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Deutsche Bundesbank als Modell - Essay | D-Mark | bpb.de

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Deutsche Bundesbank als Modell - Essay

Ralph Michael Wrobel

/ 12 Minuten zu lesen

Die Unabhängigkeit der Zentralbank soll die Geldpolitik vor politischen Einflüssen schützen. Die Deutsche Bundesbank konnte die Inflationsrate in der Vergangenheit vergleichsweise geringhalten, weshalb sie als Modell für viele andere unabhängige Zentralbanken gilt.

Die Unabhängigkeit einer Zentralbank gilt gewöhnlich als Grundlage für eine erfolgreiche stabilitätsorientierte Geldpolitik. Die Deutsche Bundesbank ist das beste Beispiel dafür. Insbesondere die junge Europäische Zentralbank (EZB) erhielt ihre Unabhängigkeit nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank. Vorteil einer unabhängigen Zentralbank ist, dass sie ihre geldpolitischen Entscheidungen frei von Beschränkungen und Einmischungen sowie ohne den Einfluss von Regierungen, des Parlaments oder anderen Institutionen oder Interessengruppen treffen kann. Sie unterliegt somit keinem Einfluss durch Politiker eines Landes, sondern ist nur dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet.

Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 hat sich jedoch eine Diskussion in Politik und Wissenschaft entwickelt, in der die Unabhängigkeit der Zentralbanken zunehmend infrage gestellt wurde. Im Folgenden soll untersucht werden, was die Vorteile einer unabhängigen Zentralbank sind, wie dieses Konzept im Fall der Deutschen Bundesbank umgesetzt wurde und welche Erfolge diese damit erzielte. Dazu gehören eine relativ geringe Inflationsrate in Deutschland und die Modellwirkung der Deutschen Bundesbank für andere Zentralbanken. Abschließend wird diskutiert, welche Kritikpunkte an der Unabhängigkeit einer Zentralbank angebracht werden können.

Konzept der Unabhängigkeit

Im Gegensatz zu Zeiten vollwertiger Münzen oder des Goldstandards kann "Geld" heute in jeder beliebigen Höhe als Giralgeld geschaffen werden. Deshalb ist gerade im 20. Jahrhundert das Thema Inflation infolge unverhältnismäßiger Ausweitung der Geldmenge besonders wichtig geworden. Deutschland hatte zweimal die fast vollständige Entwertung seines Geldes – ausgelöst durch maßlose Geldschöpfung zur Finanzierung eines Krieges – zu erleiden. Jedoch auch in Friedenszeiten haben Regierungen ein andauerndes Interesse daran, die Geldpolitik zur leichten Umsetzung ihrer wirtschaftspolitischen Ziele zu nutzen. Die Unabhängigkeit der Zentralbank soll dies erschweren.

Grundlegender Gedanke des Konzeptes der unabhängigen Zentralbank ist, dass sich alle beteiligten politisch-ökonomischen Akteure vorab auf eine langfristig orientierte Stabilitätspolitik einigen. Dadurch erhöhen sich sowohl die Glaubwürdigkeit der Zentralbank als auch das Vertrauen in ihre Geldpolitik, denn den Politikern wird damit das entscheidende Instrument zur Verfolgung von eigenen politischen Zielen aus der Hand genommen. Dazu gehören etwa die Inflationspolitik zur Beschäftigungsstabilisierung oder das "Weginflationieren" von Staatsschulden. Durch die Existenz einer unabhängigen Zentralbank wird das Ziel der Preisniveaustabilität hingegen dauerhaft gefördert, denn im Gegensatz zu Politikern, die von ihrer Wiederwahl abhängig sind, ist für Zentralbanker vor allem steigendes Ansehen bei einer erfolgreichen Geldpolitik von Bedeutung.

