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Die UKIP ‒ Ein fruchtbarer Boden für die radikale Rechte in Großbritannien

Vidhya Ramalingam

/ 13 Minuten zu lesen

Großbritannien ist schon lange ein fruchtbarer Boden für Bewegungen, die auf weit verbreiteter Fremdenfeindlichkeit, EU- Skepsis und Unzufriedenheit mit den etablierten politischen Institutionen gedeihen, sagt Vidhya Ramalingam. Sie analysiert, wie die EU-skeptische und rechtspopulistische Partei UKIP Wähler und Wählerinnen mobilisierte, für den Austritt Großbritanniens aus der EU zu stimmen.

Nigel Farage (l) posiert kurz vor dem Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens für ein Foto mit einem UKIP-Unterstützer in Ramsgate, England. (© picture-alliance/dpa)

Am 23. Juni 2016 haben die Briten sich für den Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden und ihr Land, politisch betrachtet, auf unbetretenen Boden geführt. Für die britische Politik beginnt damit eine neue Ära. Das Ergebnis des Referendums kam zwar für viele als Schock, eine Überraschung war es jedoch nicht. Dem Brexit vorangegangen waren über viele Jahre wachsender Euroskeptizismus und Populismus und zunehmende Ablehnung von Einwanderung in bestimmten Bevölkerungsteilen, die von der United Kingdom Independence Party (UKIP) angefeuert wurden. Obwohl die Brexit-Kampagne vom damaligen Justizminister Michael Gove und dem ehemaligen Bürgermeister von London, Boris Johnson, angeführt wurde, fand der ehemalige charismatische UKIP-Vorsitzende Nigel Farage den Kern seiner politischen Agenda im Zentrum dieser Debatte. Und er spielte eine wichtige Rolle bei der Verbreitung und Verstärkung von UKIPs Kernbotschaft.

UKIP, die EU-skeptische und populistische Partei, führte die Wählermobilisierung an, der das politische System Großbritanniens im Mai 2014 erschütterte und Geschichte schrieb, als die Partei – nach mehr als einem Jahrhundert – als erste anstelle von Labour und den Konservativen als Sieger aus einer Wahl in Großbritannien hervorging. Die Partei errang 24 der 73 britischen Sitze im Europäischen Parlament. Die UKIP wurde 1993 von Mitgliedern der Anti-Federalist League gegründet. Über weite Teile ihrer Geschichte wurde die UKIP nur einmal alle fünf Jahre – während der Wahlen zum Europaparlament – bedeutsam, wenn ihre Anti-EU-Kampagne in den Blickpunkt der Wähler rückte. Seit 1997 jedoch gewann die Partei langsam, aber sicher an Dynamik, und es war ihr in den vergangenen Jahren gelungen, den Übergang von einer monothematischen Interessengruppe zu einer breiten, radikal-rechtspopulistischen Partei mit einem ernst zu nehmenden politischen Angebot bei britischen Wahlen zu vollziehen. Kennzeichnend für diese Entwicklung sind Rekordergebnisse bei Nachwahlen zum Parlament, eine Welle von Siegen bei den Kommunalwahlen 2013 und schließlich bei den Europawahlen 2014. Mit ihrem damaligen Vorsitzenden Nigel Farage, der bei Themen wie EU-Skepsis, Populismus und Widerstand gegen Zuwanderung die Richtung bestimmte, fand sich die Partei mit einem Mal im Fokus der politischen Debatte wieder.

Das ist nichts Neues. Großbritannien ist schon lange ein fruchtbarer Boden für Bewegungen, die auf weit verbreiteter Fremdenfeindlichkeit, EU- Skepsis und Unzufriedenheit mit den etablierten politischen Institutionen gedeihen. Teile der britischen Bevölkerung waren immer schon überaus EU-skeptisch, wie auch schon das Referendum aus dem Jahr 1975 zeigte, bei dem sich immerhin ein Drittel der Wahlberechtigten für einen Austritt aus dem EU-Vorläufer "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" aussprach. Bestärkt wird diese Einstellung teilweise durch eine extrem EU-skeptische Medienlandschaft in Großbritannien, in der viele bedeutende Tageszeitungen eine durchweg EU-feindliche Haltung einnehmen. Seit den 1960er-Jahren herrscht bei einer mehr oder weniger großen Mehrheit der britischen Bevölkerung Widerwillen gegen Zuwanderung. Das Migration Observatory (der Universität Oxford) hat in Untersuchungen festgestellt, dass die Frage der Zuwanderung in den vergangenen 15 Jahren zu einem der meistdiskutierten Themen in Großbritannien wurde. Die Nachfrage/das Verlangen nach solchen Parteien hat also immer schon bestanden. Obgleich die UKIP keine extremistische Partei ist, teilt sie doch nicht nur die politischen Vorschläge/Forderungen, sondern auch das gleiche Wählerspektrum mit Großbritanniens EU-skeptischen und zuwanderungsfeindlichen Rechtsaußen-Parteien.

