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Mediengesellschaft Editorial Jihad versus McWorld Macht ohne Verantwortung "Mediengesellschaft" - Risiken für die politische Kommunikation Das Private in der Politik: Ein neuer Medientrend? "Amerikanisierung" der politischen Kommunikation? Interaktive Demokratie

"Mediengesellschaft" - Risiken für die politische Kommunikation

Otfried Jarren

/ 23 Minuten zu lesen

Der Beitrag stellt den Prozess zur Herausbildung der "Mediengesellschaft" dar. Die starke ökonomische Ausrichtung neu etablierter Medien verschärft die Situation für politische Akteure.

Einleitung

Die in einer Gesellschaft vorfindbaren Medienstrukturen - ihre rechtliche Verfasstheit, die ökonomische Ausrichtung und die Organisationsform von Medien - sind für politische Akteure höchst relevant, weil sie ihre kommunikativen Handlungsmöglichkeiten beeinflussen. Insbesondere politische Akteure sind aus legitimatorischen Gründen darauf angewiesen, alle Gesellschaftsmitglieder kommunikativ zu erreichen. Die empirisch immer wieder zu beantwortende Frage ist, ob und inwieweit die Medien - öffentlich-rechtlich verfasste oder privatwirtschaftlich organisierte - dieses Vermittlungsinteresse berücksichtigen, wie sie mit unterschiedlichen Akteuren umgehen, welchen Interessen bzw. Themen sie Priorität und Relevanz durch Selektion beimessen.

Es geht letztlich um die Frage nach der Chancengleichheit politischer Gruppen, insbesondere aber von parlamentarischer Opposition und Regierung, im politischen (Wahl-)Prozess. Die Chancengleichheit wird unter stärker kommerziellen Medienbedingungen zu einem realen Problem für den demokratischen Prozess, wenn immer mehr Medienleistungen gekauft werden müssen ("paid media") - eine Veränderung, die vielfach als ein Beleg für die zunehmende "Amerikanisierung" der politischen Kommunikationsverhältnisse in Europa angeführt wird. In diesem Kontext ist dem Strukturwandel im Mediensystem insgesamt ("Mediengesellschaft") und den damit verbundenen Auswirkungen auf intermediäre Organisationen (wie Parteien) Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Perspektive, verbunden mit Überlegungen für Regulierungsbedarfe, steht hier im Mittelpunkt.

I. "Mediengesellschaft": Entwicklung, Merkmale und Probleme

Es gibt bislang keine umfassenden sozialhistorischen Untersuchungen darüber, wie sich die gesellschaftlichen Kommunikations- und Medienstrukturen im historischen Verlauf entwickelt haben. Daher wissen wir wenig über den möglichen Wandel des Verhältnisses von gesellschaftlichen Akteuren zu den Medien. Generell ist aber festzustellen, dass sich erst im historischen Prozess ein Mediensystem mit allen Bevölkerungsgruppen zugänglichen und in thematisch-ideologischer Hinsicht relativ offenen Medien entwickelt hat. So entwickelte sich aus den Medien des räsonierenden Bürgertums eine von Honoratioren und später vom Bürgertum und von der Arbeiterschaft getragene Gesinnungs-, Partei- und Gruppenpresse. Damit war zugleich die Basis für die Entwicklung einer sich stärker an ökonomischen Prinzipien - und weniger an ideologischen Gruppeninteressen - orientierenden Geschäftspresse gegeben. Die Gesinnungspresse mit einer mehr oder minder klar definierten Klientel wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst durch die politische und konfessionelle Richtungspresse und diese dann durch die Geschäfts- und Generalanzeigerpresse abgelöst. Im Bereich der Printmedien finden wir heute - nachdem die meisten der verbliebenen Wochenzeitungen von Kirchen, Parteien und Gewerkschaften eingestellt wurden - eine weitgehend gruppenunabhängige Geschäftspresse vor. Dieser Wandel ist für die gesellschaftlichen Akteure bedeutsam, denn sie verfügen damit kaum noch über eigene Publikationsorgane (Partei-, Gewerkschafts-, Kirchenpresse). Ein Organ wie die Wochenzeitung "Das Parlament", das im September 2001 sein 50jähriges Bestehen feiern konnte, stellt fast schon eine Ausnahme dar.

Mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg demokratisch strukturierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhielten die gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit, dort ihre Interessen anzumelden und durchzusetzen (Personal- und Programmpolitik). Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde nach dem Organisationsmodell des Binnenpluralismus die Rückbindung an gesellschaftliche Gruppen - vor allem an die Parteien - durch gesetzliche Bestimmungen zum konstitutiven Prinzip. So soll der Rundfunk die Interessen der gesellschaftlich relevanten Gruppen vermitteln und mit seinen auf Pluralität und Vielfalt angelegten Programmen gesamtgesellschaftlich integrierend wirken.

1. Der aktuelle Prozess zur Herausbildung der "Mediengesellschaft"

Das Modell der gesellschaftlichen Rückbindung von Medien wurde Mitte der achtziger Jahre auf den privaten Rundfunk zu übertragen versucht. In den Landesmedienanstalten entscheiden Vertreter dieser Gruppen über Lizenzen für Privatsender sowie über Programme. Doch faktisch haben sie auf die privaten Unternehmen, die Organisation der Redaktionen und deren Programme kaum noch einen Einfluss, weil sie nicht - wie beim öffentlichen Rundfunk - unmittelbar an der Programmgestaltung teilhaben können. Damit vollzieht sich eine strukturelle Änderung in der Beziehung zwischen Medien und gesellschaftlichen Akteuren: Eine Anbindung an die ökonomisch wie sozial an Bedeutung gewinnenden privaten Rundfunk- und Multimedia-Unternehmen besteht nicht mehr. Empirisch lässt sich beobachten, dass die Unternehmen vorrangig bezogen auf Marktziele agieren und sich weniger an politischen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen orientieren. Es wird deshalb vielfach von "Ökonomisierung" gesprochen. Ein Prozess, der nicht isoliert in diesem Teilbereich des Mediensystems stattfindet, sondern sich auch auf die anderen Mediensektoren (öffentlich-rechtlicher Rundfunk: verstärkte Programmanpassung an Werbe- und Rezipientennachfragen; politische Tages- und Wochenzeitungen: zunehmende Orientierung an ökonomischen Vorgaben aufgrund von Reichweitenverlusten sowie eine verschärfte intramediäre Konkurrenz) auswirkt.

