In unmittelbarer Folge der Revision des Zuwanderungsgesetzes von 1990 erfuhren insbesondere die chinesische und die brasilianische ebenso wie die peruanische Population in Japan ein rasantes Wachstum.
Die chinesische Gemeinde Japans wuchs von 150.339 Personen im Jahr 1990 auf 687.156 Personen im Jahr 2010. Ihr numerisches Wachstum hält bis heute an. Während traditionell stark besetzte Aufenthaltskategorien wie "Austauschstudent" (2009: 94.355 Personen) einen steten aber moderaten Anstieg über die vergangenen Jahre (2005: 89.374 Personen) verzeichneten, sahen andere Kategorien einen rasanteren Anstieg. Das galt etwa für die hochqualifizierten Berufe in Technik ("Ingenieur" 2005: 14.786 Personen, 2009: 27.166 Personen) und Wissenschaft ("Kulturaustausch / internationale Kontakte" 2005: 20.995 Personen, 2009: 34.210 Personen). Einen sehr deutlichen Anstieg erfuhr auch die Kategorie "Daueraufenthalt" (2005: 106.269 Personen, 2009: 156.295 Personen).
Einige Thesen zur Komposition der chinesischen Zuwandererbevölkerung lassen sich aus diesen Zahlen ableiten: Erstens, die chinesische Zuwandererbevölkerung in Japan besteht mittlerweile überwiegend aus "new-comern". Die Zahl der Nachfahren der ehemals in der Kolonialzeit zugewanderten Chinesen ("old-comer") beläuft sich inzwischen (2009) auf gerade einmal 2.818 Personen, bei sinkender Tendenz (2005: 3.170 Personen). Zweitens, die "new-comer" Population ist höchst divers. In den letzten Jahren waren es insbesondere die an japanischen Universitäten ausgebildeten Chinesen, die nach ihrem Abschluss auf den japanischen Arbeitsmarkt und damit in eine der Aufenthaltskategorien für Hochqualifizierte wechselten. Chinesen in Japan sind – trotz ihrer Dominanz zum Beispiel des Praktikantensektors – längst nicht mehr nur im Niedriglohnsektor anzutreffen, sondern sind mehr und mehr als Hochqualifizierte tätig, insbesondere als transnationale Entrepreneurs, die zahlreichen japanischen Klein- und Mittelunternehmen den Marktzugang in China ermöglichen. Drittens, die chinesische Zuwandererpopulation hat sich als relativ resistent gegenüber der Wirtschaftskrise 2008/09 erwiesen; sie erfuhr in ihrer Summe keinen numerischen Rückgang. Dies lässt Rückschlüsse zu auf stabile Netzwerke innerhalb der Zuwandererbevölkerung ebenso wie auf vermehrte berufliche Tätigkeiten im Hochqualifizierten-Sektor.
Die koreanische Community
Die zweitgrößte Zuwandererbevölkerung in Japan stammt aus Korea. Im Jahr 2010 waren 565.989 Koreaner in Japan wohnhaft gemeldet. Im Unterschied zur chinesischen Zuwandererbevölkerung erfährt die koreanische seit 1990 (687.940 Personen) einen steten numerischen Rückgang. Dieser ist insbesondere im Rückgang der "old-comer" Bevölkerung begründet. Die Zahl der ehemals in der Kolonialzeit zugewanderten Koreaner und ihrer Nachkommen sinkt deutlich. Waren 2005 noch 447.805 Personen in dieser Aufenthaltskategorie des "speziellen Daueraufenthalts" ansässig, waren es 2009 nur noch 405.571 Personen. Der Rückgang ist zweifach begründet: zum einen durch Todesfälle unter den inzwischen hoch-betagten ehemals Zugewanderten und zum anderen durch Naturalisierungen unter den inzwischen in der dritten oder vierten Generation ansässigen Koreanern. Moderate numerische Anstiege in anderen Aufenthaltskategorien, wie etwa "Austauschstudent" (2005: 16.309 Personen, 2009: 19.807 Personen) vermögen diesen Rückgang derzeit noch nicht zu kompensieren.
