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Pegida – eine Protestbewegung zwischen Ängsten und Ressentiments (II) | Rechtspopulismus | bpb.de

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Pegida – eine Protestbewegung zwischen Ängsten und Ressentiments (II)

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber

/ 12 Minuten zu lesen

Der diffuse Protest der Pegida-Bewegung gegen die politische Elite hat sich weiter radikalisiert. Bis zu 25.000 Menschen konnte die Bewegung im Jahr 2015 zeitweilig in Dresden mobilisieren, bis Dezember sank die Zahl der Teilnehmer aber wieder auf 6.000. Die "Montagsspaziergänge" dienen der Artikulation von Ressentiments und dem Ausleben von Stimmungen der Teilnehmer. Armin Pfahl-Traughber meint aber, dass derartige Handlungsformen mit der Zeit ausgereizt sind und ihre Attraktivität verlieren.

Anhänger der islamkritischen Bewegung Bagida (Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes) nehmen am 11.01.2016 in München (Bayern) an einer Demonstration teil. Bagida ist ein regionaler Ableger der islamkritischen Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). (© picture-alliance/dpa)

Anhänger der islamkritischen Bewegung Bagida (Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes) nehmen am 11.01.2016 in München (Bayern) an einer Demonstration teil. Bagida ist ein regionaler Ableger der islamkritischen Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). (© picture-alliance/dpa)

Die Entwicklung zwischen Aufstieg, Niedergang und Renaissance

Seit dem 20. Oktober 2014 demonstrieren in Dresden meist an Montagen die Anhänger einer Bewegung, die sich "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA) nennt. Dabei versammelten sich zeitweise um die 25.000 Demonstranten. Auf Plakaten konnte man Slogans wie "Gewaltfrei & vereint gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden" oder "Gegen religiösen Fanatismus und jede Art von Radikalismus. Gemeinsam ohne Gewalt" lesen. Gleichwohl gingen die "Montagsspaziergänge" – so die Eigenbezeichnung von Pegida – mit fremdenfeindlichen Parolen und Stimmungen einher. Darüber hinaus richteten sich Aversionen und Hetze ebenso gegen Medien und Politik. Die folgende Darstellung und Erörterung betrachtet die Entwicklung von Pegida 2015 zwischen Aufstieg, Niedergang und Renaissance. Dabei muss auch das Problem der Verallgemeinerbarkeit hervorgehoben werden: An Demonstrationen nehmen ganz unterschiedliche Personen teil. Pauschale Aussagen stehen daher immer unter Vorbehalt.

Bedeutung und Positionen von Lutz Bachmann

Da Lutz Bachmann als Organisator aufgrund von Skandalen einen Rücktritt angeboten hatte, er aber seine Funktion beibehielt und somit eine Stärkung erfuhr, scheint er von herausragender Bedeutung zu sein. Anlässlich der Pegida-Veranstaltungen emotionalisierte Bachmann zwar mit fremdenfeindlicher Ausrichtung, unterließ aber klare Bekenntnisse zum Selbstverständnis. Er distanzierte sich auf Nachfrage stets von Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Der Blick auf frühere Facebook-Einträge von ihm machte indessen das Gegenteil deutlich. Bachmann hatte dort Migranten als "Dreckspack", "Gelumpe" und "Viehzeug" tituliert. Dies belegte eine Auffassung, die seine Kritiker zuvor nur vermuten konnten. Es handelte sich auch nicht um einen "Ausreißer", verschärfte Bachmann doch im Laufe des Jahres 2015 den Tonfall. Nachdem angesichts einer Anschlagsdrohung in München der dortige Hauptbahnhof in der Sylvesternacht geschlossen wurde, twitterte er "RefugISISnotWelcome" – und erklärte damit alle Flüchtlinge zu Terroristen.

