Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Offene Daten in Deutschland | Open Data | bpb.de

Open Data Einführung Was sind offene Daten? Nutzen offener Daten Offene Daten in Deutschland Globale Entwicklung Open Data und Transparenz Datenjournalismus Lokale Datenprojekte Fallbeispiele Gerüst für Open-Data-Portal steht Redaktion

Offene Daten in Deutschland

Daniel Dietrich

/ 8 Minuten zu lesen

Auch in Deutschland ist die Diskussion um offene Daten in vollem Gange. Das Bundesministerium des Inneren will bis 2012 eine "Open Government Strategie" erarbeiten. In vielen Kommunen gibt es erste Anwendungen.

Mit dem "Apps für Deutschland" Wettbewerb will das Innenministerium die Entwicklung neuer Open Data Anwendungen fördern. (© apps4deutschland.de)

Auch in Deutschland sind die Themen Transparenz und offene Daten angekommen: Auf der politischen Agenda verschiedener Parteien und in parlamentarischen Debatten ebenso wie im Modernisierungsprogramm Externer Link: Vernetzte und transparente Verwaltung von 2010 der Regierungskoalition. So soll im Bundesministerium des Inneren (BMI) bis 2012 eine Externer Link: Open Government Strategie für Deutschland erarbeitet und bis 2013 mit ersten Externer Link: Pilotprojekten die Umsetzung begonnen werden.

In einzelnen Städten und Gemeinden entstehen Pilotprojekte, initiiert von Personen innerhalb wie außerhalb der Verwaltung. Mit dem Open Data Network, der Open Knowledge Foundation Deutschland und dem Government 2.0 Netzwerk Deutschland sind drei zivilgesellschaftliche Interessenvertretungen entstanden, die sich für diese Themen einsetzen. Es gibt Kongresse und Veranstaltungen und in zahlreichen deutschen Medien und Zeitungen ist eine Zunahme von Artikeln, Visualisierungen und Interviews zum Thema zu verzeichnen. Es ist insgesamt positiv zu bewerten, dass Bewegung in die Debatte gekommen ist - auch wenn diese noch am Anfang steht. Vor allem in der Umsetzung, Daten des öffentlichen Sektors zugänglich zu machen, gibt es bisher wenig vorzeigbare Projekte in Deutschland.

Die komplexe und föderale Struktur des öffentlichen Sektors in Deutschland und die daraus resultierende Heterogenität hat direkte Auswirkungen auch auf die zugrundeliegende IT-Landschaft von Verwaltung und Politik. Zum einen gliedert die föderale Staatsorganisation in Deutschland die Verwaltungslandschaft in die drei Ebenen: Bund, Länder und Kommune. Zum anderen gilt innerhalb dieser Ebenen zusätzlich die Ressorthoheit. Ministerien, Behörden und ihre nachgeordneten Einrichtungen betreiben weitestgehend nach Ressortgrenzen getrennt jeweils unabhängig voneinander wenig integrierte IT-Infrastrukturen. Obwohl umfassende Bestände von Informationen und Daten in elektronischer Form in diversen Datenbanken und IT-Systemen vorliegen, ist der automatische Zugriff, die Veröffentlichung und Weiter- und Wiederverwendung der Daten zurzeit schwierig oder gar unmöglich.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Es gibt eine ganze Reihe von Gesetzen und Regelwerken, die die Nutzung, Weiterverarbeitung und Weiterverbreitung von Daten des öffentlichen Sektors in Deutschland regeln. Den voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen regeln das "Externer Link: Informationsfreiheitsgesetz" (IFG) auf Bundesebene und die Informationsfreiheitsgesetze auf Länderebene. Die Weiterverarbeitung wird im "Externer Link: Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen" (IWG) geregelt. Eigentumsrechte werden durch das "Externer Link: Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte" (UrhG) und Datenschutz und Persönlichkeitsrechte durch das Externer Link: IBundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Landesdatenschutzgesetze geregelt. Dazu kommen eine ganze Reihe weiterer Gesetze, wie etwa das Externer Link: Umweltinformationsgesetz (UIG), das Externer Link: Verbraucherinformationsgesetzes (VIG), das Externer Link: Geodatenzugangsgesetz (GeoZG) und das Externer Link: Satellitendatensicherheitsgesetz (SatDSiG).

Manche Gesetze, wie das IWG, gelten für Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen. Für andere Gesetze, wie etwa das IFG, UIG und VIG, bedarf es jeweils der Gesetze auf Bundes- und Länderebene. Dazu kommen eine ganze Reihe weiterer Gesetze und Verordnungen auf Länder- und kommunaler Ebene.

Eine Besonderheit in Deutschland ist das föderale System, das den Ländern in bestimmten Fragen eine weitreichende Autonomie gegenüber dem Bund gibt. Als Beispiel dafür kann das Vermessungswesen gelten: Weil im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland keine andere Regelung getroffen wurde, besitzen die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz für das amtliche Vermessungswesen. Auch die Kommunen haben eine gewisse Autonomie gegenüber den Ländern. In Deutschland werden viele Daten unter kommunaler Aufsicht erhoben und verwaltet. Das Resultat ist eine uneinheitliche Gesetzgebung auf allen föderalen Ebenen.