Allerdings galt Großbritanniens äußerste Rechte vor dem Erscheinen der UKIP als politisch gescheitert und unbedeutend. Sie war weniger gut organisiert und bei den Wählern weniger erfolgreich als ähnliche Organisationen in Europa. Unter Forschern herrscht weitgehend Konsens, dass die Misserfolge der äußersten Rechten viel mit der Aufstellung der Parteien und Bewegungen selbst zu tun haben (d. h. aufgrund von Führungsversagen, strategischen Fehlern, der Unfähigkeit, eine innere Einheit zu wahren, und dem Unvermögen, sich ihrer extremistischen Vergangenheit zu entledigen). Trotz der lokalen Erfolge, die die British National Party (BNP) im Lauf der Jahre an Orten wie Burnley, Dudley und in den Londoner Stadtteilen Barking und Dagenham feiern konnte, und ungeachtet der beiden Sitze im Europaparlament, die sie im Jahr 2009 errang, ist die Partei heute in sich zusammengefallen und wird in den kommenden Jahren wohl kaum noch eine Rolle in der britischen Politik spielen.

In der Folge des Unvermögens der BNP, sich das fruchtbare Umfeld für eine Rechtsaußen-Politik zunutze zu machen, ist eine neue Form von rechtsradikaler Politik entstanden, die die etablierten politischen Parteien in der jüngsten Britischen Geschichte erfolgreich herausfordert. Zwar ist die UKIP keine rechtsextremistische Partei, doch es gibt auffällige Überschneidungen bei den politischen Vorschlägen/Forderungen: Rufe nach einem Ende der "unkontrollierten/regulierten Zuwanderung", die Abschaffung von Sozialleistungen für Zuwanderer, und sogar Forderungen einiger Parteivertreter, alle Zuwanderer abzuschieben. Allerdings unterscheidet sich die UKIP von den britischen Rechtsextremen in ihrer wohlwollenden Sicht auf den freien Weltmarkt und ihren liberalen Anschauungen. Sie präsentiert sich als nicht-rassistisch, aber "bürgerlich-nationalistisch". Sie hat ihre Wurzeln eher in der britischen EU-Skepsis als in einer antidemokratischen oder rechtsextremen Tradition. Trotz dieser Unterschiede gibt es unübersehbare Übereinstimmungen/Überschneidungen bei der Unterstützerbasis. Die Unterstützer und Führer der UKIP vertreten Einstellungen, mit denen man gewöhnlich die BNP verbunden hat.

Die Ergebnisse des EU-Referendums haben auf eine Reihe wichtiger Differenzen in der britischen Gesellschaft aufmerksam gemacht: auf unterschiedliche Werte, Unterschiede zwischen Land- und Stadtbewohnern, zwischen gut Ausgebildeten und weniger Gebildeten, zwischen Gewinnern und Verlierern der Globalisierung und auf Generationskonflikte zwischen Alt und Jung.

Die Merkmale der UKIP-Unterstützer

Britische Forscher haben UKIP-Unterstützer einmal in zwei Arten eingeteilt: strategische Wähler und Stammwähler. Als strategische Wähler galten jene, die sich der UKIP nur während der Europawahlen zuwenden, größtenteils desillusionierte Konservative, die die Partei als antieuropäische Plattform unterstützen. Stammwähler unterstützten die UKIP durch alle Wahlen hindurch; sie entstammen meist der unzufriedenen Arbeiterschaft. Diese Wähler ähneln eher den Unterstützern der BNP und anderen europäischen rechtsradikalen Parteien. Allerdings zeigen die Referendum-Ergebnisse, dass es mehr als nur diese strategischen und die Stammwähler von UKIP bedurfte, um mit dem Votum für einen EU-Austritt zu enden: Zu den wichtigsten Charakteristika der UKIP- und Brexit-Anhänger gehören:

  • Ähnlich wie bei der BNP waren die UKIP-Unterstützer immer schon überwiegend männlich (57 Prozent) und gehören älteren Jahrgängen an. Oft fühlen sich Männer im mittleren oder fortgeschrittenen Alter zur UKIP hingezogen. 57 Prozent der UKIP-Wähler sind älter als 54 Jahre, während nur knapp über 10 Prozent jünger als 35 Jahre sind. Eine entscheidende Größe im Brexit-Referendum war das Alter der Wähler – Brexit-Befürworter waren in überwältigendem Ausmaß ältere Wähler. Über 65-Jährige haben wesentlich öfter für "Leave" gestimmt (61 Prozent) als für den Verbleib (39 Prozent). UKIP selbst hat sich stets um die Unterstützung von jungen Menschen und Frauen bemüht.

  • Die UKIP-Wähler waren in der Regel weniger gebildet als Wähler anderer Parteien. 55 Prozent der UKIP-Wähler haben die Schule verlassen, bevor sie das 17. Lebensjahr erreichten; nur 24 Prozent haben eine Hochschule besucht. Auch das ähnelt dem Profil der BNP-Unterstützer, von denen 62 Prozent die Schule vor Erreichen des 17. Lebensjahres verlassen haben, und weniger als 20 Prozent eine Hochschule besucht haben. Auch die Brexit-Befürworter waren meist weniger gebildet. 66 Prozent der Wähler, die lediglich eine weiterführende Schule besucht haben, stimmten für "Leave" im Vergleich zu 29 Prozent mit einem Universitätsabschluss.

  • UKIP-Wähler haben in der Vergangenheit ein breites Parteienspektrum gewählt. Unter ihnen befinden sich desillusionierte und EU-skeptische Konservative der Mittelschicht, die Thatcher unterstützten und heute von den Kompromissen der Koalitionsregierung enttäuscht sind, bis hin zu Wählern aus der Arbeiterschicht, von denen viele einst hinter Labour standen. Die Brexit-Befürworter stammen ebenfalls aus vielen unterschiedlichen politischen Lagern mit einem großen Anteil von Konservativen (57 Prozent für den Austritt), Labour-Unterstützern (31 Prozent für den Austritt), den Liberal Democrats (27 Prozent für den Austritt) und, nicht überraschend, UKIP-Anhänger (93 Prozent für den Austritt).

So wie UKIP-Unterstützer meist Personen sind, von denen man sagen kann, dass die positiven wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen an ihnen vorbeigegangen sind, zeigt die Zusammensetzung der Brexit-Unterstützer ähnliche große Brüche in der britischen Gesellschaft. In diesem Sinne ist die Unterstützung für den Brexit und die UKIP nicht einfach eine Protestwahl infolge politischer Desillusionierung, sondern sie gibt eine sehr reale und neue Gruppe innerhalb der Wählerschaft zu erkennen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in zunehmendem Maße aufgrund unterschiedlicher sozialer und wirtschaftlicher Erfahrungen der britischen Öffentlichkeit herausgebildet hat. Diesen Menschen fehlt die Befähigung zur gesellschaftlichen Mobilität in einer Zeit, in der die öffentlichen Ausgaben gekürzt werden, die Einkommen sinken und die soziale Ungleichheit zunimmt.

Faktoren für die Brexit-Unterstützung: Mehr als EU-Skepsis

EU-skeptische Denkweisen haben sich überall in Großbritannien gefunden, und laut Umfragen von Eurobarometer in konstant höherem Maße als in jedem anderen EU-Mitgliedstaat. Wie die letzten 16 von 20 Eurobarometer-Befragungen ergaben, haben die Befragten aus Großbritannien unter allen Mitgliedstaaten das geringste Vertrauen in die EU gehabt. Forscher und Wissenschaftler haben verschiedene Gründe für diese hochgradig EU-feindliche Stimmung verantwortlich gemacht – von Großbritanniens Geografie als Insel bis hin zu wirtschaftlichen Bedingungen.

