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European Foundations Meeting: European Laboratory | Presse | bpb.de

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European Foundations Meeting: European Laboratory

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Worin liegen die Stärken eines "European Laboratory"? Es kann beispielsweise regionale kulturelle Strömungen erfassen oder globale Trends verwerten, meint bpb-Präsident Thomas Krüger.

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    Sehr geehrte Damen und Herren,

    zunächst einmal darf ich unseren Gastgebern für die Einladung sehr herzlich danken. Ich freue mich, dass in dieser spannenden Runde ein kurzen Input geben kann zu einem Projekt, dass ich sehr schätze und dass meine Organisation in Zukunft mit unterstützen wird.

    Lassen Sie mich kurz einige Worte über meine Institution, die "Bundeszentrale für politische Bildung" verlieren, die hier nicht jedermann bekannt sein dürfte, so wie auch der Begriff der "politischen Bildung", also wörtlich übersetzt der "political education" im europäischen Kontext eher Irritationen als Verständnis auslöst. Wir haben uns bei unseren internationalen Aktivitäten aus diesem Grund auf die Formulierung "civic education" oder "active citizenship education" verständigt, die einen breiten Ansatz des Demokratie Lernens verfolgt.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich politische Bildung in Deutschland über die Reeducation, die Erziehung zur Demokratie, definiert. Nach der deutschen Wiedervereinigung war eine Relegitimierung notwendig. Der Bundeszentrale ist dieser Prozess der Neubegründung der Disziplin gelungen. Heute geht bei unseren Aktivitäten darum, die Aufgabe, politisches Wissen als langfristige Investition in die Demokratie und damit in jeden einzelnen Bürger zu begreifen.

    Ich will hier nur drei Kernpunkte skizzieren, die unser Verständnis über Inhalte und Aufgaben politischer Bildung widerspiegeln und die aus meiner Sicht auf die Notwendigkeit einer aktiven europäischen Bürgerschaftsbildung übertragbar sind:

  • die Förderung der Gestaltungskompetenzen des Einzelnen: als ein Kernelement des politischen Bildungsauftrags bedeutet Gestaltungskompetenz die Kunst, Bezüge herzustellen, über den Tellerrand zu gucken, zu kooperieren, zu vernetzen, zu planen.

  • die Stärkung des unabhängigen, kritisch-aufgeklärten Denkens: der strukturelle, transnationale Wandel auf allen Gebieten erfordert eine neue Art des Denkens, der globalen Interaktion und Kommunikation

  • die Vertiefung der Partizipationskompetenz: Politische Bildung will jeden Einzelnen in die Lage versetzen, teilzuhaben an der Gestaltung der Zukunft und an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen. Sie befördert damit die Entstehung einer aktiven Bürgergesellschaft und stärkt deren Engagement zur Bewältigung der Herausforderungen in Politik, Wirtschaft und Kultur.

    Ausdruck finden diese Leitbilder in einer vielseitigen Leistungspalette, die wir anbieten, dazu gehören Printprodukte und diverse Veranstaltungsformate, wie Tagungen, Kongresse, Festivals, Messen, Ausstellungen, Studienreisen, Wettbewerbe, Kinoseminare und Kulturveranstaltungen sowie Events und Journalistenweiterbildungen. Besonders hervorzuheben das Online-Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung, dass sich wachsender Zugriffszahlen erfreut. Unter bpb.de können Sie sich über uns, unser gesamtes Angebot, aber auch mittels Hintergrundberichte und Dossiers über aktuelle kontroverse Themen und Zusammenhänge informieren. Online-Bestellungen sind ebenso möglich wie das Abonnieren von diversen Online-Newsletters, wie z.B. die Linksliste zum 11.9., die täglich kommentierte Verweise über den 11.9. und seine Folgen aufbereitet – ein u. a. mittlerweile anerkanntes Tool für den Unterricht. Ferner haben wir mit fluter.de ein neues interaktives Online-Jugendmagazin von und für Jugendliche geschaffen – ein unkonventionelles Online-Tool, dass politische Themen ansprechend aufbereitet und für Jugendliche attraktiv zum Mitmachen aufbereitet.

    Ingesamt vermitteln diese unterschiedlichen Bildungsangebote Einblicke in die historischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge politischer, kultureller, sozialer sowie wirtschaftlicher Prozesse. Als eine Institution der staatlich verfassten politischen Bildung in Deutschland fördern wir zudem Veranstaltungen von mehr als 300 anerkannten Bildungseinrichtungen, Stiftungen und regierungsunabhängigen Organisationen

    Worin also liegt unser spezielles Interesse am European LAB begründet?