Die Abkoppelung der Medien von politischen und gesellschaftlichen Akteuren wirkt sich auf den moralischen Diskurs selbst über Medien(an- gebote) aus: Die gesellschaftliche Kritik an Medien(programmen) verpufft zumeist ungehört. So gibt es innerhalb dieser Medienorganisationen keine Gremien - etwa mit Vertretern der Gesellschaft -, in denen Programmkritik geübt würde. Selbst die Kritik an Formaten wie "Big Brother" dient letztlich der Aufmerksamkeitssteigerung und wird in Marketingstrategien integriert. Medienkritik in den Medien ist gefährdet durch die zunehmende multimediale Konzentration und den "Konzernjournalismus".

2. Merkmale der "Mediengesellschaft"

Während sich die Presse historisch mit den gesellschaftlichen Gruppen entwickelt hat und der öffentliche Rundfunk in seinen Gremien Vertreter dieser Gruppen kennt, findet sich bei den neu etablierten Medienunternehmen keine derartige organisatorische Rückbindung. Die neu etablierten, privatwirtschaftlich verfassten elektronischen Medien haben allerdings ökonomisch und kulturell in der Gesellschaft an Bedeutung gewonnen, so dass sich vermittels dieses medienkulturellen Wandels ein Anpassungsdruck für die traditionellen Medien ergibt. Aufgrund des Booms neuer Medien wie auch der zunehmenden ökonomischen Bedeutung der Medien-Branche kann vom Entstehen einer "Mediengesellschaft" gesprochen werden.

Charakteristika der "Mediengesellschaft" sind:

- Die publizistischen Medien haben sich quantitativ und qualitativ immer mehr ausgebreitet: Die Zahl der Medien und die Angebotsformen haben sich verändert. Während es in den sechziger Jahren nur ARD und ZDF als Fernsehanbieter (mit einem Abendprogramm) gab, hat sich allein das Fernsehangebot in den letzten 40 Jahren erheblich ausgeweitet.

- Es haben sich neben den herkömmlichen Massenmedien neue Medienformen herausgebildet (Zielgruppenzeitschriften; Spartenkanäle; Netzmedien).

- Die Vermittlungsleistung und -geschwindigkeit von Informationen durch Medien hat zugenommen. So stehen uns z. B. durch das Netzmedium rund um die Uhr Nachrichten zur Verfügung.

- Die Medien durchdringen immer stärker und engmaschiger alle gesellschaftlichen Bereiche ("Medialisierung"). So müssen Organisationen mit einer ständigen Medienberichterstattung rechnen und sich auf eine entsprechende ständige Nachfrage einstellen.

- Die Medien erlangen aufgrund ihrer hohen Beachtungs- und Nutzungswerte gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit und Anerkennung. So erfahren Mitglieder in Organisationen über wichtige Sach- oder Personalentscheidungen vielfach zuerst aus den Medien.

Bezogen auf politische und gesellschaftliche Akteure ist festzustellen, dass die Medien mehr und mehr zur Voraussetzung für deren Informations- und Kommunikationspraxis werden: Ohne Medien gibt es keine anhaltende, stabile Kommunikation zwischen den Akteuren wie auch zwischen Akteuren und den Bürgern. So ist die politische Öffentlichkeit in modernen Gesellschaften hinsichtlich ihrer Struktur, der Inhalte und der Prozesse weitgehend medial beeinflusst. Die "Medialisierung" der politischen Kommunikation ist eine Folge dieser Veränderung. Medialisierung kann im Kontext politischer Kommunikation dreierlei bezeichnen: "(1) die wachsende Verschmelzung von Medienwirklichkeit und politischer wie sozialer Wirklichkeit, (2) die zunehmende Wahrnehmung von Politik im Wege medienvermittelter Erfahrung sowie (3) die Ausrichtung politischen Handelns und Verhaltens an den Gesetzmässigkeiten des Mediensystems" .

Auf die Bedingungen der "Mediengesellschaft", in der zudem die elektronischen Medien an Bedeutung gewinnen, haben sich die politischen wie gesellschaftlichen - aber auch die ökonomischen (Unternehmen) - Akteure einzustellen. Und sie tun dies durch die Entwicklung von medienbezogenen Kommunikationsstrategien sowie die Schaffung von PR-Organisationseinheiten: Es werden Formen der "Krisenkommunikation" entwickelt oder Systeme zum Issues Management etabliert.

II. "Mediengesellschaft": Autonomie der Medien?

Die Frage, ob sich die Medien im Zuge des gesellschaftlichen Differenzierungsprozesses zu einem autonomen System der Gesellschaft entwickelt haben, wird unterschiedlich beantwortet: Einige Vertreter systemtheoretischer Ansätze (wie Marcinkowski oder Luhmann ) gehen von der Existenz eines publizistischen Systems aus, das nach eigenen Regeln funktioniert und zur Selbstreproduktion fähig sei. Das hat zur Folge, dass mittels Politik und Recht eine Ausgestaltung der Medienstrukturen und eine Steuerung der Medien zur Erbringung spezifischer Leistungen entweder gar nicht möglich ist, weil Medien als System autonom sind, oder dies nur durch komplexe Regulierungsansätze erreicht werden kann. Innerhalb der systemtheoretischen Debatte ist allerdings noch kein einheitliches Verständnis von Medien als sozialem System auszumachen.

Die systemtheoretische Denkweise hat gleichwohl innerhalb der Sozialwissenschaften im Grundsatz Anerkennung gefunden, und so gehen auch Vertreter handlungstheoretischer Ansätze zumindest von systemischen Eigenschaften bei den Medien aus: Die Betrachtung von Medienorganisationen und -strukturen zeigt, dass es sich um "verfestigte" soziale Gebilde mit einem hohen Maß an Eigenkomplexität handelt. Doch sind Strukturen nicht unveränderbar. Systemtheoretisch fundierte Handlungstheoretiker betonen allerdings die Tatsache, dass politische Akteure auf die Ausgestaltung der Medienordnung und durch die Mitwirkung an Aushandlungsprozessen auf die Ausbildung von Strukturen und Organisationen im Medienbereich dennoch einen Einfluss haben : Medienorganisationen sind - etwa durch rechtliche Vorgaben - gestaltbar, und damit kann durch Regulierungsvorgaben auch auf die sich herausbildenden Medienstrukturen Einfluss genommen werden. Die Etablierung einer "dualen Rundfunkordnung" in vielen europäischen Ländern ist ein Beispiel dafür, dass durchaus unterschiedliche Medienorganisationen und -strukturen geschaffen werden können. Vor allem in der normativ argumentierenden Rechtswissenschaft wird an der Notwendigkeit zur rechtlichen Ausgestaltung der Medienordnung aus Gründen der Erhaltung und Weiterentwicklung der demokratischen Gesellschaft festgehalten. Aufgrund negativer Erfahrungen mit der Durchsetzung rechtlicher Programme gegenüber Medien werden aber zunehmend neue Steuerungs- und Regulierungsformen sowie -instrumente diskutiert, so etwa Formen einer "regulierten Selbstregulierung" .

