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Grundsätze der Steuerpolitik

Constanze Hacke

/ 12 Minuten zu lesen

Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle für den Staat. Bund, Länder und Gemeinden entscheiden, wo die Steuereinnahmen hinfließen, um so ihre Aufgaben erfüllen zu können. Dabei versuchen sie, nicht nur die Steuergelder, sondern auch die Steuerlast möglichst gerecht zu verteilen.

Formulare zur Erstellung der Steuererklärung (© AP)

Einleitung


Steuern sind für alle da. Und jeder zahlt Steuern, manchmal sogar, ohne es zu merken. Wer im Café einen Cappuccino trinkt, sieht auf der Rechnung später nur die Mehrwertsteuer. Die Kaffeesteuer, die im Preis enthalten ist, wandert unbemerkt aus dem Portemonnaie des Kaffeetrinkers in die Kasse des Fiskus. Für eine Tankfüllung Benzin beispielsweise nimmt der Staat neben der allgegenwärtigen Mehrwertsteuer mit jedem Liter von der Zapfsäule auch Energiesteuer ein – und mit jeder Packung Zigaretten zusätzlich zur Umsatzsteuer noch Tabaksteuer. Was aber bekommen wir für diese Steuerzahlungen? Und warum müssen wir überhaupt Steuern zahlen?

Steuern sind die Grundlage eines politischen Systems, sie verschaffen dem Staat Geld, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Steuern sind also vor allem eines: Einnahmen für den Staat. Von diesen Einnahmen werden die Leistungen finanziert, die wir von einem Gemeinwesen erwarten: Bildung, öffentliche Infrastruktur, Gesundheitswesen, soziale Absicherung oder die innere und äußere Sicherheit zählen zu diesen Bereichen. Schulen, Straßen, Krankenhäuser und Kindergärten müssen ebenso bezahlt werden wie Aufgaben im Umweltschutz, die Gerichte oder die Polizei. Steuern werden aber auch dazu genutzt, Verhaltensweisen zu lenken oder Geld mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit umzuverteilen. So ist die Tabaksteuer ein Beispiel dafür, dass der Staat versucht, über hohe Steuern das Rauchen einzudämmen. Und mit dem linear-progressiven Einkommensteuertarif will der Staat erreichen, dass Menschen mit einem hohen Einkommen mehr Steuern zahlen als Leute mit wenig Geld.

Steuern sind also Abgaben, die alle Bürgerinnen und Bürger entrichten müssen. Natürlich können Bund, Länder und Gemeinden auch Schulden machen und Kredite aufnehmen. Aber die Haupteinnahmequelle des Staates sind die Steuern, ohne sie könnte er das Gemeinwesen nicht gestalten. Im Jahr 2011 beliefen sich die Steuereinnahmen auf rund 527,3 Milliarden Euro.

Progressive Besteuerung

Verlauf des Progressiven Tarifs



Was sind eigentlich Steuern?


In dem Gesetz, das in Deutschland die Grundlage für alle Steuern ist – in der sogenannten Abgabenordnung (AO) – ist genau definiert, was Steuern sind: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“ (§ 3 Abs. 1 AO).

Mit anderen Worten: Steuern sind Zwangsabgaben, die Bund, Länder und Gemeinden den Bürgerinnen und Bürgern auferlegen können. Steuern sind außerdem – zumindest heutzutage – nur noch in Euro und Cent aufzubringen; ein Bauer kann daher nicht mit einem Zentner Weizen seine Steuerpflicht erfüllen. Zudem zahlt man Steuern, ohne für das Geld direkt im Gegenzug eine Leistung in Anspruch nehmen zu können. Wer also an der Kasse der Autobahntankstelle die Benzinrechnung bezahlt und damit gleichzeitig die Energiesteuer entrichtet, kann nicht im Gegenzug verlangen, dass die Schlaglöcher auf der Straße ausgebessert werden. Umgekehrt gilt: Der Bürger kann sich nicht weigern, Steuern zu zahlen, weil er mit einer bestimmten Staatsausgabe – beispielsweise für den Ausbau einer Schnellstraße in der Nähe eines Landschaftsschutzgebiets – nicht einverstanden ist.

