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Rechtsterrorismus Editorial Nach dem NSU-Prozess: Leerstellen und Lehren Was ist Rechtsterrorismus? Zur Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland Nur "einsame Wölfe"? Rechtsterrorismus als transnationales Phänomen (Nicht Mehr) Warten auf den "Tag X". Ziele und Gefahrenpotenzial des Rechtsterrorismus Vom Sagbaren zum Machbaren? Rechtspopulistische Sprache und Gewalt

Zur Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland

Fabian Virchow

/ 13 Minuten zu lesen

Vom "Bund Deutscher Jugend" in den 1950er Jahren über die 1980 verbotene "Wehrsportgruppe Hoffmann" bis zum NSU: Terrorismus von rechtsaußen hat in der Bundesrepublik eine unrühmliche Tradition. Er tritt in vielfältiger Form auf und ist noch immer eine Gefahr.

Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke am 2. Juni 2019 sowie der Versuch eines Neonazis in Halle an der Saale am 9. Oktober 2019, sich den Weg in eine Synagoge frei zu schießen, um die dort versammelten Juden* zu ermorden, sind die beiden jüngsten Fälle rechtsextremistischen Terrorismus, die von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Nach den rassistisch motivierten Morden und Anschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) zwischen 1999 und 2007 haben sie die Relevanz rechtsterroristischer Aktivitäten und Strukturen erneut verdeutlicht. Zugleich verweisen sie auf eine lange Geschichte entsprechender Gewalt in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Zwar gab es auch in der DDR eine signifikante gewaltbereite Szene, jedoch keine rechtsterroristischen Strukturen.

Die frühen Jahre

Die wissenschaftliche Diskussion um eine angemessene Konzeptualisierung von Terrorismus ist nicht abgeschlossen. Einige Autor*innen stellen den Einsatz illegitimer Gewalt durch nicht-staatliche Akteur*innen heraus und schließen damit systematisch die Möglichkeit aus, dass auch von staatlichen Instanzen terroristische Gewalt ausgeübt werden kann; andere fokussieren nahezu ausschließlich auf die mit den Taten verbundenen Botschaften. An dieser Stelle wird eine Definition zugrunde gelegt, die unter Terrorismus ein geplantes, nicht nur singuläres gewaltsames Handeln von (halb-)geheim agierenden Individuen oder Gruppen versteht, die das Ziel verfolgen, Angst und Einschüchterung bei einer größeren Zahl von Menschen zu erzeugen und/oder Entscheidungen politischer Akteure oder sozialer Gruppen zu beeinflussen, ohne dabei auf persönliche Bereicherung zu zielen. Entsprechend dieser Überlegung werden auch Vorbereitungshandlungen berücksichtigt. Zugleich wird deutlich, dass nicht zwingend der Staat als Angriffsziel im Mittelpunkt (rechts)terroristischer Handlungen stehen muss.

In der Forschung zum Rechtsterrorismus in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte ist umstritten, ob dieser Ende der 1960er Jahre mit dem Entstehen zahlreicher Kleingruppen beginnt oder bereits in den frühen 1950er Jahren auszumachen ist. Im Fokus letztgenannter Perspektive steht der am 23. Juni 1950 in Frankfurt am Main gegründete antikommunistische "Bund Deutscher Jugend" (BDJ) und seine Teilorgansiation "Technischer Dienst" (TD). Unter Führung von Paul Lüth und finanziert vor allem durch US-amerikanische Dienststellen sammelten sich dort insbesondere ehemalige Offiziere der Wehrmacht und der Waffen-SS.

Der BDJ fiel durch gewaltsame Demonstrationen und das Absingen von Liedern der Hitler-Jugend auf. Zugleich ging es mit dem TD darum, für den Fall eines befürchteten Einmarsches der sowjetischen Armee auf eine in Partisanenkriegführung geschulte Einheit zurückgreifen zu können. Die TD-Mitglieder wurden in gewissen Zeitabständen waffentechnisch geschult, man kommunizierte vor allem über Boten, die wichtige Nachrichten direkt überbrachten, und legte Treibstoffvorräte an. In seiner 1951 veröffentlichten Schrift "Bürger und Partisan" hatte Lüth zudem ausgeführt, dass angesichts der kommunistischen Infiltration schon in Friedenszeiten gegen die politische und gewerkschaftliche Linke vorgegangen werden müsse. Hierzu wurde ein eigener Nachrichtendienst organisiert, der Informationen über politische Gegner*innen sammelte. BDJ und TD wurden schließlich Anfang 1953 in Hessen verboten, nachdem durch die Aussagen des BDJ-Kaders und früheren SS-Hauptsturmführers Hans Otto bei der Frankfurter Kriminalpolizei nicht nur der paramilitärische Charakter und die umfangreiche Bewaffnung der Organisation deutlich geworden waren, sondern auch Listen mit den Namen von 40 Personen – meist hochrangige SPD-Politiker – gefunden wurden, die am "Tag X kaltgestellt" beziehungsweise "aus dem Verkehr gezogen" werden sollten.

