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Editorial | Bismarck | bpb.de

Bismarck Editorial Warum Bismarck? Bismarck und das Problem eines deutschen "Sonderwegs" Der Mythos Bismarck und die Deutschen Bismarck-Bilder in Frankreich und Europa Was bleibt von Bismarck? Bismarck und der Kolonialismus

Editorial

Anne-Sophie Friedel

/ 2 Minuten zu lesen

Otto von Bismarck zählt zu den umstrittensten Figuren der deutschen Geschichte. An seinem Wirken als preußischer Ministerpräsident, "Reichseiniger" und erster deutscher Kanzler schieden sich schon die Geister seiner Zeitgenossen: Während ihn die einen als Architekten des deutschen Nationalstaates und geschickten Diplomaten verehrten, sahen die anderen in ihm einen machiavellistischen Machtpolitiker und Reaktionär. Auch im Urteil der Nachwelt gilt er ebenso als Pionier des modernen Wohlfahrtsstaates wie als Inkarnation des preußischen Konservatismus und Militarismus – und manchen gar als Wegbereiter der Katastrophen des 20. Jahrhunderts.

Der bereits zu Bismarcks Lebzeiten entstandene Kult um seine Person wurde nach seinem Tod von nationalistischen und antidemokratischen Kräften instrumentalisiert: Als martialischer Recke inszeniert, bot der "Eiserne Kanzler" eine ideale Projektionsfläche für imperialistische Ambitionen und, nach dem Ersten Weltkrieg, für die Sehnsucht nach vergangener Größe, die schließlich die Nationalsozialisten für ihre Symbolpolitik zu nutzen wussten. Inwiefern die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus aus der Entwicklungslogik des von Bismarck geschaffenen deutschen Nationalstaates resultierte, wurde in der Geschichtswissenschaft lange heftig diskutiert.

Am 1. April 2015 jährt sich Bismarcks Geburtstag zum zweihundertsten Mal. Über ein Jahrhundert nach seinem Tod ist der erste deutsche Kanzler nach wie vor im Alltag präsent: In Deutschland erinnern Denkmäler und Türme an ihn, überall auf der Welt sind Straßen, Plätze oder Apotheken nach ihm benannt – sogar eine Heringsspezialität trägt seinen Namen. Dennoch sind Bismarck und sein Wirken heute im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte. Denn jenseits von Glorifizierung und Verdammnis hat sich in der historischen Forschung der vergangenen Jahrzehnte eine differenzierte Betrachtung von Person und Werk im Kontext ihrer Zeit durchgesetzt.