Steuern dürfen zudem nicht zweckgebunden sein: Jeder Steuer-Euro fließt unabhängig von der Steuerart in die Gesamtmasse des Haushalts, aus dem wiederum alle Ausgaben finanziert werden. Denn alle Einnahmen im Etat müssen zur Finanzierung aller Ausgaben dienen. Es gibt also keinen separaten Straßenbauhaushalt, der sich ausschließlich aus dem Aufkommen der Kfz-Steuer speist. Und angenommen, die Einnahmen aus der Kfz-Steuer würden tatsächlich ausschließlich für den Straßenbau verwendet: Stiegen dann einmal die Kfz-Steuereinnahmen, müssten vermehrt Straßen gebaut werden, nur um das „überschüssige“ Geld loszuwerden. Umgekehrt müssen diejenigen keine Steuern zahlen, die – wie es im Amtsdeutsch heißt – einen bestimmten „Tatbestand“ nicht erfüllen. Das bedeutet: Wer kein Auto besitzt, muss auch keine Kfz-Steuer bezahlen.

Ganz wichtig, auch wenn es nicht ausdrücklich im Gesetz steht: Steuern dürfen nicht willkürlich erhoben werden. Dass Entscheidungen nicht beliebig getroffen werden, gilt natürlich nicht nur für die Steuerpolitik, sondern allgemein für den demokratischen Rechtsstaat: Die Gewaltenteilung zwischen Parlament, Regierung und unabhängiger Justiz schützt die Bevölkerung davor, dass der Staat seine Macht missbraucht. Eine diskriminierende Behandlung, wie in der Zeit des Nationalsozialismus etwa über die „Reichsfluchtsteuer“ für jüdische Bürgerinnen und Bürger, ist heutzutage ausgeschlossen.

Abgrenzung der Steuern von Gebühren und Beiträgen

Neben den Steuern kann der Staat noch andere Abgaben erheben. Diese unterscheiden sich von den Steuern vor allem dadurch, dass es für das Geld eine konkrete Gegenleistung gibt. So zahlt man bei den Gebühren direkt für eine in Anspruch genommene Leistung, zum Beispiel, wenn man im Einwohnermeldeamt einen Reisepass verlängern oder beim Straßenverkehrsamt das Auto zulassen will. In diesen Fällen sind Verwaltungsgebühren zu entrichten. Daneben gibt es Benutzungsgebühren: Dazu zählen beispielsweise der Eintritt ins städtische Schwimmbad oder die jährliche Abrechnung für die Müllabfuhr. Der Fiskus hat noch eine dritte Möglichkeit, Einnahmen zu erzielen, und zwar über Beiträge: Hier werden Kosten für Leistungen, die einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zu Gute kommen, auf diese gesamte Gruppe umgelegt. Das bekannteste Beispiel dafür sind die Beiträge zu unseren Sozialversicherungen, etwa zur Kranken- und Pflegeversicherung. Ein anderes Beispiel: Alle Hausbesitzer eines Neubaugebiets müssen sich über Anliegerbeiträge daran beteiligen, dass das Areal mit Straßen, Kanälen und Leitungen erschlossen wird.

Wer entscheidet über die Steuern?


Deutschland ist ein föderaler Staat; das Grundgesetz weist Bund, Ländern und Gemeinden bestimmte Aufgaben zu: Die Außenpolitik oder auch die Streitkräfte sind beispielsweise Angelegenheiten des Bundes, die Länder müssen sich um Polizei, Schulen und Universitäten kümmern, die Gemeinden zum Beispiel um Kindergärten oder um die Müllabfuhr. Für diese Aufgaben brauchen sowohl Bund, Länder als auch die Kommunen Geld. Deshalb fließen nicht alle Abgaben einfach in einen einzigen gesamtstaatlichen Haushalt.

Die Finanzverfassung, also alle Regeln und Vorschriften, die das öffentliche Finanzwesen betreffen, sind in den Artikeln 104 a bis 108 des Grundgesetzes festgeschrieben. Hier ist festgelegt,

  • wie die Ausgabenlasten verteilt werden,

  • wer die Steuergesetze macht,

  • wer welche Steuereinnahmen erhält,

  • wie die Finanzbeziehungen zwischen den föderalen Ebenen gestaltet sind und

  • wie die Zuständigkeiten von Verwaltung und Gerichtsbarkeit in puncto Steuern aussehen

