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Aktuelle Entwicklung der Migration | Japan | bpb.de

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Aktuelle Entwicklung der Migration

Gabriele Vogt

/ 3 Minuten zu lesen

Im Jahr 1990 waren 1.075.317 Zuwanderer in Japan wohnhaft gemeldet (0,87%), 1995 waren es 1.362.371 (1,08%) und im Jahr 2000 schließlich 1.686.444 (1,33%). Die Zuwandererbevölkerung Japans erreichte ihren vorläufigen numerischen Höhepunkt im Jahr 2008 mit 2.217.426 Personen (1,74%). Innerhalb von 18 Jahren verdoppelte sich der Umfang der Zuwandererbevölkerung. Einen rasanten Anstieg erfuhren dabei die Zuwanderergemeinden aus China und Brasilien.

Prozentualer Anteil der Zuwanderer an der Gesamtbevölkerung Japans (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die Krise der Weltwirtschaft der Jahre 2008/2009 schlug sich in Japan in einem Rückgang der erwerbstätigen Zuwandererbevölkerung nieder. Dieser numerische Rückgang hält in gemäßigter Form bis dato an. Aktuell (2011) sind 2.078.480 Zuwanderer in Japan als wohnhaft gemeldet, was einem Anteil von 1,63% an der – seit 2005 sich in einem moderaten Negativwachstum befindenden – Gesamtbevölkerung entspricht.

Migration nach der Gesetzesrevision von 1990

Die Revision von Japans Zuwanderungsgesetz aus dem Jahr 1990 rief den bis 2008 andauernden numerischen Anstieg der als wohnhaft gemeldeten Zuwandererbevölkerung im Land hervor. Zwei Aspekte verdienen hier gesonderte Aufmerksamkeit. Erstens, die Gesetzesrevision von 1990 öffnete mit der bestehenden Gruppe der "Langzeitresidenten" eine neue Aufenthaltskategorie, die speziell auf die Bedürfnisse der gewachsenen japanischen Population in Lateinamerika, insbesondere in Brasilien und Peru zugeschnitten war. Nachkommen bis zur dritten Generation der ehemaligen Auswanderer konnten nun als "Langzeitresidenten" nach Japan einreisen und dort ohne Einschränkung einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Die brasilianische und die peruanische Zuwandererbevölkerung in Japan wuchsen seit dieser Gesetzesrevision um jeweils mehr als das Fünfeinhalbfache an.

Zweitens wurde im Zuge der Revision des Zuwanderungsgesetzes durch einen Erlass des Justizministeriums auch das – mittlerweile höchst umstrittene – Praktikantensystem erweitert. Seit August 1990 können auch Kleinbetriebe mit weniger als 20 Angestellten "Praktikanten" aus Entwicklungs- und Schwellenländern aufnehmen. Das Praktikanten-Programm wird aus dem japanischen Haushalt für internationale Entwicklungszusammenarbeit finanziert und soll den Spillover von technischem Wissen in Entwicklungs- und Schwellenländer forcieren. Die überwiegende Mehrheit – bis zu 80% – der internationalen Praktikanten in Japan stammt aus China.

In der Praxis zeigt sich, dass das Praktikanten-Programm – ähnlich wie die Kategorie der "Langzeitresidenten" für Japanischstämmige – den in Japans offizieller Zuwanderungspolitik nicht bedienten Niedriglohnsektor befüllt. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch für die aktuellste Initiative in Japans Zuwanderungspolitik ab, dem in bilateralen Verträgen geregelten Zuzug von Kranken- und Altenpflegekräften aus ausgewählten Ländern Südostasiens.

Pflegemigration

Auf der Basis bilateraler Wirtschaftsabkommen mit Indonesien und den Philippinen können seit 2008 bzw. 2009 jeweils bis zu 1.000 Kranken- und Altenpfleger pro Jahr aus diesen Ländern nach Japan reisen, um dort nach einem verpflichtenden sechsmonatigen Japanisch-Sprachkurs im Status von Assistenzpflegekräften zu arbeiten – unabhängig von ihrer bisherigen fachlichen Qualifikation. Nach spätestens vier Jahren muss Japans staatliche Prüfung zum Kranken- bzw. Altenpfleger erfolgreich abgelegt werden, anderenfalls droht der Entzug des Arbeitsvisums. Nach Bestehen der Prüfung wird eine unbeschränkte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis gewährt.

Seit Bestehen der Abkommen haben jedoch lediglich 17 indonesische und zwei philippinische Pflegekräfte die staatliche Prüfung bestanden. Als größte Hürde erwies sich dabei die geschriebene japanische Sprache. Darüber hinaus zeigt sich, dass das System der Pflegemigration nach Japan unattraktiv für die potentiellen Zuwanderer ist; insbesondere die versagte Anerkennung bestehender Berufsabschlüsse und der hohe Stellenwert der Sprachkompetenz stehen im Zentrum der Kritik. So kamen über diesen Zuwanderungskanal bislang lediglich 791 indonesische und 532 philippinische Pflegekräfte nach Japan – weit unter der gesetzten Quote. Gepriesen als Gegenmaßnahme zu einem sich verschärfenden Pflegekräftemangel in Zeiten der Bevölkerungsalterung, erweist sich das gegenwärtige System der Zuwanderung von Pflegekräften als praxisfern und ineffektiv.

Fussnoten

Fußnoten

  1. MIAC 2012; MOJ 2011b: 19; MOJ 2012a.

  2. Jap.: Shutsunyūkoku kanri oyobi nanmin ninteihō, kurz: Nyūkanhō (Gesetz über die Ein- und Ausreisekontrolle sowie die Anerkennung von Flüchtlingen), am 1.1.1982 in Kraft getreten. Es folgt auf die bis dato gültige Einreisekontroll-Verordnung (Shutsunyūkoku kanri rei, kurz: Nyūkanrei) vom 4.10.1951 (Behaghel und Vogt 2006: 122–123).

  3. Jap.: Teijūsha. Mehrfach verlängerbarer Aufenthaltsstatus, der in der Regel zunächst befristet für drei Jahre verliehen wird.

  4. Behaghel und Vogt 2006: 129–130.

  5. MOJ 2011b: 20.

  6. Behaghel und Vogt 2006: 128–129; Chiavacci 2011: 138–146.

  7. Vogt 2011b: 331.

  8. MOJ 2011b: 11.

  9. Ab 2014 sollen ferner Pflegekräfte aus Vietnam auf der Basis eines ähnlichen Abkommens in Japan berufstätig werden können (Japan Times 20.4.2012).

  10. Vogt 2011b; Vogt und Holdgrün 2012.

  11. Ogawa 2012; Vogt 2011b.

  12. Vogt 2011a.

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Prof. Dr. Gabriele Vogt ist Professorin für Japanologie am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der sozialwissenschaftlichen Japanforschung und umfassen neben dem Thema der internationalen Migration nach Japan auch Japans demographischen Wandel und Themen der politischen Partizipation.
E-Mail Link: gabriele.vogt@uni-hamburg.de