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Rechtspopulismus in Asien und Lateinamerika | Rechtspopulismus | bpb.de

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Rechtspopulismus in Asien und Lateinamerika Vergleichende Perspektiven

Wolfgang Muno Christian Pfeiffer

/ 12 Minuten zu lesen

Rechtspopulismus bedroht Demokratie und Gesellschaft. Eine Analyse in Asien und Lateinamerika zeigt, wie ethnische und nationale Ideologien autoritäre Maßnahmen rechtfertigen und die Politik verändern.

Der argentinische Präsident Javier Milei ist für seinen konfrontativen Stil bekannt. Er gewann im Dezember 2023 die Präsidentschaftswahl in Argentinien. (© picture-alliance, Europa Press/ABACA)

Populismus ist längst ein weltweites Phänomen. Gefestigte Demokratien in Europa, den USA, aber auch etliche Länder des „globalen Südens“ sehen sich mit einem wachsenden Erfolg populistischer Parteien oder Politikern konfrontiert. Pierre Rosanvallon (2020) sieht das 21. Jahrhundert gar als das „Jahrhundert des Populismus“.

Populismus und Rechtspopulismus

Was ist unter Populismus und seiner spezifischen Ausprägung, dem Rechtspopulismus, zu verstehen? Laut Cas Mudde ist Populismus eine „dünne Ideologie“ , die die Gesellschaft in eine „korrupte Elite“ und ein moralisch überlegenes „wahres Volk“ aufteilt. Populistische Parteien und Politiker interpretieren den „Volkswillen“ als maßgebliche Leitlinie für die Politik (Mudde 2004: 543). Charismatische Persönlichkeiten führen oft populistische Parteien an und präsentieren sich als Außenseiter oder Anti-Establishment-Kandidaten, die gegen die „korrupten Eliten“ für das „Volk“ kämpfen. Die Eliten werden oft in der Politik, aber auch in der Justiz oder den Medien verortet und sollen durch „wahre“ Volksvertreter abgelöst werden. Dadurch manifestiert sich ein „real praktizierter Antipluralismus“ (Müller 2016: 70). Denn Volk und Elite werden als homogene Gruppen betrachtet, die einander antagonistisch gegenüberstehen, was zu einer Polarisierung von Politik und Gesellschaft führt. Alle, die sich der Verkörperung des einheitlichen Volkswillens entgegenstellen, gelten als Feinde des Volkes. Einer dem Pluralismus, dem politischen Streit und Kompromiss bzw. Interessenausgleich durch Aushandlungsprozesse verpflichtete Demokratie steht ein Populismus gegenüber, in dem es nur noch Anhänger oder Feinde gibt (Muno/Pfeiffer 2022: 264).

Als „dünne Ideologie“ verbindet sich Populismus mit sogenannten „Wirtsideologien“, die ihm programmatische Inhalte liefern und besonders für die Konstruktion des Volksbegriffs relevant sind. Im Linkspopulismus, der lange ein vor allem lateinamerikanisches Phänomen war, wird das Volk ökonomisch, im Rechtspopulismus ethnisch-nationalistisch („nativistisch“) als „wahres“ Volk konstruiert, das Fremde, Immigranten oder Minderheiten ablehnt. Rechtspopulismus zeichnet sich zudem durch Autoritarismus aus. Rechtspopulisten treten für eine traditionelle Familie, Religion und „Law-and-Order“ ein, lehnen Feminismus, Homosexualität und „Gender-Ideologie“ ab. Frank Decker und Marcel Lewandowsky beschreiben dies als „das Festhalten an traditionellen Moralvorstellungen und den Glauben an die hierarchische Gliederung der Gesellschaft“ (Decker/Lewandowsky 2012: 271). Nach diesen allgemeinen Ausführungen werden nun ausgewählte Beispiele von Rechtspopulismus außerhalb Europas dargestellt, zunächst in Asien, dann in Lateinamerika.