Radikalisierung der Positionen von Rednern

Ganz allgemein lässt sich eine Radikalisierung der Positionen und Stimmungen auch und gerade von Bachmann konstatieren. Am 29. September 2015 erklärte er, die Asylbewerber würden "raubend, teilweise vergewaltigend, stehlend und prügelnd unsere Städte bereichern". Man könne über das nicht reden, sondern müsse "als systemkritische Bewegung wieder wie 1989 mit Verfolgungen und Verhaftungen durch das totalitäre Regime rechnen" (FAZ, 30.9. 2015). Ähnlich äußerte sich ein bekannter Gastredner: Der Buchautor Akif Pirincci hatte am 19. Oktober 2015 davon gesprochen, dass Deutschland zur "Moslemmüllhalde" werde. Die Gegner einer "pathologisch-masochistischen Willkommenskultur und Multikulti-Scheiße" würden von den Politikern unterdrückt. Denn, so mit bedauerndem Ton zu deren geplantem Umgang mit dem Volk, die "KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb" (taz, 21.10.2015). Auch wenn sich Bachmann später von dieser Aussage distanzierte, hatte er mit der Gleichsetzung der Regierungspolitik mit einem "totalitären Regime" selbst nichts anderes gesagt.

Radikalisierung der Stimmung bei den Teilnehmern

Derartigen Aussagen auf dem Podium entsprach auch eine Radikalisierung der Stimmung bei den Teilnehmern. Insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik zu einem Hass-Objekt der Pegida-Demonstranten, wofür aggressive und hasserfüllte Rufe wie "Merkel muss weg!" standen. Es gab auch Angriffe aus den Demonstrationen heraus auf Journalisten, die mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurden. Derartige Ereignissen können nicht allen Pegida-Demonstranten zugeschrieben werden. Gleichwohl stehen sie für eine Änderung des Klimas bei den "Montagsspaziergängen". Ähnlich verhält es sich mit einem Aufruf zur Lynch-Justiz, der von einem Demonstranten auf einem selbstgebastelten Galgen formuliert wurde. Darauf stand auf Schildern neben zwei Stricken "Reserviert Siegmar (sic!) 'Das Pack' Gabriel" und "Reserviert Angela 'Mutti' Merkel". Zwar handelte es sich hier um eine Einzelaktion. Der Galgen konnte indessen ungehindert von anderen Pegida-Teilnehmern öffentlich präsentiert werden.

Radikalisierung durch Gewaltaufrufe und -taten

Und schließlich sprechen auch Gewaltaufrufe und -taten für eine Radikalisierung von Pegida. Dabei muss aber zunächst konstatiert werden, dass sich deren Führung von derartigen Handlungen öffentlich distanziert. Gleichwohl äußerte Tatjana Festerling, die für Pegida bei den Oberbürgermeister-Wahlen in Dresden 2015 immerhin 9,6 Prozent der Stimmen erhielt, in einer Rede beim Ableger Legida in Leipzig am 11. Januar 2016: "Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln" (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Januar 2016, S. 13). Auch wenn diese Aufforderung mehr symbolischer Natur gewesen sein sollte, so kann die Folge sehr wohl in einer Aufhetzung zu derartigen Handlungen bestehen. Gewaltakte von Pegida-Demonstranten gegen Journalisten hatten sich ohnehin gehäuft, 2015 kam es in mindestens 49 Fälle zu Schlägen oder Tritten gegen Reporter oder Kameraleute.

Entwicklung der Teilnehmerzahlen

Für eine Protestbewegung, die auf der Straße präsent sein will, sind die Teilnehmerzahlen wichtig. Es ist aber gar nicht so einfach, derartige Angaben zu ermitteln. Meist gibt es (auch bei anderen Demonstrationen) eine erhebliche Differenz zwischen den Nennungen der Polizei und der Veranstalter. Bei Pegida kam 2015 hinzu, dass zunächst eine Forschergruppe um Dieter Rucht und danach eine Studentengruppe namens "durchgezählt" die Angaben der Polizei für zu hoch einschätzte. Für bestimmte Demonstrationstage veröffentlichte dann die Polizei selbst keine Zahlen mehr. Insofern können sich die folgenden Angaben nur auf Schätzungen mal aus dem einen, mal aus dem anderen Bereich stützen. Demnach war am 12. Januar 2015 ein Höhepunkt mit 25.000 erreicht, danach sanken die Angaben an den beiden folgenden Montagen auf 17.000. Bis zum 14. September bewegten sich Teilnehmerzahlen unter 5.000, stiegen danach aber wieder an mit einem erneuten Höhepunkt am 19. Oktober mit um die 17.500, um dann wieder bis zum Dezember 2015 auf 6.000 Teilnehmer zurückzugehen.

