Zur Geschichte der deutsch-israelischen Rüstungskooperation
Ende September 2014 wurde im Hafen von Haifa die Ankunft der "INS Tanin" gefeiert. Damit nahm das vierte in Deutschland produzierte U-Boot der Dolphin-Klasse in der israelischen Marine den Dienst auf. Zwei weitere sollen in den nächsten Jahren folgen. Im Gegenzug hat die Bundeswehr israelische Drohnen für den Afghanistaneinsatz geleast und lässt deutsche Soldaten von den Streitkräften Israels (Israel Defense Forces, IDF) in urbaner Kriegsführung ausbilden.[1] Dies sind aktuelle Beispiele für die Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Israel. Die Zusammenarbeit der beiden Staaten in diesem sensiblen Politikbereich hat jedoch eine lange und teilweise geheimnisumwitterte Geschichte – sie begann rund zehn Jahre vor der formalen Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1965.Anfänge
Die Anfänge der deutsch-israelischen Rüstungskooperation liegen in den 1950er Jahren. Der junge jüdische Staat sah sich einer feindseligen arabischen Nachbarschaft gegenüber und suchte händeringend nach Kriegsgerät für die noch im Aufbau befindliche IDF. Die Bundesrepublik schien hierfür ein verlässlicher Partner zu sein. Die Politik des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer war von einer moralischen Verpflichtung gegenüber Israel geprägt. Nach Abschluss des Luxemburger Abkommens 1952[2] kam es daher zu vorsichtigen Annäherungsversuchen zwischen beiden Staaten im Bereich der Rüstung. Schon Anfang der 1950er Jahre erwarb Israel Dual-use-Güter von Deutschland – Güter, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Sektor genutzt werden können (zum Beispiel Fahrzeugketten). Der erste größere Waffendeal 1956/57 umfasste zwei Patrouillenboote von der Bremer Jacht & Bootswerft Burmester, die noch bis in die 1980er Jahre wichtiger Bestandteil der israelischen Marine waren.[3]Die Intensivierung der bilateralen Rüstungszusammenarbeit ist in erster Linie Shimon Peres, damals Generaldirektor im israelischen Verteidigungsministerium, und dem damaligen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß zuzuschreiben. Im Winter 1957 kam es zu einem ersten, konspirativen Treffen in Strauß’ Privathaus in Rott am Inn. Peres war zuvor inkognito in Paris gelandet, hatte sich das kleinste Auto gemietet, das er finden konnte, und sich über vereiste, neblige Straßen auf nach Oberbayern gemacht. Während der abenteuerlichen Fahrt versagte nicht nur die Autoheizung, sondern Peres verfuhr sich noch kurz vor dem Ziel. Diskret versuchte er, nach dem Weg zu fragen, und bekam mit dem wenig diplomatischen Kommentar "Ach, Sie wollen zum Verteidigungsminister Strauß!" den Weg gewiesen. Schließlich angekommen, markierte das Treffen den Beginn einer geheimen, aber engen Kooperation zwischen den Verteidigungsministerien Deutschlands und Israels.[4]
Schon in der Anfangsphase handelte es sich dabei keineswegs um eine Einbahnstraße. Die Kooperation mit Israel hatte auch für die Bundesrepublik eine sicherheitspolitische Relevanz: Bonn benötigte dringend geheimdienstliche Erkenntnisse über die Waffensysteme der Sowjetunion. Israel war hierfür die perfekte Informationsquelle, denn dessen arabische Nachbarstaaten wurden in erster Linie aus den Arsenalen Moskaus versorgt. Bereits nach der Suezkrise 1956 stellte Israels Militär den Deutschen erbeutete sowjetische Waffentechnologie zur Verfügung. Darüber hinaus lieferte Israel unter anderem Munition, Uniformen und allem voran die berühmte israelische Uzi-Maschinenpistole an die Bundeswehr.[5]
In Israel wurden derartige Geschäfte mit Deutschland anfangs kritisch gesehen. Als im Sommer 1959 Munitionsexporte nach Deutschland bekannt wurden, brach ein Sturm der Entrüstung in der Knesset los. Israels Premierminister David Ben Gurion machte jedoch unmissverständlich klar: "Nur Idioten und politische Scharlatane (…) können nicht einsehen, dass es Israels Position in der Welt, seiner Zukunft und vielleicht sogar seiner Existenz schaden würde, wenn wir uns eine Großmacht, deren politisches und ökonomisches Gewicht ständig zunimmt, zum Feind machen und den Arabern als Verbündete überlassen. (…) Und ich sehe keine moralischen, emotionalen oder andere Hindernisse dagegen, ebenso wenig wie ich ein moralisches oder emotionales Verbot für Gespräche mit England akzeptiere, obwohl England früher Juden aus seinen Landesgrenzen vertrieben hat – ich kenne keine Nation der Welt, die das nicht getan hat. Adenauer ist nicht Hitler."[6]
Ab 1962 wurde die Rüstungskooperation ausgeweitet. War bisher in erster Linie überschüssiges und ausgemustertes deutsches Kriegsmaterial nach Israel verschifft worden (unter anderem LKWs und Panzerabwehrraketen), konzentrierten sich die folgenden Waffenlieferungen auf militärisches Großgerät. Auf Israels Wunschliste standen Schnellboote, U-Boote, Haubitzen, Hubschrauber, Transportflugzeuge, Panzer und Flugabwehrgeschütze in einem Gesamtwert von 240 Millionen DM.[7] Adenauer gab im August 1962 grünes Licht für die Lieferungen, die unter höchster Geheimhaltung vonstattengehen sollten, um die arabischen Staaten nicht zu verärgern. Die Zahl der Eingeweihten wurde so gering wie möglich gehalten. Auch die Lieferung der Waffensysteme musste vertuscht werden.[8] Verteidigungsminister Franz Josef Strauß berichtete von abenteuerlichen Methoden: "Wir haben die Israel zugesagten Geräte und Waffen heimlich aus den Depots der Bundeswehr geholt und hernach als Ablenkungsmanöver bei der Polizei in einigen Fällen Diebstahlanzeige erstattet."[9] Nicht alles verlief reibungslos: M-48-Panzer, die für Israel bestimmt waren, blieben etwa auf dem Bahntransport nach Italien in einem Tunnel stecken. Israel war mit den Waffenlieferungen durchaus zufrieden – Shimon Peres bemerkte: "Die Qualität war ausgezeichnet und der Umfang beträchtlich – im Vergleich zu dem, was wir gewohnt waren (…). Zum ersten Mal fühlte sich die ärmliche israelische Armee, die mit ihren kargen Beständen aufs äußerste hatte knausern müssen, fast verwöhnt."[10]