Bereits in den 1990er Jahren ist diese These empirisch untersucht worden. Zum Beispiel haben die Wirtschaftswissenschaftler Alberto Alesina und Lawrence Summers 1993 dargestellt, dass Staaten mit autonomen Zentralbanken eine geringere durchschnittliche Inflationsrate aufweisen, ohne dafür mit einem schwächeren oder volatileren Wachstum zu bezahlen. Solche empirischen Messungen wurden selbstverständlich wegen ihrer statistischen Ungenauigkeit kritisiert. Dennoch ist auffällig, dass in der Vergangenheit solche Gesellschaften, die der Geldwertstabilität einen höheren Wert beimessen, die Geldpolitik in die Hände einer unabhängigen Zentralbank übergeben haben. Neuere Studien bestätigen zudem die Thesen der empirischen Forschung aus den 1990er Jahren bei einer deutlichen Weiterentwicklung der statistischen Methoden. Entscheidend für die Zentralbank ist nach diesen neuen Untersuchungen, dass sie nicht nur de jure, sondern auch de facto unabhängig ist.

Die Bundesbank selbst unterscheidet vier Ebenen der Unabhängigkeit einer Zentralbank: institutionelle, funktionale, finanzielle und personelle Unabhängigkeit. Die institutionelle Unabhängigkeit ist vor allem durch ein umfassendes Verbot für nationale oder supranationale Institutionen wie Regierungen und Parlamente, der Zentralbank Weisungen zu erteilen, gekennzeichnet. Funktional unabhängig ist eine Zentralbank, wenn gewährleistet ist, dass sie selbst über die Maßnahmen zur Umsetzung ihrer Ziele entscheidet. Als finanziell unabhängig gilt sie, wenn sie frei über ihre finanziellen Mittel verfügen und in keiner Weise gezwungen werden kann, das Staatsdefizit der Regierung zu finanzieren. Dies wird insbesondere durch ein Verbot der Staatsausgabenfinanzierung gewährleistet. Personelle Unabhängigkeit betrifft alle Regelungen, die sich auf Personen in der Zentralbank beziehen, die an den geldpolitischen Entscheidungen beteiligt sind. Dazu gehören alle Bedingungen zur Berufung oder Ernennung und Entlassung der Zentralbanker sowie die Festlegung ihrer Amtszeiten. Trotz eines weitgehenden Konsenses in der Wissenschaft – zumindest vor der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 – ist die praktische Ausgestaltung der Unabhängigkeit von Zentralbanken bis heute weltweit allerdings sehr unterschiedlich.

Von der Bank deutscher Länder zur Bundesbank

Die Stabilitätsorientierung der Deutschen Bundesbank geht bereits auf die Geldpolitik der Reichsbank im ausgehenden 19. Jahrhundert zurück. Die Regelungen zur Unabhängigkeit der deutschen Zentralbank ist hingegen ein Produkt der Zwischenkriegszeit. Als dann 1948 mit der Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands die D-Mark als neue Währung eingeführt wurde, entstand die Bank deutscher Länder (BdL), die auf amerikanischen Wunsch hin föderativ strukturiert war. Nach Artikel 1 des Gesetzes zur Errichtung der Bank deutscher Länder vom 1. März 1948 war die Bank "nicht den Anweisungen irgendwelcher politischen Körperschaften oder öffentlichen Stellen außer Gerichtsbehörden unterworfen". Sie unterstand aber bis zum Überleitungsgesetz vom 10. August 1951 dem Weisungsrecht der Alliierten Militärbehörden. Auf Drängen des Zentralbankrates verzichtete der deutsche Gesetzgeber 1951 darauf, dieses Weisungsrecht durch ein ebensolches der Bundesregierung zu ersetzen. Die BdL wurde somit nach dem Vorbild des Federal Reserve System der USA, dezentral und von Weisungsbefugnissen der Politik unabhängig, gestaltet.

Mit dem Gesetz über die Deutsche Bundesbank wurde 1957 nach einem achtjährigen Diskussionsprozess der zweistufige Aufbau des Zentralbanksystems der BdL beseitigt und die Zuständigkeit für die Geldpolitik der neu gegründeten Deutschen Bundesbank übertragen. Ihre Unabhängigkeit erlangte die neue deutsche Zentralbank dabei gegen den Widerstand des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer und anderer deutscher Politiker. Eine Unabhängigkeit von der Regierung hielt Adenauer für falsch. Die Bundesbank solle kein "Staat im Staate" werden. Ludwig Erhard, damals Wirtschaftsminister, unterstützte die Idee der Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zusammen mit der Leitung der BdL hingegen im weiteren Verlauf immer deutlicher. Da das Bundeswirtschaftsministerium in der zweiten Legislaturperiode für das Geld- und Kreditwesen zuständig war, kam 1955 bereits eine erste Gesetzesvorlage zur Abstimmung, die keinerlei Beschränkungen der Unabhängigkeit der Bundesbank mehr vorsah.

