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2x3x3 Eltern-Lehrenden-Kommunikation in Zeiten des Distanzunterrichts | Corona und die neue Lernwelt | bpb.de

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2x3x3 Eltern-Lehrenden-Kommunikation in Zeiten des Distanzunterrichts

Leonie Meyer

/ 7 Minuten zu lesen

Der Umschwung auf den digitalgestützten Unterricht brachte nicht nur Herausforderungen beim Lehren und Lernen, sondern stellte auch die Kommunikation zwischen Lehrenden und Eltern auf die Probe.

Die Corona-Pandemie erforderte ein Umschwenken bei der Lehrenden-Eltern-Kommunikation. (© Foto: Anna Shvets Externer Link: pexels.com)

Im 3x3 stellen wir drei Akteurinnen und Akteuren dieselben drei Fragen. Zum Thema Eltern-Lehrenden-Kommunikation in der Corona-Pandemie haben wir drei Lehrerinnen und drei Mütter interviewt.

Lehrenden-Perspektive

Wie hat sich die Art und Häufigkeit Ihrer Kommunikation mit den Eltern Ihrer Schülerinnen und Schüler durch die Corona-Pandemie verändert?

Lehrerin Hülya Atasoyi (© Samografie: Samet Bozçelik)

Hülya Atasoyi: Vor der Corona-Pandemie hat die Kommunikation mit den Eltern meiner Schülerinnen und Schüler überwiegend per Mail stattgefunden. Bei wichtigen Informationen rief ich den Klassenpflegschaftsvorsitzenden meiner Klasse an, damit er diese an die WhatsApp-Gruppe der Eltern weiterleiten konnte. Seit der Corona-Pandemie nutzen unsere Schülerinnen und Schüler den Untis Messenger und die Plattform Moodle, um mit den Lehrkräften auf schnellem Weg kommunizieren zu können. Viele Eltern haben sich diese Apps ebenfalls auf ihre Smartphones geladen, um sich mit den Zugangsdaten ihrer Kinder einzuloggen und bei wichtigen Fragen die Lehrkräfte zu kontaktieren. Seitdem kommuniziere ich mit den Eltern mindestens einmal die Woche per Messenger, also viel häufiger als vor der Pandemie.

Lehrerin Katja Wehrend (© privat)

Katja Wehrend: Ich habe bereits vor der Pandemie eher offen und häufig per E-Mail mit den Eltern kommuniziert und z.B. schöne Dinge aus dem Unterrichtsgeschehen mitgeteilt. Dies habe ich auch zu Beginn der Pandemie fortgesetzt. Neu hinzugekommen waren 2020 vermehrt Telefonate, denn wir sollten damals einmal pro Woche mit den Schülerinnen und Schülern Kontakt aufnehmen – und da hatte ich vor den Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern oft die Eltern in der Leitung. Das hat mir sehr gut gefallen, denn so konnte ich Sorgen und Stress mit ihnen besprechen und auch nehmen. Da ich selber Kinder habe, konnte ich dies oft als Ausgangspunkt nehmen. Das hat viele Gespräche erleichtert.

Lehrerin Lisa Dopke (© Philipp Poppe)

Lisa Dopke: Im Rahmen der Elternarbeit haben wir vor allem Einschnitte im persönlichen Face-to-Face-Kontakt, trotzdem ist der Kontakt immer noch gut. Alle paar Monate frage ich, wie es zuhause mit dem Distanzlernen läuft. Der Kontakt zu meinen Schülerinnen und Schülern hat sich sehr ausgebaut: Sie haben meine Handynummer und können mir jederzeit schreiben, wenn sie Redebedarf haben und das geschieht dann auch – egal, ob es die Aufgabenbearbeitung oder das Vermissen des Crushs aus der 10. Klasse ist. Trotzdem werden Grenzen eingehalten, und ich empfinde diese Kommunikation nicht als Belastung.

Was war/ist die größte Herausforderung für den Austausch mit den Eltern Ihrer Schülerinnen und Schüler?

Hülya Atasoyi: Während der Corona-Pandemie habe ich immer versucht, allen Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden und alle Moodle-Abgaben zu kontrollieren. Bei nicht abgegebenen Aufgaben versuchte ich die Eltern auf verschiedenen Kommunikationskanälen (E-Mail, Moodle, Messenger, Telefon) zu informieren. Teilweise erfolglos. Die größte Herausforderung für den Austausch mit einigen Eltern war demzufolge, dass sie nicht immer erreichbar waren oder erreicht werden konnten. Dies hat die Weitergabe von wichtigen Schüler-Informationen an die Eltern sehr erschwert.