Die konservative Regierung versprach 2010, die Einwanderung auf zehntausend Personen zu beschränken, verfehlte dieses Ziel jedoch Jahr für Jahr um Hunderttausende. Daraufhin sprachen sowohl Euroskeptiker und Politiker, die ohnehin gegen Einwanderer waren, als auch die Medien verstärkt von "Masseneinwanderung", um das Gefühl, man habe es mit unkontrollierter Einwanderung zu tun, einzufangen. Diese "Masseneinwanderung" besonders aus ärmeren EU-Ländern war es, die den Ruf nach dem Brexit befeuert hat, und zwar nicht nur von der UKIP und ihren Verfechtern, sondern auch von Politikern der Mitte. Die weit verbreitete Überzeugung, dass nur der Austritt aus der EU eine tragfähige Lösung für die Eindämmung der Einwanderung sein könnte, wurzelte im Versagen der meisten britischen Politiker, entweder gute Argumente für die Freizügigkeit zu finden oder – vor dem Hintergrund, dass Einwanderung nach EU-Recht nicht verhindert werden kann – auf der anderen Seite realistische Möglichkeiten zur nationalen Einwanderungskontrolle anzubieten. So konnten UKIP und die Brexit-Befürworter die Wähler überzeugen, dass Einwanderungskontrolle nur durch das Verlassen der EU möglich wäre; entsprechend stimmten sie ab.

Europa ist inzwischen zum Synonym für zahlreiche andere wahrgenommene Probleme in der britischen Gesellschaft sowie für gefühlte Bedrohungen der Nation geworden. Dazu gehörten die gefühlte Bedrohung durch Zuwanderung oder der Verlust der kulturellen Identität. Europa wurde als Grund für Großbritanniens Zuwanderungsprobleme gesehen, und es herrschte die Überzeugung, dass Großbritannien Spielball der Launen von Eurokraten sei, die die nationalen Identitäten vernichten und Europa einebnen und gleichmachen wollten.

Starrköpfige und realitätsferne Eliten und "Experten"

In Großbritannien werden, wie in vielen europäischen Ländern, zunehmende Ressentiments gegen politische und gesellschaftliche Eliten wahrgenommen. Da die Brexit-Befürworter, UKIP-Unterstützer und die radikale Rechte überwiegend der oben angesprochenen neuen Wählergruppe von Personen entstammen, in der viele vom wirtschaftlichen Fortschritt "abgehängt" worden sind, überrascht es kaum, dass Umfragen und Äußerungen unter diesen Unterstützern verdeutlichen, dass diese sich auch von einem politischen System übergangen fühlen, das durch eine Elite regiert wird, die hauptsächlich in Oxford und Cambridge studiert hat und jeglichen Bezug zur britischen Arbeiterschaft verloren hat.

Im Vorfeld des EU-Referendums warnten die Bank von England, das Finanzministerium und der Internationale Währungsfonds die britische Bevölkerung vor den wirtschaftlichen Folgen des Austritts aus der EU. Unterstützer einer radikalen Rechten sind gegenüber Mainstream-Politikern, Experten und öffentlichen Institutionen historisch überdurchschnittlich misstrauisch. Nigel Farage erklärte einmal in einem Interview: "Das sagen die Medien. Davon sind sie besessen, und davon können sie sich nicht lösen. Aber die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Entscheidung, für die UKIP zu stimmen, hat inzwischen sehr viel mit der Zugehörigkeit zu sozialen Schichten zu tun." Auch hier sind diese Empfindungen nicht auf die UKIP beschränkt. Eine jüngste YouGov-Umfrage zeigt, dass 66 Prozent der Briten dazu neigen würden, eine politische Partei zu unterstützen, die "versprechen würde, sich den politischen und geschäftlichen Eliten entgegenzustellen". Die UKIP hat eine populistische Denkweise gefördert, die ein klares Bild von einer Teilung zwischen den einfachen Menschen und der politischen Klasse zeichnet, die "korrupt, selbstzufrieden und realitätsfern ist". Diese Denkweise hat sich im EU-Referendum durchgesetzt.

Die Rolle von UKIP beim Brexit

Es gibt Stimmen, die sagen, dass der Ausgang des Referendums im Juni 2016 vor allem auf UKIP zurückzuführen sein, die argumentieren, dass "UKIP die politische Landschaft für immer" verändert habe. Trotz der führenden Rolle, die UKIP in der Stimmungsmache für einen EU-Austritt gespielt hat, darf man doch nicht vergessen, dass die UKIP nur einen von fünf Wählern anspricht, die extrem EU-skeptisch sind, und nur die Hälfte der britischen Wählerschaft, die ausdrücklich gegen eine EU-Mitgliedschaft Großbritanniens ist. Die UKIP tut sich nach wie vor schwer damit, für junge Menschen, Frauen und ethnische Minderheiten attraktiv zu sein.