Rechtspopulismus in Asien

Regionalexperten identifizieren eine beträchtliche Anzahl an Populisten und Populismen in Asien. Ein kürzlich erschienener Sammelband attestiert allen Ländern Asiens in den letzten Jahrzehnten einen unterschiedlich ausgeprägten Populismus (Wang 2024).

Indien

In Indien agitiert Interner Link: Narendra Modi, seit 2014 Premierminister, gegen eine vermeintlich auf sich selbst bezogene Elite, die er und seine Bharatiya Janata Party (BJP) mit den herrschenden Klassen der Hauptstadt und der Interner Link: Nehru-Gandhi-Dynastie der Kongresspartei gleichsetzen. Diese „Volksfeinde“ sollen im Sinne der für Populismus typischen antagonistischen Polarisierung ausgeschlossen werden (McDonnell/Cabrera 2019: 498). Modi sieht sich als Diener des gesamten indischen Volkes, schließt jedoch die muslimische Bevölkerungsminderheit aus. Seine Regierung wird von einer Interner Link: hindunationalistischen Agenda angetrieben („Hindutva“). Eine wichtige Rolle spielt dabei die bereits 1925 gegründete paramilitärische, hinduistische Miliz RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh, „Nationales Freiwilligenkorps“), die die Hindutva-Ideologie im alltäglichen Leben durchzusetzen versucht (Jaffrelot 2024). Die Hindutva-Ideologie manifestierte sich unter anderem durch das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz vom Dezember 2019, das Muslime diskriminiert.

Es zeigt sich die für Rechtspopulismus typische Konstruktion eines „Wir“, das aus den Hindus als „wahres Volk“ besteht, gegen ein „Sie“, das die Elite der Nehru-Gandhi-Kongress-Partei sowie die von ihr vermeintlich begünstigte muslimische Bevölkerungsminderheit umfasst (Gottschlich 2021). Um sich als Führer des Volkes darzustellen und direkt mit seinen Anhängern zu kommunizieren, umgeht Modi die traditionellen Medien – unter anderem durch den Kurznachrichtendienst X, auf dem er über 100 Millionen Follower hat, sowie eine regelmäßig ausgestrahlte Radiosendung. Modi inszeniert um sich einen Personenkult als mutige, entschlossene und furchtlose Figur im Namen des Gemeinwohls. Er präsentiert sich als vegetarischer, tabak- und alkoholfreier Asket, der mit der Nation verheiratet ist. Es wird von ihm erwartet, „alle politischen Hindernisse durch die bloße Kraft seiner Persönlichkeit zu beseitigen“ (Singh 2018: 14) und Indien als starker „Chowkidar“ („Wächter“) zu beschützen. Der wirtschaftliche Aufschwung Indiens erklärt seine Popularität in weiten Teilen der Bevölkerung. Laut Weltbank gibt es seit Amtsantritt Modis weniger Gewalttaten, mehr politische Stabilität. Ein Blick auf die Worldwide Governance Indicators der Weltbank zeigt, dass die Effektivität der indischen Politik und Bürokratie deutlich gestiegen ist, Verschlechterungen gab es hingegen bei Freiheits- und Bürgerrechten (Weltbank 2024).

Die BJP besetzt Schlüsselpositionen im Staatsapparat mit loyalen Personen. Diese Praxis gefährdet die Unabhängigkeit der Justiz. Richter, die nicht im Sinne der Hindu-Nationalisten entscheiden, erleben oft negative Auswirkungen auf ihre Karrieren. Zudem gibt es erhebliche Spannungen mit dem Obersten Gerichtshof des Landes. Die Wahlkommission gilt nicht mehr als neutraler Garant fairer Wahlen, da die BJP durch verschiedene Maßnahmen bevorteilt wird. Gottschlich (2021: 121) bezeichnete dies als „ein in der Geschichte des unabhängigen Indien einmaliger Vorfall“.

