Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Herkunftsländer der ausländischen Arbeitskräfte in den GCC-Staaten | Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrats (GCC) | bpb.de

Golfstaaten Moderne internationale Arbeitsmigration Arabien vor dem Erdölzeitalter Entwicklungsphasen der Arbeitsmigration Strukturelle Arbeitslosigkeit Arbeitsmärkte Herkunftsländer Geschlechterzusammensetzung Arbeitsmärkte im Vergleich "Arabischer Frühling" und Arbeitsmärkte Staatsangehörigkeit Schlussfolgerungen Literatur Arbeitsmigration aus Südasien in die Golfstaaten: Das Beispiel Pakistan

Herkunftsländer der ausländischen Arbeitskräfte in den GCC-Staaten

Onn Winckler

/ 5 Minuten zu lesen

1940er – 1980er Jahre: Arbeitsmigranten aus dem arabischen Raum

Von den späten 1940ern bis in die frühen 1980er Jahre hinein, also während der ersten Phase des Entwicklungsprozesses in den ölfördernden GCC-Staaten, kam die große Mehrheit der ausländischen Arbeitskräfte aus anderen arabischen Ländern, insbesondere aus Ägypten, dem Jemen, Jordanien/Palästina (den besetzen palästinensischen Gebieten) sowie in geringerem Maße aus Syrien, dem Libanon und dem Sudan. Die ausländischen Arbeiter aus dem arabischen Raum wurden benötigt, um die staatliche Verwaltung, das Bildungssystem, das Rechtssystem und andere Dienstleistungsstrukturen des öffentlichen Sektors aufzubauen. Sie wurden nicht nur aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen und ihres Fachwissens benötigt, sondern auch, weil sie die einzigen Arbeitskräfte waren, die all diese Institutionen und Strukturen in arabischer Sprache etablieren konnten. Ein Hauptgrund für die schnelle Entwicklung staatlicher Einrichtungen in den GCC-Staaten war also neben den für deren Aufbau vorhandenen finanziellen Ressourcen die Verfügbarkeit qualifizierter arabischer Fachkräfte.

Neben der Tatsache, dass die Arabisch sprechenden Arbeitskräfte aufgrund ihrer Sprachkenntnisse unersetzbar waren, privilegierte das Arbeitsrecht der GCC-Ölstaaten ausländische Arbeitnehmer aus dem arabischen Raum gegenüber nicht-arabischen Arbeitsmigranten. Jedoch durften ausländische arabische Arbeitskräfte nur dann in den GCC-Staaten beschäftigt werden, wenn sich keine einheimische Arbeitskraft für die Tätigkeit finden ließ. Die Einstellung nicht-arabischer Arbeitskräfte war nur dann erlaubt, wenn weder ein Staatsangehöriger der GCC-Staaten noch ein ausländischer arabischer Arbeitnehmer zur Verfügung stand. Bis in die frühen 1980er Jahre hinein bestand daher eine Situation der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den ölreichen Golfstaaten und arabischen Ländern ohne nennenswerte Ölvorkommen. Während letztere aufgrund ihrer rasch anwachsenden Erwerbsbevölkerung dringend auf Arbeitsmöglichkeiten angewiesen waren, hatten die Ölstaaten in der Golfregion keine andere Möglichkeit, als ausländische Arbeitskräfte aus dem arabischen Raum in ihrem schnell wachsenden öffentlichen Sektor zu beschäftigen.

Darüber hinaus stärkte die Beschäftigung von Millionen von Arbeitskräften aus den arabischen Nicht-Ölstaaten die Position der ölreichen Golfstaaten in der inter-arabischen politischen Arena. Es gelang ihnen so, Forderungen nach einer "arabischen Einheit" (Panarabismus) abzuwenden; diese Bestrebungen hatten zuvor die Position der regierenden Familien der Golfstaaten, insbesondere die der Al-Sa’du Familie gefährdet. Von der Beschäftigung arabischer Arbeitsmigranten profitierten die Ölstaaten also sowohl aus sozioökonomischer als auch politischer Sicht.

Späte 1980er Jahre bis heute: Arbeitsmigration aus Asien

Nach dem Ende des "Öljahrzehnts" wurden die arabischen Arbeitsmigranten jedoch nach und nach durch asiatische Arbeitskräfte ersetzt, auch in Kuwait, allgemein als Hochburg arabischer Arbeitsmigranten bekannt. Stammten im Jahr 1975 noch 69 Prozent aller in Kuwait beschäftigten Arbeitsmigranten aus einem arabischen Land, so waren es 2007 nur noch 40 Prozent (Shah 2007, S. 14). In Saudi Arabien ging der Anteil arabischer Migranten an der gesamten ausländischen Bevölkerung von über 90 Prozent 1975 (ILO, 1980, S. 137) auf 37 Prozent 1992 (Birks, Sinclair & Associates Ltd. 1992, S. 103) und nur noch etwas mehr als 30 Prozent in den 2000ern zurück (Kapiszewski 2006, S. 9). In Oman stammte seit Beginn des Erdölzeitalters die Mehrheit der ausländischen Arbeitskräfte aus dem asiatischen Raum, da Oman traditionell enge Beziehungen mit Ländern des Fernen Ostens, allen voran Indien, pflegte. Dennoch kamen 1975 12,4 Prozent der ausländischen Arbeitskräfte im Sultanat Oman aus einem arabischen Land (ILO 1980, S. 137). 2008 gab es in Oman mit Ausnahme von etwa 11.000 ägyptischen Arbeitsmigranten (1,4 Prozent aller ausländischen Arbeitskräfte) keine arabischen Arbeitskräfte mehr. Stattdessen stammten 88% aller ausländischen Arbeitskräfte im Sultanat aus Indien, Bangladesch und Sri Lanka (Oman, MNE, Statistics Online). Insgesamt lebten im Jahr 2004 zwischen 3 Millionen und 3,5 Millionen Personen aus anderen arabischen Staaten (Arbeitsmigranten und ihre Familienangehörige zusammengezählt) in den GCC-Ländern. Bereits in den frühen 2000ern lebten mehr Arbeitsmigranten aus Indien in den GCC-Staaten als aus allen arabischen Nicht-Ölstaaten zusammen (MEI, 21. Januar 2005, S. 23). Im Jahr 2010 kamen drei Viertel der Arbeitsmigranten in den GCC-Staaten aus Asien (Migration News, Januar 2012).

