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Parlamentswahl in den Niederlanden

Redaktion

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Am 22. November wurde in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) gewann mit 37 Sitzen. 14 weitere Parteien schafften es ins Parlament.

Den Haag, 24.10.2023: Wahlschilder für politische Parteien auf dem Lange Vijverberg im Vorfeld der Wahlen zum Repräsentantenhaus (© picture-alliance, ANP | Ramon van Flymen)

Am 22. November wählte die niederländische Bevölkerung die gesetzgebende Zweite Kammer der „Generalstaaten“ neu. Regulär wäre die derzeitige Legislaturperiode erst 2025 zu Ende. Die vorzeitige Neuwahl wurde notwendig, weil Ministerpräsident Mark Rutte im Juli 2023 nach einem Streit innerhalb der Regierungskoalition über die Migrationspolitik des Landes seinen Rücktritt eingereicht hatte. Als Wahlsieger 2023 geht laut den aktuellen Hochrechnungen mit 23,5 Prozent (Stand: 23.11.2023, 13.00 Uhr) die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders hervor.

Schwierige Regierungsbildung nach der letzten Wahl

Das niederländische Parteiensystem ist stark zersplittert. Die große Zahl der im Parlament vertretenen Parteien erschwert erfahrungsgemäß die Bildung einer Regierung. Bei den Interner Link: Parlamentswahlen im März 2021 wurde Ruttes liberal-konservative Volkspartei für Freiheit und Demokratie (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie, VVD) stärkste Kraft. Die Bildung einer Koalition mit der linksliberalen Partei Demokraten 66 (D66), der christdemokratischen Christlich-Demokratischer Aufruf (Christen-Democratisch Appèl, CDA) und der christlich-konservativen Christen-Union (ChristenUnie, CU) hatte anschließend bis Januar 2022 gedauert. Letztlich ließ Rutte das Bündnis im Sommer 2023 platzen, weil seine Koalitionspartner eine strikte Begrenzung des Familiennachzugs von Geflüchteten ablehnten.

Kein niederländischer Ministerpräsident war so lange im Amt wie Rutte, der das Amt erstmals 2010 übernommen hatte und nun seinen Rückzug aus der Politik ankündigte. Mit der amtierenden Justizministerin Dilan Yeşilgöz-Zegerius stand eine neue Spitzenkandidatin der VVD zur Wahl.

So wird in den Niederlanden gewählt

Das niederländische Parlament besteht aus zwei Kammern mit Sitz in Den Haag. Die 75 Mitglieder der Ersten Kammer werden nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von den Parlamenten der zwölf niederländischen Provinzen bestimmt. Die Zweite Kammer mit 150 Sitzen wird alle vier Jahre vom Volk gewählt. Wahlberechtigt sind alle niederländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die zum Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind. Die Zweite Kammer verfügt über die Gesetzgebungsbefugnis. Die Erste Kammer muss die Gesetze bestätigen.

Gewählt wird die Zweite Kammer nach Interner Link: Verhältniswahlrecht. Jede und jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme, die für einen Kandidaten oder eine Kandidatin abgegeben wird. Die Listen der 19 Wahlkreise können sich unterscheiden, sind aber oft deckungsgleich. Die Sitze werden nach dem Interner Link: Proporz der landesweit erzielten Stimmergebnisse verteilt. Formell gibt es eine Sperrklausel. Die Hürde für den Einzug ins Parlament liegt allerdings lediglich bei etwa 0,7 Prozent der gültigen Stimmen. Diese niedrige Sperrklausel führte bei den letzten Wahlen zu einer starken Zersplitterung des Parlaments: 2017 wurden etwa 13 Parteien ins Parlament gewählt, 2021 waren es 17 Parteien.

Eine Besonderheit des politischen Systems der Niederlande ist die Unvereinbarkeit von Abgeordnetenmandat und Regierungsamt, d.h. Parlamentsabgeordnete, die ein Regierungsamt bekleiden wollen, müssen vor ihrer Ernennung ihr Mandat niederlegen. Es soll die Unabhängigkeit des Parlaments stärken.

Wahlsieger ist die PVV

Bei der Wahl 2023 schafften 15 Parteien den Einzug ins Parlament. Im Vergleich: Nach der Interner Link: Wahl 2021 waren 17 Parteien in der Zweiten Kammer vertreten.