Organisationen wie Freedom House oder das V-Dem Institute in Göteborg, die Demokratie beobachten, sprechen von einer Regression der indischen Demokratie zu einem illiberalen, exklusiven ethno-religiösen Staat, in dem bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden. Es wird sogar die Entwicklung hin zu einem autoritären System befürchtet (Jaffrelot 2021: 455). Die BJP wurde bei der Parlamentswahl 2024 zwar wieder stärkste Partei, verlor aber die absolute Mehrheit. Bemerkenswert ist, dass Modi und die BJP die Wahlniederlage ohne großes Lamento oder Vorwürfe von Wahlfälschung, wie sie etwa Donald Trump in den USA erhob, akzeptierten (Wagner 2024). Dennoch bleibt der Hindu-Nationalismus der BJP im starken Spannungsverhältnis zur pluralistisch-Interner Link: säkularen Verfassung Indiens.

Israel

Populismus in Israel ist, ähnlich wie in Indien, mit ethnisch-religiösen Aspekten und Interner Link: Nationalismus verknüpft (Porat/Filc 2022). Seit der Staatsgründung besteht eine Spannung zwischen einer säkularen Orientierung des Staates und einem jüdischen Staatsverständnis. Unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vertritt die Interner Link: Likud-Partei, zuletzt in Koalition mit religiös-fundamentalistischen Parteien, einen religiös-nationalistischen Populismus (Rogenhofer/Panievsky 2020: 1402).

Benjamin Netanyahu war von 1996 bis 1999 und 2009 bis 2021 Ministerpräsident Israels und ist dies erneut seit November 2022, was ihn zum am längsten amtierenden Regierungschef Israels macht. Unter seiner Führung hat sich der Likud, Israels größte konservative Partei, in ein personalistisches Vehikel für Netanyahus Ambitionen verwandelt (Kenig/Rahat 2023). Im Bündnis steht der Likud mit religiösen jüdischen Fundamentalisten und Rechtsextremisten. Dazu gehören orthodoxe Gruppierungen wie die Schas Partei, Vereinigtes Thora-Judentum (Yahadut HaTorah) sowie religiös-zionistischen Gruppierungen wie die Religiös-Zionistische Partei (ehemals: Tkuma, heute: HaTzionut HaDatit), Jüdische Stärke (Otzma Jehudit) und Noam. Kennzeichnend sind der Glaube an einen religiösen Nationalismus, der ein „Groß-Israel“, das mindestens das Westjordanland beinhalten soll, fordert. Rechte von Arabern, Palästinensern, säkularen und linken Israelis, gemäßigten Parteien oder der LGBTQ+-Minderheit werden von Teilen der Koalition infrage gestellt. Auch werden Medien und politische Gegner verbal angegriffen. Eine angestrebte, aber Externer Link: vorerst gekippte Justizreform hätte das Oberste Gerichts Israels stark eingeschränkt.

Israel hat Interner Link: keine endgültige Verfassung. Zentrale Grundgesetze regeln politische und verfassungsrechtliche Fragen und können mit Mehrheiten in der Knesset (dem Parlament in Israel) beschlossen werden. Kritiker sehen einen Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Schwächung der Judikative und den Korruptionsvorwürfen gegen Netanyahu. Die Regierung plädiert dagegen für eine Mehrheitsdemokratie ohne Unterordnung unter nicht gewählte Instanzen (Gidron 2023). Interner Link: Massive, monatelang andauernde Proteste gegen die Justizreform zeigten die Polarisierung der Gesellschaft. Sie wurden vorerst vom Interner Link: Terrorangriff der Interner Link: Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 überschattet. Netanyahu reagierte mit der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und eines „Kriegskabinetts“ unter Einbezug von Oppositionspolitikern. Die Pläne zur Justizreform wurden indes im Januar 2024 vom Obersten Gerichtshof gestoppt. Im Juni 2024 verließ die Opposition das Kabinett aufgrund von Unstimmigkeiten über die Kriegsstrategie und es werden Neuwahlen gefordert. Netanyahu steht unter massivem Druck und die politische Entwicklung in Israel bleibt angesichts des Interner Link: Gaza-Kriegs und der Bedrohung durch die libanesischen Hisbollah-Milizen ungewiss.

