Russlands Rolle in Zentralasien
Russlands Verhältnis zu seinen ehemaligen Bruderrepubliken schwankt seit jeher zwischen kostensparendem Rückzug und großmachtherrlichen Schutzbekundungen. In Zentralasien wirkt dieser Politikwechsel in Form restaurativ-neo-imperialer Stimmungen.Einleitung
Ende des 19. Jahrhunderts diente der Begriff des "Great Game"[1] als Metapher für die imperialistische Rivalität zwischen dem russischen Zarenreich und der britischen Krone rund um das Pamirgebirge. Seit einigen Jahren kursiert nun die Vokabel von einem "New Great Game". Mitte der neunziger Jahre beschrieb die Neuauflage dieses Begriffes allein den Wettstreit internationaler Energiekonsortien bei der Ausbeutung der kaspischen Erdöl- und Erdgasvorkommen.
Heute ist dieser außerdem Sinnbild für das Konfliktknäuel im Zusammenhang mit der Neuverteilung strategischer Einflusssphären entlang Russlands exsowjetischer Südperipherie.[2] Die oft konfliktträchtig konnotierte Spielmetaphorik wird in der wissenschaftlichen und journalistischen Debatte vor allem zu der Beschreibung der russischen Zentralasienpolitik verwendet. Kritiker bemängeln, dass derartige Rückgriffe sachlich wenig begründet seien, weil durch die damit verbundene Überbewertung geopolitischer und etatistischer Wahrnehmungsmuster der Blick auf die kooperativen Seiten der russischen Zentralasienpolitik verstellt würde.[3] Letztlich werden weder ausschließlich konfliktive noch rein kooperative Perzeptionen der Analyse russischer Zentralasienpolitik gerecht. Vielmehr oszilliert das Engagement des Kreml in der Region zwischen Kooperation und Konfrontation. Welcher außenpolitische Habitus gerade akzentuiert wird, hängt von der herrschenden Ideologie und dem Weltbild der amtierenden Herrschaftseliten ab. In der Moskauer Haltung gegenüber Zentralasien lassen sich deshalb auch verschiedene Phasen unterscheiden.