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2052: Droht ein globaler Kollaps? - Essay | Weltuntergang | bpb.de

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2052: Droht ein globaler Kollaps? - Essay

Jorgen Randers

/ 18 Minuten zu lesen

Der Bericht des Club of Rome, "Die Grenzen des Wachstums" ("GdW"), stellte 1972 die Frage, ob auf unserem Planeten grenzenloses Wachstum möglich ist. In ihm wurden zwölf Zukunftsszenarien bis zum Jahr 2100 vorgestellt. Sechs negative Szenarien beschrieben diverse Arten des Zusammenbruchs, sechs positive verschiedene Grade nachhaltiger Entwicklung. Das Buch konnte jedoch nicht sagen, welches der Szenarien am wahrscheinlichsten sein würde, weil 1972 nicht genügend Informationen vorhanden waren.

Dieser Informationsmangel beschränkte den Bericht auf folgende Hauptaussagen:

1. Die Welt ist klein. Der ökologische Fußabdruck der Menschheit kann nicht unendlich weiter wachsen; tatsächlich ist der Planet so klein, dass das Wachstum innerhalb der nächsten hundert Jahre zum Stillstand kommen wird.

2. Es besteht die Gefahr der Grenzüberziehung (overshoot). Die großen Regierungssysteme (Kapitalismus und Demokratie) werden sich als unfähig erweisen, das Wachstum des menschlichen Fußabdrucks zu stoppen, bevor er die Tragfähigkeit des Planeten übersteigt. Die Weltgemeinschaft wird zu spät reagieren. Das wird zur Grenzüberziehung führen, die einen Rückzug (durch gesteuerten Niedergang oder Zusammenbruch) auf die Ebene der Nachhaltigkeit unvermeidbar machen wird.

Zusammengefasst lautete die Botschaft von "GdW": Aufgrund verspäteter globaler Entscheidungen wird die Menschheit zulassen, dass ihr ökologischer Fußabdruck (Bevölkerung und Wirtschaft) größer wird, als es der kleine Planet Erde auf lange Sicht hin verträgt. Das Buch rief heftige Ablehnung hervor. Man glaubte (damals) nicht, die Menschen könnten so dumm sein und das Fortschreiten des Wachstums bis zur ökologischen Unverträglichkeit erlauben. Deshalb erschien auch die Drohung eines nachfolgenden Niedergangs – insbesondere die Idee eines "Zusammenbruchs" – irrelevant.

Die Weltgemeinschaft hat die Grenzen des Planeten überzogen

Heute – 40 Jahre später – wissen wir es besser. Wir wissen: Das Wachstum – der Weltbevölkerung und des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) wie des ökologischen Fußabdrucks der Menschheit – schreitet unaufhörlich fort. Und wir wissen, was noch erstaunlicher ist, dass die globale Gesellschaft die Grenzen des Planeten überschritten hat. Wir leben heute in einer Weise, die nicht mehr über Generationen hinweg ohne große Probleme fortgesetzt werden kann. Den sichtbarsten Beweis dafür liefert das Klima. Die jährlichen CO2-Emissionen sind zweimal so hoch, als Wälder und Ozeane jährlich absorbieren können. Folglich sammelt sich CO2 in der Atmosphäre und die weltweite Durchschnittstemperatur steigt. Der Temperaturanstieg bewirkt zahlreiche Veränderungen, die das Leben zukünftiger Generationen erschweren werden.

Wohlgemerkt, die gegenwärtige Grenzüberziehung ist das Resultat langsamer globaler Entscheidungen. Bereits vor 25 Jahren schuf die Weltgemeinschaft den Weltklimarat der Vereinten Nationen – und hätten wir auf seinen Rat gehört, wären wir längst auf dem Weg, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dies zu tun, ist sowohl technisch möglich wie auch überraschend kostengünstig. Nur ein bis zwei Prozent der Arbeitskraft und des Investitionskapitals müssten von "schmutzigen" in "saubere" Aktivitäten verlagert werden – zum Beispiel durch Weisungen an die Autoindustrie, statt Autos mit fossilem Brennstoffantrieb Elektroautos zu produzieren, oder an Energiekonzerne, die Versorgung auf Windrädern und Gas statt auf Kohle aufzubauen. Der Rückgang im Nettoeinkommen und Konsum bliebe dabei überschaubar.