Externe Bedingungsfaktoren für die Entwicklung

Wie erklärt sich diese Entwicklung von Aufstieg, Niedergang, Renaissance und Niedergang? Dafür können externe und interne Bedingungsfaktoren unterschieden werden. Zu den Erstgenannten gehören Ereignisse außerhalb von Pegida, also in Gesellschaft und Politik, als Rahmenbedingungen: Der erwähnte erste Höhepunkt der Teilnehmerzahlen am 12. Januar 2015 war direkt nach den islamistischen Anschlägen in Paris und dem zweiten Höhepunkt der Teilnehmerzahlen am 19. Oktober ging ein anhaltend starker Anstieg der Flüchtlingsentwicklung voraus. Demnach führten derartige Ereignisse dazu, dass die "Montagsspaziergänge" von Pegida stärkeren Zulauf erhielten. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Automatismus, denn nach den zweiten islamistischen Anschlägen in Paris am 13. November kam es nur zu einem leichten Anstieg der Teilnehmerzahlen. Dies deutet eine Mobilisierungskrise der Protestbewegung an. Gleichwohl können dramatische Ereignisse wie die genannten Fallbeispiele durchaus zu einer erneuten Renaissance führen.

Interne Bedingungsfaktoren für die Entwicklung

Mit internen Bedingungsfaktoren sind die Aktivitäten, die von der Führung von Pegida selbst ausgehen, gemeint. Deren Agitation in Form von Parolen und Symbolen entsprach realen Ängsten und Einstellungen von Menschen, hätten sie sich doch ansonsten nicht über einen längeren Zeitraum jeden Montag an den Veranstaltungen teilgenommen. Demnach gelang es, an das Alltagsbewusstsein der Protestierenden anzuknüpfen. Dies garantierte aber nicht allein und kontinuierlich eine Präsenz auf der Straße: Bereits Anfang Februar 2015 kam es zu einem starken Einbruch der Teilnehmerzahlen, was Folge eines internen Konfliktes in der Pegida-Führung war. Ein einmaliger Anstieg auf 10.000 Anwesende gelang dann erst wieder am 13. April, hatte man doch den bekannten islamfeindlichen Politiker Geert Wilders aus den Niederlanden als Gastredner gewinnen können. Gleichwohl kam es danach erneut zu einem Rückgang der Teilnehmerzahlen, konnten doch den Anhängern von Pegida durch deren Führung keine Perspektiven mehr für die Zukunft aufgezeigt werden.

Vorwurf der "völkischen Bewegung"

Bei der Berichterstattung und Kommentierung zu Pegida kam eine Einschätzung auf, die hier aufgrund ihrer großen Beachtung einer kritischen Prüfung unterzogen werden soll. Der FAZ-Redakteur Volker Zastrow schrieb einen Artikel mit dem Titel "Die neue völkische Bewegung" (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 29. November 2015), worin für die Demonstrationen von einer gewaltgeladenen Stimmung und von einem Hass auf Andersdenkende und Fremde die Rede war. Angesichts der erwähnten Radikalisierung in Positionen von Rednern und den Stimmungen von Teilnehmern lässt sich dem zustimmen. Gleichwohl ist Formulierung "neue völkische Bewegung" ideengeschichtlich schief. Denn die Bezeichnung identifiziert Pegida mit einem historischen Vorläufer des Nationalsozialismus, dem ein biologistisch geprägter Antisemitismus und Rassismus eigen war. Eine derartige ideologische Ausrichtung lässt sich für Pegida indessen nicht nachweisen. Insofern ist diese Kategorie ebenso unpassend wie die von den "Nazis in Nadelstreifen".