So regelt Artikel 105 des Grundgesetzes, wer über die Erhebung von Steuern zu bestimmen hat. Damit ist die sogenannte Gesetzgebungskompetenz festgelegt. Wer sie besitzt, darf eine neue Steuer einführen, eine existierende Steuer verändern oder sogar abschaffen. Bei vielen Steuerarten hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, etwa bei der Kfz-Steuer, der Tabaksteuer oder dem Solidaritätszuschlag. In manchen Fällen hat die Europäische Union ein Mitspracherecht, zum Beispiel bei den Agrarabgaben. Die Länder haben etwa bei der Zweitwohnungsteuer oder der Vergnügungssteuer die Kompetenz, Gesetze zu erlassen. Und den Gemeinden steht das Recht zu, die Hebesätze für die Grund- und die Gewerbesteuer festzulegen.

Neben der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz gibt es auch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern: Der Bund hat immer dann Vorfahrt, wenn ihm das Steueraufkommen ganz oder teilweise zusteht oder wenn es aus anderen Gründen Bedarf für ein Bundesgesetz gibt. Die Länder können Steuergesetze erlassen, wenn der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Darüber hinaus wirken die Länder bei allen Gesetzen mit, die der Bundestag beschließt – mit unterschiedlicher Konsequenz: Bei den sogenannten Einspruchsgesetzen kann der Bundesrat Einspruch gegen das vorgelegte Gesetz einlegen. Allerdings kann das Parlament diesen Einspruch zurückweisen. Anders verhält es sich bei den Zustimmungsgesetzen. Hier muss die Länderkammer ausdrücklich zustimmen. Tut sie es nicht, ist das Gesetz vorerst gescheitert; eine Einigung ist dann nur noch über den Vermittlungsausschuss möglich.

QuellentextArtikel 105

Verteilung der Gesetzgebungskompetenz im Steuerwesen

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Wer bekommt die Steuern?


Damit Bund, Länder oder die Städte und Gemeinden die Ausgaben für die ihnen zugewiesenen Aufgaben auch decken können, erhalten sie die Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten, entweder ganz für sich oder untereinander aufgeteilt. Wer welche Steuern bekommt und welche Steuereinnahmen geteilt werden, steht ebenfalls im Grundgesetz: In Artikel 106 ist die sogenannte Ertragskompetenz festgeschrieben. Dort werden die Steuern in vier Kategorien eingeteilt:

  • Gemeinschaftsteuern,

  • Bundessteuern,

  • Ländersteuern und

  • Gemeindesteuern.

Steuerverteilung

Der Bund kassiert die Einnahmen aus der Energie-, der Kraftfahrzeug-, der Strom-, der Versicherung-, der Tabak-, der Branntwein-, der Alkopop-, der Schaumwein-, der Zwischenerzeugnis-, der Kernbrennstoff-, der Luftverkehr- und der Kaffeesteuer. Zu den Bundessteuern zählen zwar laut Finanzverfassung auch die Zölle. Deren Aufkommen fließt jedoch ausschließlich der EU-Ebene zu. Der Solidaritätszuschlag ist ebenfalls eine Bundessteuer, obwohl er eine Ergänzungsabgabe zur (eigentlich zwischen den Ebenen aufgeteilten) Einkommen- und Körperschaftsteuer ist.

Die Länder erhalten die alleinigen Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer, der Grunderwerb-, der Bier-, der Feuerschutz- sowie der Rennwett- und Lotteriesteuer und der Spielbankabgabe. Und die Kommunen dürfen die Einnahmen aus der Grundsteuer und kleineren eigenen Steuern wie der Hunde-, der Getränke-, der Zweitwohnung- oder auch der Vergnügungsteuer behalten. Es gibt allerdings auch Angelegenheiten, die gemeinsam erledigt werden. Aus diesem Grund werden die Steuereinnahmen aus den aufkommenstärksten Steuerarten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geteilt – natürlich auch, damit alle davon profitieren können. Diese Gemeinschaftsteuern, auch Verbundsteuern genannt, sind Steuern, deren Erträge mindestens zwei staatlichen Ebenen zustehen. Zu den Gemeinschaftsteuern zählen die Lohn- und Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Abgeltungsteuer oder auch die Umsatzsteuer. Bei der Jagd- und Fischereisteuer sowie der Schankerlaubnissteuer gehen die Erträge sowohl an die Kreise als auch an die Gemeinden. In allen Fällen werden die jeweiligen Anteile nach bestimmten Schlüsseln zugewiesen.