Stattdessen haben wir 25 Jahre mit erfolglosen internationalen Verhandlungen verbracht – die sich auf die weltweiten Schadstoffemissionen kaum ausgewirkt haben. Diese stiegen kontinuierlich an – trotz der Tatsache, dass sie bereits seit Jahrzehnten ein tragfähiges Niveau überschreiten. Kaum zu glauben: Die CO2-Emissionen stiegen im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stärker an als in jedem vorangegangenen Jahrzehnt!

"2052" – eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre

Wir wissen also, was in den ersten 40 Jahren der Szenarien von "GdW" geschah. Was wird nun in den kommenden 40 Jahren passieren? Meine Antwort auf diese Frage habe ich 2012 in dem Buch "2052 – eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre" als Bericht an den Club of Rome niedergeschrieben.

Heute wissen wir weitaus mehr über die Welt und ihre Zukunft als noch im Jahr 1972. Deshalb erscheint es sinnvoll, das sichere Terrain von Analyseszenarien zu verlassen und eine Prognose anzustellen – eine auf Fakten aufbauende, wohlbegründete und in sich stimmige Voraussage darüber, was in der Zeit von 2012 bis 2052 passieren kann. Eine solche Vorhersage zeichnet kein Bild davon, was geschehen wird – sie beschreibt vielmehr, welche Entwicklung am wahrscheinlichsten ist. Selbstverständlich bleibt ein Bereich der Unsicherheit, der jedoch keinesfalls so weiträumig ist, als dass die Vorhersage inhaltsleer würde.

Die Prognose von "2052" setzt sich aus Einzelvorhersagen für fünf Regionen zusammen. Diese Regionen sind die USA, der Rest der industrialisierten Welt, China, die 14 größten Schwellenländer und der Rest der Welt (rund 140 Länder). Die Vorhersage stützt sich auf das aktualisierte World3-Modell, das der Studie von "GdW" zugrunde lag. Sie basiert zudem auf der Annahme, dass die technologische Entwicklung in demselben Maße fortschreiten wird wie in den vergangenen 40 Jahren und dass fundamentale Werte und Präferenzen unverändert bleiben: Die Gesellschaft wird weiterhin wirtschaftliches Wachstum anstreben. Eine wichtige Veränderung wird es indes geben. Im Laufe der kommenden Jahrzehnte wird sich die menschliche Gesellschaft verstärkt einer Vielzahl von Problemen gegenübersehen: Ressourcenabbau, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Ungerechtigkeit, soziale Konflikte. Ich vermute, diesen Problemen wird schließlich mit wachsenden Investitionen begegnet werden – allerdings nicht, bevor sie verstärkt auftreten, sondern erst im Nachhinein, wenn Reparaturkosten unvermeidlich werden. So erwarte ich nicht, dass die USA im Voraus eine ernstzunehmende Summe zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen ausgeben; Reparaturkosten werden sie indes nicht vermeiden können, wenn Wirbelstürme erst ihre Städte verwüsten oder Gasvorkommen immer schwerer zugänglich sind. Die Nationen werden insgesamt erst auf unwiderlegbare Schadensbeweise reagieren.

Die Prognose von "2052"

Im Folgenden lege ich die meiner Prognose zugrundeliegende Logik von "2052" dar. Danach wird das weltweite Wachstum sich zwar verlangsamen, doch nicht schnell genug, um eine Klimakrise in der Mitte des 21. Jahrhunderts zu vermeiden. Das ist traurig – zumal das Klimaproblem sich technisch einfach und relativ kostengünstig lösen lässt – und wird übermäßig kurzsichtigen Entscheidungen geschuldet sein. Die Weltgemeinschaft wird sich dafür entscheiden, nicht rechtzeitig zu handeln.

Weltbevölkerung.

Beginnen wir mit der Bevölkerungsprognose von "2052": Die Weltbevölkerung wird um das Jahr 2040 mit um die acht Milliarden Menschen ihren Höchststand erreichen. Das sind weit weniger, als übliche UN-Voraussagen annehmen – der Grund dafür liegt in einem kontinuierlichen Rückgang der Fruchtbarkeitsrate, das heißt der Anzahl von Kindern, die eine Frau im gebärfähigen Alter durchschnittlich zur Welt bringt. Nicht nur reiche Frauen werden sich für Arbeit anstelle von weiteren Kindern entscheiden. In den expandierenden Megastädten der Entwicklungsländer werden auch arme Familien weniger Kinder zur Welt bringen – wegen hoher Kosten für die Versorgung und Erziehung. Alles in allem wird die Weltbevölkerung 2052 bereits abnehmen – trotz höherer Lebenserwartung durch Fortschritte in der Medizin.