Katja Wehrend: Ich habe leider nicht alle Eltern erreicht, und dabei habe ich z.T. sogar die Unterrichtsmaterialien nach Hause gebracht. Für einige Eltern wären Informationen in den jeweiligen Landessprachen hilfreich. Dieser Aspekt wird bei Informationen/ Formularen/ etc. seitens des Ministeriums nicht bedacht. Außerdem hatten und haben viele Eltern Existenzängste, dann noch die Sorgen über die "verlorene" Schulzeit ihrer Kinder, oder auch, dass sie als Eltern die Aufgaben des Distanzlernens nicht (ausreichend) unterstützen können – das aufzufangen war und ist schwierig.

Lisa Dopke: Bis klar war, welche Grenzen ich in Bezug auf telefonische Erreichbarkeit oder Anfragen per WhatsApp habe, war der Kontakt sehr schwergängig. Normalerweise rufen Lehrkräfte ja auch nur zuhause an, wenn sich die Kinder nicht benehmen. Diese Angst zu überwinden und dann auch persönlich und offen zu sprechen, fand ich am schwierigsten. Mittlerweile geht das aber ganz gut und ich telefoniere auch regelmäßig mit meinen Schülerinnen und Schülern. Mit den Eltern nur, wenn es wirklich außergewöhnliches Lob gibt oder große Probleme bestehen.

Fühlen Sie sich von den Eltern gut über die Wirksamkeit Ihrer Methoden im Fernunterricht informiert?

Hülya Atasoyi: Ja, denn die Eltern teilen mir bei möglichen Telefonaten oder über den Messenger mit, dass sie mit den Methoden im Fernunterricht sehr zufrieden sind. Sie sind dankbar, dass in allen Fächern unserer Schule Videokonferenzen stattfinden und die Moodle-Kurse für die Schülerinnen und Schüler strukturiert und schülergerecht gestaltet werden. Die Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Eltern ist mir besonders wichtig, da auf diese Weise eine gegenseitige Wertschätzung stattfinden kann. Der regelmäßige Austausch ist meines Erachtens eine Grundlage für eine gelingende Elternarbeit.

Katja Wehrend: Ja, durchaus. Es gab einige gute Rückmeldungen, auch konkrete Ideen zur Veränderung. Meine Eltern waren da vergleichsweisekommunikativ und konstruktiv. Aber ich weiß auch, dass es leider an vielen anderen Schulen nicht so ist. Da wird der Frust gern in den sozialen Medien abgelassen, statt den direkten Kontakt zur Lehrkraft oder auch nur zur Schule zu suchen. Das macht mich oft traurig und wütend.

Lisa Dopke: Ich bekomme von einigen Eltern sehr positive Rückmeldungen und auch Grenzen aufgezeigt, wenn eine Aufgabe oder Methode zu komplex ist. Es gab eine Phase, in der meine 8. Klasse sehr viele Videos schneiden sollte, parallel aber noch Unterricht qua Videokonferenz hatte. Das hat die Bildschirmzeiten extrem ansteigen lassen und zu großem Unmut geführt, sodass wir nachjustiert haben. Ein Methodenwechsel ist da unabdingbar.

Über unsere Interviewpartnerinnen

Hülya Atasoyi arbeitet als Mathematik- und Englischlehrerin für die Jahrgangsstufen 5-10 an einer Gesamtschule in NRW.

Katja Wehrend ist ehemals Gymnasiallehrerin und unterrichtet aktuell als Englisch- und Biologie/Naturwissenschaften-Lehrerin an einer IGS (Integrierten Gesamtschule) in Niedersachsen die Klassenstufen 5-13.

Lisa Dopke unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Gesellschaftslehre an einer IGS (Integrierten Gesamtschule) für die Klassenstufen 5-13 in Niedersachsen.

Eltern-Perspektive

Wie hat sich die Art und Häufigkeit Ihrer Kommunikation mit den Lehrkräften Ihres Kindes durch die Corona-Pandemie verändert?

Andrea Nüßlein (© Fotostudio Steinbauer, Hersbruck)

Andrea Nüßlein: Die Häufigkeit ist unverändert. Der Austausch findet ausschließlich über Videokonferenz statt. Der Austausch mit der Schulleitung hat sich stark erhöht, da viele Themen besprochen werden mussten. Hierzu fanden Video- und Telefonkonferenzen statt.

