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Zur Rolle der Ressource Wasser in Konflikten

Christiane Fröhlich

/ 15 Minuten zu lesen

Verteilungskonflikte um Wasser werden mit wachsender Erdbevölkerung, globaler Erwärmung und zunehmender Verschmutzung aller Voraussicht nach zahlreicher.

Einleitung

Auf der Erde befinden sich ca. 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser. Nur etwa 2,5 Prozent dieses Wassers sind trinkbar, davon sind große Teile für die Menschheit nur schwer oder gar nicht zugänglich. 69 Prozent der globalen Süßwasservorräte sind in Gletschern oder im ewigen Eis gebunden; rund 30 Prozent befinden sich unter der Erde als sauberes Grundwasser. Nur etwa 0,3 Prozent befinden sich relativ leicht zugänglich in Seen und Flüssen. Die verbleibenden 0,7 Prozent bilden Bodenfeuchtigkeit, Grundeis, Dauerfrost und Sumpfwasser.

Steigender Wasserverbrauch, u.a. wegen des Bevölkerungswachstums, und die daraus oftmals resultierende Übernutzung und Verschmutzung sorgen für eine stetige Verknappung der globalen Süßwasservorräte. Die Folge ist Wassermangel: Die Liste der Regionen, die unter Wasserknappheit leiden, wird immer länger. Gleichwohl ist eine zuverlässige Versorgung mit Wasser sowohl für die Produktion von Nahrungsmitteln als auch für die Erzeugung industrieller Güter eine unerlässliche Voraussetzung.

Der Zugang zu Wasser bestimmt die sozio-ökonomische Entwicklung eines Staates. Wasser ist überlebenswichtig für die Erhaltung und Entwicklung jeder Volkswirtschaft und deshalb auch für das allgemeine Existenzniveau. Wird der Zugang zu Wasser eingeschränkt, zum Beispiel durch Übernutzung, Verschmutzung oder aus politischen Gründen, droht ein Verfall des gesellschaftlichen Lebensstandards, der zu massiven innergesellschaftlichen Spannungen führen kann. Diese Spannungen äußern sich zum Beispiel in Verteilungskonflikten zwischen Landwirtschaft und Industrie, Stadt- und Landbevölkerung oder zwischen ethnischen Gruppen. Die Stärke dieser Spannungen, die politische Verfasstheit eines Staates und die besonderen klimatischen und hydrologischen Gegebenheiten einer Region beeinflussen die Gewaltträchtigkeit solcher wasserbezogenen Konflikte.

Die Frage der Konflikteskalation ist insbesondere in internationalen Flussgebieten von Bedeutung, die fast die Hälfte der Landoberfläche der Erde bedecken und etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung beheimaten. Voraussagen gehen davon aus, dass solche internationalen Wassereinzugsgebiete in den kommenden Jahren vermehrt zu Kontroversen führen werden, da die Anrainer oftmals unterschiedlicher Meinung über die Wasserzuteilung sind. Besonders hoch ist das Konfliktpotenzial in internationalen Wassereinzugsgebieten, die in nicht integrierten Regionen liegen, in denen die politische Atmosphäre insgesamt also eher von Konfrontation als von Kooperation geprägt ist. In solch einem politischen Klima wird Wasser und seine Zuteilung meist als Nullsummenspiel verstanden, d.h. alle Beteiligten gehen davon aus, dass die Aufgabe von Wasserrechten bzw. -ressourcen mit ihrem Verlust gleichzusetzen ist.

Konflikte um knappe Wasserressourcen sind komplexe Phänomene. Es wird hier begrifflich unterschieden zwischen genuinen Wasserkriegen, d.h. gewaltvollen internationalen Auseinandersetzungen, die sich ausschließlich um Wasser drehen, und Wasserverteilungskonflikten, die oftmals auf regionaler bzw. lokaler Ebene auftauchen und in der Regel in größere Konfliktkonglomerate eingebettet sind. Meist sind mehrere Akteure mit verschiedenen, oft vitalen Interessen beteiligt. Die Ursachen solcher Konflikte sind strukturell unterschiedlich und können nach territorialen, wirtschaftlichen, militärischen, demografischen und vergleichbaren Einflussgrößen kategorisiert werden; ihr Verlauf ist von sozio-kulturellen Prägungen und von den Kapazitäten der beteiligten Interessengruppen abhängig. Wasserverteilungskonflikte sind nicht per definitionem gewaltvoll, auch wenn es immer wieder Fälle von Gewalteinsatz gegeben hat.

