neue Bedarfsplanungsrecht erschwert Standortwechsel für Hausärzte, weil die Planungsbereiche bei ihnen kleiner sind. Hingegen sind bei der spezialisierten fachärztlichen Versorgung Praxisverlegungen mit der Vergrößerung der Planungsbereiche nun leichter möglich. Mit der gesonderten fachärztlichen Versorgung werden zusätzlich zu den 14 zuvor berücksichtigten Arztgruppen weitere Disziplinen in die Bedarfsplanung einbezogen. Damit soll die Bedarfsplanung auch bei diesen Arztgruppen einen gleichmäßigeren Versorgungszugang gewährleisten. Die diesem Verfahren unterliegenden Arztgruppen sind zahlenmäßig jeweils sehr klein. Darüber hinaus gibt die Bedarfsplanungsrichtlinie den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen Instrumente an die Hand, die möglichst rasch eine bedarfsgerechte Versorgung im ländlichen Raum herbeiführen sollen:

  • Bestehende Zulassungsbeschränkungen können während eines Übergangszeitraums von drei Jahren in einem neuen Planungsbereich beibehalten werden, bis alle ehemaligen Planungsbereiche innerhalb des neuen Planungsbereichs einen Versorgungsgrad von mindestens 100 Prozent erreicht haben (§ 65).

  • Die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen können innerhalb einer Übergangszeit von drei Jahren in bestimmten Fällen auch Planungsbereiche mit einem Versorgungsgrad zwischen 100 und 110 Prozent sperren (§ 67). Im Allgemeinen ist eine Sperrung erst bei Erreichen eines Versorgungsgrads von 110 Prozent möglich (§ 24). Hausärzte und Psychotherapeuten in ländlichen Regionen wurden von diesen Regelungen ausgenommen, um bei diesen Gruppen auch schon kurzfristig Zuwächse zu ermöglichen.

  • Schließlich wird auch der Demographiefaktor als Kriterium für den Versorgungsbedarf in der Richtlinie neu gefasst (§ 9). Die neue Richtlinie unterscheidet bei der Ermittlung des Leistungsbedarfs in einem Planungsbereich nun zwischen dem Bedarf der Versicherten, die 65 Jahre alt oder älter sind, sowie dem Bedarf der unter 65-Jährigen. Dabei wird dieser Bedarf auf die jeweiligen Arztgruppen bezogen. Der Demographiefaktor modifiziert die allgemeinen Verhältniszahlen für die jeweilige Arztgruppe. Mit diesem Verfahren will der Gemeinsame Bundesausschuss präziser den arztgruppenspezifischen Versorgungsbedarf in einer Region erfassen.

Das neue Planungsinstrumentarium stellt Instrumente für eine flexiblere Steuerung der vertragsärztlichen Zulassungen bereit. Dies für die hausärztliche Versorgung, denn hier ist das Planungsraster feingliedriger als zuvor. Inwieweit die neue Bedarfsplanungsrichtlinie hilft, die bestehenden Ungleichgewichte tatsächlich zu reduzieren, wird sich erst noch zeigen. So muss sich mit einer Zunahme der Planzahlen in diesem Bereich noch nicht die Zahl der Facharztanerkennungen in der Allgemeinmedizin erhöhen. Es ist also denkbar, dass überhaupt nicht genügend Hausärzte zur Verfügung stehen werden, um die ausgewiesenen Stellen zu besetzen. Allerdings lässt sich dieses Problem nicht durch eine Bedarfsplanungsrichtlinie lösen. Im Unterschied zur hausärztlichen Versorgung hat sich das Planungsverfahren für die fachärztliche Versorgung kaum geändert. Der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie fehlt es, insgesamt betrachtet, an einem effektiven Instrumentarium zur Reduzierung der Überversorgung in Ballungsräumen. Dazu wären allerdings entsprechende gesetzliche Rahmenvorgaben notwendig gewesen. Der politische Wille des Gesetzgebers war dafür aber nicht vorhanden.

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Ihre Auswertung

Welches Gremium bzw. welche Institution verabschiedet die Bedarfsplanungsrichtlinie für die vertragsärztliche Versorgung?

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Welche Aussage über den Mittelbereich ist richtig?

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In welchem Planungsbereich erfolgt gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses die Bedarfsplanung für die hausärztliche Versorgung?

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Welche Folgen für die Verteilung von Vertragsärzten erhofft sich der Gesetzgeber von der Neuordnung der Bedarfsplanung?

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Was bezeichnet der Demographiefaktor in der vertragsärztlichen Bedarfsplanung?

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Welche Konsequenzen hat der Demographiefaktor für die vertragsärztliche Versorgung?

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Weitere Inhalte

Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, AG 1: Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie.