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Schwere Gefechte im Sudan: Aktuelle Situation

Redaktion

/ 4 Minuten zu lesen

Im Sudan tobt ein Machtkampf zwischen Regierungstruppen und paramilitärischen Milizen. Hoffnungen auf eine Demokratisierung nach dem Sturz von Omar al-Baschir im Jahr 2019 haben sich vorerst zerschlagen.

Ein Blick auf die Straßen Khartums im Sudan während der Gefechte zwischen den sudanesischen Streitkräften und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), 30. April 2023. (© picture-alliance, Omer Erdem | Anadolu Agency)

Hinweis

Der Artikel behandelt die aktuelle Lage im Sudan im Mai 2023 (Stand: 24.05.2023). Jüngste Entwicklungen sind u.U. nicht mehr berücksichtigt, diese können z.B. in der Sicherheitspolitischen Presseschau unter Interner Link: https://www.bpb.de/themen/sicherheitspolitische-presseschau verfolgt werden.

Im Interner Link: Sudan brachen am 15. April dieses Jahres heftige Gefechte zwischen Armeeeinheiten des Militärmachthabers Abdel Fattah al-Burhan und den von General Mohamed Hamdan Daglo angeführten paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) aus. Diese halten auch Mitte Mai noch an. Mehrere bereits ausgehandelte Waffenruhen wurden wiederholt von beiden Seiten gebrochen. US-Angaben zufolge wurde am 11.05.2023 von beiden Konfliktparteien eine "Verpflichtungserklärung zum Schutz der Zivilbevölkerung des Sudan" unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich humanitäre Hilfe in das Land zu lassen, die Versorgung mit Strom und Wasser zu gewährleisten sowie den Abzug von Sicherheitskräften aus Krankenhäusern und Kliniken zu veranlassen. Noch am selben Tag wurde in einer Dringlichkeitssitzung des Interner Link: Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Externer Link: Resolution verabschiedet (18 Ja-Stimmen, 15 Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen), in der eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten sowie eine Rückkehr zu einer von Zivilisten geführten Regierung gefordert wird. Nachdem seit dem 6. Mai in Dschidda (Saudi-Arabien) zwischen Vertretern beider Konfliktparteien über eine Waffenruhe verhandelt wurde, konnten sich nach Angaben der US-Regierung beide Parteien am 22.05.2023 auf eine siebentägige Waffenruhe einigen. Medienberichten zufolge soll es auch nach Beginn der vereinbarten Waffenruhe zu Kämpfen gekommen sein.

Externer Link: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind seit Beginn des Konflikts mehr als 700 Menschen ums Leben gekommen und über 5.000 verletzt worden. Es wird jedoch von einer hohen Dunkelziffer an militärischen und zivilen Opfern ausgegangen, Letztere etwa aufgrund mangelnder oder nicht mehr vorhandener Gesundheitsversorgung. Externer Link: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (Interner Link: IOM) sind über 800.000 Menschen innerhalb des Landes geflohen, ebenso mehr als 200.000 in die unmittelbaren Nachbarländer, wie das UN-Flüchtlingshilfswerks (Interner Link: UNHCR) meldete. Besonders betroffen von den Kämpfen sind die Hauptstadt Khartum sowie die westliche Region Darfur. Interner Link: Schwere Gefechte gab es aber auch in anderen Landesteilen.

Paramilitärs kämpfen gegen Armee

Hintergrund der militärischen Auseinandersetzung ist ein Machtkampf zwischen dem Oberbefehlshaber der sudanesischen Armee und de-Facto Präsident Interner Link: General Abdel Fattah al-Burhan und dem Anführer der paramilitärischen RSF Mohammed Hamdan Daglo, auch "Hemeti" genannt. Daglo forderte vor Ausbruch der Kämpfe einen schnellen Übergang zu einer Zivilregierung, was Beobachterinnen und Beobachter als Angriff auf al-Burhan werteten. Tage nach einer Mobilisierung der RSF-Einheiten brachen die Gefechte aus. Die Rapid Support Forces hatten sich 2013 aus sogenannten Interner Link: Dschandschawid-Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammengeschlossen. Sie werden von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.

Im April 2019 wurde der Langzeitmachthaber des über 46-Millionen Einwohner zählenden Landes Omar al-Baschir – nach enormen Massenprotesten gegen das Militärregime – durch einen Militärputsch abgesetzt. Über Wochen hinweg hatten ab Dezember 2018 viele Tausend Menschen zunächst gegen den rasanten Anstieg der Brotpreise, später dann für eine Absetzung des Diktators demonstriert. Unter dem Autokraten waren massive Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung, verschiedene Bevölkerungsgruppen wie die Fur, Masalit, Zaghawa und Rizeigat wurden unterdrückt. Bewaffnete Truppen übernahmen nach 2019 die Macht. Nach dem Sturz al-Baschirs galt zunächst RSF-Chef Daglo – einer der Architekten des Putsches – als mächtigster Mann im Sudan, doch auch das reguläre Militär gewann rasch wieder an Einfluss. Nach schwierigen Verhandlungen einigten sich Militärvertreter mit der zivilen Opposition auf die Bildung einer Übergangsregierung unter Premierminister Abdalla Hamdok.

Hoffnung auf Demokratie

Die Hoffnungen auf eine Demokratisierung des Landes waren zunächst groß. Tatsächlich konnten die Zivilgesellschaft und auch demokratische Kräfte ab 2019 Erfolge erzielen: So wurden Interner Link: die Scharia abgeschafft und die Rechte religiöser Minderheiten gestärkt. Auch hinsichtlich der Pressefreiheit gab es leichte Verbesserungen. Zudem wurden die Gewerkschaften sowie die Frauenrechte in dieser Zeit gestärkt. De facto blieben allerdings stets die Armee und andere bewaffnete Gruppierungen einflussreiche Akteure.