Frage des rechtsextremistischen Charakters

Es stellt sich aber die Frage, inwieweit von einem rechtsextremistischen Charakter von Pegida angesichts der Entwicklung 2015 gesprochen werden kann. Damit sind Auffassungen und Handlungen gegen die Grundlagen moderner Demokratie und offener Gesellschaft im Namen ethnischer Zugehörigkeit gemeint. Betrachtet man nur die allgemeinen Forderungen von Pegida, dann kann davon direkt nicht gesprochen werden. Auch gehören keine NPD-Mitglieder oder Neonazis dem Organisationsteam an. Der Blick auf Agitationsformen und –inhalte deutet indessen auf einen gesellschaftlichen (sozialen) Rechtsextremismus: Dies belegen die fremdenfeindlichen Einstellungen, die sowohl bei den Demonstranten wie bei den Redner ausgemacht werden können. Bachmanns private Bezeichnung von Migranten als "Dreckspack" und "Viehzeug" dokumentierte seine tatsächliche Gesinnung. Darüber hinaus gehen die Beleidigungen von Politikern in eine Delegitimation des Parlamentarismus über. Denn diese sind demokratisch legitimiert, die "Wir sind das Volk"-Rufer nicht.

Frage des rechtspopulistischen Charakters

Und dann stellt sich auch die Frage, ob von einem rechtspopulistischen Charakter von Pegida gesprochen werden kann. Eine Antwort setzt eine Definition voraus: Zum Populismus gehört erstens der Bezug auf das "Volk", das als Einheit verstanden wird, zweitens der Rekurs auf das Unmittelbare, womit eine Ausblendung von Komplexität und Vermittlung erfolgt, drittens die Anlehnung an den Alltagsdiskurs, also an real existierende diffuse Einstellungen und Vorurteile, und viertens die Bildung von konfrontativen Identitäten, die in einem "Wir" gegen "die Anderen" bestehen. Bei Pegida lassen sich diese Merkmale mustergültig ausmachen: Die Aktivisten behaupten erstens, mit der Parole "Wir sind das Volk" für das ganze Volk zu sprechen. Eine nähere Beschäftigung mit dem komplexen Migrationsthema findet zweitens nicht statt. Die Agitation bei den Demonstrationen greift drittens fremdenfeindliche Ressentiments auf. Und viertens lässt sich ein "Böse-Gut"-Dualismus konstatieren, einmal von "Ausländern" und "Deutschen", dann aber auch von "Regierung" und "Volk".

Niedergang der Ableger in anderen Städten

Nachdem in Dresden Pegida einen großen Zulauf erhielt, entstanden auch in anderen Städten in Deutschland, aber auch im Ausland ähnliche Ableger. Man benannte sich häufig nach dem jeweiligen Ort, also etwa "Bogida" für Bonn oder "Dügida" für Düsseldorf. Betrachtet man vergleichend die Entwicklung in Dresden mit der in diesen Städten, so fallen folgende Besonderheiten auf: Es handelte sich bei Pegida durchaus um eine Besonderheit in der sächsischen Hauptstadt, denn nirgendwo anders (mit einer eingeschränkten Ausnahme von Leipzig) konnte ein solcher Mobilisierungserfolg erzielt werden. Darüber hinaus standen den Ablegern in den anderen Städten jeweils mehr Gegendemonstranten gegenüber. Bei "Bogida" oder "Dügida" brachen die Teilnehmerzahlen immer mehr ein. Meist kamen sie nicht über eine geringe zweistellige Zahl hinaus. Und schließlich zeigte sich: Die Redner und Teilnehmer gehörten häufig zum organisierten Rechtsextremismus, sei es zu den "Identitären" oder "Pro Deutschland", sei es zur NPD oder Neonazi-Szene.

Ableger von Pegida in anderen europäischen Ländern

Der kontinuierliche Anstieg der Demonstrationsteilnehmerzahlen von Pegida in Dresden löste nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern jeweils Ableger und Nachahmer aus. Deren Agieren beschränkte sich auf die ersten Monate des Jahres 2015, konnte doch noch nicht einmal ansatzweise eine bedeutende Anzahl von Bürgern mobilisiert werden. Es blieb bei unter 500, womit diese Projekte als gescheitert gelten können. Der größte Mobilisierungserfolg gelang noch "Pegida Österreich", beteiligten sich doch am 2. Februar in Wien 300, am 8. Februar in Linz 150 und am 21. Februar erneut in Linz 100 Personen an deren Versammlung. In Oslo waren es am 12. Januar 200, in Kopenhagen am 19. Januar 200 und in Malmö am 9. Februar 150 Personen. In Newcastle kamen am 28. Februar 300 und in Antwerpen am 2. März 200 Teilnehmer zusammen. Die Anzahl der Gegendemonstranten war in allen Fällen mindest doppelt so groß, häufig sogar zehnfach stärker. Demnach konnte man auch auf dieser Ebene keinen Erfolg verbuchen.

