Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

E-Learning in der ökonomischen Bildung | Ökonomische Bildung | bpb.de

Ökonomische Bildung Editorial Ökonomische Bildung als Allgemeinbildung Zur Institutionalisierung ökonomischer Bildung im allgemeinbildenden Schulwesen Kompetenzen und Standards der ökonomischen Bildung Finanzielle Bildung Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit E-Learning in der ökonomischen Bildung Jugend in der Finanz- und Wirtschaftskrise Bessere ökonomische Bildung: problemorientiert, pluralistisch, multidisziplinär

E-Learning in der ökonomischen Bildung

Andreas Liening

/ 16 Minuten zu lesen

Der Aufsatz beschreibt die Notwendigkeit Neuer Medien zur Unterstützung moderner Lehr-/Lernkonzepte. Des Weiteren werden E-Learning-Konzepte vorgestellt und deren Einsatzmöglichkeiten in der ökonomischen Bildung diskutiert.

Einleitung

Ökonomische Bildung ist der Horizont, vor dem die Wirtschaftsdidaktik als wissenschaftliche Teildisziplin agiert. Diese beschäftigt sich mit den vier Bereichen "Ziele", "Inhalte", "Methoden" und "Medien". Ökonomische Bildung ist dabei im Kontext des immer wieder zu Recht geforderten lebenslangen Lernens zu sehen, wobei ihr insbesondere an allgemeinbildenden Schulen eine zentrale Rolle zukommt. Gleichwohl muss konstatiert werden, dass das dafür notwendige Unterrichtsfach leider noch in keinem Bundesland Realität geworden ist. Kontraproduktiv sind dabei die Debatten jener, die ökonomische Bildung ohne Ökonomik und/oder ohne ein Schulfach Wirtschaft sehen wollen.

Nicht nur Wissenschaftler, Politiker und Verbände, sondern auch Schulen haben längst erkannt, wie wichtig fundierte ökonomische Bildung für junge Menschen ist. Als Beispiel kann der Modellversuch des Faches Wirtschaft an Realschulen in Nordrhein-Westfalen angesehen werden, in dem zunächst von "nur" 30 Modellschulen ausgegangen wurde; aufgrund der großen Nachfrage nehmen seit 2010 über 70 Schulen daran teil. Ziel ökonomischer Bildung ist es, fachliche, personale und soziale Kompetenzen im Bereich der Wirtschaft zu erlangen, die jungen Menschen die Möglichkeit geben, ihr eigenes Leben in der Wirtschaft verantwortungsvoll zu gestalten, Verantwortung für andere zu übernehmen und mit Hilfe ökonomischer Denkweisen und Methoden einen weiteren Zugang zum Verständnis und zur Gestaltung unserer Welt zu erlangen. Neben einer volkswirtschaftlichen spielt zunehmend die betriebswirtschaftliche Perspektive eine wichtige Rolle, in der Schülerinnen und Schüler ein aufgeklärtes, unternehmerisches Denken und Handeln praxisnah und wissenschaftlich fundiert erarbeiten können, um in der Rolle des Verbrauchers, des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers ihr Leben selbstbestimmt gestalten können.

Kein geringerer als einer der Begründer des modernen Liberalismus, John Locke, bemerkte: "Nihil est in intellectu, quod non fuerit prius in sensu." Auch wenn man sich dem radikalen Empirismus Lockes nicht unbedingt anschließen muss, so motiviert doch die These, dass nichts im Verstand sei, was nicht zuvor auch in den Sinnen war, wirtschaftsdidaktische Fragestellungen, die heute im Zusammenhang mit dem Einsatz von E-Learning für die Ausgestaltung von Lernprozessen in der Schule gesehen werden können. Gemeint sind Fragestellungen, die handlungsorientiertes, erfahrungsanaloges, genetisches oder kooperatives Lernen thematisieren und die Suche nach Alternativen zu traditionellen Vermittlungsmustern beschreiben. Als Kernproblem wird immer wieder ein deutlicher Verlust an Realitäts- und Praxisbezug sowie eine einseitige Ausrichtung an wirtschaftstheoretischen Erkenntnissen diagnostiziert. Häufig wird immer noch der traditionelle Frontalunterricht, der lerntheoretisch begründete und auf eine reine Wissensvermittlung abzielende Unterricht, jenem entgegengesetzt, der Schülerinnen und Schüler zu einer aktiven und partizipativen Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen motiviert. Einen medialen und demzufolge auch methodischen Bestandteil eines dem traditionellen Frontalunterricht entgegengestellten Wirtschaftsunterrichts kann das E-Learning darstellen.