    1) allgemein: politische Bildung, besser eine aktive Bürgerschaftsbildung in und für Europa ist ohne die Vermittlung kultureller Werte und eines kulturellen Bewusstseins nicht denkbar. Denn Kunst und Kultur bilden die kreativen Räume für Prozesse der kollektiven Selbstbefragung und Selbstvergewisserung. Kulturelle Netzwerke sind die zeitgemäße Organisations- und Kommunikationsform, damit Kunst und Kultur transnational werden und agieren können, ohne auf fest gefügte Strukturen angewiesen sein zu müssen. Und Netzwerke schaffen ein Europa der Projekte und damit eine zukunftsfähige "Agora", wo eine europäische Öffentlichkeit entstehen und sich zivilgesellschaftliche und politische Partizipation ausdrücken und verwirklichen kann.

    Die Einrichtung eines European LAB mit seinen zentralen Zielsetzungen der transnationalen Koordination und des Monitoring, der Informationsaufbereitung und -beschaffung, aber auch der kulturellen Informationsproduktion und -distribution wird entscheidend und nachhaltig dazu beitragen, dass diese Netzwerke gezielter untereinander, aber auch mit den kulturpolitischen Entscheidungsstrukturen Synergien bilden können; dass kulturelle Akteure schneller und effizienter über kulturpolitische Maßnahmen und Förderungen informiert sind und somit langfristiger arbeiten können; ein European LAB wird letztlich sowohl zur Stärkung regionaler kultureller Strömungen als auch zur Erfassung und Verwertung globaler Trends und Einflüsse dienen.

    Bisherige Bestrebungen kulturpolitische Gemeinsamkeiten auf europäischer Ebene zu bilden und zu bündeln, können mit dem European LAB jetzt noch besser kanalisiert und gezielter in die politischen und administrativen Entscheidungsebenen hinein gegeben werden. Somit wird mit der Einrichtung eines European LAB ein notwendiger gemeinsamer kulturpolitischer Gestaltungsanspruch in Europa, der erst rudimentär vorhanden ist, erfüllt.

    Das European LAB in der geplanten Organisationsform und inhaltlichen Struktur wird also über die bisherigen Ansätze einer europäischen Kulturpolitik hinaus gehen. Es wird aus meiner Sicht auf der europäischen Ebene mittel- und langfristig ein gewichtiger Motor für kulturelle Innovationen, aber auch für die Vertiefung der europäischen Einheit und Identität, also letztendlich Motor für die Bildung einer europäischen Wertegemeinschaft werden. Und in diesem Punkt treffen die Interessen eines kulturellen Bewusstseins und einer Bildung zur Förderung von aktiver Bürgerschaft und Partizipation aufeinander.

    2) daran anknüpfend besteht das konkrete Interesse meiner Organisation in der Unterstützung eines Projektes innerhalb des European LAB, und zwar der Einrichtung des vorgesehenen Medien-Portals. Das in Europa beklagte und evidente Demokratiedefizit existiert auch und vielleicht auch aufgrund der Ermangelung einer mündigen europäischen Öffentlichkeit. Für uns als einer zwar primär national ausgerichteten Organisation, die sich aber verstärkt internationalen Prozessen öffnet und multilaterale Kooperationen anstrebt, besteht ein grundlegender öffentlicher Auftrag und damit ein substanzielles Interesse an der nationalen Aufbereitung und Vermittlung transnationaler Diskurse aus Politik, Gesellschaft und Philosophie, an der Übersetzung führender europäischer Denkschriften und zeitgenössischer und zeitgeschichtlicher Essays, um die wachsende praktische Nachfrage in Deutschland zu befriedigen. Denn europäisches Denken, vielleicht besser noch vernetztes europäisches Denken, ist mittlerweile das Top-Thema auf der Agenda der Bürger. Um Veränderungsprozesse zu verstehen, reicht eine nationale Vermittlungseben nicht mehr aus. Aber auch der reine Blick über den Tellerrand ist unbefriedigend, denn die Veränderungsprozesse sind komplexer und vielschichtiger geworden und nicht mehr durch eine reine Informationsaufbereitung zu erklären. Es wird darauf ankommen, die "diversity of ideas and thoughts" greifbar und für den Bürger in seiner unmittelbaren Lebenswirklichkeit nachvollziehbar zu machen. Folglich erhoffen wir uns von dem interaktiven Medien-Portal des European LAB eine über den reinen Informationsbedarf hinausgehende neue kulturelle Produktivität und intellektuelle Stimulanz, die keine gängigen Klischees und Stereotypen vermitteln, sondern neue europäische Diskurse auf den Weg bringen.

Fussnoten