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Wohnungspolitik seit 1945 | Wohnen | bpb.de

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Wohnungspolitik seit 1945

Björn Egner

/ 13 Minuten zu lesen

Wohnungspolitik bezeichnet "alle politischen und verbandlichen Aktivitäten sowie die staatlichen Maßnahmen, die sich mit der Wohnraumversorgung der Bevölkerung, dem Neubau, der Modernisierung und der Erhaltung von Wohnungen befassen". Die Verbindung der Begriffe "Versorgung" und "staatliche Maßnahmen" deutet bereits an, dass Wohnungspolitik in der öffentlichen Wahrnehmung ein Politikfeld ist, das stark vom Staat selbst bearbeitet wird. Tatsächlich ist Wohnungspolitik in Deutschland seit den ersten Jahren der Weimarer Republik als "Wohnungsfrage" – analog zur "sozialen Frage" – ein zentraler Bestandteil der Sozialpolitik gewesen. Dieser Beitrag beginnt mit einer kurzen Bestandsaufnahme der Lage auf dem Wohnungsmarkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und beschreibt dann die Phasen der deutschen Wohnungspolitik bis heute. Dabei wird auf die Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Veränderungen und wohnungspolitischen Instrumenten eingegangen.

Ausgangslage 1945 bis 1959

Eine direkte, für alle Bevölkerungsschichten spürbare Folge des Zweiten Weltkriegs bestand in der weitgehenden Zerstörung von Industrieanlagen, Infrastruktur und Wohnraum. Insbesondere durch die massiven Luftangriffe auf die deutschen Städte wurde es notwendig, etwa neun Millionen Obdachlose in ländliche Gebiete zu evakuieren. Die faktische Annexion der bis dahin zu Deutschland gehörenden "Ostgebiete" durch die Sowjetunion und Polen führte zu zwölf Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen, die aus ihren Siedlungsgebieten in das spätere Staatsgebiet der Bundesrepublik kamen. Insgesamt suchten in den Monaten nach Kriegsende also ungefähr 21 Millionen Menschen eine neue Bleibe. Der Zensus in den drei Westzonen 1946 wies die Zahl von 13,7 Millionen Haushalten und 8,2 Millionen Wohnungseinheiten nach. Mit anderen Worten: Es fehlten kriegs- und migrationsbedingt etwa 5,5 Millionen Wohnungen – eine gewaltige Zahl.

Unmittelbar nach Kriegsende beschlossen die Besatzungsmächte der drei Westzonen angesichts des gravierenden Wohnungsmangels kurzfristige gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot. Die nach Gründung der Bundesrepublik 1949 gebildete Bundesregierung schloss sich den Maßnahmen an und führte die

Wohnungszwangsbewirtschaftung

ein. Diese bestand im Wesentlichen in einem faktischen Verbot der Kündigung von Bestandsmietern, staatlich festgelegten Mietniveaus und staatlicher Vergabe von in Privateigentum befindlichem Wohnraum an Wohnungssuchende. Mit diesen Maßnahmen stoppte die Bundesregierung zwar den befürchteten schnellen Anstieg der Mieten, doch das Problem der 5,5 Millionen fehlenden Wohnungen wurde dadurch nicht behoben. Deshalb entschloss sich die Bundesregierung mit der Verabschiedung des

Ersten Wohnungsbaugesetzes

1950 zu einer massiven Intervention auf der Angebotsseite des Wohnungsmarkts. Im Rahmen dieses Gesetzes finanzierte der Bund innerhalb eines Jahrzehnts den Bau von insgesamt 3,3 Millionen Wohnungen. Zusätzliche 2,7 Millionen Wohnungen wurden durch private Investoren gebaut. Die große Wohnungsnot der frühen 1950er Jahre war damit zunächst gebannt.

Kurzüberblick: Instrumente

Die deutsche Wohnungspolitik stützte sich für die nächsten Jahrzehnte auf vier große Steuerungsinstrumente, die jeweils mit unterschiedlichen Steuerungszielen und Steuerungsadressaten verbunden waren und mit unterschiedlichen Steuerungsmedien operierten.