Für die frühen 1960er Jahre ist zudem von der Beteiligung westdeutscher Akteure an terroristischen Aktionen zu sprechen, mit denen die Abtrennung Südtirols von Italien beziehungsweise weitreichende Autonomierechte erzwungen werden sollten. Der Mitte der 1950er Jahre gegründete "Befreiungsausschuß Südtirol" (BAS) zeichnete unter anderem für die Sprengung eines Mussolini-Reiterstandbildes in Ponte Gardena/Waidbruck am 31. Januar 1961 sowie eine Serie von Sprengstoffanschlägen auf über 40 Hochspannungsmasten im Juni 1961 verantwortlich. Ihm gehörten auch frühere Angehörige der "Brandenburger" an, einer auf Sabotage hinter den feindlichen Linien spezialisierten Einheit der Wehrmacht. Bei den Anschlägen in den 1960er Jahren wurden 15 italienische Zöllner, Polizisten und Militärangehörige getötet. In den beiden Mailänder Südtirolprozessen wurden 1963/64 und 1966 auch deutsche Staatsbürger wegen der Beteiligung an den Terroraktionen verurteilt.

Terroristischer Antikommunismus

Aufkommen und Erstarken der antiautoritären Bewegung, die auf Entspannung angelegte Ostpolitik der sozialliberalen Koalition sowie das Scheitern der NPD bei der Bundestagswahl 1969 waren in der Deutung von Neonazis inner- wie außerhalb der NPD in den späten 1960er Jahren Anlass zu Radikalisierung. Entsprechend agierte eine Reihe zahlenmäßig kleiner Gruppen wie die "Europäische Befreiungsfront" (EBF), die "Gruppe Hengst" (GH) oder die "Nationale Deutsche Befreiungsbewegung" (NDBB) im Sinne eines terroristischen Antikommunismus, der gegen westdeutsche Kommunist*innen, die DDR und die sowjetischen Stationierungstruppen gerichtet war.

Die EBF lagerte Waffen und plante den Aufbau einer straff geführten überregionalen Organisation. Am Tag vor einem Treffen von Bundeskanzler Willy Brandt mit dem DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph in Kassel, das die EBF durch Anschläge auf die Strominfrastruktur stören wollte, wurden 14 Mitglieder festgenommen. Unter weitgehender Ausklammerung der politischen Motive wurden nur gegen fünf EBF-Angehörige Strafen verhängt. Am 7. November 1970 verletzte der EBF-Aktivist Ekkehard Weil in Berlin den sowjetischen Wachsoldaten Iwan Schtscherbak schwer. Im März 1971 wurde er von einem britischen Militärgericht wegen Mordversuch zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt; es folgte ein Brandanschlag auf eine Geschäftsstelle der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin (SEW). Im August 1977 entzog sich Weil durch Flucht nach Österreich. Dort beging er mit anderen Neonazis im Juli 1982 Sprengstoffanschläge auf Geschäfts- und Wohnhäuser, die Menschen jüdischen Glaubens gehörten. 1998 wurde er wegen des Besitzes von Sprengstoff und Zündkapseln vom Landgericht Berlin erneut zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Haft entzog er sich erneut durch Flucht.

Die 1970 entstandene NDBB verstand sich als Vorstufe für die Gründung einer neuen NSDAP und verübte Anschläge auf Treffpunkte der politischen Linken und die der SEW nahestehende Zeitschrift "Westberliner Extradienst". Der zehnte Jahrestag des Mauerbaus sollte in Berlin mit Schüssen über die DDR-Grenze sowie Brandsätzen als antikommunistischer "Großkampftag" begangen werden. Am Tag zuvor wurden jedoch bei einer Hausdurchsuchung Waffen und Munition entdeckt. Auch die im Frühjahr 1972 in Nordrhein-Westfalen und Bayern entstandene "Nationalsozialistische Kampfgruppe Großdeutschland" (NSKG) konnte zwar erhebliche Waffen-, Sprengstoff- und Munitionsvorräte anlegen, wurde jedoch vor Umsetzung der geplanten Gewalttaten entdeckt. Von ursprünglich 25 Beschuldigten wurden sechs als Rädelsführer beziehungsweise wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu geringen Haftstrafen verurteilt.