Wenn also empirisch ein Zugewinn an Autonomie der Medien gegenüber dem politischen System und auch ein Verlust an politischen sowie rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten festgestellt werden kann, so kann zugleich eine zunehmende Ausrichtung der Medien auf das ökonomische System beobachtet werden ("Ökonomisierung"). Es ist zu erwarten, dass es im Zuge der weiteren Ausdifferenzierung des Mediensystems sowie der Integration der traditionellen, mittelständisch geprägten Medienbranche in die neu entstehende, kapitalstarke, globale Telekommunikations- und Medienbranche zu einer weiteren Ökonomisierung der Medien kommt. Als Ökonomisierung kann "die Zunahme monetärer und egoistischer Elemente in der Nutzenfunktion der Wirtschaftssubjekte und eine zunehmend striktere Anwendung des Nutzenmaximierungspostulats" begriffen werden. Ein derartiger Trend ist derzeit in der Tat auszumachen, und er hat in der Folge zu einer Diskussion über die Verbesserung ethischer Standards, die Optimierung von Selbstkontrolleinrichtungen bzw. die Neuschaffung von Formen der Selbstkontrolle sowie zur Stimulierung einer Debatte über Qualitätsfragen geführt.

Der zu beobachtende derzeitige Strukturwandel bedeutet im Ergebnis: Medien mögen zwar zunehmend unabhängiger von politischen Akteuren agieren und sich insoweit von gesellschaftlichen Akteuren entkoppeln, aber zugleich nimmt die Abhängigkeit vom ökonomischen System zu: Zumindest die auf Werbung angewiesenen Medienunternehmen organisieren mit ihren Programmen Kaufkraftgruppen für die Wirtschaft oder werden sogar Bestandteil des Marketinginstrumentariums anderer Unternehmen. Es ist erwartbar, dass der Einfluss ökonomischer Akteure auf die Medien noch weiter zunimmt, denn die Konkurrenz zwischen Medienanbietern bzw. Medienangeboten auf dem grösser werdenden Medienmarkt um öffentliche Aufmerksamkeit, Publikumszuwendung wie -bindung und um Werbeeinnahmen wächst. Es bildet sich ein hochgradig wettbewerbsorientiertes, zunehmend global ausgerichtetes Mediensystem heraus, das zwar gegenüber nationalstaatlichen politischen Akteuren an Autonomie zu gewinnen vermag, aber zugleich von ökonomischen Akteuren verstärkt beeinflusst wird. Durch diese Entwicklung schwindet die politische, zumal die nationalstaatliche Kontrolle über Medien.

III. Organisations- und Journalismuswandel bei neu etablierten Medien

Strategisches Handeln gewinnt für die Medien unter ökonomischem Wettbewerbsdruck an Bedeutung. In dieser Sichtweise interessiert dann, wie ein privater Radiosender oder eine politische Tageszeitungsredaktion verfasst ist und zu welchen Leistungen sie jeweils in der Lage sind. Medienleistungen sind aber nicht allein das Ergebnis von Handlungen innerhalb eines Betriebes oder einer Redaktion, sondern sie sind abhängig von den Beziehungen zu anderen Medienunternehmen (so von "Zulieferern" und "Kunden") oder vom Zugang zu Informationen. Zudem sind sie auch abhängig von den im Medienbereich agierenden Verbänden, von gesellschaftlichen wie staatlichen Akteuren, weil diese auf die Produktions- und Kooperationsbedingungen einwirken, indem sie Regeln setzen. Letztere machen durch rechtliche Entscheidungen - durch Gesetze oder Rundfunklizenzen - inhaltliche Vorgaben für Medienunternehmen. Bislang dominieren hier die politischen Akteure, die aber stärker durch gesellschaftliche Organisationen ergänzt werden sollten.

1. Organisationsformen der Medien - eine unterschätzte Dimension

Höchst unterschiedliche Organisationen wirken also in vielfältiger Weise auf Medienorganisationen und damit auf die publizistische Leistung ein. Von der Anzahl der Akteure bzw. der Dominanz spezifischer Akteure ist abhängig, ob eher von einer staatlich-politisch oder von einer marktlich geprägten Medienstruktur gesprochen werden kann. Solange der Rundfunk nur öffentlich-rechtlich verfasst und dieser ohne Konkurrenz war, dominierten politische und gesellschaftliche Entscheidungsträger des Nationalstaats. Mit der Zulassung privater Veranstalter veränderte sich das Akteursspektrum, und es gewinnen in diesen Strukturen ökonomische Akteure an Gewicht, zum Teil schon mit globalen Vernetzungen.

Die unterschiedliche ökonomische Orientierung bei privaten und öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen führt auch zu verschiedenen redaktionellen Organisationsformen, zu einer anderen publizistischen Ausrichtung. So ist es kein Zufall, dass die privaten Fernsehanbieter weniger in Nachrichtenredaktionen und Korrespondentenpools investieren als die öffentlichen Veranstalter. Die Programmleistung selbst wird zwar nicht allein durch eine bestimmte Organisationsform determiniert, wohl aber erwachsen aus der betrieblichen Verfasstheit mit ihren ökonomischen Möglichkeiten die journalistischen Optionen. Im Kern erweist sich dabei der Grad an Werbeabhängigkeit von Medienbetrieben als das zentrale Problem, weil dadurch nur bestimmte Formen der Programmrealisierung möglich sind: Ein Medienunternehmen, das sich ausschliesslich aus Werbe- und Sponsoringeinnahmen finanziert, muss in allen Programmteilen für die Werbetreibenden ein optimales Programmangebot für maximal viele Rezipienten bieten. Ein ausschliesslich aus Gebühren finanzierter Sender hingegen kann sein Programmangebot selbst definieren und es auf sehr differente Rezipientenerwartungen ausrichten.