Als vornehmliches Ziel ist der Bundesbank nach dem Gesetz von 1957 die Geldwertstabilität vorgegeben. Während es im Originaltext des Bundesbankgesetzes von 1957 jedoch noch in Paragraf 3 heißt, die Bundesbank habe das "Ziel, die Währung zu sichern", ist seit 1997 die Rede vom Ziel, "die Preisstabilität zu gewährleisten". Die Bundesbank ist von Beginn an gesetzlich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unabhängig, das heißt nicht an Weisungen des Staates, des Parlaments oder einer anderen Stelle gebunden. Im Fall der Deutschen Bundesbank liegt also ein hoher Grad an institutioneller wie auch funktionaler Unabhängigkeit vor. Durch einen von der Bundesrepublik Deutschland klar getrennten Haushalt ist die Deutsche Bundesbank zudem finanziell unabhängig von der Bundesregierung. Außerdem verfügt sie durch die langen Amtszeiten der Führung auch über einen hohen Grad personeller Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit wurde in den 1990er Jahren sogar noch präzisiert, sodass die Deutsche Bundesbank bis heute als das Modell einer unabhängigen Zentralbank schlechthin fungiert.

Inflationsbekämpfung

Insbesondere während der 1970er Jahre geriet die Deutsche Bundesbank häufig in Konflikt mit der Bundesregierung, die gemäß dem keynesianischen Ansatz über niedrige Zinsen Konjunktur und Beschäftigung anregen wollte. Symptomatisch dafür ist der Spruch von Bundeskanzler Helmut Schmidt von 1972: "Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit." Die Bundesbank konstatierte hingegen, Geldwertstabilität sei das Beste für Wirtschaftswachstum und eine nachhaltige Beschäftigungsentwicklung.

Verglichen mit anderen Industrieländern wies die Bundesrepublik Deutschland zur Zeit der D-Mark deshalb im Durchschnitt eine sehr geringe Inflationsrate auf. Zwischen 1948 und 1998 lag der Kaufkraftverlust der D-Mark mit durchschnittlich 2,8 Prozent pro Jahr deutlich unter dem in den meisten anderen Industrieländern. So gelang es der Deutschen Bundesbank insbesondere in der Phase der "Stagflation" zwischen 1973 und 1979, die auf die erste Ölkrise folgte, die Inflation in Deutschland vergleichsweise gering zu halten. Ein Grund dafür kann in der Konzentration der Bundesbank auf die Geldmengensteuerung gesehen werden. Hingegen kam es in den USA, Großbritannien oder Frankreich teilweise sogar zu zweistelligen Inflationsraten. Die Inflation wurde insbesondere durch eine Überproduktion von Zentralbankgeld verursacht. Seit Mitte der 1980er Jahre sind die Inflationsraten in den meisten Industrienationen wieder stark zurückgegangen. Dieser Trend, der auch unter dem Begriff great moderation bekannt ist, kann unter anderem auch auf die zunehmende Unabhängigkeit von Zentralbanken zurückgeführt werden.

Vorbild Deutsche Bundesbank?

Dank dieser Erfolge in der Bekämpfung von Inflation gilt die Deutsche Bundesbank seit 1957 als das Modell einer unabhängigen Zentralbank schlechthin. In verschiedenen empirischen Untersuchungen wurde ihr häufig der höchste Grad an Unabhängigkeit zuerkannt. In den späten 1970er und in den 1980er Jahren kam es in der Geldpolitik zudem zu einem Paradigmenwechsel. Nachdem lange Zeit der nachfrageorientierte Ansatz gemäß John Maynard Keynes in der Makropolitik vorgeherrscht hatte, erlebte jetzt der auf liberale Strömungen zurückgehende Monetarismus seinen Durchbruch. Weltweit wurden Politiker nicht mehr als Problemlöser, sondern als Verursacher wirtschaftspolitischer Probleme gesehen.

Insbesondere in den 1990er Jahren wurden dann weltweit neue Zentralbankgesetze erlassen, in denen der jeweiligen Zentralbank ein höherer Grad an Unabhängigkeit zugesprochen wurde. Ein Beispiel dafür ist die Bank of England, die kurz nach der Regierungsübernahme der Labour Party 1997 ihre Unabhängigkeit erhielt. Andere Länder folgten diesem Beispiel, etwa Südkorea und Japan 1998, sodass heute ein Großteil der Zentralbanken in den Industrienationen als unabhängig gilt.