Als einziges Instrument mit überwiegend regulativem Charakter (das heißt vorrangig auf Geboten und Verboten basierend) gilt das

Mietrecht

, das in der Bundesrepublik Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist. Es schreibt Regelungen von 1917 beziehungsweise 1923 fort und setzt seit Entstehung der Bundesrepublik den regulativen Rahmen für die Ausgestaltung von Verträgen im Bereich der Wohnraumvermietung. Der wesentliche Ansatzpunkt zur Setzung der rechtlichen Normen bestand in der Überzeugung, dass Mieterinnen und Mieter von Wohnungen durch das bestehende ökonomische Machtungleichgewicht gegenüber Vermieterinnen und Vermietern ein erhöhtes Schutzbedürfnis aufweisen. Daher schränken seit jeher die zum Mietrecht zählenden Regelungen des BGB die ansonsten im Zivilrecht geltende weitgehende Vertragsfreiheit ein, indem beispielsweise die Gelegenheit zu Vertragskündigungen oder Erhöhungen des Mietzinses begrenzt werden. Als Folge war das Mietrecht als regulatives Instrument stärker als andere Instrumente politisch-ideologisch umstritten, da sich hier die Konflikte zwischen den Besitzenden und ihrem Streben nach Rendite und den Nichtbesitzenden in ihrem Streben nach mit dem Einkommen bestreitbaren Wohnkosten zentral manifestierten. Wie alle regulativen Instrumente besteht im Bereich des Mietrechts vor allem ein "Kontrollproblem": Nur wenn die Auslegung des Mietvertrags strittig ist oder eine Vertragspartei den Vertrag durch eine Klage rechtlich überprüfen lässt, wird das Mietrecht tatsächlich angewendet. Halten sich hingegen beide Vertragsparteien an den vereinbarten Mietvertrag, fällt dem Staat gar nicht auf, dass er sein regulatives Ziel nicht erreicht.

Zentrales Steuerungsmedium der anderen drei Instrumente ist die Finanzierung, das heißt, die Instrumente basieren im Wesentlichen auf der Verausgabung von staatlichen Mitteln zur Erreichung der Steuerungsziele. Alle drei Instrumente sind im Bereich der positiven Anreizsteuern anzusiedeln, das heißt, der Staat bietet eine finanzielle Belohnung an, wenn sich ein Individuum nach seinen Wünschen verhält. In der Wohnungspolitik haben sich dabei zwei Begriffe herausgebildet, die unterschiedliche Förderziele beschreiben. "Objektförderung" wird ein Instrument genannt, das Wohnobjekte finanziert, also eine "Investition in Steine" darstellt. "Subjektförderung" hingegen beschreibt eine finanzielle Unterstützung von Personen, also eine "Investition in Menschen".

Die Objektförderung war für lange Zeit mit zwei verschiedenen Zielvorstellungen verknüpft. Da wäre zunächst die seit den 1950er Jahren bestehende

Wohneigentumsförderung

zu nennen, die zunächst für Jahrzehnte als steuermindernde Sonderinvestition galt und erst 1996 in ein Zulagensystem überführt wurde. Das Instrument zielte auf die Förderung der mittleren Schichten, die sich mit staatlicher Unterstützung ein Eigenheim bauen beziehungsweise kaufen sollten. Hiervon erwartete man sich "Sickerungseffekte" beziehungsweise "Umzugsketten" auf dem Mietwohnungsmarkt, das heißt den Nachzug von schlechter gestellten Mietern in die durch die ausziehenden, frisch gebackenen Eigenheimbesitzer freigegebenen Wohnungen. Dieser Effekt stellte sich aber als kaum messbar heraus, während die Kritik am Instrument immer weiter zunahm, insbesondere daran, dass die Eigenheimförderung die unteren sozialen Schichten nicht erreiche. Weiterhin wurde angemerkt, dass die Begünstigten auch ohne Förderung in der Lage seien, Eigentum zu erwerben, was massive Mitnahmeeffekte zur Folge habe. Aus Sicht der Stadt- und Regionalplanung wurde moniert, dass die Eigenheimförderung die Zersiedlung der Landschaft beschleunige und den Pendelverkehr zwischen den Großstädten (mit Arbeitsplätzen) und dem Land (mit Eigenheimen) erhöhe.