UKIP hat ihren Aufstieg sicherlich der erfolgreichen Verknüpfung zweier politischer Schwerpunkte zu verdanken: Sie bietet eine Anti-Zuwanderungs-Plattform, die vordergründig nicht rassistisch ist, und sie hat den idealen Zeitpunkt gefunden, EU-Skepsis und Stimmung gegen das Establishment für sich zu nutzen. Im Gegensatz zu anderen rechtsradikalen (und rechtsextremen) Kräften, die sich zuvor in der britischen Politik versucht haben, genießt die UKIP eine öffentliche Legitimität – sowohl durch ihre legitimen demokratischen Ursprünge als auch durch starke Verbündete in Politik und Medien (darunter einige Überläufer aus dem konservativen Lager). Die UKIP profitierte auch lange von ihrer charismatischen Führerfigur Nigel Farage, der im Juli 2016 seinen Rücktritt angekündigt hatte; seit dem 28. November 2016 ist der Europaabgeordnete Paul Nuttall Vorsitzender der Partei. Der Zuwachs aber der EU-Skepsis in Großbritannien, die im Brexit kulminierte, fand unter einer der EU-skeptischsten und zuwanderungssensibelsten Regierungen in der jüngeren britischen Geschichte statt. Man kann nicht behaupten, dass die etablierten politischen Parteien sich nicht der Problematik der Zuwanderung angenommen hätten oder sich weigerten, die öffentliche Ablehnung der Europäischen Union zur Kenntnis zu nehmen. Auch war UKIP nicht die einzige öffentliche Stimme zu diesen Belangen. Es war nicht schlicht nur der Erfolg der UKIP, der die politische Debatte in Großbritannien verschoben hat, der im Brexit kulminierte; EU-Skepsis und Anti-Zuwanderungs-Politik waren längst schon auf dem Vormarsch.

Jedoch haben der Erfolg der UKIP und der Brexit selbst die Ankunft einer neuer Wählergruppe signalisiert, die nicht nur vom wirtschaftlichen und sozialen Erfolg "abgehängt" wurde, sondern auch von einer politischen Elite, die keinen Bezug zu ihr hat und sich nicht um ihre Interessen kümmert. Die Art und Weise, wie die anderen großen Parteien ihren Modus Operandi ändern, um der Bedeutung dieses Teils der Wählerschaft gerecht zu werden, wird nicht nur die Zukunft dieser Parteien, sondern auch die der radikalen Rechten in Großbritannien bestimmen.

Was kommt nach dem Brexit?

Großbritannien wird die Europäische Union verlassen, und es wird zweifellos monate- und jahrelange Debatten in Großbritanniens und ebenso Verhandlungen im Ausland darüber geben, was der Brexit für das Land bedeutet. Die Zuwanderung wird dabei im Vordergrund der Verhandlungen über den EU-Austritt stehen.

Das Ergebnis des Referendums hat die Lage in Großbritannien für Migranten aus Europa verschärft. Viele sind seitdem Diskriminierung und Repressalien ausgesetzt. Osteuropäischen Einwanderern schlägt eine Welle des Hasses entgegen, und die Ungewissheit über den zukünftigen Status Großbritanniens in der EU wird auch ihre Zukunft im Land weiter beeinflussen. Es wird eine kritische Herausforderung für Großbritannien nach dem Brexit sein, den nationalen Diskurs über Einwanderung und die britische Identität zu vertiefen und dabei sicherzustellen, dass unterschiedliche politische Strategien die Gesellschaft nicht weiter spalten.

Die Generationenkonflikt, der sich bei den EU-Skeptikern zeigt, das kulturelle Unbehagen und die Anti-Einwanderungsstimmung in Großbritannien bedeuten auch, dass in den kommenden Jahren darum gerungen werden wird, wer die Zukunft der britischen Politik entscheidet: die Alten oder die Jungen. Die Jungen in Großbritannien sorgen sich weniger um Einwanderung und Europa, sie sehen mit mehr Vertrauen in die Zukunft und gehen gelassener mit ihrer britischen Identität um. Auch wenn Großbritannien die Europäische Union verlassen wird, wird seine Zukunft auf viele Jahre in den Händen einer Generation liegen, die nicht vor Europa, der Vielfalt oder der Globalisierung davonläuft, sondern sich darauf zubewegt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Blinder, Scott (2012). UK Public Opinion toward Immigration: Overall Attitudes and Level of Concern. The Migration Observatory at University of Oxford. 23. Februar 2012 [Im Internet abrufbar: http://migrationobservatory.ox.ac.uk/briefings/uk-public-opinion-toward-immigration-overall-attitudes-and-level-concern]