Philippinen

Rodrigo Duterte, philippinischer Präsident von 2016 bis 2022, präsentierte sich als Anti-Establishment-Kandidat. In typisch populistischer Manier schuf er einen Gegensatz zwischen dem „guten“ einfachen Volk und der Elite in Manila, den Liberalen sowie der Drogenmafia und Drogenabhängigen (Plagemann/Ufen 2017). Ein autoritärer Law-and-Order-Populismus kennzeichnete Duterte, den Mark Thompson als „strafenden Populismus“ beschreibt (Thompson 2022). Todesschwadronen und außergerichtliche Tötungen durch die Polizei, gerechtfertigt durch Dutertes Kampf gegen Drogen, sollen Tausende das Leben gekostet haben. Bereits als Bürgermeister galt er als „Punisher“ und „Duterte Harry“ (Plagemann/Ufen 2017: 5). Als Präsident kombinierte Duterte seinen autoritären Stil mit nationalistischer Rhetorik und diffamierte Kritiker als ausländische Agenten. Er entließ die Vorsitzende des Obersten Gerichts, ernannte neue Richter und nutzte Gerichtsverfahren gegen Kritiker (Dressel/Bonoan 2024). Dutertes Rhetorik zeichnet sich durch öffentliche Beleidigungen sowie einem Konglomerat aus Nationalismus, Sexismus, Männlichkeitskult und Gewaltverherrlichung aus. Er präsentierte sich als Anhänger des früheren Diktators Ferdinand Marcos und drohte mit der Ausrufung des Kriegsrechts (Plagemann/Ufen 2017: 5). Besonders die Mittel- und Oberschicht konnte Duterte seinerzeit für sich gewinnen.

Trotz seiner umstrittenen Methoden erlebte das Land unter Duterte einen wirtschaftlichen Aufschwung, was einen erheblichen Teil seiner Popularität ausmachte. 2022 trat er nicht zur Wiederwahl an, da die philippinische Verfassung nur eine Amtszeit für Präsidenten erlaubt. Nachdem er zunächst erwogen hatte, für die Vizepräsidentschaft oder den Senat zu kandidieren, zog er sich aus der aktiven Politik zurück.

Rechtspopulismus in Lateinamerika

Populismus ist ein wiederkehrendes Merkmal der lateinamerikanischen Politik und wurde seit Jahrzehnten untersucht. Im 20. Jahrhundert prägten zunächst Politiker wie Getúlio Vargas (Brasilien) oder Juan Domingo Perón (Argentinien) den klassischen Populismus, später traten Neopopulisten wie Alberto Fujimori (Peru) und Carlos Menem (Argentinien) auf, die Populismus mit einer neoliberalen Wirtschaftspolitik verbanden. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstand eine linkspopulistische Welle mit Hugo Chávez (Interner Link: Venezuela), Evo Morales (Bolivien), Rafael Correa (Ecuador) und Néstor und Cristina Kirchner (Argentinien). Zuletzt erlebte Lateinamerika mit Jair Bolsonaro (Brasilien), Nayib Bukele (Interner Link: El Salvador) und Javier Milei (Argentinien) Rechtspopulismus (vgl. Kestler/Krause 2022). Die Regierungen von Bolsonaro und Bukele gelten als Musterbeispiele eines Rechtsautoritarismus lateinamerikanischer Prägung. Sie haben sowohl regional als auch weltweit große Ausstrahlkraft und stehen in einem Austauschprozess mit ideologisch ähnlich gelagerten Strömungen.

El Salvador

Am deutlichsten verkörpert Nayib Bukele, Präsident in El Salvador, den autoritären „Law-and-Order-Populismus“. Nayib Bukele setzt seit seinem Amtsantritt im Jahr 2019 auf ein hartes Durchgreifen gegen Kriminalität, insbesondere gegen die Drogengangs (Maras). Um diese Politik durchzusetzen, schwächte er die demokratischen Institutionen und schüchterte die Opposition ein (Meléndez-Sánchez 2021). Nach einer Mordserie der Mara Salvatrucha mit 87 Todesopfern rief er im März 2022 den Ausnahmezustand aus. Seitdem wurde er regelmäßig verlängert (Stand: Juli 2024), wodurch zentrale Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit oder das Recht auf einen Rechtsbeistand eingeschränkt und kritische Journalisten massiv verfolgt werden (Deutsche Welle 2024). Die Regierung rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass mehr als 80.000 vermeintliche Gangmitglieder inhaftiert worden sein sollen.

