Bei der Parlamentswahl in Griechenland konnte die konservative „Partei Nea Dimokratia“ (ND) laut Externer Link: amtlichem Endergebnis knapp 41 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und verfehlte damit die absolute Mehrheit. Mit etwa 20 Prozent wurde die linke „Synaspismos Rizospastikis Aristeras“ (Syriza) die zweitstärkste Kraft. Umfragen hatten die beiden Parteien im Vorfeld nur etwa fünf Prozent auseinander gesehen. Die sozialdemokratische „Panellinio Sosialistiko Kinima - Kinima Allagis“ (PASOK-KINAL) konnte knapp 11,5 Prozent, die kommunistische Partei „Kommounistikó Kómma Elládas“ (KKE) rund 7,2 Prozent und die rechtspopulistische „Elliniki Lysi“ (EL) etwa 4,5 Prozent der Stimmen gewinnen. Ganze 16 Prozent entfielen auf weitere Parteien. Die linke „Metopo Evropaikis Realistikis Anipakois“ (MeRA25) des ehemaligen griechischen Finanzministers Varoufakis verpasste mit 2,6 Prozent knapp die Dreiprozenthürde. Die Wahlbeteiligung lag mit 60,9 Prozent etwas über dem Wert von 2019 (57,8 Prozent).
21. Mai 2023: Parlamentswahl in Griechenland
/ 6 Minuten zu lesen
Griechenland wählte am 21. Mai ein neues Parlament. Die Regierungspartei Nea Dimokratia erhielt mit knapp 41 Prozent die meisten Wählerstimmen. Doch eine Regierungsbildung dürfte schwierig werden.
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- Wahl 2019
- Eisenbahnunglück beeinflusst Wahltermin und Stimmung im Land
- Gute wirtschaftliche Entwicklung
- Konservative ND wieder stärkste Kraft
- Syriza setzt auf soziale Themen
- PASOK-KINAL möchte Klientelwirtschaft aufbrechen
- Kleinere Parteien knacken Dreiprozenthürde, Rechtsextreme ausgeschlossen
- Themen im Wahlkampf
- Krisen belasten das politische System Griechenlands
- Regierungsbildung könnte kompliziert werden
- Mehrere Wahlrechtsreformen
Wahl 2019
Bei der
Eisenbahnunglück beeinflusst Wahltermin und Stimmung im Land
Ursprünglich war laut Medienberichten geplant worden, die Parlamentswahl bereits im April abzuhalten. Doch im März kündigte Ministerpräsident Mitsotakis an, dass die Wahl im Mai stattfinden würde. Dies war wohl eine Reaktion auf das Interner Link: Eisenbahnunglück von Tempi, das sich in der Nacht auf den 1. März auf der Strecke zwischen Athen und Thessaloniki ereignet hatte. Bei dem Unglück waren 57 Menschen ums Leben gekommen.
Die griechische Regierung stand im Vorfeld der Wahl massiv unter Druck: Tausende Griechinnen und Griechen demonstrierten über Wochen hinweg – viele machen die Regierung für den miserablen Zustand des Bahnnetzes verantwortlich. So fehlten etwa digitale Signale. Zudem wurden mit EU-Geldern geförderte Maßnahmen für die Erneuerung der Infrastruktur teilweise nicht umgesetzt, die Europäische Staatsanwaltschaft untersucht nun die zugrunde liegenden Verträge. Auch der Umgang des Ministerpräsidenten mit der Katastrophe wurde scharf kritisiert. Viele Demonstranten forderten Mitsotakis Rücktritt. Ein Interner Link: Abhörskandal, bei dem bekannt wurde, dass Hunderte namhafte Personen abgehört worden waren, darunter Oppositionspolitiker, Minister, Journalisten und Geschäftsleute, schadete ebenfalls dem Image der Regierung.
Gute wirtschaftliche Entwicklung
Profitieren konnte die christdemokratische ND möglicherweise von den guten Wirtschaftsdaten des Landes. Externer Link: Nach einer Rezession im Pandemiejahr 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Griechenlands nach vorläufigen Zahlen von Eurostat sowohl 2021 (+ 8,4 %) als auch 2022 (+ 5,9 %) deutlich gewachsen und liegt im Anstieg von 2019 auf 2022 klar über dem Mittelwert der anderen EU-Staaten. Externer Link: Auch die Inflation in Griechenland ist mit derzeit 5,4 Prozent im EU-Vergleich moderat. Zudem beansprucht die griechische Regierung für sich, 300.000 neue Jobs geschaffen zu haben.
