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Editorial | Gewalt im Geschlechterverhältnis | bpb.de

Gewalt im Geschlechterverhältnis Editorial Kooperation zum Schutz vor Gewalt in Ehe und Beziehungen Männer als Opfer von Gewalt Gewaltprävention durch Arbeit mit Minderjährigen in der Prostitution Hintergründe des Menschenhandels in die Prostitution mit Frauen aus Osteuropa Milliardengeschäft illegale Prostitution

Editorial

Katharina Belwe

/ 3 Minuten zu lesen

Jede dritte Frau in Deutschland hat schon einmal physische Gewalt erlitten, jede siebte in Gestalt sexuellen Missbrauchs. Prostitution, ist ein Feld mit einem hohen Gewaltpotenzial. Dass es auch Gewalt gegen Männer gibt, wird weitgehend ausgeblendet.

Frauen werden unter patriarchalischen Strukturen auch über ihre sexuelle Attraktivität, ihre Anziehungskraft und ihre Verfügbarkeit für Männer definiert. Der weibliche Körper wird auf legale wie illegale Weise vermarktet: in der Werbung, in den Medien, in der Pornografie und in der Prostitution. Schätzungen zufolge suchen täglich mehr als eine Million Männer in Deutschland eine Prostituierte auf, 40 Prozent der Freier haben das Abitur oder einen Hochschulabschluss. Die Nachfrage - insbesondere nach ausländischen Prostituierten - ist groß. Viele der Frauen kommen aus den Ländern Mittel- und Osteuropas; viele sind das Opfer von Menschenhandel. Deutschland ist eines der Hauptziel- und Durchgangsländer für den internationalen Handel mit Frauen. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist nach Paragraph 232 Strafgesetzbuch strafbar. Dessen ungeachtet floriert das (Milliarden-) Geschäft, dessen Profiteure auch vor der Anwendung psychischer und physischer Gewalt nicht zurückschrecken.

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Jede dritte Frau in Deutschland hat schon einmal physische Gewalt erlitten, jede siebte in Gestalt sexuellen Missbrauchs. Das ist das Ergebnis einer vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen Studie. Die Übergriffe erfolgen überwiegend im häuslichen Umfeld: in der Ehe oder der Zweierbeziehung. Zwar gilt Gewalt im Geschlechterverhältnis heute nicht mehr als Randproblem und Privatsache, auch werden entsprechende Übergriffe inzwischen als Rechtsbruch ernst genommen, aber es kommt nach wie vor zu Problemen bei der Ahndung und Prävention. Dass es in einer patriarchalischen Gesellschaft auch Gewalt gegen Männer und damit auch männliche Opfer gibt, scheint widersinnig, gelten diese doch gemeinhin als Täter. Tatsächlich wird die Verletzbarkeit von Männern (vor allem durch Männer) im öffentlichen Diskurs kaum wahrgenommen. Dabei besteht für Jungen und junge Männer ein höheres Risiko als für Mädchen und junge Frauen, Opfer von anderen Jungen oder Männern zu werden - mit Ausnahme sexueller Gewalt.

Prostitution ist ein Feld mit einem hohen Gewaltpotenzial; jüngere Prostituierte sind hier einem noch höheren Risiko ausgesetzt. Auf dieser Erkenntnis basiert ein Projekt "Minderjährigenprostitution" der Dortmunder Mitternachtsmission. Ein wichtiges Anliegen des Projekts besteht darin, gefährdeten Mädchen und jungen Frauen, von denen die Mehrheit aus afrikanischen und osteuropäischen Staaten stammt, Brücken zur Inanspruchnahme von Beratung und Hilfe zu bauen.

Die Hauptursache dafür, dass Frauen aus Osteuropa nach Deutschland und in andere westeuropäische Länder auswandern und dort in die Prostitution gehen, sind die zum Teil katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in diesen Ländern. Perspektivlosigkeit und Armut im Herkunftsland bilden den Nährboden, auf dem sich organisierte Kriminalität entfalten kann. Dies wird bei der Entwicklung von Strategien zur Verhinderung und Bekämpfung des Menschenhandels zu wenig berücksichtigt - auch weil verschiedene Interessengruppen unterschiedliche Ziele verfolgen: So gelten gehandelte Frauen entweder als Kriminelle, die strafrechtlich verfolgt werden, als wehrlose Opfer, denen mit einer Rückführung geholfen werden soll, oder als starke, risikofreudige Charaktere, die eine rationale Entscheidung getroffen hätten. AnhängerInnen der dritten Position setzen sich für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen der gehandelten Frauen ein, was in der Forderung nach der Anerkennung der Prostitution als Arbeit gipfelt. Dass auf diese Weise diskriminierende gesellschaftliche Verhältnisse festgeschrieben und normalisiert werden, wird dabei außer Acht gelassen.