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Asyl und Flüchtlinge in Schweden | Schweden | bpb.de

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Asyl und Flüchtlinge in Schweden

Bernd Parusel

/ 5 Minuten zu lesen

Schweden zählt zu den Ländern, die in der Europäischen Union die meisten Asylsuchenden aufnehmen. Die deutliche Zunahme der Asylmigration in den vergangenen Jahren stellt das Aufnahmesystem jedoch vor Herausforderungen. Dies gilt insbesondere für die Unterbringung von Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen.

Flüchtlinge besteigen in Kiel die Fähre nach Schweden, 2015. Trotz seiner geografischen Randlage ist Schweden eines der Hauptzielländer von Schutzsuchenden in der Europäischen Union. (© picture-alliance/dpa)

Trotz seiner geografischen Randlage ist Schweden eines der Hauptzielländer von Schutzsuchenden in der Europäischen Union. 2014 wurden 81.300 Asylanträge in Schweden registriert, was einem Anstieg um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht, als 54.259 Asylanträge gezählt wurden. Die Antragszahl aus 2014 ist die höchste Zahl seit 1992, als rund 84.000 Menschen in Schweden Asyl beantragten, insbesondere aufgrund des Krieges im ehemaligen Jugoslawien. Im europäischen Vergleich registrierte Schweden 2014 nach Deutschland (202.815) die höchste Zahl an Asylanträgen, an seiner Bevölkerungsgröße gemessen führte es sogar die Liste der Hauptzielländer Asylsuchender in der EU an (8,4 Asylanträge pro 1.000 Einwohner). Die fünf größten Gruppen von Asylsuchenden waren Syrer (38 Prozent aller Asylsuchenden), Eritreer (14 Prozent), staatenlose Personen (zehn Prozent) sowie Somalier (sechs Prozent) und Afghanen (vier Prozent).

Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden

Vor dem Hintergrund stark steigender Asylsuchendenzahlen sind Themen wie Aufnahmereglungen, Integrationsmaßnahmen und die ungleiche Verteilung von Asylsuchenden auf die EU-Mitgliedstaaten in der schwedischen Gesellschaft viel diskutiert worden. Schweden hat ein umfassendes System der Aufnahme und Unterbringung für neuankommende Asylsuchende, welches in Zeiten hoher Asylantragszahlen unter Druck gesetzt wird. Das Aufnahmesystem wird hauptsächlich von der Migrationsbehörde verwaltet. Während ein Asylantrag geprüft wird, ist der Bewerber einer Aufnahmeeinheit zugeordnet, die ihm Wohnraum zur Verfügung stellt und die Deckung des Lebensunterhalts unterstützt. Es gibt zwei verschiedene Unterbringungsarten: In den meisten Fällen werden Asylbewerber entweder in einer Wohnung, die von der Behörde in einem normalen Wohngebiet angemietet wurde, oder in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Asylbewerber, die nicht für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen können, erhalten staatliche Unterstützung in Form von Bargeld. Eine medizinische Notversorgung wird ebenfalls gewährleistet. Familien bleiben zusammen und müssen sich in der Regel nicht mit anderen Asylbewerbern eine Wohnung teilen. Dabei entscheiden die Gemeinden in Schweden selbst darüber, ob und wie viele Asylbewerber sie jährlich aufnehmen wollen und halten diesen Entschluss in einer Vereinbarung mit der Migrationsbehörde fest (siehe auch das Kapitel Interner Link: Integrationspolitik). Einen verpflichtenden Verteilungsschlüssel gibt es nicht. Wenn die Plätze, die Gemeinden für Asylsuchende zur Verfügung stellen, nicht ausreichen, kann die Migrationsbehörde auf dem freien Markt Wohnraum anmieten, ohne dafür das Einverständnis der zuständigen Gemeinden zu benötigen. Dies können Jugendherbergen, Hotels, Kasernen oder andere angemessene Unterkünfte wie Ferienwohnungen überall im Land sein.

Alternativ zur Unterbringung, die von der Migrationsbehörde gestellt wird, können sich Asylbewerber auch eine eigene Unterkunft suchen. Da die meisten von ihnen keine ausreichenden Mittel haben, um die Miete einer Wohnung zu finanzieren, kommen sie oft bei Freunden oder Verwandten unter. Diejenigen, die bei Freunden oder Familienangehörigen wohnen, erhalten ähnliche finanzielle Zuwendungen wie diejenigen, die in vom Staat zur Verfügung gestellten Unterkünften leben. Auf der einen Seite bietet dieses Aufnahmesystem eine vergleichsweise hohe Flexibilität in Zeiten schwankender Asylsuchendenzahlen und fördert eine Verteilung über das ganze Land. Auf der anderen Seite befeuert es aber auch regelmäßig wiederkehrende politische Konflikte, da reichere Gemeinden in und um Stockholm sowie in Südschweden weniger bereit sind, Wohnraum für Asylsuchende zur Verfügung zu stellen als kleinere Städte und Gemeinden in abgelegenen Gegenden. Die Regierung hat versucht, dieser Haltung durch finanzielle Anreize für Gemeinden, die überdurchschnittlich viele Asylsuchende aufnehmen, entgegenzuwirken. Von Zeit zu Zeit sind auch verpflichtende Verteilungsschlüssel vorgeschlagen worden.