Um den Euro zu einer möglichst stabilen Währung zu machen, wurde auch die EZB 1998 nach dem Modell der Deutschen Bundesbank gestaltet. Ihre formelle Unabhängigkeit ist sogar noch stärker abgesichert als die der Deutschen Bundesbank. Die EZB ist gemäß Artikel 127 des Vertrages über die Europäische Union an das Ziel gebunden, "die Preisstabilität zu gewährleisten". Parallel hat sie eine Pflicht zur Unterstützung der "allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Union". Zudem heißt es in Artikel 130, dass "weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedsstaaten oder anderen stellen einholen oder entgegennehmen" darf. Die Mitglieder des Direktoriums der EZB werden einstimmig von den Staats- und Regierungschefs der Euroländer bestimmt. Ihre Ernennung erfolgt – wie im Fall der Deutschen Bundesbank – auf acht Jahre und kann nicht verlängert werden. Die EZB gilt deshalb nicht umsonst als eine der unabhängigsten Zentralbanken der Welt.

Kritik an der Unabhängigkeit

Bislang hat sich das Konzept der Unabhängigkeit der Zentralbank weltweit als erfolgreich erwiesen. Allgemeiner Konsens war bis vor wenigen Jahren, dass eine ideale Zentralbank unabhängig sein muss und sich nur am Ziel der Geldwertstabilität orientieren soll. Seit der Finanz- und Verschuldungskrise ab 2007 votieren verschiedene Autoren jedoch wieder für eine Abschaffung der Unabhängigkeit der Zentralbanken. Sie argumentieren, dass das Prinzip gleichmäßiger Interessenvertretung in einer Demokratie durch die Unabhängigkeit der Zentralbank verletzt wird. Deshalb sollten sich die Zentralbanken einer demokratischen Kontrolle unterwerfen. Erst dann bestünde eine Verflechtung von Zentralbank- und Finanzpolitik, die eine effektive Wirtschaftspolitik ermöglichen würde. Dieses Argument gilt aber nur dann, wenn die Zentralbank mehrere mögliche Ziele hat. Dann hat sie nämlich Entscheidungen zu fällen, die eigentlich der Legislative in einer Demokratie zustehen. Besteht eine solche Wahlmöglichkeit jedoch nicht, da die Zentralbank nur auf ein konkretes Ziel verpflichtet ist, gibt es keinen Konflikt mit dem Demokratieprinzip.

Der Gedanke einer Regelbindung der Zentralbank setzte sich hingegen bereits mit dem Aufkommen des Monetarismus durch. Dessen Begründer, Milton Friedman, hatte 1962 in einem weit beachteten Aufsatz die Unabhängigkeit von Zentralbanken diskutiert, ihr jedoch eine Regelbindung der Geldpolitik ("Geldmengenmodell") vorgezogen. Durch eine vorher festgelegte jährliche Wachstumsrate der Geldmenge würde ein Missbrauch der Geldpolitik durch den Staat beziehungsweise die Politiker und die Zentralbank verhindert. Wie Friedman an anderer Stelle deutlich macht, kann der "Faktor Mensch" im Falle einer unabhängigen Zentralbank durchaus zu einem Problem werden. Dies manifestiert sich in seiner Aussage: "To paraphrase Clemenceau, money is much too serious a matter to be left to the Central Bankers." Allerdings kann die Zentralbank dann auch auf keine äußeren Erschütterungen wie zum Beispiel Ölpreisschocks reagieren.

Wie das Verhalten der EZB in der Finanz- und Schuldenkrise gezeigt hat, ist auch die Stabilitätskultur in einem Land beziehungsweise einem Währungsgebiet von besonderer Bedeutung für die Geldpolitik einer unabhängigen Zentralbank. So ist gerade in der Europäischen Union eine Vielzahl unterschiedlichster Stabilitätskulturen zu finden. Dass sich diese zumindest zum Teil von der dogmatisch strengen deutschen Stabilitätskultur unterscheiden, ist unbestreitbar. Formelle Unabhängigkeit der Zentralbank ist daher kein Garant für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik, gerade dann, wenn die Zentralbank neben der Geldwertstabilität auch auf eine Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik verpflichtet ist. Wie der amerikanische Ökonom John Taylor meint, ist daher vielleicht nicht die Unabhängigkeit einer Zentralbank verantwortlich für deren Erfolg, sondern der Politikstil der Zentralbanker, der entweder diskretionär (nach eigenem Ermessen) oder regelorientiert sein kann.

