Nachdem dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Rassemblement National zunächst eine Chance auf absolute Mehrheit im Parlament vorhergesagt wurde, geht das neue Linksbündnis Nouveau Front Populaire (182 Sitze) als stärkste Kraft aus der Wahl hervor. Somit gewinnt das erste Mal seit 2012 eine linkes Bündnis Wahlen in Frankreich, gefolgt vom Bündnis um Präsident Macron Ensemble (168 Sitze). Das Bündnis um den Rassemblement National (143 Sitze) landet überraschenderweise nur auf dem dritten Platz. Keines der drei Bündnisse konnte eine absolute Mehrheit der 577 Sitze in der Nationalversammlung sichern. Eine schwierige Ausgangsposition für das französische Parlament, das nicht Koalitionserprobt ist. Wie sich die nächste Regierung zusammensetzen wird, bleibt vor diesem Hintergrund noch unklar.
30. Juni und 7. Juli 2024: Vorgezogene Parlamentswahlen in Frankreich
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Bei den von Emmanuel Macron einberufenen Parlamentswahlen in Frankreich konnte sich das neue Linksbündnis überraschenderweise gegen die Rechtspopulisten und das Bündnis des Präsidenten durchsetzen.
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Am Abend der
Wofür steht Artikel 12 der Verfassung?
Artikel 12 der französischen Verfassung von 1958 gibt
Die
In Frankreich ist es vor allem in den 1960er- und 1980er-Jahren häufiger vorgekommen, dass sich der Präsident mit den durch Artikel 12 gewährten Rechten zu einer Auflösung der Nationalversammlung entschieden hat. Bisher ist das insgesamt sechsmal geschehen: 1962, 1968, 1981, 1988, 1997 und nun im Jahr 2024. In Frankreich ist es unstrittig, dass der Präsident in Fällen tatsächlicher oder möglicher Krisen das Recht hat, diesen Schritt zu gehen (Checks and Balances). Das betrifft politische Sonderlagen: So beispielsweise die Krisen unter
Aber auch der Fall einer
Strittig ist, ob der Präsident von Artikel 12 Gebrauch machen kann, um aus politischen Gründen Neuwahlen herbeizuführen. Das war beispielsweise 1997 der Fall, als Präsident
Wie wird gewählt?
Die Nationalversammlung (
Wer tritt zur Wahl an?
Um die Chancen im Mehrheitswahlrecht zu vergrößern, treten Parteien in Frankreich oft in Bündnissen an.
Die Partei Renaissance (RE) von Präsident Macron ist auf nationaler Ebene Teil des Bündnisses Externer Link: Ensemble (Langform: : Ensemble pour la République, dt.: Gemeinsam für die Republik), zu dem außerdem noch eine ganze Reihe kleinerer liberaler und zentristischer Parteien gehören: Mouvement Démocrate (MoDem), Horizons (HOR), die Parti radical (PR) und die Union des démocrates et indépendants (UDI). Das Bündnis steht für die Fortsetzung der liberalen und pro-europäischen Politik von Emmanuel Macron.
Im linken Spektrum hat sich ein neues Bündnis gebildet: die Externer Link: Nouveau Front Populaire (NFP, dt.: Neue Volksfront). Das Bündnis bildet ein ganzes Spektrum an Parteien ab, die eine zentristische, linke, grüne und linkspopulistische Politik verfolgen. Dazu gehören die sozialdemokratische Parti Socialiste (PS), die linkspopulistische und EU-skeptische Partei La France Insoumise (LFI), die grüne Partei Les Écologistes (EELV), die eurokommunistische Parti Communiste Français (PCF) sowie diverse Kleinstparteien, die als Partner antreten.
Der rechtspopulistische Externer Link: Rassemblement National (RN, dt.: Nationaler Zusammenschluss, bis 2018: Front National) ist die einzelne Partei, die (jenseits der verschiedenen Bündnisse) die meisten Sitze in der Nationalversammlung erhalten hat. Auch wenn die Partei als Verliererin aus der Wahl hervorgeht, erreicht die Anzahl der Sitze im Parlament und der Stimmen, die für sie gestimmt haben, ein Rekordniveau in der Geschichte der Partei. Parteivorsitzender ist seit 2022 Jordan Bardella, zuvor hatte Marine Le Pen dieses Amt inne. Der RN vertritt rechtsnationale, EU-kritische und pro-russische Positionen.