Die Folgen traditionellen Unterrichts sind bekannt: Sie reichen von Disziplinkonflikten über das so genannte Abschalten im Unterricht bis hin zum Versagen bei Prüfungen. Die Ergebnisse der PISA-Studien belegen die Konsequenzen einer verkopften Schule, die gleichsam der Analogie zum Nürnberger Trichter die Schülerinnen und Schüler mit Wissen füttert, wobei der Wechsel zur "Kompetenzorientierung" oder das in einigen Bundesländern eingeführte Zentralabitur die Situation nicht unbedingt verbessert haben. Im Gegenteil: Vielfach haben diese Vorhaben dazu geführt, dass dezidierte inhaltliche Vorgaben darüber erfolgen, was wann zu unterrichten sei; die Lehrkräfte, ursprünglich Didaktiker im besten Sinne des Wortes, werden auf die demotivierende Rolle der reinen Methodiker reduziert. Lehrende werden heute mit einer neuen Vielfalt der Lehr- und Lernformen konfrontiert. Stichworte wie Binnendifferenzierung, Handlungs- und Produktionsorientierung, individuelle Förderung, Heterogenität, ferner Wochenpläne, Kurssysteme und Lernmodule zeigen, dass die Ansprüche an das Unterrichten, wie sie in der Referendariatsausbildung eingefordert werden, gestiegen sind, ohne dass der traditionelle Frontalunterricht im Schulalltag seine Dominanz eingebüßt hat.

Neben dieser Vielfalt der Lehransprüche gibt es eine neue Vielfalt der Lernorte. So findet Lernen in der Schule nicht mehr nur im Klassenzimmer statt. Die virtuelle Welt des Internets, die praktische Übung im Labor, die Durchführung von Praktika in Unternehmen und Exkursionen sind nur wenige Beispiele. Darüber hinaus ändern sich auch die Lehrinhalte. Die immer rasanteren Entwicklungen, die insbesondere durch die Neuen Medien forciert werden, verändern die Arbeits- und Berufswelt sowie die Freizeit, nahezu die gesamte Lebenswelt. Je mehr Wissen lediglich zeitoptimiert durch drill and practise vermittelt wird, desto geringer wird die Chance einer gelingenden Bildung, da das selbständige, je eigene Einsehen, Bewerten und Einordnen zu kurz kommt. Eine mechanistische Denkweise, den Mensch als informationsverarbeitende Maschine zu sehen, wie dies in so manchen didaktischen Theorien zum Ausdruck kommt, fördert allenfalls Informationsstress und verhindert Lernerfolge als Voraussetzung für Bildung. Die Fakten-Pauk-Schule ist tot.

Hölderlin sagt: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch". Und so beschwören die Neuen Medien nicht nur eine Vielzahl der Probleme in der Schule herauf, indem sie den permanenten Wandel in der Berufs- und Arbeitswelt und die Informationsflut forcieren, sie bieten auch die Möglichkeit, den Problemen auf innovative Art und Weise zu begegnen. Zum einen bietet ihr Einsatz zahlreiche Möglichkeiten der multimedialen und interaktiven Darbietung von Lerninhalten, zum anderen kann E-Learning durch die Entkopplung der Lernprozesse von Raum und Zeit zu ganz neuen Lehr- und Lernorganisationen führen, die sowohl asynchrone als auch synchrone Lehr-Lern-Szenarien enthalten können.

Wenn man sich darauf verständigt, dass nicht die traditionelle Vermittlung von Wissen, sondern der bildende Unterricht im Zentrum des Schulunterrichts stehen soll, so zeigt Hilbert Meyer mit seinem Plädoyer für eine "Didaktik der Vielfalt" eine mögliche Lösung auf. Er fordert eine Didaktik, die einerseits Bewährtes erhält, andererseits aber Neues erprobt, die einerseits die Leistungsstarken fördert, andererseits aber den Leistungsschwächeren Halt gibt. Vor diesem Hintergrund soll hier die Integration des E-Learnings in die ökonomische Bildung thematisiert werden.

E-Learning - alter Wein in neuen Schläuchen?

