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Parlamentswahl in Tschechien 2025 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Parlamentswahl in Tschechien 2025

Redaktion

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Am 3. und am 4. Oktober wählen die Tschechinnen und Tschechen ein neues Abgeordnetenhaus. Die bürgerliche Regierungskoalition ist wenig populär. Umfragen deuten auf einen Machtwechsel hin.

Blick über die Dächer Prags mit der Prager Burg im Hintergrund. Sie ist Amtssitz des Präsidenten und Symbol der politischen Macht in Tschechien. Bei der anstehenden Parlamentswahl könnte es zu einem Regierungswechsel kommen. (© picture-alliance, AA/photothek.de | Amrei Schulz))

Wer regiert derzeit?

Bei den Interner Link: Parlamentswahlen im Jahr 2021 war das aus drei Mitte-Rechts-Parteien bestehende Bündnis SPOLU (Deutsch: „Gemeinsam“) mit 27,8 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden. Dicht dahinter folgte die vom Milliardär Andrej Babiš gegründete Partei „Aktion unzufriedener Bürger“ (Tschechisch: Akce nespokojených občanů, ANO) mit 27,1 Prozent der Stimmen. Drittstärkste Kraft wurde die gemeinsame Liste von „Piratenpartei“ (Česká pirátská strana, Kurzform: Piráti) sowie „Bürgermeistern und Unabhängigen" (Starostové a nezávislí, Kurzform: STAN) mit 15,6 Prozent der Stimmen.

Da nur vier Parteien oder Parteienbündnisse ins Parlament gekommen waren, verfügten SPOLU und Piráti/STAN über eine Mehrheit von 108 der 200 Sitze im Parlament. Vertreter der an den Bündnissen beteiligten Parteien schlossen eine Regierungskoalition, welche die bis dato im Amt befindliche Regierung von Babiš ablösen sollte. Neuer Ministerpräsident der Tschechischen Republik wurde der Politikwissenschaftler Petr Fiala, der der „Demokratischen Bürgerpartei“ (Občanská demokratická strana, ODS) angehört, die Teil des SPOLU-Bündnisses ist.

Der damalige Präsident Miloš Zeman war während der Regierungsbildung schwer erkrankt. Zwischenzeitlich lag er auf der Intensivstation und galt für unbestimmte Zeit als nicht mehr amtsfähig – was zu Spekulationen darüber führte, ob ein geordneter Machtübergang von der populistischen ANO-Bewegung zur Mitte-Rechts-Koalition überhaupt möglich sei. Zeman erholte sich jedoch wieder und ernannte Fiala Ende November 2021 persönlich zum Ministerpräsidenten.

Im Herbst 2024 kam es zu einer Regierungskrise in Tschechien: Ministerpräsident Fiala entließ den Vize-Ministerpräsidenten für Digitalisierung, Ivan Bartoš, der gleichzeitig auch Parteivorsitzender der Piraten war. Die tschechische Piratenpartei beschloss daraufhin wenige Tage später, die Koalition mit SPOLU und STAN zu verlassen. Die Regierung unter Fiala verfügt trotz des Ausscheidens der Piratenpartei weiterhin über eine Mehrheit im Parlament.

kurz&knappWie wird gewählt?

Das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik (Poslanecká sněmovna Parlamentu České republiky) wird nach Verhältniswahlrecht gewählt. Es hat 200 Sitze. Das Land ist in 14 Wahlkreise unterteilt, in denen die Parteien mit Kandidatenlisten antreten. Die Sitzvergabe erfolgt nach einem komplizierten System, das durch eine Wahlrechtsreform im Jahr 2021 neu austariert wurde.

