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Vor 60 Jahren: Gründung der unabhängigen Republik Zypern | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 60 Jahren: Gründung der unabhängigen Republik Zypern

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Am 16. August 1960 entließ Großbritannien Zypern in die Unabhängigkeit. Doch in dem Inselstaat schwelte schon damals der Konflikt zwischen der griechischen und der türkischen Bevölkerung, der schließlich 1974 zur Teilung des Landes führte – und bis heute nicht gelöst werden konnte.

Mit der Unabhängigkeit Zyperns im Jahr 1960 blieb die erhoffte Entspannung aus. Stattdessen verschärfte sich der inner-zyprische Konflikt. Seit 1974 trennt die "Verbotene Zone" die Insel in einen zyprisch-türkischen und in einen zyprisch-griechischen Teil. (© picture-alliance/dpa)

Die Insel Zypern befand sich seit der Antike unter wechselnder Herrschaft. Ihre Lage im Mittelmeer verlieh ihr eine besondere geostrategische Bedeutung. Seit 1570 gehörte sie zum Interner Link: Osmanischen Reich. Als 1869 der Suezkanal für die Schifffahrt freigegeben wurde und mit ihm eine wichtige Route vom Mittelmeer über das Rote Meer zum Indischen Ozean entstand, begannen die europäischen Kolonialmächte sich für die Insel zu interessieren. Auf dem Interner Link: Berliner Kongress 1878 wurde festgelegt, dass das Osmanische Reich Zypern an Großbritannien abtreten sollte. Die Briten pachteten Zypern zunächst, annektierten es jedoch zu Beginn des Ersten Weltkriegs und machten es 1925 offiziell zu einer ihrer Kronkolonien. Im Friedensvertrag von Lausanne am Ende des griechisch-türkischen Kriegs von 1919 bis 1922 erkannte die Türkei die britische Annexion an und verzichtete formell auf Zypern.

Unabhängigkeitsbewegungen und -kampf

Auf Zypern formierten sich zwei Bewegungen, die die Unabhängigkeit von Großbritannien anstrebten. Während die eine ihren bereits seit der Jahrhundertwende proklamierten Wunsch nach "Enosis" bestärkte, also für die Einheit Zyperns mit Interner Link: Griechenland plädierte; forderte die andere "Taksim", sprich: die Teilung der Insel in einen griechischen und einen türkischen Teil.

Die Unabhängigkeitsbestrebungen spitzten sich seit 1955 in einem Guerillakrieg zu. Zunächst kämpfte die "Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer" (EOKA) für das Enosis-Lager gegen die Briten. Diese verfolgten wiederum die Strategie, die beiden Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen und unterstützten die türkischen Zyprer – auch indem sie es duldeten, dass die Türkei eine paramilitärische Gegenorganisation (zunächst VOLKAN, später TMT) zum griechisch-zyprischen Pendant aufbaute.

Garantiemächte mit Interventionsrecht

Mit der Interner Link: Suezkrise 1956 änderte sich das Kräfteverhältnis in der Region, der Einfluss Großbritanniens sank erheblich. Nun waren es die USA, die sich im Kalten Krieg mit der Sowjetunion neue Bündnispartner sichern wollten und darauf drängten, den Zypern-Konflikt an der Südostflanke der NATO zu beenden. Großbritannien, Griechenland und die Türkei erarbeiteten in der Folge den Externer Link: Londoner Garantievertrag, den sie, ebenso wie Zypern, am 19. Februar 1959 unterzeichneten und der den Weg Zyperns in die Unabhängigkeit ebnete. Der Vertrag legte grundlegende Verfassungsbestimmungen fest und garantierte die territoriale Unversehrtheit des neuen Staates, ließ eine Lösung der inner-zyprischen Konflikte aber offen. Am 16. August 1960 wurde Zypern dann offiziell unabhängig. Die drei Garantiemächte behielten allerdings das Recht, im neu gegründeten Staat zu intervenieren sowie Militärstützpunkte zu errichten. Einen Monat später, am 20. September 1960, trat Zypern den Vereinten Nationen bei.