Das zweite Standbein der Objektförderung bildeten verschiedene Investitionsprogramme, die unter dem Begriff

Sozialer Wohnungsbau

zusammengefasst werden. Ziel dieses Instruments war es, Menschen mit Wohnraum zu versorgen, die aufgrund ihrer ökonomischen Situation auf dem enger werdenden Wohnungsmarkt in den Ballungsgebieten nur schlechte Chancen auf Wohnraum hatten. Im Wesentlichen zahlte der Staat im Rahmen dieses Instruments entweder Investitionshilfen an private Investoren oder ermöglichte ihnen zinsgünstige Kredite. Auch an diesem Instrument gab es weitreichende Kritik. So wurde bemängelt, dass Bedürftige zwar eine Sozialwohnung erhielten, aber nicht sichergestellt sei, dass sie nach dem sozialen Aufstieg die öffentlich geförderte Wohnung auch wieder verließen. Tatsächlich stieg der Anteil der "fehlbelegten" Wohnungen rasch, sodass einige Großstädte entsprechende Strafabgaben einführten. Letztlich unterstützte der Soziale Wohnungsbau mit seiner auf bestimmte Zielgruppen fokussierten Konzeption auch die innerstädtische Segregation (das heißt die räumliche Trennung sozialer Gruppen) und schuf neue "soziale Brennpunkte".

Als direkte Unterstützung von Mietern zur Bestreitung der Wohnkosten war das

Wohngeld

für Jahrzehnte das zentrale Instrument der Subjektförderung in der deutschen Wohnungspolitik. Zwar spielte sich seit der Einführung des Instruments ein ständiger Kampf um die Höhe der Leistungen auf der einen Seite und die Frage ihrer Finanzierung auf der anderen Seite ab; das Instrument war jedoch von allen politischen Parteien und auch in der Verbandslandschaft des Politikfelds weitgehend akzeptiert. Nach einer festen Formel, die das Einkommen eines Haushalts, die Anzahl seiner Mitglieder, die tatsächliche Miethöhe und das lokale Mietniveau berücksichtigte, zahlten die kommunalen Wohnungsämter das Wohngeld direkt an die Bedürftigen aus.

Entwicklung der Wohnungspolitik 1960 bis 1998

Gegen Ende der 1960er Jahre begann die Phase der Sozialen Marktwirtschaft auch in der Wohnungspolitik. Die Idee, dass der Staat "breiten Bevölkerungsschichten" Zugang zu Wohnraum zu verschaffen habe, ging zugunsten der marktwirtschaftlichen Idee zurück. Dies manifestierte sich unter anderem im stufenweisen Abbau der Wohnungszwangswirtschaft. Mit Blick auf den großen Erfolg im Wohnungsbau reduzierte der Bund zu Beginn der 1960er Jahre die Ausgaben für dieses Instrument drastisch.

Mit der spürbaren Entlastung am Wohnungsmarkt und dem gleichzeitigen allgemeinen ökonomischen Aufschwung ging allerdings ein stetiges Bevölkerungswachstum einher. Zwischen 1960 und 1969 wuchs die Bevölkerung der Bundesrepublik um 9,4 Prozent, während der Wohnungsmarkt weitgehend dereguliert war. Durch die demografische Entwicklung verengte sich der Wohnungsmarkt erneut; auch das 1965 eingeführte Wohngeld zur Unterstützung der Mietkaufkraft konnte daran zunächst nichts ändern, da durch die öffentliche Unterstützung der Mieterinnen und Mieter auf der Nachfrageseite mehr Geld vorhanden war, das zum Großteil durch Mietsteigerungen aufgesaugt wurde und kaum eine Stärkung der Angebotsseite nach sich zog.

Um die Steigerung der Mietpreise abzubremsen, wurde auf Bundesebene 1971 das

Wohnraumkündigungsschutzgesetz

eingeführt, das das Kündigungsrecht des Vermieters leicht einschränkte und bereits 1975 verschärft wurde, da es zunächst nicht den gewünschten Effekt gezeigt hatte. Gleichzeitig sank bis 1979 die Anzahl der fertiggestellten, öffentlich geförderten Wohnungen pro Jahr auf nur 109.000 Einheiten (vgl. Abbildung 1 in der PDF-Version).