Die bislang größte Oppositionspartei im Parlament, die Interner Link: rechtspopulistische Partei für die Freiheit (Partij voor de Vrijheid, PVV) von Geert Wilders, gewann die Wahl mit 23,5 Prozent (Stand: 23.11.2023, 13.00 Uhr) der Stimmen. Damit stehen ihr 37 der 150 Sitze der Zweiten Kammer zu. Die PVV verdoppelt damit ihr Wahlergebnis von den vorherigen Wahlen im Jahr 2021. Sie fordert eine restriktive Einwanderungspolitik und will die niederländische Klimawandelgesetzgebung aufheben.

Das Bündnis PvdA/GL wurde mit 15,5 Prozent und 25 Sitzen zweitstärkste Kraft. Die sozialdemokratische Partei der Arbeit (Partij van de Arbeid, PvdA) sowie die Partei GrünLinks (GroenLinks, GL) traten mit einer gemeinsamen Liste an. Die vom ehemaligen EU-Spitzenpolitiker Frans Timmermans geführte Gruppierung setzt vor allem auf soziale Themen wie einen besseren Mieterschutz, eine Erhöhung des Mindestlohns sowie die Stärkung des Klimaschutzes.

Es folgt die bisherige stärkste Kraft, die Volkspartei für Freiheit und Demokratie (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie, VVD) mit 15,1 Prozent der Stimmen und 24 Sitzen. Die Partei steht für eine strikte Einwanderungspolitik sowie eine marktwirtschaftliche Orientierung und will den privaten Wohnungsbau stärker fördern.

Die erst im Sommer gegründete Partei Neuer Gesellschaftsvertrag (Nieuw Sociaal Contract, NSC) erreichte bei der Wahl 12,8 Prozent und 20 Sitze. Die NSC versteht sich als Anti-Establishment-Partei. Ihr Vorsitzender Pieter Omtzigt fordert eine schärfere Migrationspolitik, will Armut bekämpfen und Wohnen bezahlbar machen. Zudem verspricht die Partei, das politische System zu reformieren und wirbt unter anderem damit, dass Gesetze zukünftig von einem neuen Verfassungsgericht überprüft werden sollen.

Zersplittertes Parteiensystem

Die sozial-liberalen Demokraten 66 (D66) bekommen mit 6,2 Prozent (entspricht 9 Sitzen) deutlich weniger Stimmen ihres Ergebnisses von 2021 (15 Prozent). Die Partei setzt sich für Klimaschutz, Bürgerrechte und eine soziale Marktwirtschaft ein.

Wie volatil das niederländische Parteiensystem ist, zeigt auch das Beispiel der BoerBurgerBeweging (Bauer-Bürger-Bewegung, BBB). Die rechtspopulistische Partei errang 2021 nur ein Mandat. Bei den Wahlen zu den Provinzparlamenten im März 2023 wurde die BBB jedoch landesweit stärkste Partei. Sie hatte von den Bauerndemonstrationen gegen die niederländische Regierung profitiert, die plante, Stickstoffemissionen bis 2030 zu halbieren. Doch bei den Wahlen 2023 erreichte die BBB nur 4,7 Prozent der Stimmen (7 Sitze).

Die christdemokratische Partei Christlich-Demokratischer Aufruf (Christen-Democratisch Appèl, CDA) kam mit 5 Sitzen und 3,3 Prozent auf etwa ein Drittel der 2021 erzielten Stimmen (9,5 Prozent). Die bislang zweitgrößte Oppositionspartei, die Sozialistische Partei (Socialistische Partij, SP), kam auf 3,1 Prozent und 5 Sitze. Damit verlor die für einen starken Sozialstaat eintretende Partei gegenüber ihrem Ergebnis von 2021 drei Prozent.

Zudem erreichte eine Vielzahl kleiner Parteien den Einzug ins Parlament – darunter die ChristenUnie (CU) mit 2,0 Prozent (3 Sitze), Partij voor de Dieren (PVDD) mit 2,2 Prozent (3 Sitze), Denk mit 2,3 Prozent (3 Sitze), Forum voor Democratie (FVD) mit 2,2 Prozent (3 Sitze), Volt mit 1,7 Prozent (2 Sitze) und JA21 mit 0,7 Prozent (1 Sitz) der Stimmen.

Die Wahlkampfthemen

Im Wahlkampf setzten insbesondere rechte und konservative Parteien auf die Forderung einer strikteren Einwanderungspolitik. Daneben spielten soziale Themen eine große Rolle, darunter die Frage nach der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und der Erhöhung des Mindestlohns. Klima- und Umweltschutz standen ebenfalls im Zentrum des Interesses: Die Positionen der Parteien variierten von der Abwendung von klimapolitischen Maßnahmen über den Ausbau von Kernenergie bis etwa zur Forderung nach einem „Klimaticket“ für den öffentlichen Nahverkehr und einer Kerosinsteuer bei Flugreisen.

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