Konservative ND wieder stärkste Kraft
Die Konservativen mit Spitzendkandidat Mitsotakis setzen im Wahlkampf stark auf ihre wirtschaftlichen Erfolge. Auch die Digitalisierung und die Außenpolitik spielen eine Rolle. Die ND bekennt sich klar zu EU und Nato und würde gerne den noch immer hohen griechischen Schuldenstand verringern. Die Partei hofft mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 780 Euro im April die Wählerinnen und Wählern für sich zu gewinnen. Mitsotakis versprach zuletzt unter anderem weitere Lohnerhöhungen und ein besseres Gesundheitssystem. Wahlslogan des auf ihn zugeschnitten ND-Wahlkampfs war: "Stabilität – Kühnheit – Vorwärts". In den letzten Umfragen vor der Wahl lag die ND mit rund 33 bis 35 Prozent vorne. Mit einem Stimmenanteil von 40,8 Prozent konnte die ND ihr Ergebnis gegenüber der letzten Wahl 2019 (39,8 Prozent) um einen Prozentpunkt gestiegen.
Syriza setzt auf soziale Themen
Als stärkste Oppositionspartei ging erneut die linke Syriza aus der Wahl hervor. Sie hatte gehofft, ihren Parteivorsitzenden Alexis Tsipras – Ministerpräsident von 2015 bis 2019 – erneut an die Spitze der Regierung wählen zu können. Mit etwa 20,1 % Prozent der Stimmen lag die Partei aber deutlich hinter ihren Umfragewerten. Diese hatten Syriza zuletzt bei 27 bis 29 Prozent der Stimmen gesehen. Bei der Wahl 2019 erreichte sie noch 31,5 Prozent. Syriza warb im Wahlkampf mit dem Slogan "Gerechtigkeit überall". Sie sieht sich als Stimme der Gering- und Normalverdiener. Tsipras Partei steht traditionell für den Ausbau des Sozialstaats, hat aber in Zeiten der Schuldenkrise viele Sparmaßnahmen umgesetzt und dadurch bei vielen Wählerinnen und Wählern an Vertrauen verloren. Im Wahlkampf fokussierte sich die Partei darauf, die Bilanz der Regierung und ihre jüngsten Skandale zu kritisieren. Syriza forderte zudem höhere Löhne und Steuersenkungen.
PASOK-KINAL möchte Klientelwirtschaft aufbrechen
Auf Platz drei bei der Parlamentswahl kam mit 11,5 Prozent die sozialdemokratische Partei PASOK-KINAL. Sie ging aus der traditionsreichen Arbeitspartei PASOK und weiteren Parteien hervor. PASOK-KINAL wurde mit dem Versprechen gegründet, die noch immer vorherrschende Klientelwirtschaft in Griechenlands Politik aufzubrechen. Nicht nur deshalb war der Korruptionsskandal um Eva Kaili, bis Dezember 2022 Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments und Mitglied der PASOK-KINAL, trotz des sofort erfolgten Parteiausschlusses eine Belastung für die Partei im Wahlkampf. Sozialpolitisch steht die Partei des Spitzenkandidaten Nikos Androulakis mitte-links. Sie bekennt sich zu Nato und EU.
Kleinere Parteien knacken Dreiprozenthürde, Rechtsextreme ausgeschlossen
Wie erwartet gelang es der kommunistischen Partei KKE, die Dreiprozenthürde zu überwinden. Mit 7,2 % der Stimmen konnte sie ihr Ergebnis gegenüber 2019 um zwei Prozentpunkte steigern (2019: 5,3 %). Die linke Partei MeRA25 des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis schaffte es hingegen mit 2,6 Prozent nicht über die Dreiprozenthürde. Sie erreichte vor vier Jahren 3,4 Prozent.
Die als nationalistisch oder rechtspopulistisch beschriebene Partei EL schaffte mit 4,5 Prozent (2019: 3,7 Prozent) ebenfalls den Einzug ins Parlament. Die rechtsextreme Nachfolgepartei der Goldenen Morgenröte „Ethniko Komma-Ellines“ durfte hingegen nicht antreten. Das Oberste Gericht bestätigte im Mai dieses Jahrs ein entsprechendes Verbot des Parlaments. Hintergrund ist unter anderem, dass die Partei von dem Holocaustleugner Ilias Kasidiaris geleitet wird, der wegen Führens einer kriminellen Vereinigung im Gefängnis sitzt.