In den 1970er Jahren hatte zudem der steigende allgemeine Wohlstand einen großen Einfluss auf die Wohnungspolitik. Die Möglichkeit, die Kosten für die Erstellung von selbst genutztem Wohneigentum nach Paragraf 7b des Einkommensteuergesetzes von der Steuer abzusetzen (

Eigenheimförderung

), wurde von immer mehr Bundesbürgern genutzt. Als 1982 das "Baukindergeld" eingeführt wurde, das Bauherren mit Kindern gesondert unterstützte, erhöhte dies die monetären Anreize zum Erwerb von Eigenheimen nochmals beträchtlich. Die steuerlichen Mindereinnahmen erhöhten sich weiter, als der Förderung des Eigenheims nicht nur ein eigener Paragraf im Einkommensteuergesetz (Paragraf 10e) gewidmet wurde, sondern die Regeln für die absetzbaren Kosten des Eigentumserwerbs erneut ausgeweitet wurden.

Parallel dazu fand in den 1980er Jahren eine Vermarktlichung des Wohnungssektors statt. Die Aktivitäten im Sozialen Wohnungsbau wurden weiter auf ungefähr 74.000 Einheiten pro Jahr reduziert. Die Bundesregierung argumentierte, der Wohnungsmarkt sei durch die bisher anhaltenden Bestrebungen der öffentlichen Hand sowie private Investorentätigkeit insgesamt ausgeglichen. Selbst als Ende der 1980er Jahre auf den großstädtischen Wohnungsmärkten ein weiterer Engpass überdeutlich wurde, bestand Wohnungsbauminister Oscar Schneider auf der guten Marktlage: "Die Wohnungsversorgung in unserem Lande ist nicht gut. Sie ist nicht sehr gut. Sie ist ausgezeichnet."

Durch die Deutsche Einheit geriet Bewegung sowohl in den Wohnungsmarkt als auch in die Wohnungspolitik. Die innerdeutsche Migration von Ost nach West bewirkte auf einigen westdeutschen Wohnungsmärkten eine starke Vergrößerung der Nachfrage. Deshalb reaktivierte die Bundesregierung kurzzeitig die Programme des Sozialen Wohnungsbaus im Westen, dehnte die Programme allerdings auch auf den sanierungsbedürftigen Ostteil des Landes aus. Gleichzeitig musste ein Teil der durch Binnenmigration leerstehenden Wohnungen im Osten abgerissen werden, um die Mietpreise im Osten zu stabilisieren ("Stadtumbau Ost"). Die Konsolidierung der Mietniveaus in den ostdeutschen Städten musste zum großen Teil der Bund übernehmen, denn mit den Immobilien der DDR hatte die Bundesrepublik auch die Schulden, die die DDR für die Finanzierung des Wohnungsbaus gemacht hatte, übernommen. Auch das Wohngeld wurde auf die ostdeutschen Länder ausgeweitet.

Die größten Debatten über Wohnungspolitik fokussierten sich indes auf die Eigenheimförderung. Es war spätestens seit den frühen 1990er Jahren offensichtlich, dass die Subventionen, die seit der Ära Adenauer geflossen waren, das eigentlich gesetzte Ziel, sehr viel mehr Deutsche zu Eigenheimbesitzern zu machen, nicht erreicht hatten. Der Anteil der Eigenheimbesitzer war nach dem Krieg nur leicht gestiegen und hatte sich auch in den 1980er Jahren nicht merklich erhöht, obwohl Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern hier einen enormen "Aufholbedarf" hatte (vgl. Tabelle in der PDF-Version). 1996 erreichten die Subventionen für die Wohneigentumsförderung den absoluten Höchststand (vgl. Abbildung 2 in der PDF-Version); in diesem Jahr nahmen Bund, Länder und Gemeinden alleine aufgrund der Abzugsfähigkeit der Erstellungskosten von Wohneigentum insgesamt 12,8 Milliarden Euro weniger an Steuern ein. Dies machte die Eigenheimförderung zur teuersten Subvention, die jemals in der Bundesrepublik gezahlt wurde. Zum Vergleich: Die politisch heftig umstrittenen Steinkohlesubventionen machten in der Höchstphase lediglich 4,8 Milliarden Euro jährlich aus.