Die wissenschaftlichen Studien der vergangenen zwanzig Jahre zum Thema "Wasser - Konflikt oder Kooperation" haben zu zwei grundlegenden Erkenntnissen geführt. Erstens sind globale Bedrohungen durch Wasserkriege nicht sehr wahrscheinlich. Kurt Spillmann schrieb im Jahr 2000: "Zwischenstaatliche Kriege über erneuerbare Ressourcen wie Wasser sind auch gegenwärtig wenig wahrscheinlich, da die Nutzung erneuerbarer Ressourcen weder einfach noch schnell in Macht umgewandelt werden kann." Daran hat sich auch in den vergangenen fünf Jahren nichts geändert. Avraham Tamir schrieb schon 1988: "Why go to war over water? For the price of a weeks fighting, you could build five desalination plants. No loss of life, no internal pressure, and a reliable supply you don't have to defend in hostile territory."

Viel wahrscheinlicher sind Konflikte um knappe Wasserressourcen auf substaatlicher Ebene, die zum Teil bereits gewaltsam ausgetragen werden. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit sind gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den ethnischen Gruppen der Gikuyu und Massai in Kenia im Januar 2005: Die sesshaften Gikuyu stritten mit den nomadisierenden Massai-Hirten um die Ressourcen im Rift Valley. Die Nomaden wandern traditionell mit der Regenzeit; durch eine Verknappung des vorhandenen Wassers wurde ihr Bewegungsspielraum jedoch begrenzt, sie blieben länger in - oftmals von Gikuyu besiedelten - Gebieten. Es kam zu Verteilungsstreitigkeiten und Konflikten um die Frage, wer das Recht habe, welches Land (und welches Wasser) zu bewirtschaften. Ähnliche Fehden existieren zwischen den Nomaden der Pokot und den sesshaften Luhya im Nordwesten Kenias und zwischen den Garre und den Murle im Nordosten des Landes.

Hier wird ein Aspekt deutlich, der zunehmend ins wissenschaftliche Blickfeld rückt: Die Kontrolle über Wasserressourcen ist untrennbar mit der Kontrolle über Land verbunden. Territorialhoheit jedoch ist ein integraler Bestandteil nationaler, ethnischer und kultureller Identitäten. Die Ressource Wasser, die ohnehin aufgrund ihrer Unersetzbarkeit für menschliches Überleben einen hohen Stellenwert genießt, ist deshalb anfällig für eine Politisierung und Ideologisierung. Verkürzt gesagt: Wasserressourcen werden als Teil der Identität einer Gruppe dargestellt, um so ihre Nutzung gegenüber anderen Ansprüchen zu legitimieren. So wird Wasser in vielen Regionen der Erde, und insbesondere in solchen, in denen Wasserknappheit herrscht, nicht entlang wirtschaftlich-rationaler Überlegungen verwaltet, sondern entsprechend politisch-ideologischer Grundsätze.

Die zweite Erkenntnis ist, dass Wasserverteilungskonflikte weit öfter zu Kooperation als zu Konfrontation führen: Die "International Water Treaties"-Datenbank der Universität von Oregon listet zum Beispiel mehr als 400 Wasserabkommen auf, davon allein fast hundert nach dem Zweiten Weltkrieg. Zudem sind Regelungen zur Wasserverteilung in der Regel sehr belastbar: Selbst militärische Konflikte können ihnen oft nichts anhaben.

Im Folgenden soll zunächst mithilfe von Fallstudien gezeigt werden, welch unterschiedlicher und komplexer Gestalt Wasserverteilungskonflikte sein können. Es wird deutlich, dass Wasser eine Ressource ist, die Kooperation zwischen Konfliktparteien begünstigen kann. Nichtsdestoweniger bedarf es weiterer Anstrengungen auf globaler Ebene, um künftige Wasserverteilungskonflikte zu verhindern und langfristig die Wasservorräte der Erde zu schützen, denn die Ressource Wasser kann ebenso gut und schnell Katalysator für Konflikte, auch gewaltvolle, werden. Diesbezügliche Defizite und Entwicklungspotenziale werden in der Schlussbemerkung formuliert.