Bukele verfügt über enorme Popularitätswerte in der Bevölkerung, in Umfragen erhält er regelmäßig über 80 Prozent Zustimmung. Besonders ausgiebig nutzt er Soziale Medien zur direkten Kommunikation mit seinen Anhängern, er gilt als „Twitter-Präsident“ und hat mehr Follower als El Salvador Einwohner. Sein Erfolg bei der Bekämpfung der Kriminalität gilt als Hauptgrund für seine Popularität. Darüber hinaus verspricht er eine Modernisierung der Wirtschaft, was durch die Einführung der Bitcoin-Wallet „Chivo“ verdeutlicht wurde. Obwohl die Verfassung El Salvadors aufeinanderfolgende Amtszeiten verbietet, kandidierte Bukele im Februar 2024 erneut und wurde laut eigenen Angaben mit 85 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof, mit Sympathisanten Bukeles besetzt, eine zweite Amtszeit erlaubt.

Brasilien

Die Wahl von Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens war das Ergebnis einer Kombination aus wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Faktoren – darunter Rezession, hoher Arbeitslosigkeit und Korruptionsskandalen. Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 Präsident Brasiliens war, Interner Link: unterlag gegen Lula da Silva bei Stichwahlen im Oktober 2022 nur sehr knapp und verfehlte so seine Wiederwahl. Allerdings scharte er eine beträchtliche Zahl an Anhängern hinter sich, die auch nach seiner Abwahl das Wahlergebnis nicht anerkannten und ein Einschreiten des Militärs forderten. Dies gipfelte im Januar 2023 im Sturm auf das Regierungsgebäude in Brasília. Bereits vor seiner Vereidigung als Präsident Brasiliens im Januar 2019 lancierte Bolsonaro einen Diskurs, der auf Geringschätzung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfahren sowie der Verherrlichung der von 1964 bis 1985 in Brasilien regierenden Militärdiktatur basierte. Zudem äußerte er sich immer wieder rassistisch, frauenverachtend und homophob. Eine solche Rhetorik behielt er sich auch als Staats- und Regierungschef bei (Avritzer/Rennó 2021; Bennech/Zago/Kestler 2021).

Bolsonaro betrieb einen „Law and Order“-Diskurs und gab vor, hart gegen „Delinquenten“ vorzugehen, zudem umgab sich der ehemalige Offizier mit Interner Link: Militärs. Das Militär stellte zeitweise neun von 23 Ministern, zudem wurden tausende staatliche Stellen mit aktiven und ehemaligen Militärs besetzt (Maihold 2020: 3). Der jahrelange Hinterbänkler im brasilianischen Parlament inszenierte sich als Außenseiter und „politischer Messias“ gegen eine von Korruption geplagte, linke politische Klasse der jahrelang regierenden Arbeiterpartei (Garrido 2021: 281), stand jedoch zusammen mit seiner Familie schnell selbst im Zentrum von Korruptionsermittlungen. Mit einem konservativen Gesellschaftsbild, das traditionelle Werte wie Familie und Ordnung hervorhob, aber Homosexualität und Abtreibung ablehnte, sprach Bolsonaro insbesondere Evangelikale an. Diese sind in Brasilien zu einer politischen Größe geworden und häufig mit Evangelikalen in den USA vernetzt. Auch nach der Abwahl Bolsonaros ist der „Bolsonarismo“ durch viele Abgeordnete, Bürgermeister oder Gouverneure präsent, vorrangig im Süden Brasiliens.