Bruttoinlandsprodukt.

Das BIP-Wachstum wird sich ebenfalls verlangsamen. Das Welt-BIP, die Summe der in einem Jahr weltweit produzierten Güter und Dienstleistungen, lässt sich durch die Multiplikation von Arbeitskraft und Produktivität errechnen. Die Arbeitskraft wird in ihrer Entwicklung der Bevölkerung folgen, das heißt einen Höchststand erreichen und sich dann ab 2052 verringern. Das Produktivitätswachstum wird sich ebenfalls verlangsamen, denn es wird schwierig werden, die Produktivität in "reifen" Gesellschaften zu steigern, in denen die meisten Menschen in personenbezogenen Dienstleistungs- sowie in sozialen Bereichen arbeiten. Denn Produktivitätswachstum war durch Landwirtschaft, Handwerk oder Büroarbeit leichter zu erzielen. Seine Verlangsamung lässt sich anhand von Statistiken für die USA beobachten: von drei Prozent pro Jahr vor 50 Jahren auf heute ein Prozent.

Die Verlangsamung in führenden Wirtschaftsnationen schließt jedoch ein rasches Wirtschaftswachstum in Schwellenländern nicht aus, sobald diese aufholen – wie Japan und Korea dies vor 2000 erlebten und es heute in China zu beobachten ist. Daher wird das Wachstum in diesen Ländern bis 2051 zu einem erheblichen Teil zum Welt-BIP beitragen. Allerdings wird es dadurch zurückgehalten, dass vielen armen Ländern ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht gelingen wird.

Ressourcennutzung.

Das langsamere Wirtschaftswachstum wird zum Bevölkerungsrückgang und einem niedrigeren BIP im Jahre 2052 führen, als viele erwarten. Das wird weitere Armut nach sich ziehen, aber auch einen geringeren Bedarf an natürlichen Ressourcen. Ihre Nutzung wird – wenngleich innerhalb der Tragfähigkeitsgrenzen des Planeten – ansteigen. Der nichtenergetische ökologische Fußabdruck wird innerhalb der Biokapazitätsgrenzen bleiben. Konkret bedeutet dies, dass ich bis 2052 keine Ressourcen- oder Lebensmittelknappheit voraussehe. Es wird genug da sein, um die Nachfrage zu decken. Das ist jedoch nicht dasselbe wie die Deckung des tatsächlichen Bedarfs. 2052 wird es viele Arme geben, die nicht in der Lage sein werden, den Preis für Lebensmittel zu zahlen, der notwendig wäre, um Bauern mit überschüssigem Land (wie in Brasilien, Russland und der Ukraine) dazu zu bringen, ihre Produktivität zu steigern. Daher wird es in den nächsten 40 Jahren aus demselben Grund zu Hungersnöten kommen wie in den vergangenen: wegen ungerechter Einkommensverteilung. Hungersnöte werden also nicht das Resultat begrenzter Kapazitäten zur Lebensmittelproduktion sein.

Energie.

Kennen wir das zukünftige BIP und nehmen wir an, die technologische Entwicklung im Bereich der Energieeffizienz hält weiter an, so lässt sich der zukünftige Energieverbrauch durch Multiplikation errechnen. Dem Resultat nach wird der globale Energieverbrauch um 2040 einen Höchststand erreichen und anschließend sinken. Nach 2040 wird sich der Verbrauch an Strom, Heizung und Brennstoffen von Jahr zu Jahr verringern – weil an die Stelle des BIP-Wachstums wachsende Energieeffizienz treten wird.

CO2.

Im Laufe der nächsten 40 Jahre wird sich die Verlagerung auf weniger kohlenstoffintensive Energiequellen in dem Maße fortsetzen und beschleunigen, wie die Sorge der Weltgemeinschaft um den Klimawandel wächst. Ich sage für 2052 eine weltweite Energieerzeugung aus Wasserkraft, Wind, Sonne und Biomasse von 40 Prozent voraus. Das bedeutet noch immer einen fossilen Energieanteil von 60 Prozent – und leider auch jährlich genauso hohe CO2-Emissionen wie heute. Weltweit werden CO2-Emissionen um 2030 ein Höchstmaß erreichen und dann stetig absinken, bis 2050 zunächst auf das heutige Niveau. Das ist weit von den aktuellen Zielsetzungen internationaler Klimaverhandlungen entfernt, die bis 2050 eine Reduzierung von 50 bis 80 Prozent anstreben.