Im folgenden soll nur kurz auf drei Gesetze eingegangen werden die für Zugang zu und Weiterverarbeitung von Daten des öffentlichen Sektors in Deutschland eine besondere Rolle spielen.

Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen

Externer Link: - IWG

Das ist ein Bundesgesetz und gilt somit für alle föderalen ebenen. Das IWG ist die Impelmentierung der Externer Link: EU PSI Direktive 2003/98/EC (PDF) (public sector information re-use in Europe) in deutsches Recht und ist seit Dezember 2006 in Kraft. Die PSI soll die Weiterverarbeitung von Daten des öffentlichen Sektors verbessern doch die darin enthaltenen Formulierungen hinsichtlich von Formaten, Lizenzen und Preismodellen sind so vage, dass die Mitgliedstaaten die PSI-Richtlinie sehr unterschiedlich umgesetzt haben. So gibt es große Unterschiede vor allem hinsichtlich eines einfachen Zugangs und der Gebührenmodelle.

In Deutschland beinhaltet das IWG keinen Rechtsanspruch auf Zugang zu Informationen. Zu Lizenzen und Formaten wird nichts gesagt und zu eventuellen Gebühren wird lediglich festgelegt, dass diese nicht-diskriminierend und für alle Marktteilnehmer gleich sowie transparent und nachvollziehbar sein müssen.

Informationsfreiheitsgesetz

- Externer Link: IFG

Deutschland hat seit 2006 ein Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene. Dieses garantiert jeder Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Eine Begründung durch Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Art ist nicht erforderlich. Von den 16 Bundesländern haben 11 Informationsfreiheitsgesetze eingeführt, bei den übrigen fünf fehlt jegliche rechtliche Grundlage, die den Zugang zu Behördeninformationen auf Landesebene regeln könnte. Die Informationsfreiheitsgesetze auf Bundes- wie auf Länderebene enthalten zahlreiche Ausnahmetatbestände, durch die der Rechtsanspruch auf Informationszugang eingeschränkt oder ganz verwehrt werden kann. So darf ein Zugang zu personenbezogenen Daten nur dann gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegt oder der Betroffene eingewilligt hat. Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wird nur mit Zustimmung des Unternehmens gewährt. Kein Informationszugangsrecht besteht, wenn dadurch geistiges Eigentum in Gefahr gerät.

Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Informationsfreiheit, verweist auf die fehlende Kultur der Informationsfreiheit in den Köpfen und bemängelt die Praxis deutscher Behörden im Umgang mit Anfragen nach dem IFG.

"Bisweilen drängt sich einem der Eindruck auf, manche Behörden legen es geradezu darauf an, durch eine restriktive Handhabung des Gesetzes, überlange Verfahrensdauer und erhebliche Gebühren diejenigen Bürgerinnen und Bürger zu entmutigen, die ihren Informationszugangsanspruch geltend machen. Die Verwaltung sollte das Interesse an ihrer Arbeit und die Nachfragen der Bürgerinnen und Bürger nicht als Belästigung oder Angriff werten, sondern als die Chance begreifen, das Vertrauen in ihre Tätigkeit zu festigen und ihr Handeln transparent zu machen." (Quelle: Externer Link: 2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit)

Die Verbindung zu offenen Daten ist offensichtlich: Zum einen ist im IFG der Rechtsanspruch auf Zugang zu Informationen, samt Schiedsinstanz geregelt, zum anderen kann eine Informationsfreiheitsgesetzgebung auch die pro-aktive Veröffentlichung von Amtlichen Informationen vorsehen, wie dies beispielsweise in Externer Link: Bremen der Fall ist.

Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG)

In manchen Ländern sind Daten des öffentlichen Sektors gemeinfrei. In den USA etwa alle Daten von Bundesbehörden. In Deutschland regelt §5 Urheberrecht den urheberrechtlichen Schutz von amtlichen Werken. Dort heißt es:

(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfasste Leitsätze zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.

(2) Das gleiche gilt für andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit der Einschränkung, dass die Bestimmungen über Änderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und § 63 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind.

(3) Das Urheberrecht an privaten Normwerken wird durch die Absätze 1 und 2 nicht berührt, wenn Gesetze, Verordnungen, Erlasse oder amtliche Bekanntmachungen auf sie verweisen, ohne ihren Wortlaut wiederzugeben. In diesem Fall ist der Urheber verpflichtet, jedem Verleger, zu angemessenen Bedingungen, ein Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung einzuräumen. Ist ein Dritter Inhaber des ausschließlichen Rechts zur Vervielfältigung und Verbreitung, so ist dieser zur Einräumung des Nutzungsrechts nach Satz 2 verpflichtet.