Die stark genutzten Möglichkeiten zur Absetzbarkeit der Eigenheimkosten vom zu versteuernden Einkommen führten 1996 zur Reform des Instruments. Seit diesem Zeitpunkt galt nach dem

Eigenheimzulagegesetz

das "Zulagenmodell", das heißt, dass die Förderung nicht mehr durch Steuerabzug, sondern durch reale Zulagen gewährt wurde, für die Anträge zu stellen waren. Da sich die Förderung sowohl im Abschreibungs- als auch im Zulagenmodell über mehrere Jahre erstreckte, liefen beide Förderformen einige Jahre parallel, wobei das Gesamtvolumen ungefähr gleich blieb.

Die rot-grüne Ära 1998 bis 2005 und ihre Folgen

Die 1998 neu ins Amt gekommene rot-grüne Bundesregierung setzte deutliche Veränderungen in der Wohnungspolitik durch, was sich in der Reform aller vier großen Instrumente widerspiegelte. So wurde der Soziale Wohnungsbau 2001 faktisch beendet und durch das Konzept der

Sozialen Wohnraumförderung

ersetzt. 2006 wurden beispielsweise nur noch 35.000 Wohnungen gefördert, die meisten davon im Bestand.

Während des ersten Kabinetts Gerhard Schröder gelang zudem 2001 eine Reform des Mietrechts, das seit dem Abbau der Wohnungszwangswirtschaft zu Beginn der 1960er Jahre von den wechselnden Koalitionen auf Bundesebene immer nur vorsichtig modifiziert worden war, um keine gesellschaftliche Unruhe entstehen zu lassen. Die rot-grüne Bundesregierung legte besonderen Wert auf eine mieterfreundliche Neufassung, etwa durch die Einführung der asymmetrischen Kündigungsfristen. Seit der letzten großen Reform sind allerdings wieder 13 Jahre vergangen. Seit Beginn der Kanzlerschaft von Angela Merkel 2005 waren bislang keine großen mietrechtlichen Weichenstellungen zu verzeichnen.

Gleichzeitig wurde das Wohngeldgesetz zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt an die geänderte Situation auf den Mietmärkten und die gestiegenen Verbraucherpreise angepasst. Durch diese beiden Veränderungen war die Transformation von der Wohnungspolitik zur Wohnungsmarktpolitik eingeleitet. Im Gegensatz zu den "guten alten Zeiten" der Wohnungspolitik gab der Staat damit faktisch seine Rolle als Anbieter auf dem Wohnungsmarkt beziehungsweise als Unterstützer der Angebotsseite auf und beschränkte sich zunächst darauf, die nachfragenden Mieterinnen und Mieter durch Zuschüsse zu stützen. Mit den durch die Regierung Schröder eingeleiteten, von allen großen Parteien getragenen Reformen am Arbeitsmarkt, insbesondere der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, verlor das Wohngeld als wohnungspolitisches Instrument seit Beginn des Jahrzehnts drastisch an Bedeutung. So ist die Unterstützung für die Wohnraummiete für Bezieher des Arbeitslosengelds II als "Kosten der Unterkunft" in den Bezug der Leistung nach dem Sozialgesetzbuch II integriert.

Nur bei der im Wesentlichen durch Bemühungen der Haushaltskonsolidierung motivierten versuchten Streichung der Eigenheimzulage konnte sich das Kabinett Schröder zunächst nicht durchsetzen, da CDU/CSU und FDP im Bundesrat blockierten. Deshalb wurde der Bezug der Eigenheimzulage im Wege eines Kompromisses zunächst eingeschränkt, indem die Einkommensgrenzen abgesenkt wurden. Schon zu diesem Zeitpunkt war allerdings abzusehen, dass die liberalen und konservativen Parteien alles andere als geschlossen agierten. Die diffuse Zielzuschreibung an das Instrument durch die unterschiedlichen politischen und verbandlichen Akteure sowie die verschärfte Lage der öffentlichen Haushalte zum Ende der 1990er Jahre verstärkten die Debatte um die von einigen politischen Akteuren seit Langem geforderte Abschaffung. Schließlich fiel die über das Eigenheimzulagengesetz gesteuerte Wohneigentumsförderung den Konsolidierungsbestrebungen der großen Koalition 2006 zum Opfer.