Temperatur.

Mithilfe der großen Klimamodelle lässt sich auf der Basis meiner Voraussagen für die weltweiten CO2-Emissionen auch die Temperaturentwicklung errechnen. Danach werden meine Prognosen weltweit einen durchschnittlichen Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius (gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung) bis zum Jahr 2052 nach sich ziehen – und bis 2080 sogar bis zu drei Grad Celsius. Das bedeutet: Die Menschheit wird bereits in 40 Jahren die (von den Teilnehmern des Weltklimagipfels in Durban 2011 noch bekräftigten) Gefahrenschwelle von plus zwei Grad Celsius überschreiten. Und es bedeutet, dass wir in den kommenden Jahrzehnten häufiger extreme Wetterereignisse erleben werden sowie in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts möglicherweise einen sich selbst verstärkenden Klimawandel. Wärmeres Wetter bringt die Tundra zum Schmelzen; dadurch entweichen dort verstärkt CO2 sowie das zum Treibhauseffekt beitragende Methan (CH4), was zu weiterer Erwärmung und fortgesetzter Tundraschmelze führt – bis die gesamte Tundra geschmolzen und die Durchschnittstemperatur spürbar gestiegen ist. Dieser Prozess dauert seine Zeit – doch unsere Enkel werden uns für unsere derzeitige Untätigkeit nicht danken.

Immense regionale Unterschiede.

Die Verhältnisse werden stark variieren – und die reichen Länder werden überraschend hart getroffen. Dort werden die Menschen in den nächsten 40 Jahren kaum ein Wachstum ihres verfügbaren Einkommens (nach Steuern) und der Durchschnittsamerikaner bis 2052 sogar eher noch einen Rückgang seines Nettolohns um rund zehn Prozent erleben. Ursache dafür werden die Verlangsamung des Produktivitätswachstums in den reiferen Gesellschaften, die sinkende Fähigkeit zu schnellen Entscheidungen (insbesondere in den USA) sowie die Notwendigkeit der Tilgung von Auslandsschulden (vor allem der USA gegenüber China) sein.

China wird demgegenüber ein enormes Wachstum erleben. Durch die Übernahme von Praktiken der westlichen Welt wird dort das Nettoeinkommen pro Kopf um das Fünffache steigen. Die perfekte Übereinstimmung zwischen den Interessen der materialistisch orientierten Chinesen, reich zu werden, und den Interessen ihrer Regierung, durch schnelles BIP-Wachstum ihre Macht zu erhalten, wird den reibungslosen Verlauf dieses Prozesses gewährleisten. Und schnelle, vorausschauende und energische Entscheidungen werden ihn unterstützen. Natürlich wird Chinas Wachstumsrate mit steigenden Einkommen sinken; dennoch wird der durchschnittliche Chinese 2052 nahezu so reich sein wie der durchschnittliche Europäer heute.

Einige der 14 großen Schwellenländer werden gut vorankommen und dem chinesischen Weg folgen; anderen wird der Absprung nicht gelingen. Das durchschnittliche Nettoeinkommen wird pro Kopf um das Dreifache wachsen. Dem Rest der Welt werden nur bisherige Wachstumsraten gelingen – das heißt im Laufe von 40 Jahren eine Verdopplung des Pro-Kopf-Einkommens. Mit anderen Worten: Der Rest der Welt wird aufgrund schlechter Ausgangslage arm bleiben.

Die Weltgemeinschaft Mitte des 21. Jahrhunderts

Nach der Prognose für 2052 verlangsamt sich das Wachstum der Weltbevölkerung und des BIP; fortwährende CO2-Emissionen werden indes in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts einen raschen Rückgang des menschlichen Wohlergehens bewirken. Das entspricht dem zweiten der zwölf Szenarien von "GdW" – der Krise, in der das Bevölkerungswachstum durch die Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf Gesundheit und Landwirtschaft zum Stillstand kommt und anschließend rückläufig wird. Immense Investitionen für den Erhalt des Ressourcenflusses und der sauberen Umwelt bringen den Konsum schließlich zum Erliegen.