Griechischer Putsch und türkische Invasion

Die Unabhängigkeit führte jedoch nicht zu der erhofften Entspannung im inner-zyprischen Konflikt. Teilweise herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände; die Vereinten Nationen entsandten 1964 eine Friedenstruppe (UNFICYP), die bis heute auf der Insel stationiert ist. Unterstützt von der Militärjunta Griechenlands putschten im Jahr 1974 griechisch-zyprische Offiziere gegen den zyprischen Präsidenten Makarios. Die türkische Regierung entsandte daraufhin Truppen nach Zypern, die den Norden der Insel besetzten. Interner Link: Fast alle der rund 162.000 griechische Zyprer flohen aus dem Norden in den Süden oder wurden vertrieben, fast alle der rund 48.000 türkische Zyprer flohen in die Gegenrichtung, was faktisch zu einer geographischen Trennung der Bevölkerung entlang ethnischer Zugehörigkeit führte. Das Mandat der UN-Mission wurde in der Folge ausgeweitet: So überwacht sie fortan die "Green line", eine Demarkationslinie, die in einem Waffenstillstandsabkommen von 1974 festgelegt wurde und die Insel seither teilt. Am 15. November 1983 wurde offiziell die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen, die bis heute allerdings nur von der Türkei als eigenständiger Staat anerkannt wird.

Wiedervereinigung abgelehnt

Interner Link: Versuche den Zypernkonflikt zu lösen, sind seither gescheitert. Die Zypernfrage belastet bis heute die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei. In der geteilten Hauptstadt Nikosia wurde im Jahr 2008 erstmals wieder ein Interner Link: Grenzübergang geöffnet – jedoch nur für wenige Stunden. Im April 2004 stimmten beide Volksgruppen in separaten Referenden über einen vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgearbeiteten Plan zur Wiedervereinigung ab. Während die türkischen Zyprer für den Plan stimmten, lehnten die griechischen Zyprer ihn ab. Eigentlich galt die Beilegung des Konflikts als Voraussetzung für eine EU-Mitgliedschaft Zyperns. Auf Druck der griechischen Regierung wurde diese Bedingung jedoch wieder zurückgenommen. Im Gegenzug stimmte Griechenland den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu, die es zuvor blockiert hatte. Am 1. Mai 2004 trat der griechische Teil Zyperns der EU bei.

Die letzten Verhandlungen um eine mögliche Wiedervereinigung Zyperns unter der Vermittlung von UN-Generalsekretär António Guterres endeten am 7. Juli 2017 ergebnislos. Streitpunkte waren Medienberichten zufolge der Abzug der türkischen Truppen von der Insel sowie die zukünftige Rolle der sogenannten Garantiemächte Griechenland, Großbritannien und der Türkei.

Streit um Erdöl und Erdgas

Spannungen gibt es aktuell wegen der Öl- und Erdgasreserven vor der Küste Zyperns. Sowohl die Republik Zypern und Griechenland als auch die Türkei und Nordzypern erheben darauf Ansprüche. In diesem Kontext haben sich zwei Energie-Allianzen im östlichen Mittelmeer gebildet: So schlossen die türkische Regierung unter Präsident Erdoğan und Libyens international anerkannte Regierung von Ministerpräsident Al-Sarraj im November 2019 ein Seerechtsabkommen. Dieses soll die Seegrenzen zugunsten der Türkei verschieben und dem Land Zugang zu den Erdgasvorkommen sichern, wird aber z.B. von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages als völkerrechtswidrig eingeschätzt. Zypern, Griechenland und Israel planen hingegen den Bau einer Pipeline zum Abbau von Gasreserven vor der Küste Kretas und Israels und kooperieren mit Italien, Ägypten, Jordanien und der palästinensischen Autonomiebehörde im sogenannten „Gas-Forum Östliches Mittelmeer“.

Externer Link: Zuletzt spitzte sich der Streit im Juli 2020 zu, als die Türkei ein Schiff zur Erdgassuche in griechische Hoheitsgewässer entsenden wollte. Daraufhin hatten beide Länder Marineschiffe in die Region geschickt. 2019 hatte die Türkei auch Probebohrungen in zyprischen Gewässern vorgenommen.

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