Unterschiedliche Typen von (Medien-)Organisationen führen also zu unterschiedlichen (Programm-)Leistungen. Die Wahl von Unternehmens- oder Betriebsformen ist somit eine folgenreiche Entscheidung. Dominieren bestimmte Unternehmensformen einen Sektor, so beeinflusst das die Handlungsweise aller in dem Sektor tätigen Unternehmen, weil dies die Struktur insgesamt beeinflusst. Der Streit um die vermeintliche Konvergenz zwischen öffentlichen und privaten Fernsehsendern ist also mehr als eine Debatte um Programminhalte. Inhalts- und Strukturfragen sind aufeinander bezogen zu betrachten. In der Kommunikationswissenschaft wie in der Medienpolitik wird aber leider Organisations- und (Medien-)Strukturfragen nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Abnehmende Politikberichterstattung oder die Zunahme an "billigen" Talkshows - das ist auch auf Strukturentscheidungen zurückführbar.

2. Unterschiedliche Organisationsformen bei Medien: Normen von Belang

Für Rundfunkorganisationen gelten spezifische Ziele, die sich aus normativen Vorgaben (Gesetze, Lizenzen), der dominanten Finanzierungsform (Werbe- vs. Gebührenfinanzierung), der jeweiligen Marktposition (Monopol- oder Wettbewerbsposition) und aus den selbstgesetzten Unternehmenszielen ergeben.

Für öffentliche Rundfunkanstalten machen die Landesgesetzgeber genaue Vorgaben: rechtliche Form und Zweck der Organisation, Festlegung von Leitungsaufgaben (Intendant) und Kontrollaufgaben (Kompetenzen für Verwaltungs- und Rundfunkräte). Zudem wird per Gesetz in allgemeiner Form geregelt, welche inhaltlichen Ziele der öffentliche Sender zu verfolgen hat. Aus diesen Vorgaben ergeben sich bestimmte Organisationsprinzipien, die wir in allen deutschen Bundesländern bei den öffentlichen Rundfunkanstalten vorfinden.

Der innere Aufbau sowie die innere Leitungs- und Verantwortungsstruktur sind hingegen bei privaten Rundfunkveranstaltern nicht rechtlich vorgegeben. Dementsprechend sind sie höchst unterschiedlich rechtlich verfasst (GmbH oder Aktiengesellschaft), verfügen über die unterschiedlichsten Formen von Aufsicht und Kontrolle. Auch die publizistisch relevante Binnenstruktur ist höchst unterschiedlich: Die Programmverantwortung kann bei einem Programmdirektor, beim Geschäftsführer oder beim Chefredakteur liegen. Unterschiedliche Rechts- wie Binnenverfassungen bestimmen die publizistische Orientierung, wirken sich also auf Zwecke, Ziele und auf konkrete Programmleistungen aus. Durch normative Vorgaben können die organisatorischen Bedingungen und das medienstrukturelle Ensemble beeinflusst werden.

3. Beispiel Privatradios: "Transformation" im Journalismus?

Die Entscheidung für bestimmte redaktionelle Strukturen ist also von Normen, von der Unternehmensverfassung und den daraus resultierenden ökonomischen und publizistischen Zielen abhängig. Durch Strukturentscheidungen wird das gesamte redaktionelle Organisations- wie das journalistische Entscheidungsprogramm beeinflusst. Es konnte am Beispiel von lokalen Radiosendern gezeigt werden, dass das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von bestimmten redaktionellen Strukturen in quantitativer wie qualitativer Hinsicht für die Programmleistung der Sender (z. B. landespolitische Berichterstattung) relevant ist. Bei als traditionell bezeichneten Redaktionsstrukturen war die Bearbeitung von bestimmten Bereichen erkennbar, und sie erfolgte auf Basis eines spezialisierten, fachlich qualifizierten journalistischen Personals (vgl. Abb. A).

Im Fall von gering entwickelten Redaktionsstrukturen, wie sie bei privatkommerziellen Radiounternehmen vorherrschen, finden sich ähnlich systematische Zuordnungen hingegen nicht (vgl. Abb. B). Dort existiert keine z. B. auf Politik spezialisierte Redaktion, und es gibt keine fachlich einschlägig tätigen Journalisten und folglich kein auf Dauer gestelltes und spezialisiertes Entscheidungsprogramm.

Redaktionelle Strukturen, journalistische Rollen und der Aufbau journalistischer (Fach-)Kompetenz wirken zusammen, und erst auf dieser Basis ist eine spezielle Programmleistung möglich. Eine empirische Studie spricht im Zusammenhang mit dem Journalismus beim privaten Rundfunk von einem Transformationsprozess: Die nur in geringem Umfang formal strukturierten Organisationen sind nur zu bestimmten publizistischen Leistungen fähig. Die ökonomische Logik innerhalb des privatwirtschaftlich verfassten Mediensektors wirkt also auf die Ausbildung konkreter Organisationsstrukturen ein; die Organisationsweise wiederum bestimmt das journalistische Handeln und wirkt sich so auf das inhaltliche Angebot dieser Medien aus.

IV. "Mediengesellschaft" - Folgen für das intermediäre System und die politische Kommunikation

Der Prozess hin zur "Mediengesellschaft" und die zunehmende Ökonomisierung im Mediensystem haben Auswirkungen auf die Struktur des intermediären Systems der Gesellschaft und auch auf Prozesse der politischen Kommunikation: Medien dominieren in spezifischer Weise die Vermittlungsstruktur und werden mehr und mehr zur Voraussetzung der Kommunikation insbesondere von politischen Akteuren.