Die Weltgemeinschaft wird 2052 weniger Menschen umfassen als vielfach angenommen. Die Wirtschaft wird zweimal so groß sein wie heute – und nicht etwa viermal so groß, wie es bei einem weiteren BIP-Wachstum von bisher 3,5 Prozent pro Jahr der Fall wäre. Ein Resultat wird größere Armut sein – sowohl in den armen als auch in den reichen Ländern. Das Nettoeinkommen wird niedriger sein, als die meisten erwarten, da ein immer größerer Anteil an Arbeitskraft und Kapital aufgewendet werden muss, um Umweltschäden zu reparieren, kostspieligere Ressourcen zu erschließen, Probleme der Umweltverschmutzung zu bewältigen und Sicherheit zu gewährleisten. All diese Reparaturleistungen werden das BIP wie die Anzahl von Jobs erhöhen; deshalb wird auch die Arbeitslosigkeit so lange nicht in unerträglichem Maße steigen, wie in den Ländern genug Solidarität vorhanden ist, um die Arbeit zu teilen. Doch um die Reparaturarbeiten zu bezahlen, werden mehr Einnahmen notwendig – wahrscheinlich in Form erhöhter Steuern; darunter wird der Konsum leiden.

Die Lebensqualität wird zudem durch immer häufigere Klima- und andere Katastrophen beeinträchtigt werden. Indem die Temperaturzonen sich pro Jahr um fünf Kilometer auf den Nordpol zubewegen (beziehungsweise in der südlichen Hemisphäre auf den Südpol), wird die unberührte Natur Schritt für Schritt verschwinden – jenseits von Parks jedenfalls. Die Menschen werden mehr und mehr in Großstädten leben und das Leben des Durchschnittsbürgers wird sich zunehmend virtuell abspielen. Attraktive Reiseziele werden von Hunderten Millionen Touristen der neuen Mittelschichten überrannt und zerstört werden. Bildung, Unterhaltung, Reisen, soziale Einbindung und Vernetzung werden in Form digitaler Signale zu Hause erlebt werden – dreidimensional, in Farbe und mit Geräuschen und Gerüchen: kaum noch Notwendigkeit – und kaum mehr Gelegenheit – weit wegzufahren.

Das Ende der Welt, wie wir sie kennen?

Dies wird nicht das Ende des Kapitalismus sein. Entgegen meinem Wunsch nach Modifizierung des "reinen" Kapitalismus – durch Regulierung und Internalisierung externer Kosten – glaube ich nicht, dass demokratische Mehrheiten sich jemals für ausreichend hohe Kohlenstoffsteuern entscheiden werden, um die Emissionen zu reduzieren – auch nicht für Regeln, die Spritfresser oder Geschäfts- beziehungsweise Tourismusflüge verbieten. Einige Änderungen wird es indes geben, wenn auch nicht ausreichende, um dem Kapitalismus insgesamt ein Ende zu setzen.

Doch es wird das Ende des Wachstums sein. Das Welt-BIP wird sich bis 2052 verlangsamen und vor 2100 einen Höchststand erreichen. Das Wohlergehen wird sich steigern lassen, nicht aber die Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Das durchschnittliche Nettoeinkommen wird vor 2052 zu schrumpfen beginnen.

Auch wird es nicht das Ende der langsamen Prozesse demokratischer Entscheidungen bedeuten – wegen der zahlreichen Interessenkonflikte in der modernen, dicht bevölkerten und stark beanspruchten Welt. Je demokratischer die Gesellschaften, desto mehr Interessengruppen müssen gehört werden und umso länger dauern Entscheidungsprozesse für alles, was eine Mehrzahl von Menschen betrifft. Diese Tendenz wird durch höhere Bildung und Einkommen verstärkt und bedeutend zur Drosselung der Wachstumsraten in den entwickelten Volkswirtschaften beitragen.

Aber es wird das Ende des Generationenfriedens einläuten. Die Jungen werden es weder weiterhin als selbstverständlich betrachten, für die üppigen Renten zu zahlen, die wir (die Alten) uns zugesichert haben – noch für die aufgelaufenen Staatsschulden, um den Konsumlevel über dem der Inlandsproduktion zu halten. Dabei werden sie sich ein Zuhause wie das ihrer Eltern nicht mehr leisten können. Die Jungen werden einfach den gemeinsamen Tisch verlassen. Renten werden nicht vollends bezahlt, Schulden nicht zurückgezahlt werden; vieles wird abgeschrieben werden müssen. In einer demokratischen Gesellschaft, in der die Mehrheit regiert, können Rentner und Gläubiger nur wenig dagegen tun. Man mag sich fragen, wie die jungen Amerikaner mit dem Schuldenberg gegenüber den (jungen) Chinesen umgehen werden – der von ihren Eltern angehäuft wurde, damit sie das konsumieren können, was die ältere Generation der Chinesen für schlechte Zeiten auf die hohe Kante gelegt hat. Ich glaube in diesem Zusammenhang nicht an Krieg – aber an eine Neuordnung von Schulden. Doch es wird nur wenig Harmonie zwischen den Generationen bleiben.

