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Energieversorgung in Deutschland

Redaktion

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Zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit setzt die Bundesregierung in der gegenwärtigen Energiekrise vorübergehend auf Kohle- und Atomkraftwerke. Die Bedeutung erneuerbarer Energien nimmt indes seit Jahren zu.

Braunkohle Kraftwerk und Windkraftwerke in Bergheim, Nordrhein-Westfalen. (© picture-alliance, Jochen Tack)

Seit Monaten wird in Deutschland über die Frage diskutiert, ob die Interner Link: Energie hierzulande sicher ist und wie Gas und Strom angesichts der stark gestiegenen Energiepreise bezahlbar bleiben können. Der deutsche Energiemix befindet sich seit vielen Jahren, insbesondere bei der Stromerzeugung, im Wandel. Zuletzt veränderte sich die Zusammensetzung der Energieträger wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine innerhalb weniger Monate massiv.

Anteile der Energieträger an der Stromerzeugung

Vor allem bei der Stromerzeugung gibt es seit Jahren einen Trend hin zu Interner Link: erneuerbaren Energien wie Wind-, Wasser- und Solarenergie, deren Anteil am ⁠Bruttostromverbrauch sich von 2011 bis 2021 mehr als verdoppelt hat.

Der Anteil von Braunkohle, Steinkohle und Kernenergie an der Stromerzeugung hat laut dem Umweltbundesamt dagegen stetig abgenommen – von zusammen 84,4 Prozent im Jahr 1990 auf 39,8 Prozent im Jahr 2021.

Insgesamt wurden in Interner Link: Deutschland im ersten Halbjahr 2022 laut vorläufigen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes 263,2 Milliarden Kilowattstunden Strom ins Netz eingespeist. Der Anteil der konventionellen Energieträger wie Kohle, Erdgas und Kernenergie sank dabei im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres von 56,2 Prozent auf 51,5 Prozent. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung legte im gleichen Zeitraum von 43,8 Prozent auf 48,5 Prozent zu.

Der Anteil der Kernenergie am Strommix sank innerhalb eines Jahres um rund die Hälfte: von 12,4 Prozent im ersten Halbjahr 2021 auf nur noch 6 Prozent im Zeitraum von Januar bis Juni 2022. Der Grund für den deutlichen Rückgang ist die Abschaltung von drei der sechs bis dahin noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke zum Jahresende 2021.

Die Stromerzeugung aus Erdgas verlor zuletzt wegen der gestiegenen Gaspreise und der Furcht vor einer Gasknappheit an Bedeutung. Russland drosselte die Gasexporte nach Deutschland 2022 massiv und der Preis, den deutsche Energieunternehmen für Gas bezahlen mussten, war weit höher als in der Vergangenheit. Aus Kostengründen und um Erdgas für den Winter zu sparen, wurde in diesem Jahr weniger Gas als in vergangenen Jahren für die Stromerzeugung genutzt. Die Stromerzeugung aus Erdgas ging dem Statistischen Bundesamt zufolge im 1. Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 14,4 Prozent auf 11,7 Prozent zurück.

Neben den regenerativen Energien gewann zuletzt auch die Verstromung von Kohle wieder an Bedeutung. Mit 31,4 Prozent stammte fast ein Drittel des in den ersten sechs Monaten 2022 hierzulande erzeugten und ins Stromnetz eingespeisten Stroms aus Kohlekraftwerken. Im ersten Halbjahr 2021 hatte der Anteil noch bei 27,1 Prozent gelegen.

Die zweitwichtigste Energieform für die Stromerzeugung in Deutschland ist die Windkraft. Ihr Anteil von 22,1 Prozent im ersten Halbjahr 2021 stieg auf 25,7 Prozent im Zeitraum von Januar bis Ende Juni 2022. Die relativ hohe Zahl an Sonnenstunden im ersten Halbjahr 2022 führte wiederum dazu, dass die Einspeisung aus Photovoltaikanlagen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa ein Fünftel auf 11,2 Prozent zulegte. Der Anteil von Biogas (5,8 Prozent) an der Stromeinspeisung blieb im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weitgehend unverändert, der von Wasserkraft (3,2 Prozent) sank leicht ab.

Stromexporte

Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres exportierte die Bundesrepublik Deutschland mehr Strom als sie importierte. Der Exportüberschuss stieg deutlich auf 16,3 Milliarden Kilowattstunden. Erstmals ging mehr Strom von Deutschland nach Frankreich als umgekehrt.