Steuerkompetenzen

Von einem Euro Lohn- und Einkommensteuer erhalten Bund und Länder beispielsweise jeweils 42,5 Cent, die Kommunen bekommen 15 Cent. Bei der Abgeltungsteuer werden die Gemeinden am Aufkommen der Einnahmen beteiligt, die bislang dem Zinsabschlag unterlagen, und zwar mit einer Quote von zwölf Prozent. Die Städte und Gemeinden müssen wiederum einen Teil der Gewerbesteuer über die sogenannte Gewerbesteuerumlage an die Länder und den Bund abgeben. Der genaue Anteil wird mithilfe eines komplizierten Verfahrens errechnet: Das Gewerbesteueraufkommen einer Kommune wird durch den Hebesatz, der von der Gemeinde erhoben wird, geteilt und mit einem Vervielfältiger multipliziert.

Wer erhebt die Steuern?


Natürlich muss sich jemand darum kümmern, dass die Steuern eingetrieben werden. Ob die Bundesfinanzbehörden, die Landesfinanzbehörden oder die Gemeinden für die jeweilige Steuer zuständig sind, ist in Artikel 108 des Grundgesetzes geregelt. Dort ist die Verwaltungskompetenz für die Steuern festgelegt.

Die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern sowie die Einfuhrumsatzsteuer werden durch die Bundesfinanzbehörden verwaltet, die damit auch den Aufgabenbereich des Zolls wahrnehmen. Um die Erbschaft- und Schenkungsteuer etwa kümmern sich die Länder; die Gemeinden und Kreise verwalten beispielsweise die Jagd- und Fischereisteuer sowie die Schankerlaubnissteuer.

Es ist jedoch nicht immer der Fall, dass die Einnahmen aus einer Steuer, die von einer bestimmten Ebene verwaltet werden, auch der gleichen Ebene zufließen: So überwacht der Bund innerhalb der Zollverwaltung zwar die Biersteuer, das Aufkommen daraus steht aber den Ländern zu. Umgekehrt treiben die Länder im Auftrag des Bundes die Umsatzsteuer ein, von der sie allerdings einen Anteil erhalten.

QuellentextDie Föderalismusreformen I und II

In zwei Stufen ist in den vergangenen Jahren das föderalistische Gefüge der Bundesrepublik reformiert worden. 2006 trat die erste Föderalismusreform in Kraft. Hier wurden die politischen Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern neu geordnet. Zum einen wurde die Zahl der Gesetze, denen der Bundesrat zustimmen muss, verringert, zum anderen wurden die Zuständigkeiten für bestimmte Bereiche getauscht. Die Länder sind nun beispielsweise verantwortlich für die soziale Wohnraumförderung, den Strafvollzug und den Ladenschluss. Das Meldewesen oder auch die Atomenergie sind seitdem Bundessache.

Die zweite Föderalismusreform hatte zum Ziel, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern zu modernisieren. 2009 einigte sich die Föderalismuskommission II auf Verfassungsänderungen, die vor allem eines zum Ziel hatten: die staatliche Kreditaufnahme zu begrenzen. In Artikel 115 des Grundgesetzes wurde daher eine neue Schuldenregel festgeschrieben. Demnach sind Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen.

Der Bund darf künftig nur noch eine strukturelle Verschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausweisen. Ausnahmen sind allein in außergewöhnlichen Notsituationen – zum Beispiel einer tiefen wirtschaftlichen Rezession – oder im Fall von Naturkatastrophen gestattet. Kredite, die aufgenommen werden, um den Aufschwung anzukurbeln, müssen „konjunkturgerecht“ zurückgeführt werden.

In einer Übergangsphase dürfen Bund und Länder noch von dieser Schuldenregel abweichen (Bund: bis 2015; Länder: bis 2019). Darüber hinaus erhalten die Länder Bremen, Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein aufgrund ihrer besonders schwierigen Haushaltslage für die Jahre 2011 bis 2019 jährlich insgesamt 800 Millionen Euro. Die Länder verpflichten sich im Gegenzug, ihre Finanzierungsdefizite in dieser Zeit zurückzuführen.