Argentinien

Kontrovers verlief der Aufstieg von Javier Milei in Argentinien, der im Dezember 2023 die argentinische Präsidentschaft übernahm. Bekannt für seinen konfrontativen Stil, hat der libertäre Ökonom weltweite Aufmerksamkeit erregt, indem er den Staat als eine „kriminelle Organisation“ beschrieb, die er „von innen heraus zerstören“ müsse (El Tiempo 2024). Milei ist kein traditioneller Politiker, sondern ein „Außenseiter“, der zunächst alle Politiker als „Kaste“ verunglimpfte (La Política Online 2023), sich schließlich aber mit Konservativen und Rechtsextremen verbündete und im linksgerichteten Interner Link: Peronismus (Interner Link: „Kirchnerismus“) den Feind sieht. Sein Aufstieg ist ohne das tiefe Unbehagen einer krisengeplagten Gesellschaft nicht zu verstehen. Bei seinem Amtsantritt lag die jährliche Interner Link: Inflationsrate bei über 200 Prozent, die Schulabbrecherquote war hoch und die Armutsquote erreichte historische Rekordstände. Vor allem junge Wähler, enttäuscht von einer ruinierten Wirtschaft, einem unterfinanzierten Bildungssystem und mangelnden Arbeitsmöglichkeiten, unterstützten ihn. Diese Generation sucht drastische Lösungen und radikale Alternativen, was Milei als disruptive Figur zu verkörpern vermag (Seman/Welschinger 2023).

Seit seinem Amtsantritt hat Milei die Rolle des Staates in der Wirtschaft massiv reduziert und den Staatsapparat verkleinert. Dies führte zur Stilllegung öffentlicher Projekte sowie einem Rückgang der öffentlichen Ausgaben und formeller Arbeitsplätze. Kritiker sehen die Zerstörung des Staates, eine Zunahme sozialer Spannungen und die Vertiefung von Ungleichheit, während Anhänger, aber auch der Internationale Währungsfonds ihn als vermeintlich notwendigen radikalen Reformer sehen. Neben seiner Ablehnung eines sozial aktiven Staates ist er auch gegen ein Recht auf Abtreibung und „Gender-Ideologie“. Milei ist international vernetzt mit prominenten internationalen Rechten wie Donald Trump, Jair Bolsonaro und Nayib Bukele sowie anderen rechtspopulistischen Bewegungen in Europa und Lateinamerika.

Fazit: Vergleichende Perspektiven auf Rechtspopulismus außerhalb Europas

Die Betrachtung des Rechtspopulismus außerhalb Europas zeigt die variantenreiche Vielfältigkeit. Dabei fällt auf, dass ethno-religiöse und rassistische Kategorien in Lateinamerika eine deutlich geringere Rolle spielen als etwa in Indien und Israel (oder Europa). Die lateinamerikanischen Rechtspopulisten ähneln eher dem ehemaligen philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte. Nicht zuletzt, da in Lateinamerika Gewalt, (Drogen-)Kriminalität, Korruption und Unsicherheit besonders stark ausgeprägt sind, während Ethnizität und Immigration eine geringere Relevanz haben. Die Vernetzung in Lateinamerika ist zudem intensiver als in Asien. Darüber hinaus gibt es einen intensiven Austausch mit nordamerikanischen und europäischen Vertretern des Rechtspopulismus durch einschlägige Foren. So besuchte Javier Milei am 6. Juli 2024 zum ersten Mal Brasilien, traf sich aber nicht mit dem Präsidenten Lula da Silva, den er als „Kommunisten“ ablehnt, sondern war bei CPAC Brasil 2024 – dem Ableger von CPAC USA (Conservative Political Action Conference), einem bekannten Treffpunkt rechtsgerichteter Gruppierungen und Politiker. Auch mit Victor Orban, dem ungarischen Premierminister, und der spanischen rechtspopulistischen Partei Vox gab es verschiedene Treffen.