Fazit

Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank geht zwar auf ein Oktroi der alliierten Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, hat sich aber zu einem Markenzeichen deutscher Stabilitätspolitik entwickelt. So konnte die Deutsche Bundesbank die Inflationsraten in Deutschland während der Stagflation in den 1970er Jahren deutlich geringer halten als die Zentralbanken anderer Industrienationen. Im Verlauf der great moderation am Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Deutsche Bundesbank daher immer mehr zum Vorbild für andere Zentralbanken. Trotz zahlreicher Rückschläge hat sich das Konzept der Unabhängigkeit der Zentralbank für die meisten Industrienationen bislang so weit bewährt, dass es nicht aufgegeben werden sollte.

Allerdings ist über institutionelle Änderungen bei allen unabhängigen Zentralbanken nachzudenken. Aus ordnungspolitischer Sicht scheint eine stärkere Regelbindung heute wünschenswert, denn je mehr sich eine Zentralbank an eine Regel bindet, desto besser ist die Vorhersagbarkeit ihrer geldpolitischen Interventionen. Insbesondere in der Eurozone mit ihren sehr heterogenen Stabilitätsvorstellungen wäre eine stärkere Regelbindung der EZB notwendig, um neben der formellen Unabhängigkeit auch eine De-facto-Unabhängigkeit zu erreichen. Andererseits wird es kaum möglich sein, völlig auf den "Faktor Mensch" zu verzichten und die Geldpolitik komplett aus dem Handlungsbereich der verantwortlichen Personen in den Zentralbanken herauszulösen. Eine Regelbindung erfordert immer ein gewisses Maß an Flexibilität und menschlicher Intuition sowie Ermessensspielräume. Um den Erfolg der Geldpolitik zu gewährleisten, ist die Unabhängigkeit der Zentralbank daher auch weiterhin notwendig.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. etwa Finn E. Kydland/Edward C. Prescott, Rules Rather than Discretion: The Inconsistency of Optimal Plans, in: Journal of Political Economy 3/1977, S. 473–490.

  2. Vgl. Ed Balls/James Howat/Anna Stansbury, Central Bank Independence Revisited: After the Financial Crisis, What Should a Model Central Bank Look Like?, Mossavar-Rahmani Center for Business and Government, M-RCBG Associate Working Paper Series 67/2016.

  3. Vgl. Christoph Buchheim, Die Unabhängigkeit der Bundesbank, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1/2001, S. 1–30.

  4. Vgl. Ralph Wrobel, Geldpolitik und Finanzmarktkrise: Das Konzept der "unabhängigen Zentralbank" auf dem ordnungspolitischen Prüfstand, in: Bernhard Seliger/Juri Sepp/Ralph Wrobel (Hrsg.), Die Soziale Marktwirtschaft als Vorbild in internationalen Krisen, Frankfurt/M. 2012, S. 27–44, hier S. 32f.

  5. Vgl. Alberto Alesina/Lawrence H. Summers, Central Bank Independence and Macroeconomic Performance: Some Comparative Evidence, in: Journal of Money, Credit and Banking 2/1993, S. 151–162.

  6. Vgl. Thomas Cargill, A Critical Assessment of Measures of Central Bank Independence, in: Economic Inquiry 1/2013, S. 260–272.

  7. Vgl. Alberto Posso/George Tawadros, Does Greater Central Bank Independence Really Lead to Lower Inflation? Evidence from Panel Data, in: Economic Modelling 4/2013, S. 244–247.

  8. Vgl. Stefan Schäfer, Sollten Zentralbanken unabhängig sein? Neue Diskussionen über ein altes Dogma, in: Wirtschaftsdienst 1/2014, S. 69–75.

  9. Vgl. Deutsche Bundesbank, o.D., Externer Link: http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Service/Glossar/_functions/glossar.html?lv2=32056&lv3=61734.