Zu Beginn der Sitzverteilung wird eine Sperrklausel angewandt: Sie liegt für selbstständig zur Wahl antretende Parteien bei fünf Prozent, für Zweierkoalitionen bei acht Prozent und für größere Bündnisse bei elf Prozent. Sollten mindestens zwei Wahlbündnisse an der Sperrklausel scheitern, wird sie um einen Prozentpunkt gesenkt: Dann genügen vier Prozent für einzeln antretende Parteien, sieben Prozent für Zweierkoalitionen und zehn Prozent für größere Bündnisse.

Nur Parteien, deren Stimmenanteil landesweit über der jeweiligen Sperrklausel liegt, können an der Sitzvergabe beteiligt werden. Dieser Prozess findet auf Wahlkreisebene statt.

Wahlberechtigt sind alle Staatsangehörigen der Tschechischen Republik, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Das passive Wahlrecht steht allen Tschechinnen und Tschechen ab Vollendung des 21. Lebensjahres offen. Eine Legislaturperiode dauert vier Jahre.

Erstmals können bei dieser Parlamentswahl die Staatsangehörigen im Ausland per Briefwahl abstimmen. Bislang mussten sie zur Stimmabgabe die Botschaften und Konsulate der Tschechischen Republik aufsuchen, was besonders bei großen Flächenländern wie den USA mit erheblichem Aufwand verbunden war. Stand Ende August haben sich laut offiziellen Angaben des Außenministeriums gut 24.000 der etwa 600.000 tschechischen Staatsangehörigen im Ausland zur persönlichen Stimmabgabevor Ort in einem Konsulat oder einer Botschaft oder zur Briefwahl registrieren lassen. Das Ministerium hatte mit einer doppelt so hohen Zahl gerechnet.

Wer tritt zur Wahl an?

Insgesamt haben 26 Parteien Listen zur Parlamentswahl angemeldet. Nicht alle Parteien treten landesweit in allen Regionen an.

Das derzeit regierende SPOLU-Bündnis besteht aus drei Parteien: Der Demokratischen Bürgerpartei ODS, der „Christlichen und Demokratischen Union – Tschechoslowakische Volkspartei“ (Křesťanská a demokratická unie – Československá strana lidová, KDU-ČSL) und „Tradition, Verantwortung, Prosperität“ (tradice, odpovědnost, prosperita, TOP 09). SPOLU vertritt liberalkonservative Positionen und verfolgt eine pro-europäische Agenda. Vorsitzender des Bündnisses ist Ministerpräsident Petr Fiala, der auch zur Wiederwahl antritt. Die zur Regierungskoalition gehörende STAN und die Piratenpartei treten dieses Jahr wieder mit eigenen Wahllisten an. STAN ist eine zentristisch-liberale Partei; die Piraten gelten als Mitte-Links-Partei, die sich für eine gesellschaftspolitisch progressive, ökologisch orientierte Politik einsetzt.

Größte Oppositionspartei ist die ANO-Bewegung, die bereits von 2017 bis 2021 das Land regiert hat. ANO wird der politischen Mitte zugeordnet. Gleichzeitig vertritt sie populistische Positionen in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Die Partei ist stark auf die Persönlichkeit ihres Gründers Andrej Babiš ausgerichtet. Gegen den Milliardär wurde in der Vergangenheit mehrfach wegen Korruption, Interessenskonflikten und Betrug ermittelt. Externer Link: Ein Verfahren zu EU-Subventionsbetrug wurde im Juni 2025 vom tschechischen Obersten Gerichtshof neu eröffnet.

Die Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (Svoboda a přímá demokracie, SPD) ist eine rechtsradikale Partei. Sie vertritt nationalistische und EU-feindliche Positionen, etwa in der Migrationspolitik. In ihrem Wahlprogramm lehnt sie Interner Link: die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems von 2024 ausdrücklich ab.

Neu im Bewerberfeld sind das Wahlbündnis „Genug!“ (Stačilo!) unter Führung der „Tschechischen Kommunistischen Partei“ (Komunistická Strana Čech a Moravy – KSČ), das linkspatriotische bis linksnationalistische Kräfte zusammenbringt, und die Partei “Autofahrer für sich“ (Motoristé sobě, AUTO), die den menschengemachten Klimawandel leugnet und autofreundliche Politik ins Zentrum ihrer politischen Forderungen stellt.