Allen beschriebenen Rechtspopulisten ist gemeinsam, dass sie in unterschiedlichem Ausmaß nationalistisch-nativistische Vorstellungen hegen, insbesondere aber eine autoritäre "Law and Order"-Politik verfolgen und traditionelle Moralvorstellungen vertreten.

Quellen / Literatur

Avritzer, Leonardo; Rennó, Lucio (2021): "The Pandemic and the Crisis of Democracy in Brazil." In: Journal of Politics in Latin America, Nr. 13, 3, S. 442–457.

Bennech, Anna; Zago, Mateus; Kestler, Thomas (2021): "Die Regierung Bolsonaro in Brasilien: Populistisches Intermezzo oder Modell eines neuen Rechtspopulismus in Lateinamerika?" In: Muno, Wolfgang; Pfeiffer, Christian (Hrsg.): Populismus an der Macht. Strategien und Folgen populistischen Regierungshandelns. Wiesbaden: Springer VS, S. 219-247.

Decker, Frank; Lewandowsky, Marcel (2012): "Die rechtspopulistische Parteienfamilie." In: Jun, Uwe und Höhne, Benjamin (Hrsg.): Parteienfamilien: Identitätsbestimmend oder nur noch Etikett? Opladen: Barbara Budrich Verlag, S. 261-292.

Deutsche Welle (2023): "Bukele dice que su lucha contra las pandillas salvadoreñas no retrocederá." Deutsche Welle, 21. Juni 2024. Verfügbar unter: Externer Link: https://www.dw.com/es/bukele-dice-que-su-lucha-contra-las-pandillas-salvadore%C3%B1as-no-retroceder%C3%A1/a-69435960.

Dressel, Björn; Bonoan, Cristina (2024): "Courts and Authoritarian Populism in Asia: Reflections from Indonesia and the Philippines." Law & Policy, S. 1-21.

El Tiempo (2023): "Javier Milei dice que odia al Estado y que ama ser el topo para destruirlo desde dentro: ‘Es como estar infiltrado en filas enemigas’." El Tiempo, 6. Juni 2024. Verfügbar unter: Externer Link: https://www.eltiempo.com/mundo/latinoamerica/javier-milei-dice-que-odia-al-estado-y-que-ama-ser-el-topo-para-destruirlo-desde-dentro-es-como-estar-infiltrado-en-filas-enemigas-3350256.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Im Unterschied zu Hochideologien wie dem Liberalismus oder dem Sozialismus gelten Ideologien dann als "dünn", wenn sie wie der Nationalismus, die Ökologiebewegung oder der Feminismus ein spezifisches Ziel verfolgen, sich aber in anderen Politikfeldern an eine komplexere Ideologie anlehnen (s. APuZ: Interner Link: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/75848/wesensmerkmale-des-populismus/).

  2. Die im 19. Jahrhundert gegründete Kongresspartei war einst die Spitze der indischen Unabhängigkeitsbewegung sowie die Heimat politischer Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi. Die eher säkular orientierte Partei bestimmte über Jahrzehnte hinweg die Politik des Landes und stellte die meiste Zeit den Premierminister oder die Premierministerin. In den letzten Jahren verließen viele hochrangige Politiker und Politikerinnen die Partei und schlossen sich teilweise der BJP an.

  3. Todesschwadronen sind paramilitärisch organisierte Gruppen, die mit gewaltsamen Aktionen ihre Ziele verfolgen. Meist werden sie von den jeweiligen Regierungen zumindest geduldet, teils handeln sie auch in dessen Auftrag.

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Prof. Dr. Wolfgang Muno ist Lehrstuhlinhaber der „Vergleichenden Regierungslehre“ an der Universität Rostock. Seine Forschungsschwerpunkte sind Governance, Globalisierung und Staatlichkeit, Rechtspopulismus sowie Demokratieforschung. Munos regionaler Fokus liegt dabei auf Lateinamerika, aber auch auf Asien.

Dr. Christian Pfeiffer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl „Vergleichende Regierungslehre“ an der Universität Rostock. Seine Forschungsschwerpunkte sind Politik in Iberoamerika, Populismus und Politikfeldanalyse.