1. Medienwandel und intermediäres System

Parteien, Gewerkschaften, Verbände, Akteure der Neuen Sozialen Bewegung - sie gehören als Vermittlungsorganisationen zwischen Gesellschaft und Staat gleichsam zur sozialen Infrastruktur einer Gesellschaft. Als intermediäre Organisationen sorgen sie dafür, dass Interessen formuliert, aufgegriffen, an das politische System adressiert und letztlich von diesem entschieden werden können. Während die meisten Organisationen bestimmte Interessen und Ziele verfolgen, haben die Medien eine Sonderstellung inne: Sie repräsentieren keine Mitgliederinteressen, und sie verfolgen immer weniger eine inhaltlich einheitliche ideologische Linie. Sie sollen, so die normative Anforderung, vielmehr als Resonanzboden für extern an sie herangetragene Themen fungieren, Themen und Meinungen der Akteure auswählen, gewichten, kommentieren und - vor allem - vermitteln. Sie sollen damit den gesellschaftlichen Diskurs zwischen den Akteuren aus unterschiedlichen Systemen und zugleich die Teilhabe aller an der politischen Kommunikation ermöglichen.

Aufgrund der beschriebenen Entkopplung der Medien von den politischen Organisationen und ihrer stärker gewordenen ökonomischen Ausrichtung sind sie mehr und mehr aus dem Schatten der anderen intermediären Organisationen herausgetreten und haben sich eigenständig positioniert. Die beobachtbare Werbemarkt- und Publikumsorientierung konfligiert mit der Orientierung auf politische Akteure, deren Vermittlungsbedarf an Themen und mit der Notwendigkeit, dass Mediennutzer nicht nur als Rezipienten (oder gar "Kunden"), sondern eben auch als Bürger anzusehen und zu informieren sind.

Es besteht die Gefahr, dass die Medien sich immer weniger auf den von den anderen intermediären Organisationen getragenen politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess mit seinen eigenen Regeln beziehen. So werden z. B. parlamentarische Prozesse, das mühsame Aushandeln von politischen Kompromissen, als Entscheidungsschwäche des politischen Systems von Medien angeprangert. Demokratische Prozesse, die idealiter von unten nach oben verlaufen sollen, sind aber auf Beteiligung und Aushandlung angelegt. Die Politikorientierung, zumindest aber die Politikzentrierung im Zusammenhang mit den Aktivitäten gesellschaftlicher Organisationen, könnte weiter abnehmen. Dies bedeutet eine Strukturveränderung im intermediären System - mit Folgen für die Akteure, den Verlauf sowie die Inhalte politischer Kommunikationsprozesse.

2. Veränderte Bedingungen für politische und gesellschaftliche Akteure

"Ganz offensichtlich lösen sich die bisher für politische Kommunikation maßgeblichen Medien von ihrer Mediatisierungsfunktion, die sie bisher übernommen haben. Dahinter steht der Zwang, sich eigenständig als Wirtschaftsunternehmen zu positionieren. In der Konsequenz entwickeln die einzelnen Medien ein institutionelles Eigeninteresse, das sich auf den Erfolg am Markt richtet. Darüber lockern sie ihre Verhaftung an gesellschaftliche Gruppen, Ideologien und Interessen." In der Politikvermittlung gewinnen Formen mit unterhaltendem Charakter an Bedeutung, und so müssen sich Politiker in diesen Formaten vielfach auch als Privatpersonen ("Homestory") vorstellen. Grenzen zwischen Informations- und Unterhaltungsprogrammen werden durch Formate wie "Christiansen" verwischt.

Empirisch ist zudem festzustellen, dass der Grad an Selbstbezüglichkeit zunimmt (Anstieg der Berichterstattung über Medien in den Medien). Die Medien verstehen sich weniger als "Werkzeuge" oder "Vermittler" anderer Organisationen, sondern als Diener eines breiten Publikums und übernehmen insoweit eine eigenständige Vermittlerrolle. Themenselektion, -aufbereitung und -darstellung im Bereich der politischen Kommunikation verändern sich ("Serviceorientierung", "Boulevardisierung", "Infotainment").

Je mehr die Medien sich selbst als eigenständige Akteure begreifen, desto stärker beeinflussen sie damit die Handlungsmöglichkeiten politischer wie gesellschaftlicher Organisationen. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass politische und gesellschaftliche Akteure wie Parteien, Gewerkschaften, aber auch Neue Soziale Bewegungen ihre eigene kommunikative Infrastruktur auf- und ausbauen (müssen): Mittels PR-Abteilungen wird gezielt versucht, Inhalte zu verbreiten. Durch "Medienpartnerschaften" und verdeckte Formen der Zusammenarbeit (Zulieferung von Texten, Film- oder O-Ton-Material) versuchen die Akteure, auf diesen Wandel zu reagieren. Die stärker gewordene ökonomische Ausrichtung der Medien hat vor allem für die im demokratischen Wettbewerb stehenden politischen Parteien ihren Preis: Der Aufwand für Medienleistungen steigt kontinuierlich an, was nicht ohne Folgen für den Wettbewerb politischer Organisationen bleibt; dies zeigt sich insbesondere in Wahlkampfzeiten. So steigen die Kosten für die Medienarbeit kontinuierlich an. In den USA kosten Präsidentschaftswahlkämpfe bereits Milliarden - mit problematischen Folgen für die demokratische Chancengleichheit von Parteien und Kandidaten. Um nicht für Medienleistungen bezahlen zu müssen, werden die eigenen Kommunikationsmaßnahmen laufend verfeinert: mittels "symbolischer Politik", durch die Kreation von Pseudoereignissen, durch verstärkte Formen der Personalisierung und "Intimisierung". Auch durch die Beteiligung von Politikern an Sport- und Talksendungen passt sich ein Teil der Akteure den medialen Vermittlungsbedingungen an. Diese Veränderung der Medienpräsenz wirkt sich auf die Organisationen selbst aus (Elitendominanz, Hierarchisierung von Prozessen, "Professionalisierung" von Tätigkeiten).

Den Mechanismus zur Kreation von Medienereignissen haben früh Akteure der Neuen Sozialen Bewegungen - etwa Umweltschutzorganisationen wie "Greenpeace" oder "Robin Wood" - erkannt: Durch eigens für die Medien kreierte Ereignisse (Turmbesteigungen, Selbstfesselung an Betriebszäunen) sowie eine enge Zusammenarbeit mit einzelnen Journalisten oder Medien machen sie auf sich und ihre Ziele aufmerksam und beschaffen sich mittels der Berichterstattung die notwendigen Ressourcen durch Spendenkampagnen. Die Medien ihrerseits haben vor allem dann ein Interesse an solchen Inszenierungen und Partnerschaften, wenn die so erzeugten "Events" auf ein größeres Publikumsinteresse stoßen. Die stärkere Orientierung auf das Publikum führt zur Entwicklung neuer Formate und Sendeformen ("Christiansen") - auch für die Politikberichterstattung insgesamt.