Wärmeversorgung

Energie wird in Deutschland jedoch nicht nur zur Stromerzeugung, sondern auch für die Wärmeversorgung benötigt. Für das Heizen von Wohnungen oder die von Unternehmen für ihre Produktion benötigten hohen Temperaturen werden meist fossile Energieträger wie Gas oder Erdöl eingesetzt. Im Verkehr werden ebenfalls vorwiegend fossile Kraftstoffe verbraucht. Während im Stromsektor der Anteil der erneuerbaren Energieträger in den vergangenen Jahren anstieg, geschah dies in den Bereichen Wärme und Verkehr vergleichsweise langsam. 2021 wurde dem Bundesumweltamt zufolge mit 19,7 Prozent etwa ein Fünftel des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt.

Energieverbrauch nach Sektoren

Der Verkehrssektor ist für mehr als ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs verantwortlich. Mehr als 90 Prozent davon gehen auf Mineralölprodukte zurück. Im Wärmebereich dominieren noch immer fossile Energien wie Gas, Öl und Kohle. Der Anteil erneuerbarer Energieträger am ⁠Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte stieg jedoch seit 1990 deutlich auf zuletzt 16,5 Prozent an. Die sogenannte feste Biomasse, also Holz in seinen unterschiedlichen Nutzungsformen, liefert nach Angaben des Bundesumweltamts den größten Anteil an erneuerbarer Wärme. Auch Solarthermie- und Geothermieanlagen gewinnen an Bedeutung.

Neben dem Ausstieg aus der Atomkraft hat sich der Kampf gegen den Klimawandel auf die Veränderung des Energiemix in den vergangenen Jahren ausgewirkt. Um den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids zu verringern, trieb Deutschland im Zuge der Interner Link: Energiewende den Ausbau der erneuerbaren Energien voran. Die Bundesrepublik hat sich im Klimaschutzgesetz 2021 verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 um mindestens 65 Prozent zu senken und bis 2045 klimaneutral zu werden. Seit dem Jahr 2000 stellte der Bund mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz die Weichen für eine möglichst nachhaltige Stromerzeugung.

Steigerung des Strombedarfs durch Energiewende

Derzeit sorgen Braunkohle- und Kernkraftwerke als Grundlastkraftwerke für die Absicherung des Grundbedarfs an Strom und eine stabile Externer Link: Frequenz im deutschen Stromnetz. Die Grundlast ist die konstant benötigte Stromleistung in einem Versorgungsgebiet, die nicht unterschritten werden darf. Laut Expertinnen und Experten wird im Zuge der Energiewende und der angestrebten Reduktion des klimaschädlichen CO2 – z.B. durch die Nutzung von Elektroautos und Wärmepumpen oder klimaschonende Industrieproduktion – die Nachfrage nach Strom in der Zukunft deutlich steigen. Forscher des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität zu Köln (EWI) haben in einer Externer Link: Studie berechnet, dass die Stromnachfrage bis 2030 auf 748 Terawattstunden ansteigen könnte. Im Jahr 2021 lag der Bruttostromverbrauch in Deutschland laut Statistischem Bundesamt bei rund 562 Terawattstunden. Die Bundesregierung strebt an, dass erneuerbare Energien im Jahr 2030 insgesamt 65 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs decken sollen. Laut den Prognosen der EWI-Studie könnte dieser Anteil im Jahr 2030 jedoch nur bei etwa 46 Prozent liegen.

Zugleich mangelt es zurzeit noch an den notwendigen Technologien, um den von erneuerbaren Energien erzeugten Strom zu speichern und bei Bedarf ins Stromnetz einspeisen zu können. Dadurch könnte, wenn die Grundlastkraftwerke durch den Kohle- und Atomausstieg abgeschaltet werden, die Stabilität des Stromnetzes in Deutschland gefährdet sein – womöglich müsste Deutschland dann zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität Strom aus dem Ausland importieren.

Abhängigkeit von russischem Gas

Das Kohleausstiegsgesetz sieht vor, die Kohleverstromung schrittweise zu verringern und bis spätestens Ende 2038 ganz zu beenden. Erdgas sollte einen Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien ermöglichen. Zum einen verursacht es im Vergleich zur aus Braun- und Steinkohle gewonnenen Energie weniger CO2-Emissionen. Zum anderen sollte Erdgas die Versorgungssicherheit mit Strom sicherstellen. Denn Gaskraftwerke sind nicht von Jahreszeit, Witterung und Uhrzeit abhängig wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen.