Katja Oltmans (© privat)

Katja Oltmanns: Es gab einen häufigeren Austausch, allerdings war das der Tatsache geschuldet, dass das digitale Lernen nicht gut funktioniert hat. Somit war die Kommunikation mit den Lehrkräften notwendig, um Probleme beim Distanzlernen zu klären, einheitliche Vorgaben zu vereinbaren und Verbesserungen einzufordern.

Jana Tallevi (© Marcus Merk)

Jana Tallevi: Eigentlich bin ich mit den Lehrkräften der Realschule meiner Tochter in engerem Kontakt als zuvor. Sie sind über mehrere Kanäle erreichbar, über die Softwareprodukte, die die Schule nutzt und auch per Telefon, das klappt immer sehr gut. Zudem bin ich aber der Meinung, dass Schule vor allem eine Sache zwischen Lehrkräften und Kindern ist und so sehen das auch die Lehrerinnen und Lehrer bei uns an der Schule. Neulich hatte meine Tochter mal Schwierigkeiten mit dem W-Lan und ist nicht gleich um 8 Uhr im Online-Unterricht gewesen. Um 8.07 Uhr hat die Lehrerin schon angerufen und gefragt, was los sei. Da wird wirklich auf jedes Kind geachtet.

Was war/ist die größte Herausforderung für den Austausch mit den Lehrkräften Ihres Kindes oder Ihrer Kinder während der Corona-Pandemie?

Andrea Nüßlein: Die Art und Weise, wie die Themen besprochen werden mussten, damit diese als Verbesserung und nicht als Kritik angenommen wurden. Technisch gab es keine Probleme, da unser Elternbeirat einen eigenen Zugang zur Videokonferenz-Software erhalten hat.

Katja Oltmanns: Die vom Bundesland zur Verfügung gestellte Lernplattform hat keine gute Performance und ist in der Nutzerfreundlichkeit noch stark verbesserungsbedürftig. Weder die Lehrkräfte noch die Schülerinnen und Schüler waren auf die Nutzung der Plattform vorbereitet. Somit waren "Learning by doing" oder "Trial and error" die Herausforderungen, was wiederum oft zu Frust führte. Der sonst tägliche und persönliche Austausch zwischen Lehrkräften und Schülern aber auch zwischen den Schülerinnen und Schülern lässt sich über eine Plattform nicht abbilden.

Jana Tallevi: Auch über digitale Kanäle fühle ich, dass ich nah dran bin an den Lehrkräften. Ich will aber noch mal wiederholen: auch wenn ganz normal Schule ist, bin ich nicht ständig im Gespräch mit den Lehrerinnen und Lehrern. Das soll und muss doch auch gar nicht so sein.

In welchen Situationen brauchte Ihr Kind im Fernunterricht die Unterstützung der Lehrkräfte?

Andrea Nüßlein: Für Feedback, um zu erkennen, wo mein Kind steht und was verbessert werden muss. Außerdem war der regelmäßige Kontakt zur Lehrkraft und zur Klasse für das soziale Miteinander wichtig. Durch den regelmäßigen Kontakt konnten Ängste abgebaut werden.

Katja Oltmanns: Distanzlernen und das Abarbeiten von Arbeitsblättern/Lernaufträgen sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Neue Themen oder fachliche Inhalte können sich Kinder nicht einfach selbst beibringen. Dazu braucht es die erklärende, motivierende und unterstützende Lehrkraft. Es fehlt vor allem noch an der passenden Didaktik für das digitale Lernen.

Jana Tallevi: Nach einem Vierteljahr Online-Unterricht war es für meine Tochter schwer, sich selbst richtig einzuschätzen. Da kam der Elternsprechtag per Video-Anruf genau richtig. Ihre Lehrerinnen konnten meiner Tochter und mir dann erklären, wo sie ihren Meinungen nach in den jeweiligen Fächern steht, wie sie mitarbeitet und wie zuverlässig sie die Hausaufgaben abgibt. Das war eine große Hilfe.

Über unsere Interviewpartnerinnen

Andrea Nüßlein hat ein Kind (16 Jahre), das eine Realschule in Bayern besucht.

Katja Oltmanns hat zwei Kinder (14 und 17 Jahre), die ein Gymnasium im Saarland besuchen.

Jana Tallevi hat ein Kind, das eine Realschule in Bayern besucht.

Leonie Meyer ist Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Daneben studierte sie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Master Politikwissenschaft. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt auf den Wechselwirkungen von Sozialen Netzwerken und Politik bzw. politisch-historischer Bildung.