Und schließlich wird es das Ende eines stabilen Klimas bedeuten. Es sei denn, es kommt im Laufe der kommenden Jahrzehnte zu dramatischen und außergewöhnlichen Aktionen, um die Treibhausgasemissionen zu verringern. Doch ich glaube, das wird nicht geschehen, denn es werden sich keine Klimakatastrophen solchen Ausmaßes ereignen, durch die sich demokratische Gesellschaften zum Handeln genötigt sähen.

Fünf Ratschläge für weltweite Maßnahmen

Was könnte getan werden, um meine traurigen Voraussagen zu vermeiden? Vor allem fünf Ratschläge seien genannt:

1. Drosselung des Bevölkerungswachstums:

Bringen Sie weniger Kinder zur Welt – besonders in den reichen Ländern, wo jedes Kind einen höheren ökologischen Fußabdruck hat. Konkret bedeutet das, die (stillschweigende) geburtenfördernde Haltung aufzugeben, die in modernen Gesellschaften – armen wie reichen – bis heute vorherrscht. Grundsätzlich bedeutet dies die Einladung an Frauen, dem Beruf vor weiteren Kindern den Vorzug zu geben. Es bedeutet zu akzeptieren, dass der größer werdenden Zahl alter Menschen weniger mit Immigration gedient ist als vielmehr mit der Anhebung des Renteneintrittsalters. Es bedeutet zu verstehen: Wenn der gesellschaftliche Anteil alter Menschen steigt, nimmt der Anteil der Jungen ab, sodass die Gesamtbelastung für Jung und Alt – die sich die 15- bis 65-Jährigen teilen – de facto relativ konstant bleibt. Die arbeitenden Altersgruppen werden für die alten aufkommen – nicht zusätzlich, sondern anstelle der jungen.

2. Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks:

Beseitigen Sie die Treibhausgasemissionen durch Kohle, Öl und Gas – und zwar zuerst in den reichen Ländern. Der einfachste Weg besteht darin, in den reichen Ländern die Nutzung von Kohle, Öl und Gas zu verbieten. Praktisch ließe sich dies über eine Kohlenstoffsteuer von hundert Euro pro Tonne ausgestoßenen CO2 sowie einen steuerlichen Grenzausgleich erzielen, um Verlagerungen von CO2-Emissionen zu reduzieren. Politisch erscheint es jedoch unmöglich, eine solche Steuer einzuführen, da Wähler gegen den sprunghaften Anstieg ihrer Stromrechnung kurzfristig Widerstand leisten. Deshalb bedeutet die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks heute die Akzeptanz der Öffentlichkeit für ein begrenztes Opfer zu erwirken, um für unsere Enkel eine bessere Lebensgrundlage zu schaffen. Es bedeutet, Wähler dazu zu bringen, etwas höhere Lebenshaltungskosten zu akzeptieren – und politische Unterstützung dafür zu erringen, das Konsumwachstum zu drosseln, um mehr Spielraum für Wachstum in langfristigen Investitionsbereichen zu gewinnen.

3. Hilfe und saubere Energie für die Armen:

Bauen Sie in den armen Ländern von den reichen Staaten zu finanzierende klimafreundliche Energiesysteme auf. Konkret bedeutet das: Die reichen Länder übernehmen die Initiative, erwirken die Zustimmung der Empfängerländer und finanzieren in den armen Regionen klimafreundliche Energiesysteme. Diese sollten auf erneuerbaren Wasser-, Wind-, Solar- und Biomasseressourcen basieren und bei Verbrennungseinheiten für fossile Brennstoffe wahrscheinlich durch Nachrüstungen zur Kohlenstoffbindung und -speicherung ergänzt werden. Solche Energiesysteme würden sowohl die Schadstoffemissionen als auch das Leid mindern. Grundsätzlich bedeutet diese Empfehlung, die politische Unterstützung für eine Neuorientierung der bestehenden Entwicklungsfonds zu erlangen.