Die Föderalismuskommission einigte sich auch auf ein Frühwarnsystem, mit dem neue Haushaltsnotlagen vermieden werden sollen: Der neue Stabilitätsrat überwacht nun die Haushalte von Bund und Ländern, stellt drohende Haushaltsnotlagen fest und leitet Sanierungsverfahren ein. Im Stabilitätsrat sitzen der Bundesfinanzminister und die Finanzminister der Länder sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie. Die Beschlüsse des Stabilitätsrats werden veröffentlicht (http://www.stabilitaetsrat.de).

Auch verwaltungstechnisch hat sich mit der Föderalismusreform II einiges geändert: So wurden aus Effizienzgründen die Verwaltungskompetenzen für die Versicherung- und die mit ihr eng verbundene Feuerschutzsteuer von den Ländern auf den Bund übertragen. Die Verwaltungsaufgaben für beide Steuern werden seit 2010 beim Bundeszentralamt für Steuern gebündelt.

Auf eine zentralisiert organisierte Steuerverwaltung beim Bund konnte sich die Kommission nicht einigen. Offen ist noch, ob eine dritte Reformstufe folgt, die sich mit den Finanzbeziehungen zwischen den Ländern befasst. Der Länderfinanzausgleich läuft 2019 aus und muss spätestens dann neu geregelt werden.

Wie soll ein Steuersystem gestaltet werden?


Da Steuern nun einmal notwendig sind, stellt sich die Frage, wie die Steuerlast auf die Bürgerinnen und Bürger verteilt werden soll. In der freien Wirtschaft bildet sich der Preis über Angebot und Nachfrage. Übertragen auf ein Steuersystem würde dies bedeuten: Jeder beteiligt sich an den Kosten nach dem individuellen Nutzen, den er aus den verschiedenen Leistungen des Staates zieht; in der Steuerlehre wird das als Äquivalenzprinzip bezeichnet. Der Nutzen der verschiedenen Leistungen müsste demnach jedem Einzelnen genau zugerechnet werden. Dieser könnte dann exakt den (Steuer-)Preis für die von ihm individuell genutzten Leistungen bezahlen. Das aber dürfte in der Praxis recht schwierig werden. Denn natürlich gibt es bei den verschiedensten öffentlichen Ausgaben nicht ausschließlich individuell bestimmbare Leistungen: An den Schulen beispielsweise müssen die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer fortlaufend weiter bezahlt und das Schulgebäude instand gehalten werden – auch wenn die Kinder nicht in der Schule sind.

Wenn Steuern also nicht nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip berechnet werden können, dann vielleicht danach, was der Einzelne in der Lage ist zu zahlen: Das sogenannte Leistungsfähigkeitsprinzip richtet sich nicht danach, was der Einzelne für sein Geld bekommt, sondern danach, was er für wirtschaftliche Möglichkeiten hat. Aber auch das ist schwer zu messen: Liest man die individuelle Leistungsfähigkeit am Einkommen ab oder am Vermögen? Wird sie danach bemessen, was der Einzelne kauft und konsumiert, oder danach, wie viel er spart? Über diese Fragen zerbricht sich die Wissenschaft schon seit Jahrhunderten den Kopf. Denn eines ist klar: Die Bürgerinnen und Bürger sollen zwar Steuern zahlen, aber nicht durch Steuern geschröpft werden. Schließlich liegt es im Interesse des Staates, dass die Quelle der Einnahmen nicht versiegt, sprich, dass die Menschen auch langfristig bereit und fähig sind, ihre Steuern zu zahlen.

Wie das funktionieren könnte, haben sich schon die Ökonomen des 18. Jahrhunderts überlegt. Adam Smith hat 1776 in seinem Buch The Wealth of Nations Forderungen an ein „gutes“ Steuersystem aufgestellt, die zwar heute etwas eigentümlich klingen, aber immer noch Geltung haben:

  • Wohlfeilheit,

  • Bequemlichkeit,

  • Bestimmtheit und

  • Gleichheit.

Er vertrat die Meinung, dass der Staat bei der Erhebung von Steuern darauf achten muss, dass die Kosten dafür nicht zu hoch werden. Er nannte dies „Wohlfeilheit“ – heute würde man es eher als Effizienz bezeichnen. Außerdem müsse der Staat die negativen ökonomischen Reaktionen der Bürger in Grenzen halten. Was Smith hier mit dem Begriff „Bequemlichkeit“ benennt, bedeutet im Klartext: Die Besteuerung soll sich möglichst nicht hemmend auf die Wirtschaftstätigkeit auswirken. Wenn die Steuersätze immer weiter steigen, sind die Steuerpflichtigen möglicherweise nicht dazu bereit, für mehr Geld auch mehr zu arbeiten, da ihnen netto – also nach Abzug von Steuern und Sozialbeiträgen – kaum etwas von ihrem Mehrverdienst übrig bleibt. Und wenn ein Unternehmen zu viele Steuern zahlen muss, von seinem Gewinn also nur wenig oder vielleicht gar nichts übrig bleibt, ist es nicht mehr in der Lage, zu investieren und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen oder bestehende zu erhalten.