Fallstudien zu Wasserverteilungskonflikten

In den vergangenen zwanzig Jahren sind zahlreiche Fallstudien entstanden, in denen sowohl gewaltvolle als auch friedliche Konfliktlösungen von Wasserverteilungskonflikten berücksichtigt wurden. Aus Platzgründen beschränkt sich dieser Artikel auf wenige typische Beispiele internationaler Konflikte, in denen zwei oder mehr Anrainerstaaten auf eine Wasserressource Anspruch erheben.

Der Nil

Im Einzugsgebiet des Nils leben mehr als 140 Millionen Menschen, und zehn Länder teilen sich sein Wasser. Bevölkerungswachstum und die Art und Weise der vorwiegenden Ressourcennutzung lassen den Druck auf die Ressource stetig steigen. Allen Regierungen der Region ist die Bedeutung von Wasser für ihre sozioökonomische Entwicklung bewusst, so dass es zum nationalen Sicherheitsinteresse gehört, so viele Wasserrechte wie möglich für den eigenen Staat zu sichern.

Im Nilbecken stehen sich der territorial machtvolle Oberanrainer Äthiopien und der politisch, militärisch und wirtschaftlich überlegene, aber territorial schwächere Unteranrainer Ägypten gegenüber. Ägypten erhebt Anspruch auf den größten Teil des Nilwassers, mit dem es gut 90 Prozent seines Wasserbedarfs deckt. Der Staat ist also von Wasserressourcen abhängig, die außerhalb seiner Grenzen entspringen; 86 Prozent des Nilwassers entstammen der Äthiopischen Hochebene. Auch aus diesem Grunde reagierte Ägypten zum Beispiel mit politischen und militärischen Drohgebärden auf ein äthiopisches Vorhaben, große Staudämme am Oberlauf des Nils zu bauen. Auch gegenüber dem Sudan hat Ägypten in der Vergangenheit Druck ausgeübt: Sudanesische Überlegungen, den Vertrag von 1959 zwischen Sudan und Ägypten über die Nutzung des Nilwassers zu kündigen, führten zu ähnlichen Drohungen. Dass Ägypten sich gegen die Bildung eines selbständigen südsudanesischen Staates ausspricht, hat unter anderem damit zu tun, dass dies einen weiteren Anrainer mit eigenen Ansprüchen auf das Nilwasser bedeuten würde. Zudem würde dieser neue Anrainer nicht an Ägypten grenzen, befände sich also außerhalb ägyptischer Einflussnahme. Ein Ende der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Sudan würde wohl in jedem Fall hydropolitische Veränderungen bedeuten, da darauf zwangsläufig die wirtschaftliche Entwicklung des Sudan folgen würde, die auch einen Mehrbedarf an Wasser nach sich zöge.

Es stehen sich also in der Diskussion über die Verteilung des Nilwassers sehr verschiedene politische und wirtschaftliche Ansprüche und Bedürfnisse in der Region gegenüber. Schon heute leidet ein Großteil der Bevölkerung an Unterernährung, und Konflikte und Kriege, wie etwa in Ruanda, Burundi, Uganda, Sudan und zwischen Äthiopien und Eritrea sind keine Seltenheit. Und doch ist nicht nachweisbar, dass der Mangel an Wasser in der Region mit diesen Konflikten im direkten Zusammenhang steht. Eher im Gegenteil: Die Staaten des Einzugsgebiets haben sich mittlerweile in der so genannten "Nile Basin Initiative" zusammengeschlossen und institutionalisierten so die internationale Kooperation der Anrainer im Wassermanagement. Heute treffen sich die Vertreter der Nil-Länder auf Ministerebene einmal jährlich im so genannten "Nile Council of Ministers" (Nile COM). Außerdem tritt das "Nile Technical Advisory Committee" (Nile TAC) vier- bis fünfmal im Jahr zusammen. Aus einem Paradebeispiel für mangelnde Kooperation im Wassermanagement ist ein Beispiel für internationale Kooperation geworden.