Eigentlich sollte die Macht innerhalb von 39 Monaten vollständig an eine zivile Regierung übergehen. Doch nach wochenlang andauernden Unruhen putschte die Armee im Oktober 2021 erneut erfolgreich gegen die Regierung, Hamdok wurde abgesetzt. Nach Druck aus dem In- und Ausland wurde er Ende November zwar wieder ins Amt eingesetzt, erklärte dann aber Anfang Januar 2022 angesichts der anhaltenden politischen Krise seinen Rücktritt. Militärs übernahmen nun endgültig wieder die Kontrolle über das Land. Proteste der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft gegen die Machtübernahme blieben letztlich erfolglos.

Prozess gegen Langzeit-Herrscher al-Baschir

2020 begann im Sudan ein Prozess gegen al-Baschir sowie 27 weitere Personen. Er hatte 1989 eine demokratisch gewählte Regierung in einem Militärputsch gestürzt. Bei einer Verurteilung könnte die Todesstrafe verhängt werden. Auch beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag lag zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren ein Haftbefehl gegen al-Baschir aufgrund von Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor – vor allem seine Rolle in dem 2003 ausgebrochenen Interner Link: Darfur-Krieg stand hierbei im Mittelpunkt. Das sudanesische Kabinett hatte die Auslieferung des Ex-Präsidenten 2021 zwar beschlossen, umgesetzt wurde der Beschluss bisher jedoch nicht.

Unter al-Baschir wurden Minderheiten in dem Land massiv unterdrückt. Besondere Aufmerksamkeit erlangte der 2003 in der westsudanesischen Region Darfur ausgebrochene Krieg zwischen den Rebellengruppen "Justice and Equality Movement" (JEM) und "Sudan Liberation Movement/Army" (SLM/A) auf der einen sowie Regierungstruppen und den Dschandschawid-Milizen auf der anderen Seite. Während des Konflikts gingen Regierungsarmee und Milizen äußerst brutal gegen die örtliche Bevölkerung vor. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden rund 300.000 Menschen getötet und 2,5 Millionen Menschen vertrieben. Die zur Sicherung eines Waffenstillstands eingesetzte Friedensmission AMIS durch die Afrikanische Union (AU) im Jahr 2005 war nur von mäßigem Erfolg geprägt, 2007 dann wurde Externer Link: vom UN-Sicherheitsrat die UNAMID-Mission beschlossen, die die Lage beruhigen konnte. Als Nachfolge dieser Mission wurde ab Januar 2021 Externer Link: eine zivile Folgemission (UNITAMS) für den gesamten Sudan beschlossen.

Der Sudan befand sich unter al-Baschir zudem in einem Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung des Sudan in Khartum und der südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung, der Millionen Opfer forderte. 2005 wurde schließlich ein Friedensvertrag abgeschlossen, der 2011 – nach 22 Jahren Bürgerkrieg – in der Interner Link: Unabhängigkeit des Südsudans mündete.

Im Schatten der Unabhängigkeit Südsudans brachen 2011 in den Regionen Südkordofan und Blauer Nil (direkt an der sudanesischen Grenzregion zum Südsudan) abermals Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen aus – auch der Bürgerkrieg in Darfur hielt zunächst an. Schließlich unterzeichneten 2020 die sudanesische Übergangsregierung sowie mehrere Rebellengruppen ein Friedensabkommen für die drei Regionen Darfur, Südkordofan und Blauer Nil.

Humanitäre Lage

Sudan leidet seit längerem unter einer extremen Inflation und Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern. Die Menschen sind von massiver Armut betroffen, es fehlt an hinreichender gesundheitlicher Versorgung und sie sind langen Dürreperioden und einer zunehmenden Desertifikation infolge des Klimawandels ausgeliefert. Seit Jahren werden Sudanesinnen und Sudanesen mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert: Gewalt, Folter und andere Misshandlungen werden gegenüber der Zivilbevölkerung ausgeübt, insbesondere auch geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen.

Um die damals noch bestehende geringe Chance auf einen demokratischen Sudan nicht zu gefährden, erließen internationale Finanzinstitutionen, darunter auch Geldgeber wie Deutschland, dem Sudan im Jahr 2021 Schulden in Milliardenhöhe.

Hunderttausende Menschen auf der Flucht

Viele Menschen mussten wegen der jüngsten Gefechte ihre Heimat verlassen. Externer Link: Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) sind mehr als 700.000 Menschen innerhalb des Landes geflohen, mehr als 150.000 in die unmittelbaren Nachbarländer. Aufgrund früherer Konflikte gab es im Sudan bereits vor den jüngsten Kämpfen Externer Link: 3,7 Millionen Binnenvertriebene. Zudem leben im Sudan mit Externer Link: rund 1,14 Millionen Asylsuchenden und Flüchtlingen ohnehin schon eine der größten Flüchtlingsbevölkerungen auf dem afrikanischen Kontinent.

Bei den jüngsten kriegerischen Handlungen wurden zahlreiche sudanesische Kliniken zerstört. Tausende Menschen leiden Hunger, es fehlt Zugang zu Wasser und Elektrizität. Ärzte ohne Grenzen und andere internationale Organisationen fordern deshalb eine stärkere internationale Unterstützung.

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