Wichtig war für Adam Smith vor allem die Forderung nach der „Gleichheit“ oder auch „Gleichmäßigkeit“ der Besteuerung: Die Steuerzahler sollten die Art und Höhe der Steuern als fair empfinden; demnach würden sie Abgaben auf politischer Ebene nur dann akzeptieren, wenn die Regeln transparent und frei von Willkür sind. Was Smith „Bestimmtheit“ nannte, meint nichts anderes, als dass Steuergesetze und Steuerverwaltung soweit wie nur möglich durchsichtig und vor allem nachvollziehbar sein sollten. Bereits im 18. Jahrhundert hat er mit diesen Eckpunkten die Grundlagen eines gerechten Steuersystems skizziert. Zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis werfen seine Forderungen bis heute immer wieder die gleichen Probleme auf:

Ein möglichst individuell gerechtes Steuersystem braucht viele Regeln, damit jeder Einzelfall und jede persönliche Situation so gut wie möglich berücksichtigt werden kann. Viele Vorschriften führen aber wiederum dazu, dass das Steuerrecht kompliziert wird. Die dahinter stehenden Gerechtigkeitsprinzipien sind nur noch zum Teil erkennbar, das Dickicht von Paragrafen und Ausnahmen macht das Steuersystem für den Laien nahezu unverständlich. Ein einfaches, für jeden Steuerzahler durchschaubares System kann wiederum nicht jedem Einzelfall möglichst individuell gerecht werden.

Unser Steuersystem versucht, die Lasten fair zu verteilen, die Steuerzahlenden gleich zu behandeln und ihnen gemäß dem Prinzip der Leistungsfähigkeit Steuern abzuverlangen: Steuerzahlende, die sich in der gleichen wirtschaftlichen Lage befinden, sollen auch gleich belastet werden – der Fachbegriff dafür lautet „horizontale Steuergerechtigkeit“. Die „vertikale Steuergerechtigkeit“ besagt, dass Steuerzahlende in unterschiedlichen wirtschaftlichen Lagen auch unterschiedlich hohe Steuern zahlen müssen. Wer sich also in einer besseren wirtschaftlichen Position befindet, muss steuerlich höher belastet werden.

Misst man die individuelle Leistungsfähigkeit am Einkommen, bedeutet das zunächst einmal: gleiches Einkommen, gleiche Steuerlast; unterschiedliche Einkommen, unterschiedlich hohe Einkommensteuer. Der Staat muss seinen Bürgerinnen und Bürgern außerdem mindestens das Existenzminimum belassen. Mit anderen Worten: Das Einkommen, das eine steuerpflichtige Person zum Lebensunterhalt benötigt, bleibt steuerfrei. Die Bundesregierung legt alle zwei Jahre einen Bericht darüber vor, wie hoch dieses Existenzminimum sein muss. Zu diesem steuerfreien Grundfreibetrag (2012: 8004 Euro für Ledige / 16 008 Euro pro Jahr für Verheiratete) kommen noch der Betreuungs- und Erziehungsbedarf für Kinder, der ebenfalls steuerlich freigestellt werden muss.

Steuerzahlende mit einem gleich hohen Einkommen befinden sich aber nur dann auch wirklich in der gleichen wirtschaftlichen Lage, wenn die persönlichen Umstände vergleichbar sind: Ein Single mit einem monatlichen Einkommen von 4000 Euro ist in einer anderen Situation als ein Familienvater, der das gleiche Gehalt bezieht.

Ein Steuersystem, das diese Faktoren berücksichtigt, richtet sich nach den Kriterien der individuellen Belastbarkeit. Die Mütter und Väter des deutschen Steuerrechts haben sich dafür entschieden, das System vor allem am Einkommen des Einzelnen und an seiner wirtschaftlichen Situation auszurichten. Demnach werden die unteren Einkommen nur gering, die Besserverdienenden höher besteuert. Diese Besteuerungsgrundsätze haben sich im Laufe der Geschichte Schritt für Schritt entwickelt.