Der Indus

Der Indus liefert Wasser für mehr als 100.000 Quadratkilometer Land; dies ist weltweit die größte Bewässerungsfläche eines einzelnen Flusssystems. Das Flussgebiet liegt zum größten Teil in Pakistan, erhält aber wichtige Zuflüsse aus Indien. Schon unter britischer Herrschaft hatte es Verteilungskonflikte im Indusbecken gegeben, die durch die Teilung des indischen Subkontinents internationalisiert wurden. Die neu entstandenen Staaten stimmten nicht darin überein, wie das Wasser des Indus verwaltet und aufgeteilt werden sollte. Indien, das nach der Teilung über die Quellflüsse des Indusbeckens verfügte, verfolgte andere Ziele als Pakistan und machte dies zum Beispiel deutlich, indem es 1948 die Wasserzuflüsse des Dipalpur Kanals und der Hauptarme des Upper Bari Daab Kanals drastisch reduzierte bzw. ganz sperrte. Die auf dem Gebiet des heutigen Pakistan lebenden Menschen nutzten jedoch seit Jahrhunderten Induswasser für die Landwirtschaft und fühlten sich deshalb durch die indischen Maßnahmen in ihrer Existenz bedroht. Im Jahre 1951 waren die Verhandlungen über eine Regelung der Wasserverteilung zwischen Pakistan und Indien derart festgefahren, dass eine Lösung unerreichbar schien. Gleichzeitig kündigte sich ein Krieg um Kaschmir an; der Konflikt um die Wasseraufteilung verschärfte die politischen Gegensätze zwischen den Parteien zusätzlich. Und doch schien Kooperation im Bereich des Wassermanagements eine Möglichkeit zu sein, den politischen Konflikt um Kaschmir zu entschärfen.

Im Dezember 1954 nahmen die beiden Parteien auf Drängen der Weltbank die Verhandlungen um den Indus wieder auf; sechs Jahre später unterzeichneten sie einen Vertrag, der die Wasseraufteilung regelte und das kooperative Management des Indus institutionalisierte. Die "Permanent Indus Commission" hat mittlerweile zwei Kriege überdauert und ist weiterhin ein Instrument der Konsultation und Konfliktlösung durch Inspektionen, Datenaustausch und gegenseitige Besuche. Der Vertrag über den Indus ist bislang der einzige Vertrag, den Indien und Pakistan gemeinsam implementiert und aufrechterhalten haben.

Der Jordan

Ein weiteres Beispiel für Wasserverteilungskonflikte ist der Nahe Osten, der von jeher zu den wasserärmeren Regionen der Welt gehört. Wohl auch deshalb sind Brunnen und Wasser schon in der Bibel symbolisch von großer Bedeutung. Das Jordanbecken gehört zu den 261 internationalen Flussläufen und -becken dieser Erde, die zwei oder mehr Anrainer haben. Klima und Geografie zusammen mit der politischen Situation in der Region machen das Jordanbecken zu einem der meistzitierten Beispiele für internationale Wasserressourcen mit Konfliktpotenzial.

Nutzbares Wasser liefern der Jordan mit seinen Quell- und Zuflüssen (Hasbani und Banyas in Syrien, Dan in Israel, Yarmuk in Jordanien), der See Genezareth und die verschiedenen Grundwasserspeicher (auch Aquifere genannt; in Israel/Palästina handelt es sich vor allem um den Bergaquifer unter der Westbank, den Küstenaquifer unter dem Gaza-Streifen und der israelischen Küste sowie weitere noch wenig erschlossene Aquifere). Schon vor dem Sechstagekrieg 1967 sorgte Wasser in der Region für Konflikte: Israel plante eine Umleitung des Jordanwassers oberhalb des Sees Genezareth in den sehr ariden Süden des Landes, während Syrien beabsichtigte, einen Teil des Wassers aus Hasbani und Banyas, die beide in den Golanhöhen entspringen, für Bewässerungsprojekte und Trinkwasserversorgung zu nutzen. Dies beantwortete Israel von 1964 bis zum Krieg von 1967 mit wiederholten Bombenangriffen auf die syrischen Baustellen. Zu den Ergebnissen des Sechstagekriegs zählt, dass alle Wasservorkommen der Region seit der Besetzung der Golanhöhen und der Westbank unter israelischer Kontrolle stehen.