  2. Goodwin, Matthew and Jocelyn Evans. (2012) From voting to violence? Far right extremism in Britain. Hope not Hate and YouGov. London, Großbritannien. Zu weiteren Informationen über UKIP-Parteivertreter, die eine Abschiebung aller Zuwanderer fordern, siehe diesen Nachrichtenartikel im Guardian vom 08. Dezember 2013: http://www.theguardian.com/politics/2013/dec/08/ukip-victoria-ayling-immigration-nigel-farage. Siehe auch das Originalvideo hier: http://www.dailymail.co.uk/news/article-2520012/Send-home-In-shocking-video-UKIP-councillor-key-Farage-ally-launches-astonishing-racist-rant--tells-MoS-I-stand-word.html

  3. Empowering the People: UKIP Manifesto. April 2010. Seite 13. [Im Internet abrufbar: http://www.politicsresources.net/area/uk/ge10/man/parties/UKIPManifesto2010.pdf].

  4. Ebd.

  5. Ford, Robert, Goodwin, Matthew and David Cutts. Strategic Eurosceptics and Polite Xenophobes. [Im Internet abrufbar: https://nottingham.ac.uk/news/documents/pdf].

  6. Ford, Robert and Matthew Goodwin (2014). Revolt on the Right: Explaining Support for the Radical Right in Britain. Routledge, London, Großbritannien.

  7. https://d25d2506sfb94s.cloudfront.net/cumulus_uploads/document/oxmidrr5wh/EUFinalCall_Reweighted.pdf

  8. Ebd.

  9. https://d25d2506sfb94s.cloudfront.net/cumulus_uploads/document/oxmidrr5wh/EUFinalCall_Reweighted.pdf

  10. Ebd.

  11. https://d25d2506sfb94s.cloudfront.net/cumulus_uploads/document/oxmidrr5wh/EUFinalCall_Reweighted.pdf

  12. http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/eu/10586961/Trust-in-EU-at-an-all-time-low-latest-figures-show.html

  13. Ford, Robert and Matthew Goodwin (2014). Revolt on the Right: Explaining Support for the Radical Right in Britain. Routledge, London, Großbritannien.

  14. http://www.britishfuture.org/wp-content/uploads/2016/08/Disbanding-the-tribes-report.27-July-2016.pdf

  15. The Guardian, 5. März 2014. [Im Internet abrufbar: http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/mar/05/left-behind-voters-only-ukip-understands]

  16. Extremis Project (2012). Europe at the extremes? Public concerns and the generational divide. Extremis Project. [Im Internet abrufbar: http://extremisproject.org/2012/09/europe-at-the-extremes-public-concerns-and-the-generational-divide/]

  17. https://www.theguardian.com/politics/2016/jun/25/left-behind-eu-referendum-vote-ukip-revolt-brexit

  18. Die Untersuchungsergebnisse ergaben verschiedene Untergruppen in der Bevölkerung, die sich als "sehr EU-skeptisch" bzeichneten und solche, die grundlegend die "EU-Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU ablehnen". Weitere Informationen bei: Ford, Robert and Matthew Goodwin (2014). Revolt on the Right: Explaining Support for the Radical Right in Britain. Routledge, London, Großbritannien.

  19. Die UKIP unterscheidet ihre Anti-Zuwanderungs-Politik von zuwanderungsfeindlichen Vorgängern wie der BNP durch die Schaffung einer zuwanderungspolitischen Plattform, die nicht auf Rasse oder ethnischer Herkunft oder auch nur auf der Wahrung britischer Werte, sondern auf dem sozioökonomischen Beitrag der Migranten basiert. Die Ecksteine ihrer Zuwanderungspolitik sind die Wiedererlangung der Kontrolle über die Grenzen durch Austritt aus der EU, die Abschaffung staatlicher Transferleistungen für neue Migranten, und finanzielle Auflagen für Zuwanderer und Touristen, die in Großbritannien einreisen. Weitere Informationen finden Sie hier: http://www.ukip.org/issues. Die Partei distanziert sich ausdrücklich vom Rassismus, wie öffentliche Aussagen von Nigel Farage belegen. Siehe Medienbeispiel hier: http://www.bbc.co.uk/news/uk-politics-27315328

Vidhya Ramalingam arbeitet für die Organisation "Moonshot CVE - Countering Violent Extremism through Data Driven Innovation", die sie gemeinsam mit Ross Frenett gründete. Zu ihren Veröffentlichungen zählt "Old Threat, New Approach: Tackling the Far Right Across Europe" (ISD 2014).