Gemeinsamer Aktionstag für eine "Festung Europa"

Gleichwohl bemühte sich Pegida um eine europaweite Vernetzung. Ein öffentlicher Ausdruck dieser Entwicklung sollten Versammlungen am 6. Februar 2016 in verschiedenen europäischen Städten sein. Dafür mobilisierte ein Bündnis "Fortress Europe" ("Festung Europa"), das aber nur geringe Resonanz auslöste. Zwar kamen in Dresden knapp 8.000 Personen zusammen, erwartet hatte man aber die doppelte Zahl. In Prag versammelten sich 5.000 Menschen, obwohl Tschechien von der Flüchtlingsentwicklung kaum betroffen ist. In Amsterdam, Birmingham, Bratislava, Dublin, Graz und Talinn demonstrierten jeweils nur wenige hundert Menschen. Angesichts der Bedeutung der Flüchtlingsthematik für den öffentlichen Diskurs kann hier konstatiert werden, dass das Projekt einer Europäisierung von Pegida erneut gescheitert ist. Dabei gibt es in vielen Ländern ein Einstellungspotential, das den Auffassungen der fremdenfeindlichen Protestbewegung entspricht. Dies artikuliert sich aber offenkundig mehr zugunsten einschlägiger Parteien bei der Stimmabgabe.

Prognose: Niedergang durch Perspektivlosigkeit

Wie wird sich Pegida weiterentwickeln? Als Einschätzung soll hier ein Niedergang aufgrund von Perspektivlosigkeit prognostiziert werden. Zwar dürfte es Pegida angesichts von Ereignissen wie kriminellen Delikten von Migranten oder terroristischen Morden von Islamisten gelingen, bei Demonstrationen ihre Teilnehmerzahlen stark zu erhöhen. Dies wird aber nur phasenweise und vorübergehend so sein. Denn die "Montagsspaziergänge" haben für die Anwesenden eine Funktion, die in der Artikulation ihrer Ressentiments und dem Ausleben ihrer Stimmungen besteht. Gleichwohl ist die Attraktivität derartiger Handlungsformen mit der Zeit ausgereizt. Dann erodieren Bewegungen mitunter ins Nichts, sofern kein Auffangbecken zur Organisation vorhanden ist. Die Gründung einer "Pegida-Partei" hatte Bachmann zwar angedacht, aber mangels entsprechendem Engagement nicht als Projekt umgesetzt. Diese Funktion kommt dann eher der "Alternative für Deutschland" zu, denn dorthin dürften sich die Pegida-Anhänger als Mitglieder oder Wähler wenden.

Einschätzung in der Gesamtschau: Ressentimentbewegung

Wie lässt sich Pegida in der Gesamtschau einschätzen? Zunächst handelt es sich mit Blick auf die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland um eine von vielen Protestbewegungen. Während die meisten von den politischen Positionen her links eingeschätzt werden konnten, handelt es sich hier um eine rechts orientierte. Deren Auffassungen erfuhren im Laufe des Jahres 2015 eine erneute Radikalisierung, was eine fortgesetzte Deutung von Pegida als Ressentimentbewegung im Sinne des sozialen Rechtsextremismus motiviert. Mit dem politischen Rechtsextremismus, der sich in Form der NPD oder Neonazi-Szene organisiert, bestehen bei Pegida (im Unterschied zu deren Ablegern in anderen Städten) nur geringe Schnittmengen. Daher greifen ideenhistorisch schiefe Bezeichnungen wie "Nazis" oder "Völkische" nicht. Sie deuten die Gegenwart allzu sehr im Lichte der Vergangenheit. Denn Pegida ist auch Ausdruck einer ideologisch verzerrten Wahrnehmung von Gegenwartsproblemen in den Politikfeldern "Migration" und "Repräsentation".