Die heutigen Anrainer des Wassereinzugsgebiets sind der Libanon, Syrien, Jordanien, Israel und Palästina. Der unsichere politische Status der Palästinenser trägt zu ihrer schwachen Verhandlungsposition bei. So wurden die Interessen der Palästinenser z.B. im Friedensvertrag von 1994 zwischen Israel und Jordanien, in dem die Wasseraufteilung eine wichtige Rolle spielt, völlig ausgeklammert. Die Konflikte in Bezug auf Wasser zwischen diesen Parteien sind vielfältig: Jordanien und Israel konkurrieren um das Wasser des Jordan, Syrien und Israel streiten über das Wasser der Golanhöhen, und die Palästinenser verlangen eine grundsätzliche Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse.

Zwar ist der Wasserverteilungskonflikt zwischen Israelis und Palästinensern nach wie vor nicht gelöst. Trotzdem ist dies der einzige der auf die Endstatus-Verhandlungen verschobenen Streitpunkte, in dem die beiden Parteien trotz allem noch kooperieren. So tagt etwa das israelisch-palästinensische "Joint Water Committee" weiterhin in relativ regelmäßigen Abständen, was angesichts der politischen Situation durchaus als kleine Sensation gewertet werden kann.

Euphrat und Tigris

Das Euphrat-Tigris-Becken ist seit Jahren Gegenstand von Konflikten zwischen den Anrainerstaaten Türkei, Syrien und Irak. Die beiden Flüsse entspringen in der Türkei, und die türkische Regierung nimmt als Oberanlieger für sich das Recht in Anspruch, große Teile des Wassers aus diesen Flussläufen für eigene Projekte zu verwenden. Besonders das sogenannte GAP-Projekt (Güneydogu Anadolu Projesi, Südostanatolien-Projekt), das den Bau von 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken auf einer Fläche von 75.000 Quadratkilometern im Osten der Türkei vorsieht, wird riesige Wassermengen auf türkischem Staatsgebiet stauen. Diese sollen neben der Elektrizitätserzeugung vor allem zur Bewässerung von Agrarflächen dienen. Die Dammbauten haben Proteste von Seiten der Nachbarstaaten Syrien und Irak ausgelöst.

Für Syrien ist der Euphrat die wichtigste Quelle für seine Wasserversorgung, der Irak nutzt vor allem den Tigris und verfügt darüber hinaus über andere, nationale Wasserressourcen. Beide Staaten argumentieren, die türkischen Projekte führten dazu, dass die türkische Regierung nach Gutdünken die Wasserversorgung auf- und zudrehen könne. Die Türkei setzt dagegen, dass sie von dem gesamten Wasserdurchfluss der beiden Flüsse - 50 Milliarden Kubikmeter im Jahr, davon 30 Milliarden im Euphrat und 20 im Tigris - nur etwa 17 Milliarden Kubikmeter für die eigenen Projekte benötige. In einem Protokoll aus dem Jahre 1987 sicherte die Türkei den Syrern eine durchschnittliche Versorgung mit mehr als der Hälfte der auf 950 Kubikmeter pro Sekunde geschätzten durchschnittlichen Wassermenge zu. Doch die syrische Regierung, die ebenfalls eine Reihe von Dämmen am Euphrat errichtet hat, darunter den riesigen Assad-Staudamm, verlangt 700 Kubikmeter pro Sekunde. Syrien nutzt 83 Prozent seines Wassers für die Landwirtschaft, vor allem für die großen Bewässerungsanlagen im Norden des Landes.

Nach Ansicht der türkischen Wasserbehörde haben diese Auseinandersetzungen mit Syrien in erster Linie politische Gründe. Syrien beansprucht die Hoheit über die türkische Provinz Hatay an der Mittelmeerküste und bot jahrelang den Kämpfern der kurdischen PKK Schutz, darunter ihrem Führer Abdullah Öcalan; außerdem unterstützten die Syrer den Guerillakrieg der PKK gegen Ankara. Auf der anderen Seite unterhält die Türkei enge militärische Beziehungen zu Israel. Trotz dieser Probleme hält sich die Türkei bisher an ihre Verpflichtung, die versprochene Menge Euphratwasser an Syrien zu liefern. Wasserexperten beider Länder tauschen regelmäßig Informationen über Abflussmengen und den Wasserstand in den Stauseen aus. Das oft heraufbeschworene Szenario eines Wasserkrieges beider Länder hat wohl auch hier wenig mit der Wirklichkeit zu tun.