Was versteht man unter E-Learning? Es ist zu konstatieren, dass es kein einheitliches Verständnis des Begriffs in der Fachliteratur gibt, wenngleich die Übersetzung "elektronisches Lernen" sicher hilfreich ist: "Hinter dem Begriff eLearning verbirgt sich keine einheitliche Lern- oder Unterrichtsform. Vielmehr handelt es sich um einen Sammelbegriff für verschiedene Lehr-Lern-Szenarien, die sich durch den maßgeblichen Einsatz von Online-Medien auszeichnen." Letztendlich geht es um eine Fülle von miteinander vernetzten Medien zum Zwecke des Lernens, die weit über das Internetangebot hinausgehen. Man kann sagen, dass E-Learning zahlreiche lernprozessunterstützende Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Kommunizieren mit Hilfe digitaler Computertechnik zusammenführt. Betrachtet man die zentralen Merkmale des E-Learnings, so lassen sie sich mit vier Schlagworten umschreiben: Digitalisierung, Integration (Multifunktionalität - Multimedia), Interaktivität und Vernetzung. Mit Hilfe des E-Learnings soll der Lernende in die Lage versetzt werden, multimediale Inhalte so zu kombinieren und aufzubereiten, dass schwierige Sachverhalte und komplexe Zusammenhänge schneller und besser verstanden und verarbeitet werden können.

Mit der Verbreitung des Internets wuchsen in den 1990er Jahren die Möglichkeiten, Lernen via Internet zu betreiben und die entwickelten Konzepte mit der Bezeichnung E-Learning zu versehen. Trotz zahlreicher Ansätze sowie vielfältiger Förderprogramme auf nationaler und europäischer Ebene blieb der erwartete Boom jedoch aus. So las man in der "Zeit": "Die meisten Angebote sind Mogelpackungen." Auf einer Fachtagung hieß es: "E macht noch lange kein Learning." Und in der "Computer Zeitung" konnte man lesen: "Lernsoftware an Schulen bekommt schlechte Noten."

Was sind die Gründe für die bisher fehlende Akzeptanz? Die Sichtung von Lernprogrammen im Internet der 1990er Jahre zeigt, dass diese vielfach mit textlastigen Materialien versehen waren. Aus didaktischer Sicht wird nicht erkennbar, wieso Textmaterialien besser in den Lernprozess integriert werden können, wenn man statt eines Buches einen Bildschirm als Medium verwendet. Die Stärken des Computers im Multimediabereich wurden nur selten genutzt. Wenn multimediale Elemente in Lernprogramme eingebettet wurden, dann wurden sie in der Regel für Showeffekte eingesetzt, nicht zur fachdidaktisch sinnvollen Erarbeitung spezieller Inhalte. Dies hängt damit zusammen, dass man oftmals überholte didaktische Konzepte und Methoden verwendet hat. Diese führen zu drill-and-practise-Programmen, die auf älteren behavioristischen Konzepten basieren, die den Lernenden eher konditionieren denn bilden konnten. Die Begeisterung für das E-Learning war oftmals größer als ihr Nutzen: "Der Buchstabe E in eLearning steht vielleicht auch für die Euphorie, mit der das Thema zur Zeit betrachtet wird."

Neue Trends

Die E-Learning-Branche hat auf die Fehlentwicklungen und Kritikpunkte reagiert, und so beobachtet man neue, vielversprechende Trends, die von kooperativen Lernformen bestimmt werden. E-Learning steht für zeit- und raumunabhängiges Lernen, interaktive, web- bzw. internetbasierte Lernumgebungen sowie vernetztes, fächerverbindendes und -übergreifendes Lernen mit Hilfe mobiler Endgeräte. Diese Schlüsselworte der aktuellen Entwicklungsphase können durch Stichworte wie Gaming, Web 2.0, Pathway Learning und Mobile Learning umschrieben werden.

Gaming.