Zuwanderer aus Brasilien und Peru
Relativ gut bezahlte Arbeitsplätze in der japanischen Automobil- und Elektronikindustrie einerseits und eine schwierige wirtschaftliche Situation in Brasilien und Peru andererseits ebenso wie eng geknüpfte Netzwerke von Arbeitsvermittlung japanischstämmiger Brasilianer und Peruaner nach Japan führten zu einem raschen Anstieg der brasilianischen und peruanischen Zuwandererzahlen in Japan. Die brasilianische Gemeinde Japans wuchs von 56.429 Personen im Jahr 1990 auf 230.552 Personen im Jahr 2010. Ihren bis dato numerischen Höhepunkt erreichte sie im Jahr 2007 mit 316.967 Personen. Die Kurve der peruanischen Zuwandererbevölkerung verläuft analog, wenngleich in einer numerisch geringeren Dimension. Die peruanische Gemeinde wuchs von 10.279 Personen im Jahr 1990 auf 54.636 Personen im Jahr 2010. Der numerische Höhepunkt lag mit 59.723 Personen im Jahr 2009.
Der aktuelle numerische Rückgang beider Zuwandererbevölkerungen ist mit dem Produktionseinbruch in Japans Automobil- und Elektronikindustrie nach 2008 und der folgenden Entlassung der in befristeten Anstellungsverhältnissen stehenden Belegschaft zu begründen. Dieser Zusammenhang zeigt sich sehr deutlich etwa im eklatanten Rückgang der brasilianischen Zuwandererbevölkerung in der Kategorie "Langzeitresidenten", welche als de facto Arbeitsvisum für japanischstämmige Zuwanderer vor allem aus Brasilien und Peru geschaffen worden ist. Diese Personengruppe schrumpfte von 153.185 Personen im Jahr 2005 auf 101.250 Personen im Jahr 2009. Die japanische Regierung hatte auf die Wirtschaftskrise und die folgenden großflächigen Entlassungen der Zuwandererbevölkerungen in der Automobil- und Elektronikindustrie mit einem halbherzigen Programm zur sprachlichen wie fachlichen Weiterqualifizierung der japanischstämmigen Bevölkerung reagiert. Eine andere Maßnahme jedoch erregte große Aufmerksamkeit und Kritik in der japanischen wie internationalen Öffentlichkeit: Die japanische Regierung bot japanischstämmigen Zuwanderern Geld (umgerechnet ca. 3.000,- Euro pro Arbeiter und ca. 2.000,- Euro pro Familienangehöriger) an, sollten Sie sich entschließen, in ihre Sendeländer zurückzukehren. Das Programm war zwischen April 2009 und März 2010 aktiv und 21.675 Personen machten davon Gebrauch.
Zuwanderer von den Philippinen
Japans viertgrößte Zuwandererpopulation stammt von den Philippinen. Mit 210.181 Personen (2010) ist sie nur unwesentlich kleiner als die in den letzten Jahren rapide geschrumpfte brasilianische Zuwandererbevölkerung. Die philippinische Zuwandererbevölkerung hingegen wächst: 1990 belief sie sich erst auf 49.092 Personen. Mit 84.407 Personen (2009) bzw. 46.027 Personen (2009) sind aktuell die Aufenthaltskategorien "Daueraufenthalt" bzw. "Familienangehöriger eines japanischen Staatsbürgers" die mit Abstand größten Gruppen. Philippinische Zuwanderung nach Japan ist überwiegend weiblich. Eine Parallele zwischen den in den 1970er Jahren in der Kategorie "Entertainer" zugewanderten Frauen, die in Japans Sexindustrie Arbeit fanden, den in den 1980er Jahren auf den "Heiratsmarkt" zugewanderten Frauen und den aktuell zuwandernden Kranken- und Altenpflegerinnen wird vor dem Hintergrund ihres "'welfare-like’ image" in der feministischen Migrationsliteratur gerne gezogen und dabei auch auf das Thema der Vulnerabilität weiblicher Zuwanderer hingewiesen.
Prof. Dr. Gabriele Vogt ist Professorin für Japanologie am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der sozialwissenschaftlichen Japanforschung und umfassen neben dem Thema der internationalen Migration nach Japan auch Japans demographischen Wandel und Themen der politischen Partizipation. E-Mail Link: gabriele.vogt@uni-hamburg.de