Themen im Wahlkampf
Ein zentrales Wahlkampfthema war das Zugunglück von Tempi sowie das marode Bahnnetz des Landes. Auch andere Bereiche der Daseinsvorsorge wie die teils maroden Kliniken wurden in der Öffentlichkeit thematisiert. Wirtschafts- und Sozialthemen wie Renten und Löhne sowie die Energieversorgung spielen für viele Wähler ebenfalls eine große Rolle, ebenso wie die
Krisen belasten das politische System Griechenlands
Griechenland hat in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten diverse Miseren durchlebt – angefangen von der
Regierungsbildung könnte kompliziert werden
Keine Partei konnte in der Wahl eine eigene Mehrheit erlangen. Die ND ist auf Stimmen von kleinen linken oder Mitte-Links-Parteien angewiesen, mit denen jedoch inhaltliche Differenzen aufkommen könnten. Eine im Vorfeld angestrebte Koalition von Syriza und PASOK-KINAL scheitert an den Stimmverlusten von Syriza. Am Ende könnte womöglich PASOK-KINAL darüber entscheiden, wer regiert. Auch ein Scheitern der Regierungsbildung und darauffolgende Neuwahlen ist denkbar.
Mehrere Wahlrechtsreformen
Eine Regierung muss 151 von 300 Abgeordnete im Parlament hinter sich bringen. Diese Mehrheit zu erreichen war bei dieser Wahl für eine einzelne Partei jedoch schwerer als noch 2019. Grund ist eine noch von der Syriza-Regierung vor der Wahl 2019 beschlossene Wahlrechtsreform, die bei dieser Wahl zur Anwendung kommt. Nach der bei der Wahl 2019 gültigen Regelung bekam die stärkste Partei 50 zusätzliche Mandate. 2023 aber wurden die Mandate nach den Regeln der einfachen Verhältniswahl vergeben.
Bei der nächsten Wahl würde eine von der ND-Regierung im vergangenen Jahr beschlossene Wahlrechtsreform greifen: ein sogenanntes "verstärktes Verhältniswahlrecht". Demnach erhält die erste Partei, die 25 Prozent der Stimmen auf sich vereint, einen Bonus von 20 Sitzen. Kann die stärkste Kraft noch mehr Wähler für sich gewinnen, kann dieser Bonus sogar auf bis zu 50 Mandate anwachsen.
Das politische System Griechenlands
Griechenland ist eine republikanische parlamentarische Demokratie. Das Einkammerparlament verfügt über 300 Sitze. Die Legislaturperiode beträgt vier Jahre. Das Land ist in 60 Wahlreise unterteilt, die je nach Größe ein bis 17 Abgeordnete entsenden. Das Wahlergebnis vom 21. Mai 2023 wird nach dem Prinzip der einfachen Verhältniswahl bestimmt. Das heißt: die auf die einzelnen Parteien entfallenden Mandate werden (anders als bei der vorangegangenen Wahl) ohne einen Bonus für die erstplatzierte Partei anhand ihres landesweiten Stimmenanteils errechnet. Für die Parteien gilt eine Dreiprozenthürde für den Einzug ins Parlament. Es besteht Wahlpflicht für alle Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren, das Nichtwählen wird allerdings in der Praxis gerichtlich nicht verfolgt. Für das passive Wahlrecht liegt das Mindestalter bei 25 Jahren.
Die alle fünf Jahre vom Parlament gewählte Staatspräsidentin, die ansonsten vor allem repräsentative Aufgaben hat und nur über eine eingeschränkte politische Macht verfügt, ernennt den Ministerpräsidenten und auf dessen Vorschlag die Minister. Bedeutung erhält die Rolle der Staatspräsidentin allerdings in Krisenzeiten. Für den Fall, dass keine Partei über genügend Mandate verfügt, um allein eine Regierung zu bilden, erteilt sie dem Vorsitzenden der erstplatzierten Partei das Mandat, die Bildung einer Regierung zu sondieren. Sollte die Regierungsbildung nicht erfolgreich sein, gibt sie das Mandat weiter an die jeweils nächstplatzierte Partei. Im Falle des endgültigen Scheiterns löst die Staatspräsidentin das Parlament auf um eine erneute Wahl zu ermöglichen.
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