Asylentscheidungen

2014 entschied die Schwedische Migrationsbehörde über 53.503 Asylanträge, rund 3.000 mehr als 2013. In 31.220 Fällen (58 Prozent) fiel die Entscheidung positiv aus. In 34 Prozent der positiv beschiedenen Fälle wurde der Flüchtlingsstatus gewährt, subsidiärer Schutz in 59 Prozent der Fälle. In weiteren fünf Prozent der Fälle wurde eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund besonders belastender persönlicher Umstände ausgestellt.

Mit Blick auf die zehn größten Herkunftsgruppen von Asylbewerbern lag die Anerkennungsquote bei Syrern mit 90 Prozent am höchsten. Wenn solche Fälle ausgeschlossen werden, bei denen die Migrationsbehörde den Asylantrag nicht prüfte, zum Beispiel, weil die Verantwortung für die Prüfung bei einem anderen EU-Mitgliedsland lag (sogenannte "Dublin-Fälle"), lag die Schutzquote bei syrischen Staatsangehörigen sogar bei fast 100 Prozent. Hohe Schutzquoten verzeichneten auch Eritreer.

Andere wichtige Nationalitäten mit hohen Schutzquoten waren staatenlose Asylbewerber (80 Prozent) und Afghanen (60 Prozent). Demgegenüber wurden fast alle Asylanträge von Albanern und Serben negativ beschieden.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Abbildung 3: Zahl neuer Asylanträge 2005-2014. Quelle: Externer Link: Migrationsverket (Schwedische Migrationsbehörde). (© bpb)

Eine vergleichende Analyse der Asylanträge zeigt eine auffällige Besonderheit: Die Zahl unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender ist in Schweden gemessen an der Bevölkerung des Landes sehr hoch. 2014 war die Zahl der asylsuchenden Minderjährigen, die ohne Eltern oder erwachsenen Vormund nach Schweden kamen, fast achtmal so hoch wie 2008. 7.050 unbegleitete Minderjährige stellten 2014 in Schweden einen Asylantrag. Das war der höchste Wert in der Europäischen Union. Deutschland, das im EU-Vergleich die zweithöchste Zahl registrierte, erhielt 4.400 Asylanträge unbegleiteter Minderjähriger. Die Frage, warum gerade Schweden ein attraktives Zielland für unbegleitete minderjährige Asylbewerber ist, ist nicht leicht zu beantworten, weil es dafür keine sachlichen Nachweise gibt. Es kann jedoch angenommen werden, dass die vergleichsweise guten Unterbringungs- und Versorgungsstandards, gute Perspektiven der Schutzgewährung und das allgemein kinderfreundliche gesellschaftliche Klima in Schweden als Anziehungsfaktoren (Pull-Faktoren) wirken.

Resettlement

Neben Asylbewerbern, die selbstständig nach Schweden kommen und dort einen Asylantrag stellen, hat das Land eine lange Tradition der Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen staatlich gesteuerter Resettlement-Programme. In Schweden spricht man diesbezüglich von "Quotenflüchtlingen" (kvotflyktingar). Die Regierung legt eine jährliche Quote fest, auf deren Basis die Migrationsbehörde in Zusammenarbeit mit dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) Vertriebene oder Flüchtlinge in Herkunfts- oder Transitländern auswählt, denen Schweden Schutz und ein Aufenthaltsrecht gewährt. In den vergangenen Jahren wurden jährlich etwa 1.900 Flüchtlinge über solche Programme aufgenommen. 2014 wurden die meisten dieser Flüchtlinge aus dem Iran, Ägypten, Kenia, Uganda, Sudan, Libanon, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel und der Türkei umgesiedelt, wobei Syrer, Afghanen und Eritreer zu den größten Nationalitäten zählten. Vor ihrer Ankunft in Schweden erhalten die im Rahmen von Resettlement-Programmen aufgenommenen Flüchtlinge Orientierungskurse über die schwedische Kultur und das Leben in Schweden und es wird festgelegt, in welcher Gemeinde sie untergebracht werden. Dies geschieht auf der Basis von Abkommen zwischen der Migrationsbehörde und den Gemeinden. Abgelegene Regionen Schwedens, die dünn besiedelt und von Entvölkerung bedroht sind, vor allem im Norden und Nordwesten des Landes, stellen oft sehr aktiv Wohnraum für neuangesiedelte Flüchtlinge zur Verfügung.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Schweden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. European Commission/European Migration Network (2015), S. 11.

  2. Migrationsverket (2015a), S. 10.

  3. Zur ungleichen Verteilung von Asylsuchenden in der EU siehe zum Beispiel Parusel (2015b).

  4. Migrationsverket (2015a), S. 32.

  5. Migrationsverket (2015a), S. 33.

  6. European Commission/European Migration Network (2015), S. 24.

  7. Für weitere Informationen zu unbegleiteten Minderjährigen, die nach Europa flüchten, siehe zum Beispiel Parusel (2015c) und speziell zu unbegleiteten Minderjährigen in Schweden Çelikaksoy/Wadensjö (2015).

  8. Migrationsverket (2015a), S. 35f. Siehe auch die Länderseite über Schweden unter Externer Link: http://www.resettlement.eu/country/sweden.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Bernd Parusel für bpb.de

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Dr. Bernd Parusel ist Politikwissenschaftler und Migrations- und Asylexperte. Er arbeitet für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) bei der schwedischen Migrationsbehörde und als Forschungssekretär bei der schwedischen Delegation für Migrationsstudien (DELMI) in Stockholm.
E-Mail: E-Mail Link: bernd.parusel@migrationsverket.se