Die skizzierten Veränderungen sind nicht ohne Folgen für den chancengleichen Zugang von Akteuren zu den Medien und für den Verlauf politischer Prozesse. So ist ein stärkerer "Elitenbonus" wie auch "Kanzlerbonus" in der politischen Berichterstattung auszumachen. Demokratietheoretisch problematisch ist die Tatsache, dass es vielfach zu engen Verflechtungen zwischen Medien oder ganzen Medienkonzernen und politischen Akteuren kommt ("Berlusconi-Effekt").

V. Risikominimierung: Die "Mediengesellschaft" als Regulierungsaufgabe

Für Korrekturen des hier skizzierten Veränderungsprozesses mit seinen durchaus problematischen Folgen gibt es kein geschlossenes "Therapiekonzept". Es ist einerseits erkennbar, dass sich alle Akteure auf den Medienwandel einstellen. Während von einigen Beobachtern dieser Vorgang als Prozess einer Professionalisierung der politischen Kommunikation begriffen wird, befürchten andere eine "Amerikanisierung". Eines ist aber sicher: Paid Media, Allianzen zwischen politischen Organisationen und Medienunternehmen, wie wir sie aus Italien und Großbritannien kennen, gewinnen an Bedeutung und werfen eine Vielzahl von Fragen (Parteienfinanzierung, Chancengleichheit etc.) auf. Zudem ist festzustellen, dass dem Organisations- und Strukturwandel im Mediensystem, der ja auch ein Ergebnis (medien-)politischer Entscheidungen ist, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die politischen Parteien thematisieren den Wandel nicht, sondern hoffen - etwa über landespolitische Förderprogramme ("Standortpolitik") - sich Vorteile zu verschaffen.

Die öffentliche Debatte darüber ist zumeist nur kurzfristig und eher an einzelnen Phänomen - wie problematischen Programmen oder einzelnen Fehlleistungen - orientiert. Ein breiterer öffentlicher Diskurs, der eben auch Organisations- und Strukturfragen des Mediensystems mit einbezieht, findet nicht statt. Selbst die von der "Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich" jüngst festgestellte "fortschreitende Medienkonzentration" im deutschen Rundfunkmarkt, oder die Befunde der von den Landesmedienanstalten vorgelegten Inhaltsanalyse zum marginalisierten politischen Programmangebot im Rundfunk lösten keine als nennenswert anzusehende Debatte aus.

1. Neukonzeption der Medienregulierung notwendig

An diesen Befunden wird ersichtlich, dass die Medienregulierung - auch in Deutschland - vor grundsätzlichen Veränderungen steht. Die Entstehung der "Mediengesellschaft" verändert zweifellos die Möglichkeiten für politische Akteure, steuernd in die Entwicklung einzugreifen. Der Wandel hin zur "Mediengesellschaft" macht eine Veränderung hinsichtlich der Formen der Regulierung notwendig, gerade mit Blick auf die nach wie vor bestehende Notwendigkeit, Medienstrukturen und -inhalte, bezogen auf politische Akteure und Prozesse im demokratischen Staat, zu organisieren. Der Staat sollte sich dabei auf die Steuerung und Regelung von Kernbereichen konzentrieren: die Erhaltung und Absicherung von medial vermittelter öffentlicher Kommunikation im Sinne eines kontinuierlichen Selbstverständigungsprozesses mittels Massenmedien in der Gesellschaft. Der Zugang zu Informationen, die Verfügbarkeit und die Qualität von Publizistik sind für den demokratischen Prozess, aber auch für die soziale und kulturelle Verständigung in stark medialisierten Gesellschaften von großer Bedeutung. Dies weist auf die zentrale Bedeutung der Verhinderung von (weiteren) Konzentrationsprozessen im privatwirtschaftlichen Bereich ebenso hin wie auf die Notwendigkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Staat hat also vor allem für Strukturvielfalt aktiv zu sorgen - und das erfordert Organisationspolitik.

Medienorganisationen sind zweifellos der wichtigste Ansatzpunkt für Steuerungsbemühungen. Derzeit wird durch die erteilte Lizenz den Medienunternehmen ein bestimmter Leistungsauftrag erteilt, der in formaler Hinsicht durch die Lizenzbehörde überprüft werden kann. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass hier vorrangig nur eine Art Missbrauchsaufsicht betrieben wird, während die Möglichkeit der Formulierung und Überprüfung von inhaltlichen Zielvorgaben nicht möglich ist. Medienunternehmen könnten im Rahmen der Lizenz aber beispielsweise verpflichtet werden, Geschäftsberichte mit Angaben über Beteiligungsverhältnisse regelmässig zu veröffentlichen, Leitbilder und journalistische Grundsätze zu publizieren, Regeln für die redaktionelle Organisation, zur journalistischen Qualifizierung oder auch Qualitätssicherung aufzustellen, Beauftragte (etwa für den Jugendschutz oder Ombudsleute) einzusetzen oder Beratungsgremien aus Professionskreisen wie auch aus Mitgliedern gesellschaftlicher Gruppen zu bilden.

Ziel derartiger Maßnahmen ist es, die Medienorganisationen selber zu Strukturveränderungen anzuhalten, um dadurch die allgemeine Transparenz zu erhöhen, Prozesse der Kommunikation und Interaktion sowohl auf der betrieblichen Ebene wie zwischen Betrieben und unterschiedlichen Öffentlichkeiten zu ermöglichen und zu institutionalisieren.

Vor allem muss bei den Professionen angesetzt werden: Die Sicherung von (politischer) Publizistik ist eine wesentliche Aufgabe derjenigen, die mit der publizistischen Produktion betraut sind. Das Nichtvorhandensein von betriebsinternen Regelungen auf freiwilliger Basis und von professionellen Selbstkontrolleinrichtungen im elektronischen Bereich macht deutlich, dass es hier seitens der Politik förmlicher Vorgaben bedarf ("regulierte Selbstregulierung"). Ziel derartiger Vorgaben sollte es sein, dass bereits auf der betrieblichen Ebene Eigentümer und Journalisten verpflichtet werden, sich über Verfahrensweisen bei der Ausgestaltung der Redaktion, der Festlegung von (redaktionellen) Verantwortlichkeiten und hinsichtlich entsprechender Berichtspflichten zu verständigen. Es gilt, die Reflexion innerhalb der Organisationen zu erhöhen und Möglichkeiten der Selbstorganisation zu stärken. Durch derartige Übereinkünfte sollte erreicht werden, dass bereits betriebsintern - und nicht allein betriebsübergreifend - Diskussionen über publizistische Standards oder Qualitätsfragen stattfinden (können). Es sollte Aufgabe der Regulierungsbehörden sein, durch entsprechende Lizenzvorgaben einen Beitrag für die Absicherung professioneller Standards zu leisten. Überdies kann durch Kommunikation mit den Branchen- wie Berufsverbänden dazu angeregt werden, vorhandene Einrichtungen der Selbstkontrolle zu optimieren oder weitere zu gründen.