Ökonomische Gründe für die Veränderung der Herkunftsräume

Dieser schrittweise Austausch von arabischen durch nicht-arabische Arbeitskräfte basierte sowohl auf ökonomischen als auch auf politischen Gründen. Aus einer rein ökonomischen Sicht heraus waren asiatische Arbeitskräfte viel billiger als arabische und sie konnten auch einfacher wieder entlassen werden (vgl. z.B. ESCWA et al. 1993, S. 7; Kapiszewski 2006, S. 6-7). Anders als die arabischen Arbeitsmigranten kamen die asiatischen Arbeitskräfte überdies zumeist allein in die Golfregion und ließen ihre Familienangehörigen in den Herkunftsländern zurück.

Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten

In den späten 1990er Jahren, als die Ölpreise extrem abfielen und zeitweise einen Tiefststand von unter $10 pro Barrel erreichten, machten die Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten in ihre Heimatländer einen beträchtlichen Teil der Öleinkünfte aus. Im Fall von Saudi Arabien beliefen sich die Rücküberweisungen im Jahr 2009 auf $14 Milliarden (Looney 2004, S. 8), was mehr als einem Drittel der gesamten im selben Jahr erzielten Öl-Einkünfte des Königreichs entsprach (OPEC 2000, S. 5). Insgesamt schickten Arbeitsmigranten zwischen 1970 und 2008 allein aus Saudi Arabien die unvorstellbare Summe von $327 Milliarden in ihre Herkunftsländer (Ramady 2010, S. 31).

Darüber hinaus führten die massiven Investitionen in das Bildungswesen dazu, dass sowohl in Staatsämtern als auch im Bildungssystem nach und nach viele GCC-Staatsangehörige die Fachkräfte aus anderen arabischen Ländern ersetzten. Im Privatsektor, vor allem im Baugewerbe und in der Landwirtschaft, die sich zu den Bereichen entwickelt haben, in denen die meisten ausländischen Arbeitskräfte beschäftigt werden, sind Arabischkenntnisse nicht relevant, so dass hier im Laufe der Zeit ebenfalls die arabischen Arbeitskräfte gegen nicht-arabische Arbeitsmigranten ausgetauscht wurden. Zudem wurden viele Infrastrukturprojekte in der Golfregion von asiatischen Unternehmen geleitet, die ihre eigenen Arbeitskräfte mitbrachten.

Politische Gründe für die Veränderung der Herkunftsräume

Von einem politischen Standpunkt aus betrachtet erklärt sich der Rückgang der Zahl arabischer Arbeitsmigranten in der Golfregion mit der Angst der Obrigkeiten der GCC-Staaten vor einer Verbreitung republikanischer, anti-monarchischer Ideen durch die arabischen Arbeitskräfte. Einige der GCC-Staaten wurden überdies von Streiks erschüttert, die von arabischen Arbeitsmigranten angeführt wurden (Kapiszewski 2006, S. 6). Schließlich fürchteten die Obrigkeiten der GCC-Länder nach der Islamischen Revolution im Iran Anfang des Jahres 1979 die Verbreitung radikaler islamischer Ideen, besonders nachdem am 20. November 1979 die Große Moschee in Mekka durch Juhayman al-Otaybi und seine Gefolgsleute übernommen worden war. Im Gegensatz zu den arabischen Arbeitsmigranten wurden Arbeitskräfte aus Asien von den GCC-Obrigkeiten als "passive Beobachter" (Choucri 1986, S. 252) betrachtet und daher nicht als Bedrohung des "innersten Wesens" (intimate nature) der Gesellschaft in den GCC-Staaten oder deren politischer Regime wahrgenommen. Die Ereignisse im Rahmen des "Arabischen Frühlings" haben an dieser Situation nichts geändert. In jedem einzelnen der GCC-Staaten werden asiatische Arbeitskräfte weiterhin gegenüber arabischen Arbeitsmigranten bevorzugt.

Weitere Inhalte

Onn Winckler ist Professor am Department of Middle Eastern History an der Universität Haifa. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich politische Demographie und Wirtschaftsgeschichte des Mittleren Ostens.
E-Mail Link: owinkler@univ.haifa.ac.il