Es bleibt festzuhalten, dass die rot-grüne Bundesregierung nach primär von inkrementellen Politikänderungen geprägten Jahrzehnten bei allen vier großen Instrumenten der deutschen Wohnungspolitik grundlegende Modernisierungen beziehungsweise die Abschaffung der Instrumente eingeläutet hat. Spätestens seit der Streichung der Eigenheimzulage schien damit die Ära der Wohnungspolitik überhaupt vorbei zu sein. Vor dem Hintergrund des auf Bundesebene zumindest rechnerisch ausgeglichenen Wohnungsmarktes hat sich die Politik in diesem Bereich seit 2006 gleichsam "zurückgelehnt".

Ausblick

Vor allem in großstädtischen Ballungsräumen der Bundesrepublik wird in den vergangenen Jahren ein immer massiver werdendes Problem der Wohnraumversorgung deutlich, das vor allem Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen betrifft. Die Steigerung der Bestands- und Neumieten hat in vielen Städten ein so großes Ausmaß angenommen, dass die Wohnungspolitik derzeit einen deutlichen Bedeutungszuwachs erfährt. Die weitgehende Untätigkeit der Politik wurde bis vor Kurzem noch mit Verweis darauf gerechtfertigt, dass es in der Bundesrepublik en gros einen ausgeglichenen, funktionierenden Wohnungsmarkt gebe, der keiner zusätzlichen Regulierung, keiner Mietkostensubvention und keiner gesteigerten öffentlichen Investitionstätigkeit bedürfe. Regionale Wohnungsengpässe – etwa in Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart und München – wurden eingestanden, hingewiesen wurde aber auch auf Wohnungsüberangebote vor allem in den ostdeutschen Großstädten. Diese Probleme – so die weit verbreitete Einschätzung – würden durch den Markt gelöst.

Inzwischen zeigt sich, dass die "unsichtbare Hand des Markts" keineswegs zu einer Verbesserung der Wohnungssituation in den Großstädten geführt hat, das heißt, die gestiegene Nachfrage hat zwar zunächst zu höheren Preisen geführt, die Generierung eines zusätzlichen Wohnungsangebots, die nach der Marktlogik eigentlich folgen müsste, scheint aber weitgehend ausgeblieben oder in Relation zur Wohnungsnachfrage unzureichend zu sein. Es liegt nahe, ein Marktversagen zu vermuten. Dies wird dadurch deutlich, dass Wohnungsmärkte ohne politische Steuerung Ergebnisse produzieren, die sozial nicht erwünscht sind. Die Einsicht macht sich wieder verstärkt geltend, dass Wohnen kein Wirtschafts-, sondern ein Sozialgut ist und deshalb politische Eingriffe notwendig sind. Verdrängungseffekte in deutschen Großstädten, aber auch in Kommunen in unmittelbarer Großstadtnähe sind vor allem bei Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen evident. Sie bergen eine erhebliche Gefahr, dass Teilhabechancen am Erwerbs- und gesellschaftlichen Leben zunehmend ungleich verteilt werden.

Im Bundestagswahlkampf 2013 gelangte die Wohnungspolitik durch die Debatte über die Mietpreissteigerungen in den traditionellen Hochpreisregionen wieder in den Fokus der Politik. Im aktuellen Koalitionsvertrag sind der Frage des "guten und bezahlbaren Wohnens" mit drei Seiten gegenüber früheren Verträgen ein sehr breiter Raum gegeben worden. Dies zeigt, dass sich die Bundespolitik (zumindest im Moment) durchaus bewusst ist, dass sich die Wohnungsfrage mit dem Ende der 1990er Jahre nicht etwa "erledigt" hat, sondern im Gegenteil die Probleme wieder gewachsen sind. Es ist zu vermuten, dass sich während der Amtszeit der von CDU/CSU und SPD getragenen Bundesregierung in der Wohnungspolitik etwas bewegen wird – die Frage ist, wohin.

PD Dr. phil., geb. 1976; Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter des Arbeitsbereichs "Methoden der Politikwissenschaft", Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Darmstadt, Residenzschloss, 64283 Darmstadt.
E-Mail Link: begner@pg.tu-darmstadt.de