4. Ende der Kurzsichtigkeit:

Etablieren Sie überstaatliche Institutionen, um den einzelnen Ländern bei der Umsetzung einer Politik im Dienste unserer Enkel zu helfen. Konkret erfordert dies, in bestimmten Angelegenheiten Entscheidungsbefugnisse an weise, schnelle und mächtige Einheiten – jenseits der laufenden Kontrolle durch nationale Parlamente und ihre Wähler – zu delegieren. Ein gutes Modell dafür sind die Zentralbanken, wie sie in den meisten zivilisierten Ländern bestehen; sie entscheiden über die Höhe der verfügbaren Geldmenge – ohne dauernde demokratische Einmischung. Eine "Weltklimabank" – befugt, die Höhe der maximalen Treibhausgasemissionen eines jeden Mitgliedslandes festzulegen sowie Rat (und vorzugsweise finanzielle Mittel) zur Verfügung zu stellen, um diese Grenzen zu erreichen – könnte dieses Kunststück zu Wege bringen. Sie ließe sich auf den Schultern des Weltklimagipfels errichten.

5. Neue Ziele für reiche Gesellschaften:

Streben Sie verstärkt nach einem Wohlergehen in einer Welt ohne Wachstum. Jenseits einer gewissen Stufe führt ein höheres Einkommen nicht zu erhöhtem Wohlergehen – jedenfalls, solange niemand da ist, mit dem man sich vergleichen kann. Gehaltserhöhungen könnten in Zukunft gestoppt werden, und die allgemeine Aufmerksamkeit sich stattdessen auf die Erhöhung des Wohlergehens in den Grenzen eines festen Jahreseinkommens richten. Eine Verlagerung von Einkommensverbesserungen hin zur Verbesserung des Wohlergehens leuchtet erst recht für eine Zukunft ein, in der das Pro-Kopf-Einkommen stabil bleiben wird – trotz fortgesetzter Versuche in den reichen Ländern, Wirtschaftswachstum zu erzielen.

Meiner Erwartung nach werden wir allerdings nicht erleben, dass demokratische Entscheidungen das Einkommenswachstum stoppen werden. Was sie indes herbeiführen könnten, ist eine Reduzierung der jährlichen Arbeitsstunden. Ein kürzeres Arbeitsjahr könnte durch die schrittweise Erhöhung von Urlaubstagen schmackhaft gemacht werden. Das würde das Einkommenswachstum reduzieren und dazu motivieren, in Zukunft verstärkt ein erhöhtes Wohlergehen anzustreben – ein ganz natürliches Ziel, sobald Menschen mehr Freizeit und weniger Geld haben.

Werden die reichen Länder diesen fünf Empfehlungen folgen? Ich glaube eher nicht – jedenfalls nicht über das in "2052" angenommene Maß hinaus.

Werden wir einen "globalen Kollaps" erleben?

Zunächst: Was ist ein Kollaps? Ich definiere ihn hier als "einen unbeabsichtigten, unaufhaltsamen Niedergang des gesellschaftlichen Wohlergehens". Ich benutze das Wort "Niedergang", weil der Rückgang des Wohlergehens anhalten wird, sobald Gegenmaßnahmen stark genug greifen. In dem Sinne handelt es sich bei einem Kollaps um den Niedergang von einer Stufe des Wohlergehens zu einer tieferliegenden.

"2052" sagt einen Rückgang im Wohlergehen der Menschen noch vor Mitte des 21. Jahrhunderts voraus – und zwar für die meisten Regionen. Das verfügbare Einkommen wird stagnieren oder sich verringern, zunehmend unberechenbare Wetterverhältnisse werden Probleme hervorrufen – desgleichen Verteilungsungerechtigkeit. Die natürliche wie die kulturelle Umwelt werden vermehrt Schaden nehmen und so noch weniger Behaglichkeit bieten. In einigen Regionen werden die neuen Probleme allerdings durch rasches Einkommenswachstum übertüncht werden. Soziale Spannungen, Unruhen und Regionalkriege werden weiterhin ausbrechen – ähnlich wie heute und auch aus ähnlichen Gründen – und durch Klimamigration noch verstärkt werden. Ich glaube nicht, dass diese regionalen Konflikte in Weltkriege münden, die der Welt ein Ende bereiten. Die Situation wird wie heute sein – wo die Kriege in Afghanistan und Syrien das Leben anderswo nicht stören.