  10. Vgl. Deutsche Bundesbank, Die Deutsche Bundesbank: Notenbank für Deutschland, Frankfurt/M. 2016, S. 16–28.

  11. Gesetz Nr. 60/Verordnung Nr. 129 der Militärregierung Deutschland über die Errichtung der Bank deutscher Länder, 1. März 1948, Externer Link: http://www.verfassungen.ch/de/de45-49/bizone-gesetz48-1.htm.

  12. Vgl. Deutsche Bundesbank (Anm. 10), S. 30f.

  13. Vgl. Max Bank, Stunde der Neoliberalen? Politikberatung und Wirtschaftspolitik in der Ära Adenauer, Köln 2013, S. 180.

  14. Vgl. Deutsche Bundesbank (Anm. 10), S. 31f.

  15. Vgl. Buchheim (Anm. 3), S. 18.

  16. Vgl. Bank (Anm. 13), S. 228ff.

  17. Vgl. Buchheim (Anm. 3), S. 28.

  18. Vgl. Gesetz über die Deutsche Bundesbank, in: Bundesgesetzblatt vom 30. Juli 1957 (Nr. 33), S. 754–765; Gesetz über die Deutsche Bundesbank in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 1992 (BGBl. I S. 1782), das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 4. Juli 2013 (BGBl. I S. 1981) geändert worden ist.

  19. Wolfgang Kaden, Altkanzler Helmut Schmidt: Unser Weltökonom, 11.11.2015, Externer Link: http://www.spiegel.de/wirtschaft/a-1062143.html.

  20. Vgl. Deutsche Bundebank (Anm. 10), S. 32.

  21. Vgl. ebd.

  22. Als Stagflation bezeichnet man das gleichzeitige Auftreten von geringen Wachstumsraten (Stagnation) und Inflation.

  23. Vgl. Hermann Francke, Wirkungen ungleichgewichtiger Zentralbankgeldproduktion auf die globalen Finanzmärkte als Ursachen der Immobilien- und Finanzkrise: Marktversagen und/oder Politikversagen?, in: Risikomanagement und kapitalmarktorientierte Finanzierung, Frankfurt/M. 2009, S. 55–66, hier S. 59f.

  24. Vgl. dazu z.B. Peter M. Summers, What Caused The Great Moderation? Some Cross-Country Evidence, in: Federal Reserve Bank of Kansas City Economic Review 3/2005, S. 5–32.

  25. Vgl. etwa Alex Cukierman/Steven B. Webb/Bilin Neyapti, Measuring the Independence of Central Banks and Its Effect on Policy Outcomes, in: The World Bank Economic Review 3/1992, S. 353–398.

  26. Vgl. dazu z.B. Sebastian Heidebrecht, Central Bank Independence: Economic Common Sense and Economic Device, in: Economic Sociology: The European Economic Newsletter 2/2018, S. 25–31.

  27. Vgl. Gerald Hosp, Ist die Ära unabhängiger Zentralbanken zu Ende?, 1.10.2017, Externer Link: http://www.nzz.ch/ld.1318867.

  28. Vgl. Buchheim (Anm. 3), S. 2.

  29. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung), in: Amtsblatt der Europäischen Union vom 7. Juni 2016 (2016/C 202/01), S. 47–200, Art. 127.

  30. Vgl. Gerald Epstein, Financialization and Federal Reserve Policy in the Crisis: Central Bank Accountability for Financial Stability and Economic Reconstruction, in: Kurswechsel 2/2009, S. 68–79.

  31. Vgl. Schäfer (Anm. 8), S. 71.

  32. Vgl. Milton Friedman, Should There Be an Independent Monetary Authority? in: Leland B. Yeager (Hrsg.), In Search of a Monetary Constitution, Cambridge MA 1962, S. 219–243.

  33. Ders., Capitalism and Freedom, Chicago 1962, S. 58.

  34. Vgl. Wrobel (Anm. 4), S. 35.

  35. Vgl. John Taylor, The Effectiveness of Central Bank Independence Versus Policy Rules, Hoover Institution, Economics Working Paper 131/2013, S. 17f.

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ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Westsächsischen Hochschule in Zwickau. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Soziale Marktwirtschaft, Wirtschaftssysteme in Ostasien sowie Wirtschaftsgeschichte.
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