QuellentextFreibeträge

Im deutschen Steuerrecht sind zahlreiche Freibeträge festgeschrieben. Einige sollen das Besteuerungsverfahren vereinfachen, andere soziale Aspekte berücksichtigen. Freibeträge gibt es bei der Einkommensteuer, der Erbschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Körperschaftsteuer. Die soziale Komponente von Freibeträgen ist vor allem bei der Einkommensteuer sichtbar. Hier gibt es folgende Freibeträge:

  • Grundfreibetrag – der Betrag, bis zu dem keine Einkommensteuer erhoben wird

  • Kinderfreibetrag

  • Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf

  • Entlastungsbetrag für Alleinerziehende

  • Altersentlastungsbetrag

  • Freibetrag zur Berücksichtigung eines Sonderbedarfs bei volljährigen Kindern in Berufsausbildung

  • Freibetrag für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

  • Übungsleiterfreibetrag

  • Allgemeiner Freibetrag für ehrenamtliche Tätigkeiten

  • Rabattfreibetrag

  • Versorgungsfreibetrag

  • Zukunftssicherungsfreibetrag

  • Freibetrag bei der Veräußerung von Unternehmen(steilen)

QuellentextSteuertheorien

In den Finanzwissenschaften sind einige Theorien im Umlauf, die das Steuererhebungsrecht zu begründen suchen. Die wichtigste von ihnen ist die Opfertheorie: Dem Einzelnen darf demnach zwar ein Opfer auferlegt werden; aber die Opfer müssen für alle Bürgerinnen und Bürger gleich schwer zu tragen sein. Und: Die Steuerzahlenden müssen die Höhe ihres Opfers als tatsächlich gerechtfertigt empfinden. Allerdings wird dies – ähnlich wie die Leistungsfähigkeit des Einzelnen – nie ganz genau zu ermitteln sein.

Andere Theorien haben inzwischen beim Versuch einer gerechten Steuerbehandlung an Bedeutung verloren. So sah die Assekuranztheorie in der privaten Steuerleistung eine Art Prämie für den vom Staat gewährten Schutz der Person und des Eigentums der Steuerzahler. Einzig die Äquivalenztheorie spielt – zumindest bei der Festsetzung von Gebühren und Beiträgen – heute noch eine Rolle: Sie stellt den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung in den Vordergrund. Diese Theorie verbietet also, dass die Leistung der Verwaltung in einem Missverhältnis zu den dafür geforderten Abgaben steht.

Das Netto vom Brutto


Modellrechnungen 2011 (in Euro) für Durchschnittsverdiener (Vollzeit) in unterschiedlichen Lebensformen

QuellentextStandpunkte: Werden „Reiche“ steuerlich zu stark belastet?

JA: […] Bezogen auf das Jahr 2007, hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung festgestellt: Das unterste Fünftel der Steuerpflichtigen zahlt praktisch keine Steuern – jene, die weniger als 8 200 Euro pro Jahr an Rente oder Lohn beziehen. Interessanter ist das „reichste Zehntel“: Das zahlt über die Hälfte (52 Prozent) des Steueraufkommens. Und die ganz Reichen – ein Prozent? Die waren (2002) für mehr als ein Fünftel des Steueraufkommens gut.

Wie reich sind denn die „Reichen“, die Top-Ten-Prozent? Nicht besonders. Ihr Jahreseinkommen betrug 2007 im Durchschnitt knapp 90 000 Euro. Zahlen sie auch genug? Auf den ersten Blick nein, denn der effektive Steuersatz lag nicht etwa beim höchsten (heute: 42 Prozent), sondern bei 24 Prozent, die dadurch zustande kommen, dass allerlei (legale) Abzüge die Steuerpflicht verringern. Hinterziehen die auch? Das Spiel ist heute schwerer geworden: Kapitalerträge werden inzwischen genau wie der Lohn „an der Quelle“ besteuert – neuerdings auch das Gebunkerte in der Schweiz.