Ein Trend besteht darin, zunehmend multimedial aufwendige Computerspiele (Games) einzusetzen, die individuell, aber auch kooperativ, gemeinsam im Klassenraum oder verteilt via Internet im Rahmen ökonomischer Bildung eingesetzt werden können. Diese didaktischen Computerspiele erlauben es den Lernenden, im Sinne explorativen, entdeckenden Lernens arbeiten zu können. Von der Konzeption her wird der Computer bei dieser Methode als ein Medium neben anderen im Unterricht betrachtet. Die zum Teil sehr komplexen Spiele stellen die Schülerinnen und Schüler vor intellektuell anspruchsvolle Aufgaben. So müssen sie unter Zeitdruck Risiken abwägen, Entscheidungen treffen, Strategien und Projektpläne oder Mitspieler durch ökonomisch geprägte Lebenssituationen führen. Sie erlauben es, neben fachlichen Inhalten einen Kanon an beruflich nützlichen Kompetenzen zu erwerben, die von Teamfähigkeit über Stressresistenz, Führungsstärke, Konzentrationsfähigkeit bis hin zum strategischen Denken reichen.

Man unterscheidet bei diesen regelbasierten Games zwischen verschiedenen Arten:

  • Adventure Games sind interaktive Computer- und Videospiele, in denen die Lernenden heikle Missionen und knifflige Fälle lösen müssen. Sie werden von der Spieleindustrie primär für den Unterhaltungsbereich entwickelt, wobei zunehmend auch das didaktische Potential derartiger Spiele erkannt wird.

  • Im Rahmen von Langfrist-Strategiespielen müssen sich die Lernenden zum Beispiel in die Rolle versetzen, ganze Zivilisationen zu erschaffen, deren Wohl und Wehe von der Fähigkeit abhängt, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Hinter Spielen, die oft wie Historienklassiker anmuten, verbergen sich häufig komplexe Modelle von Wirtschaftssimulationen, die Jahrhunderte im Zeitraffer nachbilden.

  • Ferner kennt man computergestützte Rollenspiele, die den Einzelnen in eine virtuelle Welt eintauchen lassen, in dem er sich in die Rolle individueller Spielfiguren versetzt und deren Charaktere ausarbeitet. So gibt es Spiele, die es erlauben, die Rolle des Zentralbankpräsidenten einzunehmen, der die Geldpolitik eines Landes in schwieriger Zeit bestimmen soll, oder die des Bundeskanzlers, der mit seiner Wirtschaftspolitik versuchen soll, die angespannte Situation am Arbeitsmarkt zu bekämpfen.

  • Schließlich lassen sich computergestützte Simulationen und Planspiele anführen, welche die Simulation von Akteuren der Marktwirtschaft möglichst realitätsnah erlauben. Als ursprüngliche Vor-Ort-Spiele konzipiert, wird zunehmend das Internet eingesetzt, um etwa im Rahmen von eBusiness Games global gegen- und miteinander in den Wettbewerb simulierter Märkte einzutreten, um so die vielfältigen Aufgaben im Management von Unternehmen kennenzulernen, "erfahren" zu können und Zusammenhänge zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. Andere Beispiele greifen Alltagssituationen auf, deren Bewältigung ökonomisches Denken und Handeln erfordert.

Gaming ermöglicht es, Fehler zu begehen, gemeinsam die Ursachen zu ergründen und auf Grund dieses Verstehens die Fehler zu korrigieren. Bereits Johann F. Herbart schilderte ausführlich die Schwierigkeiten eines Unterrichts, den der Alltag der Kinder, wenn sie miteinander außerhalb des Unterrichts spielen, nicht kennt: "Diese Fülle, und dieses Darbieten ohne Anspruch und Zwang, wie will es der Unterricht erreichen?" Die Antwort lautet: indem man das Spielerische in den Unterricht durch Gaming integriert.

Web 2.0.

Neben kooperativen Lernformen des Gaming gewinnen alle Formen an Bedeutung, die mit der Chiffre Web 2.0 in Verbindung gebracht werden. Mit Web 2.0 ist ein "lebendiges Internet" gemeint; die Nutzenden gestalten die Inhalte aktiv mit, prägen oder produzieren sogar. Daneben steht Web 2.0 für eine neue Generation von Nutzenden, die ihren Alltag und das Berufsleben weitgehend ins Internet verlagern. Die wichtigsten Anwendungen des Web 2.0 sind Online-Communities (z.B. Facebook, Xing, stayfriends), Wikis (z.B. Wikipedia, WIDAWIKI), virtuelle Realitäten (z.B. Second Life), Newsfeeds (Informationsabonnements, z.B. RSS), Blogs (Internettagebücher, z.B. mittels Wordpress), Podcasts (Audio-/Video-Sendungen), Social tagging (Nutzendenkommentare/-bewertungen, z.B. schülerVZ) und Folksonomies (gemeinschaftliches Verschlagworten; Indexieren, z.B. delicious.com).