Schließlich gibt es noch die gaullistische Partei Externer Link: Les Républicains (LR, dt.: Die Republikaner, bis 2015: UMP). Sie vertritt liberal-konservative Positionen. Ihre gemäßigten Repräsentanten plädieren für eine gaullistische Politik und sind gegen Zugeständnisse an Renaissance oder den RN. Dagegen sind Parteipräsident Éric Ciotti und seine Unterstützer für die Wahl ein Bündnis mit dem RN eingegangen, weshalb Ciotti ein Parteiausschluss droht und die Partei gespalten antrat.
Was sind die Themen im Wahlkampf?
In dem kurzen Zeitraum zwischen Macrons überraschender Entscheidung zur Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen war die Debatte vom möglichen Sieg der Rechtspopulisten des RN geprägt. Am 15. Juni demonstrierten landesweit Hunderttausende Menschen gegen einen möglichen Rechtsruck in Frankreich.
Der RN will das erhöhte Migrationsaufkommen, irreguläre Einwanderung sowie Kriminalität eindämmen, die Sicherheit erhöhen und die
Wer hat die Wahl gewonnen?
In den Umfragen lag der RN klar vorn. Den Rechtspopulisten wurden demnach bis zu 35 Prozent der Stimmen vorhergesagt, gefolgt von der linken NFP klar dahinter auf Platz zwei, mit einem Stimmenanteil von bis zu 29 Prozent. Beim ersten Wahlgang konnte der RN mit 39 Sitzen noch die meisten Sitze direkt sichern – indem die Partei mehr als die Hälfte der Stimmen in einem gegebenen Wahlkreis erhielt. Vor dem zweiten Wahlgang zogen sich jedoch viele Kandidaten und Kandidatinnen der NFP oder von Ensemble, die in der ersten Runde in einem Wahlkreis auf dritter Position gelandet waren, aus dem Rennen zurück, um die Chance des RN zu verringern, sich im zweiten Wahlgang gegen den einzig übrigen Gegenkandidaten durchzusetzen. Aus der für französische Parlamentswahlen hohen Wahlbeteiligung von 67 Prozent lässt sich zudem ablesen, dass viele Wählerinnen und Wähler sich mobilisierten, um einen Wahlsieg des RN zu verhindern.
Als Wahlsiegerin erhält die NFP nur eine relative Mehrheit im Parlament. Deshalb bleibt offen, wie sich das nächste Regierungskabinett zusammensetzen wird. Zahlreiche Mitglieder von Ensemble hatten im Vorhinein der Wahl eine Zusammenarbeit mit La France Insoumise ausgeschlossen. Die linkspopulistische Partei stellt innerhalb des Linksbündnisses NFP allerdings bei weitem die meisten Mitglieder in der neuen Nationalversammlung. Teilweise ist auch die grüne Partei Les Écologistes bei Ensemble umstritten. Ob und wie eine Zusammenarbeit zwischen Ensemble und der NFP funktionieren könnte, bleibt daher unklar.
In einem Brief vom 10. Juli an das französische Volk forderte Präsident Macron "die Gesamtheit der politischen Kräfte, die sich in den republikanischen Institutionen, dem Rechtsstaat, dem Parlamentarismus, einer europäischen Orientierung und der Verteidigung der französischen Unabhängigkeit wiedererkennen," dazu auf, eine Mehrheit zu bilden. Das schließt La France Insoumise implizit aus. Dagegen zeigt das Bündnis NFP bisher eine geschlossene Front. Übergangsweise wird die bisherige Regierung weiterhin das Tagesgeschäft verwalten. Macron bleibt bis 2027 Präsident, voraussichtlich wird seine Präsidentschaft jedoch stark geschwächt, wenn seine Partei nicht länger den Premierminister stellt.
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