Dennoch möge die Kluft zwischen Höchst- und Effektivsatz bedenken, wer die „Geldsäcke“ schröpfen will. Je mehr Einkommen einer hat, desto besser weiß er, wie man es dem Fiskus vorenthält. So entstand in Deutschland eine ganze Abschreibungs- und Subventionsindustrie, die Kapital nicht gerade in produktive Zweige lenkte. Grundsätzlich: je höher die Steuern, desto niedriger der effektive Ertrag. Das gilt vorweg für die gesenkte Unternehmensteuer (25 Prozent). Wer sie anheben will, sollte wissen, dass Kapital scheu wie ein Reh und flüchtig wie eine Gazelle ist – jedenfalls in der globalisierten Welt. Das Kapital, das im Ausland arbeitet, schafft hier weder Jobs noch Steuererträge. […]

Eine „Reichensteuer“ ist gut fürs Gemüt, aber nicht unbedingt für den Organismus – und bestimmt nicht für den deutschen, der wie kein anderer in die Weltwirtschaft integriert ist.

Josef Joffe, „Lasst die Reichen in Ruhe“, in: Die Zeit Nr. 36 vom 1. September 2011

NEIN: Dass eine Eliteeinheit von Gutverdienern den Staat finanziere, dieses Argument durchzieht seit einigen Jahren die steuerpolitische Diskussion in Deutschland. Aber stimmt es auch? […]

Die Reichen zahlen heute einen Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Dazu kommt die sogenannte Reichensteuer, das ist ein […] 2007 eingeführter Aufschlag für die besonders gut Verdienenden. […]

sehen wird: Er wird nicht auf das gesamte Einkommen angewendet, sondern nur auf dessen oberen Teil. Der tatsächliche Steuersatz beträgt selbst bei Menschen mit Jahreseinkünften von mehr als fünf Millionen Euro 37 Prozent, wie die Statistiker ermittelt haben. […]

Die Geschichte von den stark besteuerten Reichen wird noch fragwürdiger, wenn man die Tatsache einbezieht, dass die Lohn- und Einkommensteuer nur eine unter vielen Steuern ist – und nicht einmal mehr die wichtigste.

Bund und Länder nahmen […] [2010 – Anm. d. Red.] 489 Milliarden Euro an Steuern ein, davon entfielen nur 159 Milliarden auf die Lohn- und Einkommensteuer, also weniger als ein Drittel. Mit 180 Milliarden Euro brachte die Mehrwertsteuer mehr ein.

Die Mehrwertsteuer zahlt jeder, der etwas kauft. Sie trifft sogar Kinder. Niemand kann ihr ausweichen, denn die Steuer ist in den Preisen enthalten. Für Millionäre gilt derselbe Steuersatz wie für Bettler:

19 Prozent im Allgemeinen, sieben Prozent bei Nahrungsmitteln und einigen anderen Gütern.
Während bei der Einkommensteuer die Gutverdiener stärker herangezogen werden, ist es bei der Mehrwertsteuer umgekehrt. Menschen mit niedrigen Einkommen geben, verglichen mit den Besserverdienenden, einen größeren Teil ihres Geldes aus. Von ihrem Einkommen führen sie deshalb einen höheren Anteil in Form der Mehrwertsteuer ab als Reiche, die einen Teil ihres Geldes nicht benötigen und sparen können. […]

Rüdiger Jungbluth, „Das Märchen von den Reichen“, in:
Die Zeit Nr. 50 vom 8. Dezember 2011

Constanze Hacke arbeitet in Köln als Wirtschaftsjournalistin, Dozentin und Moderatorin für Hörfunk, Printmedien, Fachverlage, öffentliche Auftraggeber und Unternehmen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist sie unter dem Motto "Wirtschaft – leicht gemacht!" erfolgreich selbständig und hat sich vor allem im Bereich Steuern als Expertin einen Namen gemacht. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in den Bereichen Recht, Finanzen, Wirtschaftspolitik, Mittelstand und Management. Als Fachjournalistin sieht sie ihre Aufgabe darin, komplexe Zusammenhänge und trockene Themen zu verstehen, zu erklären sowie verständlich und anschaulich zu machen. Ende 2011 ist ihr Buch "Selbstständig und dann? Wie Freiberufler langfristig erfolgreich werden" im Wiley-VCH Verlag erschienen. Im Frühjahr 2013 folgt der Ratgeber "Steuern leicht gemacht. Erste Hilfe für Selbstständige" im gleichen Verlag.
Kontakt: Externer Link: www.c-hacke.de