Schlussbemerkung

Obwohl Wasserkriege sehr unwahrscheinlich sind, gibt es keinen Grund, völlig unbesorgt zu sein. Der globale Wasserbedarf wird aufgrund des Bevölkerungswachstums weiter steigen. Beispielsweise ist seit 1950 der weltweite Wasserbedarf um etwa 40 Prozent gestiegen. Die letzte revidierte Fassung der UN-Bevölkerungsprojektionen prognostiziert, dass die Weltbevölkerung nach der mittleren Variante trotz sinkender Kinderzahlen in den Industrieländern bis zum Jahre 2050 um weitere 2,6 Milliarden anwachsen wird.

Diese Prognose berücksichtigt bereits die anzunehmende Entwicklung der HIV-Infektionen. Das Bevölkerungswachstum findet zudem auch in Zukunft fast ausschließlich in den Entwicklungsländern statt - den Ländern, die oft schon heute unter Wassermangel leiden. Dort wird die Bevölkerung in den nächsten 45 Jahren von 5,3 auf 7,8 Milliarden Menschen anwachsen.

Die wachsende Weltbevölkerung führt dazu, dass die vorhandenen natürlichen Ressourcen zunehmend verschmutzt werden, was außer Wasserknappheit auch eine Weiterverbreitung von durch Wasser übertragenen Krankheiten insbesondere in Entwicklungsländern zur Folge hat, denn dort ist die Wasserversorgung oft nicht ausreichend, und Kläranlagen sind selten. Zudem bedingt die globale Erwärmung eine größere Varianz bei Niederschlagszeiten und -mengen und damit länger andauernde und intensivere Dürren. Es ist aus diesen Gründen damit zu rechnen, dass Spannungen über Wasserressourcen in Zukunft immer wieder und in zunehmendem Maße auftauchen werden. Die Tatsache, dass die rechtliche Situation in Bezug auf internationale Wasserverteilungskonflikte nach wie vor unklar ist, tut ein Übriges - die "Convention on the Law of the Non-Navigational Uses of International Watercourses", die 1997 von den UN verabschiedet wurde, ist nach wie vor nicht ratifiziert.

Zukünftige Verhandlungen in Wasserverteilungskonflikten dürfen sich nicht nur auf die Wassermenge, die jeder Konfliktpartei zusteht, konzentrieren, sondern müssen unbedingt auch den Verwendungszweck, dem das Wasser zugeführt wird, berücksichtigen. Interne wirtschaftliche Strukturen bleiben zu oft unangetastet; die Frage, wofür das Wasser verwendet wird, spielt keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Vor allem wird die Größe und Struktur der landwirtschaftlichen Sektoren kaum in Frage gestellt, obwohl hier der größte Teil des weltweit vorhandenen Wassers verbraucht wird. So kann es sein, dass zwar die Wassermengen scheinbar gerecht verteilt, indirekt aber - je nach Endnutzung - Wasserverschwendung und ineffiziente Nutzung gefördert werden. Dies ist ein brisantes innenpolitisches Thema. Doch je knapper die Wasserressourcen werden, desto wichtiger ist es, dieses Tabu aufzubrechen.

Eine wichtige Bedeutung kommt dabei der schon erwähnten Tatsache zu, dass die Ressource Wasser insbesondere in Konfliktsituationen oft politisch und ideologisch aufgeladen wird. Kulturelle Traditionen, indigene Praktiken und gesellschaftliche Werte, welche die Art und Weise bestimmen, wie Menschen Wasser wahrnehmen und den Umgang mit ihm regeln, werden dann auch für die Frage relevant, welche Rolle Wasser in politischen Konflikten zukommt.

Dies ist aus hydrologischer Sicht, insbesondere im Hinblick auf internationale Wasserverteilungskonflikte, ein nicht zu unterschätzendes Problem, da die Politisierung der Ressource Wasser dazu führt, dass politische Entscheidungen sich eher an Fragen des politischen Prestiges oder an innenpolitischen Aspekten orientieren als an rationalen Überlegungen und kooperativen Lösungen. Beispielsweise wurde in den vergangenen Jahrzehnten der Bau von großangelegten Staudämmen als beste Antwort auf Wasserversorgungsprobleme angesehen. In den vergangenen 50 Jahren sind mehr als 40.000 Staudämme weltweit gebaut worden, obwohl die Erfolgsbilanz dieses "zentralistischen Ansatzes" bescheiden ist. Staudämme sind nationale Prestigeprojekte, die vor allem Großbauern mit fruchtbaren Böden, der Industrie und den Städten zugute kommen - sie erreichen die an Wasserknappheit leidenden Kleinbauern meist nicht. Doch dezentrale, angepasste Ansätze sind weder wirtschaftlich noch politisch besonders attraktiv, da sie kaum Exportaufträge oder politisches Prestige abwerfen. Hier ist ein grundsätzliches Umdenken notwendig, um Armut zu begrenzen und zukünftigen Konflikten vorzubeugen.