2. Die "Mediengesellschaft" bedarf neuer Akteure

Die Schaffung und Etablierung von formalen Organisationen (Akteuren) ist für Steuerungs- und Regulierungsansätze unter den Bedingungen der "Mediengesellschaft" wesentlich, denn Steuerbarkeit ist vor allem dort gegeben, wo formale Organisationen existieren, auch weil Organisationen für staatliche Rechtsetzungspotentiale genutzt werden können. Die Etablierung und Beteiligung weiterer Akteure ergibt sich aus der Notwendigkeit der Herauslösung des Rundfunks aus dem staatsnahen Sektor: Solange dort die Kontrolle angesiedelt war, konnte - vermittelt über die politischen Akteure - für die Berücksichtigung gesellschaftlicher Belange Sorge getragen werden (etwa durch die Aufsichts- und Kontrollfunktion beim öffentlichen Rundfunk). Dies ist jedoch bei privatwirtschaftlichen Medienunternehmen nicht mehr der Fall. Die Vermittlung gesellschaftlicher Anforderungen durch Gesetze oder Konzessionsbestimmungen ist nämlich immer nur in einer allgemeinen Form und insoweit nur in begrenztem Umfang für das Verhalten privatwirtschaftlicher Unternehmen dauerhaft prägend. Andererseits darf aufgrund normativer Grundsätze von staatlichen wie von politischen Akteuren beispielsweise keine Medienkritik geleistet werden. Kritik an medialen Entwicklungen und Fehlentwicklungen ist jedoch ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Thematisierung von Steuerungsbedarf. Staat und Regulierungsbehörden können im Wesentlichen nur dann politischen Handlungsbedarf geltend machen, wenn derartige Anregungen und Kritik von ökonomischen Akteuren, von der Wissenschaft oder aus der Gesellschaft kommen.

Die neu zu schaffenden gesellschaftlichen Akteure sollen die gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Ausgestaltung der Medienordnung anregen. Auf diese Weise kann Steuerungsbedarf ermittelt, artikuliert und sowohl an die Medienunternehmen, Veranstalter oder Redaktionen wie auch an das politische System geleitet werden. Vor allem durch die Herstellung von Öffentlichkeit über die Medienentwicklung sowie über Medienprodukte kann eine stärkere Orientierung von Medienunternehmen an gesellschaftlichen Wünschen, an qualitativen Zielen oder ethischen Prinzipien erwartet werden als durch rechtliche Interventionen. Öffentlichkeit existiert aber nicht per se, sondern muss immer wieder geschaffen werden. Das weist auf die Relevanz von medienkritischen Akteuren hin.

Neu zu etablierende Organisationen (wie eine Stiftung Medientest) und gesellschaftliche Reflexionsinstanzen (wie ein Medienrat) könnten eigenständig zum nachhaltigen Diskurs über die Medienentwicklung beitragen und allen Akteuren - den politischen wie den Regulierungsbehörden - Wissen zur Verfügung stellen. Das ist nötig, denn Wissen wird unter den Bedingungen zunehmender Komplexität immer mehr zu einer zentralen Voraussetzung für jede Form der Steuerung wie auch Regulierung. Wissensbasierte Organisationen und gesellschaftliche Akteure sind verstärkt in die Steuerungsprozesse einzubeziehen, da sie Steuerungsbedarf artikulieren und in Planungs- und Entscheidungsprozesse kontinuierlich und frühzeitig Wissen einbringen können.

Die "Mediengesellschaft" erfordert also eine medienpolitische Neukonzeption, aber das bedeutet keineswegs das Ende staatlich-politischer Medienpolitik, im Gegenteil: Erst durch die Beteiligung von Akteuren aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen sichert und erweitert Politik ihre Interventionsmöglichkeiten und somit ihren Gestaltungsraum gerade unter den komplexen Bedingungen der "Mediengesellschaft". Zugleich wird damit ein Diskurs über die politischen Medienleistungen auf einem breiteren Fundament ermöglicht. Vor allem diesem Diskurs über die Ziele, Formen und Inhalte der politischen Kommunikation kommt eine steuernde Funktion zu - bezogen auf die für die Politikvermittlung relevanten Medienstrukturen, redaktionellen Organisationen und die in ihnen handelnden (politischen) Journalistinnen und Journalisten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Otfried Jarren, Zeitungen und gesellschaftliche Institutionen. Empirische Analyse und theoretische Reflexion am Beispiel der Wochenzeitung "Das Parlament", in: Otfried Jarren/Gerd G. Kopper/Gabriele Toepser-Ziegert (Hrsg.), Zeitung. Medium mit Vergangenheit und Zukunft. Eine Bestandsaufnahme. Festschrift aus Anlass des 60. Geburtstages von Hans Bohrmann, München 2000, S. 147 ff.

  2. Vgl. die Beiträge in: Stephan Russ-Mohl/Susanne Fengler (Hrsg.), Medien auf der Bühne der Medien, Berlin 2000.

  3. Vgl. hierzu Otfried Jarren, Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel, in: Ulrich Sarcinelli (Hrsg.), Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft, Bonn 1998, S. 74. ff.

  4. Ulrich Sarcinelli spricht von "Mediatisierung". Ulrich Sarcinelli, Mediatisierung, in: Otfried Jarren/Ulrich Sarcinelli/Ulrich Saxer (Hrsg.), Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft, Opladen 1998, S. 678 f. Vgl. zu Medialisierungseffekten Patrick Donges/Kurt Imhof, Öffentlichkeit im Wandel, in: Otfried Jarren/Heinz Bonfadelli (Hrsg.), Einführung in die Publizistikwissenschaft, Bern-Stuttgart-Wien 2001 (i.éE.); Kurt Imhof, Gesellschaftsordnung und öffentliche Kommunikation, in: Schweizerische Zeitschrift für Politische Wissenschaft, 4 (1998) 3, S. 79éff.