Was sind die Themen im Wahlkampf?

Tschechien erlebt einen stark polarisierten Wahlkampf. Die aufgeladene Stimmung eskalierte Anfang September in einem gewalttätigen Angriff auf ANO-Chef Andrej Babiš bei einer Wahlkampfveranstaltung, der auch von politischen Gegnern einhellig verurteilt wurde.

Die Parteienlandschaft ist politisch zweigeteilt: Auf der einen Seite steht das regierende SPOLU-Bündnis und auch dessen verbliebener Koalitionspartner STAN. Sie stehen innenpolitisch für Haushaltskonsolidierung durch Sparpolitik, wie etwa durch die Deckelung der jährlichen Rentenerhöhungen.

Dem gegenüber stehen die populistisch auftretende ANO-Bewegung, die weitere finanzielle Entlastungen verspricht, aber auch die rechtsradikale Partei SPD, das Bündnis Stačilo! und die Partei „Autofahrer für sich“.

Ein weiteres Thema, in dem sich die Spaltung widerspiegelt, ist die Außen- und Sicherheitspolitik. Der bisherige Ministerpräsident Fiala verfolgt einen pro-westlichen und pro-ukrainischen Kurs. Lange Zeit wurde das von einer großen Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen. Doch in Tschechien mehren sich die Stimmen jener, die einer weiteren Unterstützung der Ukraine kritisch gegenüberstehen. ANO-Chef Babiš will die Munitionsoffensive zur Belieferung der Ukraine stoppen, Stačilo! zeigt sich skeptisch gegenüber EU-Sanktionen gegen Russland. Auch in der Haltung zur EU zeigen sich deutliche Unterschiede: Während die Regierung unter Fiala sich pro-europäisch positioniert, sprechen Stačilo! und SPD sich sogar für ein Referendum über den Verbleib Tschechiens in der Europäischen Union aus („Czexit"). Auch die „Autofahrer für sich“ treten EU-skeptisch auf.

Wer könnte nach der Wahl regieren?

Aktuelle Umfragen sehen derzeit die ANO-Bewegung des früheren Ministerpräsidenten Andrej Babiš klar vorn – sie kommt auf Zustimmungswerte zwischen 29,3 und 32,6 Prozent und würde sich damit im Vergleich zur Parlamentswahl von 2021 verbessern. SPOLU folgt mit einigem Abstand mit Werten zwischen 17,8 und 21,1 Prozent. Drittstärkste Kraft könnte den Umfragen zufolge mit Werten von 10,1 bis 13,4 Prozent die rechtsextreme SPD werden. Dahinter folgt STAN mit Werten zwischen 11,2 und 11,8 Prozent und die Piraten mit Werten von 8,7 bis 10,1 Prozent. Chancen auf den Einzug ins Parlament haben auch die „Autofahrer für sich“ und Stačilo!.

Das neue Abgeordnetenhaus dürfte damit zersplitterter sein als das aktuelle Parlament. Dementsprechend schwierig könnte auch die Regierungsbildung werden: Denn obwohl ANO in den Umfragen führt, ist es durchaus denkbar, dass die Partei zwei weitere Koalitionspartner braucht, um erneut den Ministerpräsidenten stellen zu können. Ob es wirklich zu einer ANO-geführten Regierungsmehrheit kommt, könnte am Ende auch davon abhängen, ob die potenziellen Partner auch den Einzug ins Parlament schaffen. Denkbar wären beispielsweise Bündnisse mit der SPD, den „Autofahrern für sich“ oder Stačilo!. Die gemäßigten Mitte-Rechts-Parteien der Regierungskoalition und die Piraten haben bereits ausgeschlossen, künftig mit ANO zusammenzuarbeiten.

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