Insbesondere Wikis lassen sich gewinnbringend für die ökonomische Bildung nutzen. Ein Wiki ist ein Hypertextsystem, in dem die Wikigemeinschaft, hier die Lernenden, mit Hilfe eines Browsers einfach und ohne Programmierkenntnisse Artikel anlegen und editieren können. Das zugrundeliegende Prinzip besagt, dass gemeinsam an einem Thema gearbeitet wird, ein Wiki strukturell und inhaltlich durch Querverweise (Hyperlinks) wächst und die Inhalte in der Wikigemeinschaft, die für die Inhalte verantwortlich ist, diskutiert und stets weiterentwickelt werden. In diesem Sinne eignet sich der Einsatz eines Wiki als E-Learning-Werkzeug, in welchem die Stoffkategorien der Unterrichtsreihe von den Schülerinnen und Schülern auch mit Hilfe von Wissensquellen außerhalb des Unterrichts erschlossen, diskutiert und fortlaufend dokumentiert werden. Ein Wiki lässt sich leicht für eine Klasse oder Schule einrichten. Im Wirtschaftsunterricht können die Lernenden angeleitet werden, kurze Artikel zu ökonomischen Themen und/oder selbst erarbeiteten Fragestellungen zu erstellen. Jeder Lernende ist aufgefordert, die eingestellten Artikel kritisch zu sichten und zu bearbeiten. So dienen die erstellten Artikel der Ergebnissicherung, der Nachbereitung des Wirtschaftsunterrichts, aber auch der Klausurvorbereitung.

Pathway-Learning.

Letztendlich stellt sich bei E-Learning-Produkten oft die Frage der Nachhaltigkeit: Inhalte veralten schnell, und es ist kostspielig, diese auf dem neuesten Stand zu halten. Dabei findet man nahezu alles, was man sich didaktisch wünscht, im Internet. Eine interessante Alternative zum E-Learning mit gekauften Software-Produkten stellt das Pathway-Learning dar. Die Idee ist es, sich die unglaubliche Fülle an didaktisch guten Inhalten im Web dadurch zu Eigen zu machen, dass die Lehrperson einen Lernpfad durch das Netz legt, dem die Schülerinnen und Schüler nur folgen müssen. Alternativ können auch Ziele vorgegeben und verschiedene Pfade ausprobiert und entwickelt werden. Es gibt entsprechende Software, die für Themen der ökonomischen Bildung adaptiert werden kann.

Mobile Learning.

Die Veränderungen, die sich hinsichtlich neuer multimedialer Anwendungen ergeben, sind durch Computerräume in Schulen nicht mehr abzudecken. Mittlerweile besteht die technische Möglichkeit, zeitlich und örtlich flexibel Lerngruppen etwa mit Lernplattformen und Web 2.0-Anwendungen arbeiten zu lassen. Mobiles E-Learning kann mit Hilfe unterschiedlicher Hardware stattfinden. Dabei sind hier nicht etwa Mobiltelefone gemeint, sondern vielmehr die sich mehr und mehr durchsetzenden, kleinen, handlichen, mit einem berührungsempfindlichen Bildschirm versehenen Tafelrechner (Tablet-PCs) wie iPads. Der Vorteil dieser Tafelrechner für den Unterricht ist, dass sie sofort einsatzbereit sind und keine räumlichen und zeitlichen Restriktionen berücksichtigt werden müssen. Somit ergibt sich die Möglichkeit, etwa Web 2.0-Anwendungen in die didaktische Planung des Unterrichts aufzunehmen, da die Lehrperson sich sicher sein kann, dass ihr diese Anwendungen bei Bedarf zur Verfügung stehen.

Mit Hilfe diverser, überwiegend kostenloser Applikationen (Apps) können Schülerinnen und Schüler zudem mit iPads mit Unterstützung der Lehrperson ökonomische Modelle selbst entwickeln und Zusammenhänge erkennen. Statt Theorien zu "vermitteln" werden diese neu "erfunden". Die Lernenden gehen auf Entdeckungsreise und folgen ihren eigenen Denkwegen. Die Integration multimedialer ePubs erweitert die Möglichkeiten, Sachverhalte aus verschiedenen medialen Perspektiven zu betrachten und gemeinsam daran zu arbeiten.