Solange solche Widerstände gesellschaftlich und politisch relevant sind, können Programme wie das "Integrated Water Resources Management" (IWRM), das auf dem Grundprinzip der Nutzen- statt der Wasseraufteilung beruht und auf eine integrierte, gemeinsame Bewirtschaftung eines Flussgebiets abzielt, nicht erfolgreich sein. Das Problem ist also weniger eines der mangelnden Lösungskonzepte, sondern des mangelnden politischen Willens. Wasser wird in vielen wasserarmen Regionen immer wieder politisiert, ideologisiert und aufgrund dessen irrational behandelt. Hier muss angesetzt werden, um mittel- bis langfristig einen nachhaltigen Umgang mit den globalen Wasserressourcen garantieren und damit Wasserverteilungskonflikte vermeiden zu können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Wasserknappheit wird im so genannten Wasserknappheitsindex der schwedischen Hydrologin Malin Falkenmark definiert. Sie führte die folgenden Definitionen ein: Wenn Staaten mehr als 1 700 m3 Trinkwasser pro Jahr und Kopf zur Verfügung haben, spricht man von relativer Hinlänglichkeit der Wassermenge. Probleme sind selten und regional begrenzt. Zwischen 1000 und 1 700 m3 sprechen Wissenschaftler von Wasserstress, d.h. Wassermangel ist weit verbreitet. Unter 1 000 m3 tritt Wasserknappheit ein, d.h. Wassermangel ist chronisch. Unter 500 m3 handelt es sich um absolute Wasserknappheit. Vgl. Wilhelm Sager, Wasser, Hamburg 2001, S. 20.

  2. Vgl. Christiane Fröhlich, Wasserverteilungskonflikte. Deeskalation und Gewaltprävention, in: Ulrich Ratsch u.a. (Hrsg.), Friedensgutachten 2005, Münster 2005, S. 237 - 246.

  3. Kurt R. Spillmann, Kriegsursache der kommenden Generation? Der Kampf um das Wasser, in: Internationale Politik, 55 (2000) 12, S. 5.

  4. Avraham Tamir, A Soldier in Search of Peace: An Inside Look at Israel's Strategy, London 1988, S. 56.

  5. http://www.transboundarywaters.orst.edu.

  6. Vgl. Christiane Fröhlich/Ulrich Ratsch, Wasserknappheit und Kriegerische Konflikte, in: José L. Lozàn (Hrsg.), Warnsignal Wasser, Hamburg 2004, S. 235 - 238.

  7. Ein "Oberanrainer" oder "Oberanlieger" eines Flusses ist ein Staat, auf dessen Staatsgebiet die Quelle eines Flusses entspringt bzw. sein Oberlauf oder auch Grundwasserreservoirs verlaufen. Ein "Unteranlieger" bzw. "Unteranrainer" liegt entsprechend näher an der Mündung und bekommt oftmals die Wasserverschmutzung durch den/die Oberanlieger zu spüren. Im Fall von Grundwasser kann es dagegen von Vorteil sein, Unteranlieger zu sein, denn natürliche Quellen liegen oft im "Unterlauf" von Grundwasserleitern.

  8. Vgl. zum Folgenden Dieter Brauer, Umstrittene Entwicklung. Die Staudammprojekte der Türkei an Euphrat und Tigris, in: E+Z - Entwicklung und Zusammenarbeit, (2001) 6, S. 188-191.

  9. UN General Assembly A//51/869, 11. April 1977, New York.

  10. Vgl. Peter Bosshard/Ann Kathrin Schneider, Wasser für die Armen bringt Wohlstand für alle, in: Süddeutsche Zeitung vom 16. 3. 2006, S. 2.

M.A., M.P.S., geb. 1977; wiss. Mitarbeiterin der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST); Schmeilweg 5, 69118 Heidelberg.
E-Mail: E-Mail Link: christiane.froehlich@fest-heidelberg.de