Doch das durch die Kluft zwischen Erwartung und Realität entstehende Gefühl einer Krise wird sich ausbreiten. Dieses Gefühl einer drohenden Katastrophe wird hin und wieder gemildert werden – durch sporadische Fortschritte in Gestalt gelungener Anpassungen: Deiche, die tatsächlich den Flutwellen standhalten, Regenwasserkanäle, die heftige Niederschläge erfolgreich auffangen, neue Pflanzenarten, die trotz häufigerer Dürre wachsen. Solche Erfolge werden die Hoffnung auf eine bessere Zukunft sprießen lassen. Auch werden die Menschen sich an den Wohlstandsverlust (das heißt an höhere Preise) gewöhnen, der durch neue protektionistische Handelsbeschränkungen hervorgerufen wird. Und sie werden die virtuelle Welt als Ersatz für die reale zunehmend akzeptieren.

Schließlich wird die explodierende Ungerechtigkeit in der Einkommens- und Arbeitsverteilung in friedlicher (und in einigen Fällen gewaltsamer) Weise auf den Prüfstand kommen. Ich glaube nicht, dass die unterprivilegierten Schichten der reichen Länder den gegenwärtigen Trend noch lange Zeit akzeptieren werden. Sie werden agieren und diese potenzielle Bombe durch erzwungene Umverteilung entschärfen.

Alles in allem werden, wie ich glaube, die nächsten 40 Jahre nicht als globaler Zusammenbruch erlebt werden, weil die genannten Auswirkungen den öffentlichen Widerspruch im Zaum halten werden. Einige unglückliche Regionen können dennoch zusammenbrechen – und die Aussichten für die Welt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sind noch weniger verheißend.

Bedenken Sie jedoch: Andere Analytiker sind pessimistischer. Sie halten das weltweit vernetzte System für instabiler als ich. Ein Grund für meinen Optimismus liegt darin, dass die reichen Länder meiner Ansicht nach überraschend bereitwillig den Wohlstandsverlust akzeptieren werden, solange er alle trifft. Wenn bestimmte Güter und Dienstleistungen nicht länger verfügbar sind, herrscht nach ökonomischen Gesichtspunkten eine Krise, aber nicht unbedingt in der Realität. Die meisten Menschen gewöhnen sich einfach daran, dieses oder jenes nicht mehr zu haben. Eine echte Krise entsteht nur dann, wenn die Armen sich ein Minimum an Nahrung, Kleidung und Wohnung nicht mehr leisten können. Doch die armen Länder sind es gewohnt zu verlieren und können kaum etwas daran ändern.

Deshalb werden 2052 einige (die heutigen Eliten) meinen, ihre Welt sei zusammengebrochen oder habe zumindest an Glanz verloren. Andere (die neuen und alten Mittelschichten) werden sagen, ihre Welt sei dabei zusammenzubrechen. Eine weitere große Gruppe (darunter viele Chinesen) wird angeben, die vergangenen 40 Jahre seien sehr gut gewesen, und wird weiterhin Fortschritte erwarten. Und viele Arme werden beklagen, dass ihr Einkommen zwar gering gestiegen ist, sie dafür aber neue Probleme ganz anderer Größenordnung haben. Die großen Anpassungsanstrengungen, die im Gange sein werden, werden für Hoffnung sorgen. Ungeachtet dessen werden die meisten eine Verschlechterung der Verhältnisse in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts befürchten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Donella H. Meadows/Dennis L. Meadows/Jorgen Randers/William W Behrens, Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972.

  2. Der ökologische Fußabdruck eines Menschen bemisst sich nach der Fläche auf der Erde, die notwendig ist, um seinen Lebensstil und -standard (bei Fortsetzung derzeitiger Produktionsbedingungen) dauerhaft zu ermöglichen – inklusive der Flächen, die zur Nahrungsmittel- und Kleidungsproduktion, zur Bereitstellung von Energie sowie zur Entsorgung des von ihm erzeugten Mülls beziehungsweise zum Binden freigesetzten CO2 benötigt werden (Anm. d. Red.).

  3. Jorgen Randers, 2052. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre. Der neue Bericht an den Club of Rome, München 2012. Vgl. auch Grafik in der PDF-Version

  4. Das "World3-Modell" ist eine von Dennis L. Meadows und Jorgen Randers entwickelte Computersimulation zur Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Bevölkerung, industriellem Wachstum, Nahrungsmittelproduktion und anderen Faktoren und deren Einfluss auf mögliche Grenzen in den Ökosystemen der Erde (Anm. d. Red.).

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Ph.D., geb. 1945; Professor für Klimastrategie an der Norwegian Business School in Oslo; Co-Autor von "Die Grenzen des Wachstums" (1972); Norwegian Business School BI, 0442 Oslo/Norwegen. E-Mail Link: jorgen.randers@bi.no