Während sich die Aufmerksamkeit von Politik, Öffentlichkeit und staatlichen Kontrollinstanzen in den Folgejahren auf die politisch motivierte Gewalt von links konzentrierte und die staatliche Verfolgung gegen die extreme Rechte deutlich nachließ, entstanden ab Mitte der 1970er Jahre weitere rechtsterroristische Strukturen, in denen es zu einem intergenerationellen Zusammenschluss von Alt- und Neonazis kam. In Niedersachsen bildete sich um Paul Otte sowie Wolfgang Sachse und den V-Mann des niedersächsischen Inlandsnachrichtendienstes Hans-Dieter Lepzien eine terroristische Struktur, die im Herbst 1977 Sprengstoffanschläge auf die Staatsanwaltschaft in Flensburg und das Amtsgericht Hannover verübte. Weitere geplante Anschläge, unter anderem auf Grenzanlagen der DDR und die Synagoge in Hannover, kamen aufgrund der Verhaftung einiger Mitglieder der Gruppe nicht mehr zur Ausführung.

Auch die 1973 von Karl-Heinz Hoffmann gegründete und 1980 vom Bundesinnenministerium verbotene "Wehrsportgruppe Hoffmann" (WSGH) stand mit terroristischen Taten in Verbindung. 1976 verübte einer ihrer Anhänger einen Sprengstoffanschlag auf den US-amerikanischen Soldatensender AFN in München, bei dem er sich selbst schwer verletzte.

Im sogenannten Bückeburger Prozess 1979 kam der drei Jahre zuvor geschaffene Strafrechtsparagraf 129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) erstmals gegen eine neonazistische Gruppierung zur Anwendung. Das Verfahren richtete sich gegen die Neonazis Michael Kühnen, Lothar Schulte, Lutz Wegener, Uwe Rohwer, Manfred Börm und Klaus-Dieter Puls. Sie hatten in unterschiedlicher Zusammensetzung seit Ende 1977 durch Überfälle auf Sparkassen und Soldaten Geld und Waffen erbeutet. Die Gruppe plante die Entführung des in der Verfolgung von NS-Verbrechern engagierten Ehepaars Beate und Serge Klarsfeld, die Befreiung des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess aus dem britischen Militärgefängnis in Berlin-Spandau, Angriffe auf DDR-Grenzanlagen sowie die Zerstörung der KZ-Gedenkstätte in Bergen-Belsen. Bis auf Kühnen und Börm wurden alle Angeklagten auch wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt.

Als neonazistischer Terrorist betätigte sich über beträchtliche Zeit auch Peter Naumann. Nach 1970 über viele Jahre in der NPD und ihren Nebenorganisationen aktiv, wurden bei ihm 1974 erstmals zwei technisch komplizierte Sprengladungen gefunden. Vier Jahre später verübte er mit Heinz Lembke in Italien einen Anschlag auf eine Gedenkstätte, die in der Nähe der Ardeatinischen Höhlen an die Ermordung von 335 zivilen italienischen Geiseln durch die Waffen-SS im März 1944 erinnerte. Am 18. Januar 1979 versuchten Naumann und Lembke durch Sprengstoffanschläge auf Sendemasten, die Ausstrahlung des vierteiligen Fernsehfilms "Holocaust" zu stören.

Lembke unterhielt in der Lüneburger Heide, wo er unweit des Truppenübungsplatzes Munster als Revierförster tätig war, ein Netz von über 30 unterirdischen Waffen- und Sprengstoffdepots. Diese enthielten unter anderem automatische Waffen, 50 Panzerfäuste, 156 Kilogramm Sprengstoff, 258 Handgranaten, Gift und umfangreiche Munitionsbestände. Bevor Lembke der Staatsanwaltschaft den Verwendungszweck offenbaren konnte, wurde er erhängt in der Gefängniszelle aufgefunden. Naumann wurde 1988 vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main für seine Beteiligung an mehreren Sprengstoffanschlägen und den Versuch der Gründung einer terroristischen Vereinigung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach der Haftentlassung wurden bei ihm Anfang März 1995 erneut Rohrbomben gefunden; daraufhin gab Naumann dem Bundeskriminalamt 13 weitere Waffen- und Sprengstoffdepots bekannt, in denen unter anderem 27 Kilogramm Sprengstoff gefunden wurden.

In den Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde jährlich die Menge der bei Neonazis beschlagnahmten Waffen und Sprengstoffe bekanntgegeben. Danach bestand kein Mangel an solchen Tatmitteln, mit denen nun nicht mehr nur Linke angegriffen wurden, sondern die auch für antisemitisch und antiamerikanisch motivierte Verbrechen Verwendung fanden.