  5. Vgl. Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Opladen 1996; Frank Marcinkowski, Publizistik als autopoietisches System, Opladen 1993.

  6. Vgl. dazu Uwe Schimank, Der mangelnde Akteursbezug systemtheoretischer Erklärungen gesellschaftlicher Differenzierung, in: Zeitschrift für Soziologie, 14 (1985) 6, S. 421 ff., sowie grundlegend Helmut Willke, Systemtheorie III: Steuerungstheorie, Stuttgart-Jena 1995.

  7. Unter Berücksichtigung des deutschen dualen Rundfunksystems vgl. Stefan Wehmeier, Fernsehen im Wandel, München 1998.

  8. Das Konzept wurde von Hoffmann-Riem begründet; vgl. dazu Wolfgang Hoffmann-Riem/Wolfgang Schulz/Thorsten Held, Konvergenz und Regulierung, Baden-Baden 2000.

  9. Vgl. dazu Beiträge in Otfried Jarren/Werner A. Meier (Hrsg.), Ökonomisierung der Medienindustrie: Ursachen, Formen und Folgen, in: Medien & Kommunikationswissenschaft, 49 (2001) 2 (Themenheft).

  10. Jürgen Heinrich, Ökonomisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht. (Vortrag beim Workshop "Ökonomisierung der Medienindustrie" am 6./7.2000 in Vitznau/Schweiz).

  11. Vgl. Gabriele Siegert, Marktmacht Medienforschung, München 1993.

  12. Vgl. Anna M. Theis-Berglmair, Medienwandel - Modellwandel?, in: Otfried Jarren (Hrsg.), Medienwandel - Gesellschaftswandel?, Berlin 1994, S. 35 ff., sowie früher schon grundlegend zur Organisationsperspektive Manfred Rühl, Die Zeitungsredaktion als organisiertes soziales System, Fribourg 1969.

  13. Vgl. Otfried Jarren/Patrick Donges, Keine Zeit für Politik?, Berlin 1996.

  14. Vgl. zum privaten Rundfunk Klaus-Dieter Altmeppen, Redaktionen als Koordinationszentren, Opladen - Wiesbaden 1999.

  15. Vgl. Klaus-Dieter Altmeppen/Patrick Donges/Kerstin Engels, Transformation im Journalismus, Berlin 1999.

  16. Vgl. die Befunde bei Thomas Bruns/Volker Greger/Frank Marcinkowski, Das Bild der Politik im Fernsehen, Duisburg 2000 (Manuskript).

  17. Empirisches Material dazu bei Hans-Jürgen Weiss/Joachim Trebbe, Fernsehen in Deutschland 1998 - 1999, Berlin 2000; vgl. ebenso Hans Mathias Kepplinger, Die Demontage der Politik in der Informationsgesellschaft, Freiburg - München 1998.

  18. Friedrich Krotz, Öffentlichkeit aus der Sicht des Publikums, in: Otfried Jarren/Friedrich Krotz (Hrsg.), Öffentlichkeit unter Viel-Kanal-Bedingungen, Baden-Baden-Ham"burg 1998, S. 101 f.; generell dazu Winfried Schulz, Politische Kommunikation, Opladen 1997.

  19. Vgl. Thomas Meyer, Mediokratie, Frankfurt/M. 2001.

  20. Vgl. Barbara Pfetsch/Kerstin Dahlke, Politische Öffentlichkeitsarbeit zwischen Zustimmungsmanagement und Politikvermittlung, in: Otfried Jarren/Heribert Schatz/Harmut Wessler (Hrsg.), Medien und politischer Prozess, Opladen 1996, S. 137 ff., sowie Günter Bentele, Politische Öffentlichkeitsarbeit, in: U. Sarcinelli (Anm. 3), S. 124 ff.

  21. Vgl. die Beiträge in: U. Röttger (Hrsg.), PR-Kampagnen, Opladen - Wiesbaden 2001².

  22. Befunde bei Thomas Bruns/Frank Marcinkowski, Politische Information im Fernsehen, Opladen 1997.

  23. Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), Fortschreitende Medienkonzentration im Zeichen der Konvergenz, Berlin 2000.

  24. Vgl. Anm. 17.

  25. Vgl. dazu den Ansatz bei Otfried Jarren/Patrick Donges, Medienregulierung durch die Gesellschaft?, Opladen-Wiesbaden 2000, sowie die Überlegungen bei W. Hoffmann-Riem u. a. (Anm. 8).

  26. Vgl. Wolfgang Schulz, Rechtsetzung in der Informationsgesellschaft: Renaissance für die Gesetzgebungslehre?, in: Roger Blum/Otfried Jarren/Kurt Imhof (Hrsg.), Steuerungs- und Regulierungsprobleme in der Informationsgesellschaft, Opladen-Wiesbaden 1999, S. 342 ff.

  27. Vgl. Otfried Jarren, Macht und Ohmacht der Medienkritik. Oder: Können Schwache Stärke erlangen? Medienkritik und medienpolitische Kommunikation als Netzwerk, in: Hartmut Wessler u. a. (Hrsg.), Perspektiven der Medienkritik. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit öffentlicher Kommunikation in der Mediengesellschaft. Dieter Ross zum 60. Geburtstag, Opladen 1997, S. 307 ff.

  28. Vgl. Friedrich Krotz, Verbraucherkompetenz und Medienkompetenz. Die "Stiftung Medientest" als Antwort auf strukturelle Probleme der Medienentwicklung, in: H. Wessler u. a. (Anm. 27), S. 251 ff.

Dr. phil., geb. 1953; Professor für Publizistikwissenschaft; Direktor des IPMZ, Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, sowie von SwissGIS, Swiss Centre for Studies on the Global Information Society der Universität Zürich.

Anschrift: IPMZ-Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Postfach 507, CH-8035 Zürich.
E-Mail: o.jarren@ipmz.unizh.ch

Veröffentlichungen u.a.: (zus. mit P. Donges) Medienregulierung durch die Gesellschaft?, Opladen 2000; (Hrsg. zus. mit H. Bonfadelli) Einführung in die Publizistikwissenschaft, Bern - Stuttgart - Wien 2001.