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Flucht und Asyl | Kroatien | bpb.de

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Flucht und Asyl

Pascal Goeke

/ 3 Minuten zu lesen

Die kroatische Flüchtlings- und Asylthematik ist stark von den Jugoslawienkriegen in den 1990er Jahren und zunehmend deutlicher von der Annäherung an die EU im 21. Jahrhundert geprägt. Entsprechend ist zwischen den Spätfolgen der Jugoslawienkriege einerseits und den aktuellen Zuwanderungen von Flüchtlingen und der darauf ausgerichteten Asylpolitik andererseits zu unterscheiden. Numerisch bedeutsam sind gegenwärtig allein die Spätfolgen der Kriege. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen zählte im Januar 2012 24.301 Personen in Kroatien und 85.402 Personen aus Kroatien als Personen, denen es sich verpflichtet fühlt (›Population of Concern‹). Nur bei wenigen dieser Personen ist der Status rechtlich eindeutig (zum Teil auch deshalb, weil z. B. der Status ›zurückgekehrter Flüchtling‹ mit hohen Auflagen verbunden ist). Ungleich häufiger sind die Fälle bei denen Personen zum Beispiel von Staatenlosigkeit bedroht sind oder auf Rückkehrmöglichkeiten warten und genau deshalb vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR beobachtet werden. Die nachstehende Tabelle gibt Auskunft über die innere Differenzierung dieser Gesamtzahlen.

Tabelle 6: Momentaufnahme der Flüchtlingssituation im Januar 2012

Flüchtlinge und Vertriebene in KroatienFlüchtlinge und Vertriebene aus Kroatien
Flüchtlinge 82462.649
Asylbewerber 235739
Zurückgekehrte Flüchtlinge (im Jahr 2011) 439439
Binnenflüchtlinge 00
Zurückgekehrte Binnenflüchtlinge (im Jahr 2011) 6767
Staatenlose 1.720-
Verschiedene 21.01621.508
Insgesamt24.301 85.402

Asylrecht

Das erste Asylrecht Kroatiens wurde 2004 erlassen. Diese Etablierung wie auch die konkrete Ausgestaltung des Asylrechts standen deutlich unter den Bedingungen der angestrebten EU-Mitgliedschaft. Mit Blick auf das Kapitel 24 des Acquis Communitaire (Justiz, Freiheit und Sicherheit) hat sich Kroatien verpflichtet, Europäisches Gemeinschaftsrecht anzuwenden bzw. die eigene Gesetzgebung mit dem Europäischen Recht zu harmonisieren und den Anforderungen der Genfer Konvention sowie dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge zu entsprechen. Zwei Jahre nach Erlass des Gesetzes wurde das Recht auf Asyl 2006 zum ersten Mal gewährt. Das Asylrecht sieht unterschiedliche Schutzstatus und Integrationsmaßnahmen vor. Es regelt Aufenthalts-, Unterkunfts-, Arbeits-, Gesundheitsversorgungs- und Bildungsfragen, gewährt Religionsfreiheit, das Recht auf Familienzusammenführung, das Recht auf Zugang zum Rechtssystem sowie soziale Unterstützung und Integrationshilfe. In der Praxis sorgen verschiedene Ministerien und andere Institutionen wie etwa das Rote Kreuz dafür, dass diese Rechte auch gewährt und umgesetzt werden.

Asylbewerberzahlen

Die Asylbewerberzahlen sind bisher niedrig, wenn auch zuletzt deutlich gestiegen. Laut Šabiæ et al. – die Zahlen variieren von Quelle zu Quelle leicht –, beantragten bis zum 6.10.2011 insgesamt 1.539 Personen Asyl. Gewährt wurde das Recht im gleichen Zeitraum 22 Personen, weitere 22 Personen erhielten subsidiären Schutz. Den Zahlen nicht zu entnehmen ist der Unterschied zwischen jenen Asylverfahren, die negativ beschieden und jenen, die eingestellt wurden, weil die Antragsteller/-innen das Verfahren abbrachen und in ein anderes Land – vorzugsweise und vermutlich ein EU-Mitgliedsland – migrierten. Nach Angaben des UNHCR Kroatien ist letzteres in immerhin 80 Prozent aller Anträge der Fall gewesen. Im Vergleich zu 44 anderen europäischen und nicht-europäischen Industriestaaten belegte Kroatien im Jahr 2011 den 27. Platz, wenn die Anzahl der Asylbewerber auf die Bevölkerung insgesamt bezogen wird, und den 28. Platz, wenn das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf vergleichend herangezogen wird. Diesen niedrigen Zahlen entsprechend wird das Thema Asyl weder von den politischen Parteien noch von einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Auch dürften die geringen Fallzahlen für die bisher weitgehend reibungslose Bearbeitung von Asylanträgen verantwortlich sein. Ob die derzeit eingerichteten Koordinations- und Kommunikationswege auch für größere Fallzahlen geeignet sind und wie die kroatische Bevölkerung auf einen eventuellen Anstieg reagiert, kann derzeit nicht seriös beantwortet werden. Die Attraktivität von EU-Mitgliedstaaten insgesamt, die geographische Lage Kroatiens und seine zukünftige Position an der EU-Außengrenze sowie die EU-Regeln zu Asylverfahren (Dublin-II-Verordnung) lassen allerdings einen Anstieg der Asylbewerberzahlen mit dem EU-Beitritt Kroatiens wahrscheinlich werden.

Tabelle 7: Zahl der Asylanträge in Kroatien

20072008200920102011
Asylanträge200160150290810

Quelle: UNHCR (2012), S. 20

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Dr. Pascal Goeke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut der Universität Zürich.
E-Mail: E-Mail Link: pascal.goeke@geo.uzh.ch