Besonderheiten des E-Learnings

Eine Vielzahl von gewinnbringenden Vorteilen des Einsatzes modernen E-Learnings im Kontext ökonomischer Bildung wurde bereits angesprochen. Abschließend sollen einige Besonderheiten betont werden.

Genetisches, entdeckendes und erfahrungsanaloges Lernen.

E-Learning in der ökonomischen Bildung bietet die Möglichkeit, die Tätigkeit eines Wissenschaftlers im Sinne "genetischen Lernens" nachzuahmen, um Vermutungen, Verallgemeinerungen und Spezialisierungen zu finden. Damit soll erreicht werden, was Wolfgang Klafki als "sinnhaftes" und "verstehendes Lernen" bezeichnet hat. Wie im "richtigen" Leben kann der Lernende auf ökonomische Entdeckungsreise gehen ("entdeckendes Lernen" ), um Sachverhalte neu zu erschließen, ohne dabei alle Irrwege und zeitlichen Dimensionen durchlaufen zu müssen, da die Lehrperson eine didaktisch wohl definierte Lernumgebung aufzeigen und formulieren kann ("erfahrungsanaloges Lernen" ). Damit wird dem Lernenden die Möglichkeit gegeben, ökonomische Modelle und Konzepte nicht als "Geheimwissenschaft" zu empfinden, deren Erkenntnisse vom Himmel fallen, sondern als spannende Wissenschaft, an deren Erkenntnisgewinnung man teilhaben kann.

Förderung der Anwendungsorientierung bei gleichzeitiger Förderung wissenschaftlichen Denkens.

Der Trend in den Schulen geht von der reinen Theoriebezogenheit zur Integration der Anwendungsorientierung. Sinnvolle Anwendungen sind aber in der Regel komplexer als die zahlreichen Aufgabenstellungen, die Schülerinnen und Schüler elementar zu lösen vermögen. Mit Hilfe des E-Learnings können komplexere Sachverhalte besser veranschaulicht werden, als dies mit Hilfe von Papier, Kugelschreiber und Buch möglich ist. So lassen sich im Bereich der Volkswirtschaftslehre beispielsweise volkswirtschaftliche computergestützte Simulationen zur Veranschaulichung ökonomischer Zusammenhänge gewinnbringend im Unterricht einsetzen.

Motivation ökonomischen Denkens.

Eine Nachfragekurve, die durch ein Experiment in der Klasse hergeleitet wurde, fördert nicht nur das Verständnis, wenn man erkennt, dass sie den Kurven in den Lehrbüchern entspricht, sondern auch Erstaunen und innere Begeisterung bis hin zu einem Flow-Effekt. Diese Vorgehensweise erlaubt eine "originale Begegnung" mit dem ökonomischen Lerngegenstand, die für Heinrich Roth "nicht nur da sein, sondern Ereignis werden, hereinleuchten, ergriffen werden" bedeutet.

Nachhaltigkeit der Lernergebnisse.

Da Lernergebnisse im Kontext computergestützten Lernens kreativ und explorativ angeeignet und nicht einfach nur tradiert werden, kommt diese Art des Lernens dem heute weit verbreiteten konstruktivistischen Weltbild einer starken intraindividuellen, selbst geschaffenen mentalen Wirklichkeit sehr entgegen, die sich in der beruflichen Erprobungssituation immer wieder an der externen ökonomischen Realität kritisch bewähren oder modifizieren vermag. Die multimediale Auseinandersetzung mit theoretischen Erprobungs-, Bewährungs- und Modifikationssituationen greift zudem die Ausbildung von "weichen" Persönlichkeitsmerkmalen auf, die sich derzeit auf dem Arbeits- und Stellenmarkt allergrößter Beliebtheit erfreuen.

Förderung berufsweltorientierter Qualifikationen.

E-Learning-gestützter Wirtschaftsunterricht bereitet besser auf die Berufswelt oder das Studium vor, als dies ohne die Verwendung Neuer Medien möglich wäre, da die Schülerinnen und Schüler einerseits mehr inhaltsübergreifende Kompetenzen wie das Erfassen von Tabellen oder das Interpretieren von Bildern erwerben können. Andererseits kann E-Learning dazu beitragen, kognitive Fähigkeiten wie das Vermuten, Analogisieren, Verallgemeinern, Spezialisieren, kreatives Verhalten und Kritikfähigkeit, die als zentrale Aspekte wissenschaftlichen Denkens und Handelns gelten, dauerhaft zu fördern.