Niedergang und Radikalisierung von Pegida (Nachtrag 2024)

Blickt man auf die Entwicklung von Pegida in den vergangenen zehn Jahren zurück, so lässt sich eine Bestätigung der vorstehenden Prognosen konstatieren: Der Niedergang und Bedeutungsverlust ging einher mit einer zunehmenden Radikalisierung. Beschleunigt wurde die erstgenannte Entwicklung durch die Folgen, die mit der Interner Link: Corona-Pandemie einhergingen. Demonstrationen waren nur noch eingeschränkt möglich, darüber hinaus wurde seinerzeit mit Corona statt Migration ein anderes Thema öffentlich wichtig. So kam es von 2021 bis 2023 zu einer längeren Pause zu einer längeren Pause für Pegida. Erst danach wurden wieder gelegentlich Demonstrationen in Dresden durchgeführt, woran aber meist nur noch eindeutig unter 1.000 Personen teilnahmen. Die früheren Anhänger mussten damit nicht auf Distanz zur Protestbewegung gegangen sein: Sie artikulierten ihre Auffassungen offenbar in einer anderen Form, wozu insbesondere ein zugunsten der AfD erfolgendes Wahlverhalten gehört haben dürfte. Eindeutiges Datenmaterial liegt indessen für diesen Kontext nicht vor.

An den folgenden gelegentlichen Demonstrationen nahmen mehr extremistisch ausgerichtete Personen teil, was auch in besonders fremden- und muslimfeindlichen Äußerungen vieler Redner deutlich wurde. Insofern kam es in der bilanzierenden Gesamtschau zu einer verstärkten Radikalisierung aufgrund einer veränderten personellen Zusammensetzung. Auffällig und bedeutsam angesichts dieser Entwicklung ist indessen, dass auch hochrangige AfD-Funktionsträger bei Pegida präsent waren (z.B. 2023 Björn Höcke oder Jörg Urban). In den Jahren zuvor hielten sie sich eher zurück, um ein vorbehaltliches Verhältnis zu vermitteln. Dass nun AfD-Politiker als offizielle Redner bei Pegida-Demonstrationen auftreten, lässt auf eine Radikalisierung der Partei schließen. Bilanzierend dürfte Pegida aber keine große Relevanz mehr entfalten können, andere Akteure wie eben die AfD sind hier wichtiger geworden. Gleichwohl löste Pegida im Rahmen eines allgemeinen „Rechtsrucks“ bedeutsame Wirkungen aus. Es handelte sich seit Beginn der 1970er-Jahre um die erste Protestbewegung von "rechts", welche im öffentlichen Raum kontinuierlich eine hohe Teilnehmerzahl aufwies.

Hinweis: Die ursprüngliche Version dieses Text wurde im Jahr 2016 veröffentlicht und von der Redaktion am 23.08.2024 aktualisiert.

Literatur

Geiges, Lars/Marg, Stine/Walter, Franz: Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft, Bielefeld 2015.

Jennerjahn, Miro: Sachsen als Entstehungsort der völkisch-rassistischen Bewegung PEGIDA, in: Braun, Stephan/Geisler, Alexander/Gerster, Martin (Hrsg.), Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen –Antworten, 2. Auflage, Wiesbaden 2015, S. 533-558.

Pfahl-Traughber, Armin: Pegida als neue Protestbewegung von "rechts", in: Backes, Uwe/Gallus, Alexander/Jesse, Eckhard (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie. Bd. 27, Baden-Baden 2015, S. 154-171.

Vorländer, Hans/Herold, Maik/Schälle, Steven: Was ist Pegida und warum?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Oktober 2015, S. 6.

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Dipl.-Pol., Dipl.-Soz., Jg. 1963, ist hauptamtlich Lehrender an der Fachhochschule des Bundes in Brühl mit den Schwerpunkten Extremismus und Ideengeschichte, Lehrbeauftragter an der Universität zu Bonn mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Herausgeber des seit 2008 erscheinenden Jahrbuchs für Extremismus- und Terrorismusforschung (Brühl).