Auf den ersten Blick könnte man also meinen, "Amtliche Werke" unterliegen in Deutschland nicht dem Immaterialgüterrecht und sind somit durch jedermann für jegliche Zwecke, mit zwei Einschränkungen, nutzbar: dem Änderungsverbot und der Verpflichtung zur Quellenangabe. Würde man eine Klassifizierung für Amtliche Werke aus §5 Urheberrecht ableiten, hätte man also die Optionen:

  • Amtliche Werke, gemeinfrei

  • Amtliche Werke, Änderungsverbot

  • Amtliche Werke, Verpflichtung zur Quellenangabe

  • Amtliche Werke, Änderungsverbot & Verpflichtung zur Quellenangabe

Würden alle Daten des öffentlichen Sektors in Deutschland unter eine dieser Kategorien fallen und entsprechend ausgezeichnet sein, wäre eine wesentliche Hürde für die Weiterverarbeitung und Weiterverbreitung von Daten des öffentlichen Sektors in Deutschland überwunden.

Herausforderungen und Chancen

Zuständigkeiten für Erfassung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten des öffentlichen Sektors sind in Deutschland aufgrund der föderalen Struktur sehr heterogen. Das wirkt sich auch auf die Art der Datenbereitstellung aus. Daten werden durch die unterschiedlichen Akteure meist nicht in standardisierten Web-Formaten bereitgestellt, sondern in Tabellen, Fließtexten auf Webseiten oder PDF-Dateien. Die vorhandenen Formate eignen sich nur eingeschränkt für eine maschinelle Auswertung und Einbindung in bestehende Web-basierte und mobile Anwendungen. Ausserdem wird die Nutzung der Daten durch uneinheitliche und teilweise inkompatible Nutzungsrechte und Lizenzen unnötig erschwert. Preismodelle jenseits der Grenzkosten behindern Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Daraus ergibt sich eine Herausforderung für die Weiterverarbeitung der Daten.

Zusätzlich zu der Verwendung von unterschiedlichen Formaten und Lizenzen stellt auch die Heterogenität der verwendeten Vokabulare und Klassifikationen zur semantischen Beschreibung der Daten eine Herausforderung bei der Aggregation und übergreifenden Auswertung von öffentlichen Datenbeständen dar.

Aufgrund dieser Herausforderungen bleibt das Potential, öffentliche Daten über Verwaltungsebenen und -grenzen hinweg effektiv auszutauschen, aufzubereiten und für Bürger, Wirtschaft und Wissenschaf zur Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen, leider weitgehend ungenutzt. Um der föderalen und dezentralen Struktur des öffentlichen Sektors in Deutschland gerecht zu werden, ist ein rein zentralistisch ausgerichteter Ansatz eines "One-Stop-Shop" zur Bereitstellung von öffentlichen Daten nicht zielführend. Vielmehr liegt die Herausforderung in der Entwicklung eines dezentralen, föderieren Ansatzes, der Verwendung offener Standards, Formate und Lizenzen eine übergreifende Bereitstellung und Weiterverwendung von öffentlichen Daten in Deutschland ermöglicht.

In Deutschland bleibt viel zu tun in Sachen offene Daten. Rechtliche Rahmenbedingunegn sollten es deutschen Behörden ermöglichen über alle Verwaltungsebenen und -grenzen sowie über alle föderalen Ebenen hinweg Daten des öffentlichen Sektors bereitzustellen und miteinander zu vernetzen. Dabei müssen möglicherweise Behördeninterne Prozesse geändert werden, etwa wenn in Zukunft nach einem reformierten Informationsfrieheitsgesetz alle Behörden dazu angehalten sind den Großteil ihrer Daten pro-aktiv zu veröffentlichen.

Eine weitere Herausforderung ist die Schaffung von Rechtssicherheit für die Weiterverarbeitung und Weitergabe von Daten. Für die Nutzung und Weitergabe der Daten sind transparente rechtliche Regelungen zu schaffen. Dabei sollten einfache und einheitliche Lizenzmodelle verwendet werden sollten. Auch ist darauf zu achten, dass kein Wildwuchs von rechtlichen Regelungen entsteht, der Unternehmen, Verwaltungen und Bürger hinsichtlich der Nutzung der Daten verunsichert bzw. künstlich einschränkt. Durch die Verwendung international anerkannten Standard-Lizenzen kann die Kompatibilität mit anderen Lizenzen gewährleistet werden.

Abschließend kann gesagt werden, dass die Öffnung von Regierung und Verwaltung nach innen und nach aussen sowie die Öffnung der Daten des öffentlichen Sektors einen kulturellen Wandel darstellt. Dieser kann nur gelingen, wenn es gelingt, die Köpfe und Herzen aller Beteiligten in Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zu gewinnen. Um dies zu meistern brauchen wir einen Dialog der alle Interessengruppen miteinbezieht und Sorgen und Wiederstände ernst nimmt um gemeinsam bessere Lösungen zu finden.

Weitere Inhalte

Daniel Dietrich, studierte Politikwissenschaft, visuelle Kommunikation und Produktdesign in Frankfurt und Berlin. Er ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin im Fachbereich Informatik und Gesellschaft tätig. Er ist offizieller Repräsentant der Open Knowledge Foundation in Deutschland. Für die Open Knowledge Foundation ist er Projektkoordinator der Open Definition und der Arbeitsgruppe zu Open Government Data. Er ist Mitgründer des Open Data Network.