Das Lernen kognitiver Strategien setzt affektive Dispositionen voraus. E-Learning-gestützter Wirtschaftsunterricht ermöglicht die Erreichung affektiver Ziele wie Freude, Stolz und Selbstvertrauen und damit auch die Weiterentwicklung der individuellen Persönlichkeitsstruktur des Lernenden. Die Fähigkeit, Lösungen zu verteidigen, Kritik zu üben und zu ertragen sowie die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, werden durch diesen Ansatz ebenfalls gefördert.

Fazit

Zentrales Ziel des Wirtschaftsunterrichts ist ökonomische Bildung. Diese muss sich auf Denken in Kategorien der ökonomischen Verhaltenstheorie, in Kreislaufzusammenhängen, in Ordnungszusammenhängen sowie Verantwortung als Maßstab zur Beurteilung individuellen und wirtschaftspolitischen Handelns beziehen. E-Learning kann dabei helfen, die traditionell inputorientierte Vorgehensweise der kategorialen Didaktik zu ergänzen und eine häufig lehrpersonzentrierte Vermittlung zugunsten einer aktiven, sozialen und selbst gesteuerten Konstruktion aufzugeben. E-Learning ermöglicht die Förderung von Kompetenzen, die anhand der Inhalte als Output einer Überprüfung zugänglich sind.

So sehen die Standards der ökonomischen Bildung für den Abschluss der gymnasialen Oberstufe Kompetenzbereiche der Orientierungs-, Urteils-, Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit als Konsumenten, Berufswähler, Erwerbstätige und Wirtschaftsbürger vor. Die Anwendung des E-Learnings im Unterricht kann diese Kompetenzbereiche unterstützen und dabei das Rollenverständnis um den "Wissensprosumenten", des Konsumenten und Produzenten, ergänzen. E-Learning kann dazu beitragen, das Verständnis und die Motivation für ökonomische Bildungsfragen und Zusammenhänge zu erhöhen.

Lernen ist bei jeder Schülerin und jedem Schüler ein individueller, entdeckender, kreativer Prozess. E-Learning fördert selbstorganisierende Tätigkeiten wie das Lesen, Stöbern, Schreiben, Anordnen, Strukturieren, Umgestalten, Hinterfragen, Modellieren und Simulieren. Man muss festhalten, dass nicht der Einsatz des E-Learnings um seiner selbst willen, sondern einzig das didaktische Gesamtkonzept darüber entscheiden sollte, ob E-Learning sinnvoll in den Wirtschaftsunterricht einbezogen werden kann, damit am Ende das "E" für mehr steht als nur für Euphorie.

Zu guter Letzt sollte man bedenken, das eine Didaktik der Vielfalt unter Einbezug des E-Learnings im Rahmen ökonomischer Bildung nur dann sinnvoll ist, wenn es Lehrende gibt, die fachkompetent und schülerorientiert zugleich arbeiten und die fachlichen Inhalte erklären können, ohne dabei zu vergessen, die Lernenden in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. zum Beispiel Reinhold Hedtke, Wirtschaft in der Schule?! Ökonomische Bildung als politisches Projekt, online: www.gew-hb.de/Binaries/Binary11502/
    hedtke_politisches_Projekt.pdf (22.2.2011); ders., Leserbrief: Diskussion um neues Schulfach. Der lange Arm der Wirtschaft, online: www.sueddeutsche.de/service/diskussion-um-neues-schulfach-der-lange-arm-der-wirtschaft-1.28829 (22.2.2011), darin der Satz: "Mehr Wissen über Wirtschaft heißt weniger Wissen über Demokratie."

  2. John Locke, An Essay concerning Humane Understanding, London 1690; e-text ILT.

  3. Vgl. Hilbert Meyer, Zehn Merkmale guten Unterrichts, in: Pädagogik, (2003) 10, S. 36-43.

  4. Nicola Döring/Franziska Fellenberg, Soziale Beziehungen und Emotionen beim eLearning, in: Damian Miller (Hrsg.), eLearning: eine multiperspektivische Standortbestimmung, Bern 2005, S. 135.

  5. Die Zeit vom 29.6.2001.

  6. ets - eLearning corporation, Fachtagung 10/2002.