Der seit Februar andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die energiepolitische Situation grundsätzlich verändert. Die Preise für Erdöl und Erdgas stiegen in den Monaten nach Kriegsbeginn. Russland drosselte seine Gasexporte in den Westen. Für die Bundesrepublik ist dies eine immense Herausforderung, da russische Lieferungen 2020 etwa 55 Prozent des deutschen Gasimports deckten. Die Bundesregierung begann nach Kriegsbeginn an Strategien zu arbeiten, um Deutschlands Gasspeicher zu füllen und unabhängiger von russischem Gas zu werden.

Import von Flüssiggas

In Deutschland wurde in den vergangenen Monaten mit dem Bau mehrerer Terminals für den Import von Flüssigerdgas (LNG) begonnen. Die EU und Deutschland versuchen, ihre Gasimporte aus verschiedenen asiatischen und westlichen Ländern auszuweiten – etwa aus Norwegen, den USA, Kanada, Aserbaidschan oder den Golfstaaten.

Zugleich versuchen Bund und Länder, den Ausbau erneuerbarer Energien schneller voranzutreiben: Nach den Plänen der Bundesregierung soll der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 Prozent steigen.

Kurzfristige Energiesicherheit durch Kohle und Atomenergie

Um eine akute Energieknappheit in den kommenden Monaten zu vermeiden, setzte die Bundesregierung zuletzt wieder stärker auf den Betrieb von Kohlekraftwerken. Der Anteil der Kohle am Energiemix stieg im ersten Halbjahr 2022 an, was Kritik von Klimaschützern auslöste. Mittel- und langfristig setzen Bund und Länder auf die Energiegewinnung mithilfe von grünem Wasserstoff, also auf Wasserstoff der mittels regenerativen Energien gewonnen wird. Zugleich gibt es eine Diskussion um eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke. Der von der damaligen Bundesregierung im Jahr 2011 beschlossene stufenweise Atomausstieg sah zunächst vor, dass Ende 2022 die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet werden sollten. Aufgrund der Energiekrise ordnete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Oktober 2022 mittels seiner Richtlinienkompetenz den Weiterbetrieb aller drei noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke bis zum 15. April 2023 an.

Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise

Die Bundesregierung plant, die teils enormen Belastungen der Verbraucherinnen und Verbraucher durch die stark gestiegenen Energiepreise mit einem "Gaspreisdeckel" und weiteren Maßnahmen abzufedern. Für die Begrenzung der Strompreise gibt es eine Diskussion um die Abkehr vom sogenannten "Merit-Order-Prinzip" (engl. für "Reihenfolge der Grenzkosten"), das den Strompreis in der Praxis an den Preis des jeweils teuersten Kraftwerks koppelt.

kurz erklärt:Merit-Order-Prinzip

Das sogenannte Merit-Order-Prinzip soll garantieren, dass immer genug Strom zur Verfügung steht, es kann jedoch die Strompreise auch in die Höhe treiben.

Stadtwerke oder private Energieunternehmen kaufen weite Teile ihres Stroms an der Strombörse. Die Stromproduzenten bieten dort ihren Strom zu dem Preis an, zu dem ihre Kosten gedeckt sind. Dann kommen die günstigsten Anbieter so lange zum Zug, bis der gesamte Bedarf der Stromkäufer gedeckt ist. Der Preis, den die Stromverkäufer dann tatsächlich von den Einkäufern bezahlt bekommen, richtet sich letztlich aber nach dem Kraftwerk, das als Letztes zum Zug kommt. Die anderen Kraftwerke oder Energieparks, die eigentlich günstiger liefern könnten, können die Differenz zu dem von ihnen angegebenen Selbstkostenpreis als Gewinn einstreichen.

Diese Regelung sollte bei ihrer Einführung dafür sorgen, dass die Produzenten von erneuerbaren Energien versuchen, möglichst günstig zu produzieren, um sicher gehen zu können, dass sie ihren Strom abgenommen bekommen. Doch aktuell führt das Merit-Order-Prinzip dazu, dass etwa Produzenten von erneuerbaren Energien, aber mitunter auch AKW-Betreiber, sehr hohe Gewinne einstreichen können. Denn wenn zu einer bestimmten Zeit der Strombedarf hoch ist, muss auch Strom von teureren Gas- oder Kohlekraftwerken gekauft werden.

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