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Editorial | Steuern und Finanzen | bpb.de

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Editorial

Christine Hesse

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Christine Hesse (Die Verwendung dieses Bildes ist honorarpflichtig.)

Jeder zahlt jeden Tag Steuern – und jeder profitiert davon. Denn die Zahlungen kommen dem Gemeinwesen und damit allen zugute. Sie erhalten die Infrastruktur, gewährleisten die innere Sicherheit und sorgen für die Bereitstellung von Leistungen des Staates, die im Alltagsleben einer modernen Gesellschaft unverzichtbar sind.

So einleuchtend diese Erkenntnis ist, so unausweichlich ist andererseits seit jeher die Skepsis derer, denen diese Zahlungen auferlegt werden: Ist der eigene Beitrag in dieser Höhe unbedingt erforderlich? Werden die Steuerzahlungen sinnvoll eingesetzt? Herrscht die notwendige Transparenz bei der Mittelverteilung? Und ist die Lastenverteilung gerecht?

In einer Demokratie stehen diese Kriterien immer auf dem Prüfstand. Bund, Länder und Gemeinden, die in Deutschland die Aufgabe haben, die Steuerleistungen festzulegen und die Steuereinnahmen unter Einschluss der EU-Ebene einzusetzen und zu verteilen, müssen sich diesen Fragen stellen und schlüssige Antworten finden, um die eigene Legitimation zu erhalten.

Außerdem wächst den staatlichen Ebenen mit der Festsetzung der Steuerlast und der Verfügung über die Steuereinnahmen erhebliche politische Verantwortung zu: Sollen die Mittel, die in die Infrastruktur fließen, eher dem Ausbau des Verkehrsnetzes, der inneren Sicherheit oder lieber der Verbesserung des Kinderbetreuungsangebots zugute kommen? Sollen steigende Steueraufkommen in Phasen guter Konjunktur vorrangig zur Senkung der staatlichen Neuverschuldung oder gar zur Tilgung genutzt werden oder vielmehr investiert werden, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken? Sollen Steuern und Sozialbeiträge gesenkt werden, um die Beitragszahler zu entlasten und ihnen mehr finanziellen Spielraum zu gewähren, oder dienen die Mehreinnahmen besser als „Polster“ für schlechtere Zeiten? Welche Leistungen sollen überhaupt mit öffentlichen Mitteln erfolgen?

Gleichzeitig eröffnet die Gestaltung des Steuerwesens immer auch Möglichkeiten politischer Einflussnahme auf gesellschaftliche Verhaltensweisen. So sollen beispielsweise von der Tabaksteuer und der Ökosteuer Anreize zur Gesundheitsförderung und Ressourcenschonung ausgehen. Umgekehrt können veränderte gesellschaftliche Realitäten die Frage nach einer Anpassung des Steuersystems aufwerfen. Beispiele sind die Diskussion um das Ehegattensplitting und die Frage, ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich und steuerlich mit herkömmlichen Ehen bzw. Familien gleichgestellt werden sollten.

Unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Finanzkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise sowie einer immer stärker auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich hat sich der Schwerpunkt der öffentlichen Diskussion zum Steuerwesen in Deutschland verlagert. Lag er 2005, als die Themenausgabe erstmals erschien, noch bei Forderungen nach grundlegenden Reformen zur Vereinfachung und Transparenz des Steuersystems, so steht in der aktuellen Steuerdebatte das Verlangen nach möglichst individueller Steuergerechtigkeit im Vordergrund.

Symptomatisch dafür ist die Diskussion um den Umgang mit der Steuerhinterziehung. Nach Schätzungen der Organisation Tax Justice Network sind weltweit in „Steueroasen“ insgesamt 21 bis 31 Billionen US-Dollar „versteckt“, was für die betroffenen Staaten jährliche Einnahmeverluste von bis zu 280 Milliarden US-Dollar bedeutet. Allein auf schweizerischen Bankkonten werden 130 bis 180 Milliarden Euro deutsches Schwarzgeld vermutet.

Um dem Eindruck zu begegnen, dass „Steuersünder“ besser behandelt werden könnten als ehrliche Steuerzahler, und aus Sorge um etwaige Folgen für die Steuermoral und das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden, hat die Politik verschiedene Initiativen ergriffen. Besonders umstritten war dabei, ob Finanzbehörden durch den Ankauf von illegal erstellten Datenträgern Druck auf Steuersünder ausüben dürfen. Da sie damit auswärtige Finanzplätze gefährden, deren Anleger ihr Vermögen in andere Länder verlagern könnten, gewinnt das Problem zudem eine außenpolitische Dimension. Seit 2009 wurden laut OECD weltweit mehr als 700 zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffen, um den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen zur Steuergerechtigkeit zu verbessern. Doch auch hier greifen eigenstaatliche Interessen: So schützt die Volksrepublik China beispielsweise den Finanzplatz Hongkong und Großbritannien die Kanal-Inseln durch besonders günstige Besteuerungsregeln.

Das Thema Steuern und Finanzen hat erhebliche Alltagsrelevanz, stellt indes trotz seines hohen Reizwertes für viele Betroffene immer noch „ein Buch mit sieben Siegeln“ dar. Wer, warum, von wem und wozu mit welchen Steuern belegt wird, welche formalen, rechtlichen und grundsätzlichen Kriterien Steuerzahlende und Steuerbehörden zu beachten haben und wie das Geld haushaltspolitisch verwaltet wird, ist daher ebenso Gegenstand dieser Einführung wie ein Streifzug durch die Steuergeschichte und die Nachzeichnung der wichtigsten Kontroversen rund um das Thema Steuern und Finanzen.