  7. Computer Zeitung vom 14.4.2003.

  8. Vgl. zum traditionellen Behaviorismus Burrhus F. Skinner, Was ist Behaviorismus?, Reinbek 1987; zur kritischen Auseinandersetzung Andreas Liening, Intelligente Tutorielle Systeme (ITS). Eine kritische Analyse unter besonderer Berücksichtigung ihrer Einsatzmöglichkeiten in der Wirtschaftsdidaktik, Münster-Hamburg 1992.

  9. Joseph Weizenbaum, Grenzen des eLearnings. In der Veranstaltung Web Based Training, 2003.

  10. Vgl. Martin Kern, Planspiele im Internet, Wiesbaden 2003; vgl. auch Andreas Liening, RuhrCampus Career Competition - Management - A Business Game, Dortmund 2009.

  11. Johann F. Herbart, Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet, Göttingen 1806, S. 47.

  12. Vgl. Erwin Abfalterer, Foren, Wikis, Weblogs und Chats im Unterricht, Boizenburg 2007; Andreas Liening/Ewald Mittelstädt, WIKIs als Lernwerkzeuge im Ökonomieunterricht, in: Thomas Retzmann (Hrsg.), Methodentrainings für den Ökonomieunterricht, Schwalbach/Ts. 2011.

  13. Vgl. Anja Ebersbach/Markus Glaser/Richard Heigl, Wiki-Tools - Kooperation im Web, Berlin 2005.

  14. Vgl. z.B. das Mac OS-Tool Pathway, online: http://pathway.screenager.be (22.2.2011).

  15. Während das iPad auf IOS basiert, kommen mittlerweile mehr und mehr Alternativen auf den Markt, die auf Android oder meeGo basieren.

  16. Als ePubs werden auf dem XML-Format basierende E-Books bezeichnet, die es erlauben, neben Texten und Grafiken auch interaktive Elemente wie Videos oder Animationen in den Text einzubetten.

  17. Vgl. Martin Wagenschein, Verstehen Lehren. Genetisch - Sokratisch - Exemplarisch, Weinheim-Basel 1975.

  18. Vgl. Wolfgang Klafki, Die bildungstheoretische Didaktik im Rahmen kritisch konstruktiver Erziehungswissenschaft, in: Herbert Gudjons/Rita Teske/Rainer Winkel (Hrsg.), Klafki, Schulz, von Cube, Möller, Winkel, Blankertz - Didaktische Theorien, Hamburg 1986, S. 12.

  19. Jerome Bruner, Der Prozeß der Erziehung, Düsseldorf 1972.

  20. Volker Ladenthin, Wissenschafts- und erfahrungsanaloger Unterricht, in: Aloisius Regenbrecht/Karl Georg Pöppel (Hrsg.), Erfahrung und schulisches Lernen, Münster 1995, S. 15-29.

  21. Vgl. Andreas Liening/Dietmar Krafft/Hans Jürgen Schlösser, Energie, Klimaschutz und Verbraucher. Eine computerunterstützte Simulation, Dortmund 2009; Andreas Liening/Martin Kirchner, Computergestützte Planspiele, in: T. Retzmann (Anm. 12).

  22. Unter "Flow" versteht der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi den Prozess des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit, der man um seiner selbst willen nachgeht; vgl. ders., Flow, Stuttgart 1999.

  23. Vgl. Heinrich Roth, Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens, Berlin-Darmstadt 1969, S. 109f.

  24. Vgl. Ernst von Glasersfeld u.a., Einführung in den Konstruktivismus, München 2000.

  25. Vgl. Klaus-Peter Kruber, Der systematische Ort für die Ethik in der Marktwirtschaft - ein Problem für die ökonomische Bildung, in: H.-J. Albers (Hrsg.), Ethik und ökonomische Bildung. Bergisch Gladbach 1996, S. 51.

  26. Vgl. Alvin Toffler, The Third Wave, New York 1980.

Dr., geb. 1961; Universitätsprofessor an der Technischen Universität (TU) Dortmund, Inhaber des Lehrstuhls Wirtschaftswissenschaft und Ökonomische Bildung; Leiter des Centre of Complexity Sciences and Business Education; TU Dortmund, Otto-Hahn-Straße 6, 44227 Dortmund. E-Mail Link: andreas.liening@uni-dortmund.de
Externer Link: www.liening.info