Terrorjahr 1980

Das Jahr 1980 markiert einen Höhepunkt des Terrorismus von rechts. Die von Manfred Roeder, einem ehemaligen CDU-Mitglied, das sich jedoch seit den späten 1960er Jahren zunehmend radikalisiert hatte, aufgebauten "Deutschen Aktionsgruppen" (DA) verübten mehrere Brand- und Bombenanschläge – unter anderem in Esslingen gegen das Landratsamt, in dem eine Ausstellung zum Vernichtungslager Auschwitz gezeigt wurde, in Hamburg gegen die Janusz-Korczak-Schule sowie in Zirndorf und Lörrach gegen Aufnahmeeinrichtungen von Flüchtlingen. Dabei wurden drei Geflüchtete aus Eritrea verletzt. Bei einem weiteren Brandanschlag im Hamburger Stadtteil Billbrook starben am 20. August 1980 Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân, zwei Geflüchtete aus Vietnam. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte Roeder 1982 wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, nicht aber wegen Beteiligung an den von der Gruppe begangenen Anschlägen, zu 13 Jahren Gefängnis.

International machte der rechtsterroristische Anschlag im Hauptbahnhof der italienischen Stadt Bologna am 2. August 1980 Schlagzeilen, bei dem 85 Menschen starben und über 200 verletzt wurden. In München verübte Gundolf Köhler, ein Anhänger der WSGH, einen Anschlag auf das Münchner Oktoberfest, dem am 26. September 1980 13 Menschen zum Opfer fielen. 211 weitere wurden verletzt, davon 68 schwer. Die nahezu drei Jahrzehnte von staatlichen Stellen vertretene Ansicht, Köhler habe das Verbrechen als Einzeltäter begangen, wird seit einigen Jahren durch neue Aktenfunde und seit 2014 durch neue Zeugenaussagen substanziell infrage gestellt.

Aus der WSGH kam auch Uwe Behrendt, der am 19. Dezember 1980 in Erlangen den Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde Shlomo Levin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke in deren Haus erschoss. Nach dem Verbot der WSGH setzten sich mehrere Mitglieder unter den Augen der Polizei in den Libanon ab, wo sie als "Wehrsportgruppe Ausland" (WSGA) in einem Lager der Palästinensischen Befreiungsorganisation militärisch ausgebildet wurden. Dennoch wurde Karl-Heinz Hoffmann als unumstrittener Chef der Gruppe nach seiner Rückkehr Mitte Juni 1981 nur wegen Geldfälschung, Freiheitsberaubung, Nötigung und Verstoß gegen das Sprengstoff- und das Waffengesetz verurteilt. Für den Doppelmord wurde er nicht zur Rechenschaft gezogen, obwohl er dem Täter mindestens bei dessen Flucht geholfen hatte.

Seit 1975 hatten sich NPD-Anhänger auch in der "Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit" (VSBD/PdA) radikalisiert, die von Friedhelm Busse geführt wurde. Busse hatte Anfang der 1950er Jahre bereits dem BDJ angehört und war in den frühen 1960er Jahren wegen unberechtigten Besitzes von Sprengstoff zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Die VSBD/PdA trat offen nationalsozialistisch auf und suchte die gewaltsame Konfrontation mit der politischen und gewerkschaftlichen Linken im öffentlichen Raum. Wie die DA stand auch die VSBD/PdA 1980 für eine "neue Qualität des bundesrepublikanischen Rechtsradikalismus, nämlich die partielle und von Einzelpersönlichkeiten bzw. Kleingruppen getragene, dennoch aber integrale Wendung zum Terrorismus".

Beim Versuch, Waffen aus der Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland zu schmuggeln, erschoss das VSBD-Mitglied Frank Schubert am 24. Dezember 1980 zunächst zwei schweizerische Grenzschutzbeamte und anschließend sich selbst. Aus VSBD-Mitgliedern bestand auch das "Kommando Omega", das am 20. Oktober 1981 von Busses Wohnung in München-Neubiberg zu einem Banküberfall aufbrach; bei der Festnahme durch die Polizei starben die Neonazis Nikolaus Uhl und Kurt Wolfgram durch Schusswaffeneinsatz. Bei Busse wurden im Zuge der nachfolgenden Durchsuchungen Sprengstoff, Waffen und Munition gefunden. Das Oberlandesgericht München verurteilte ihn 1983 wegen Hehlerei, Strafvereitelung, Begünstigung von Bankräubern und Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Der Vorwurf der Gründung einer terroristischen Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuches wurde fallengelassen, da – so die Bundesanwaltschaft – Busse aus einer "wirtschaftlichen Notlage" heraus gehandelt habe.

Schließlich ist für die frühen 1980er Jahre noch die "Hepp-Kexel-Gruppe" zu nennen, deren Mitglieder alle aus bereits gewalttätig auftretenden neonazistischen Gruppierungen kamen. Mehrere Banküberfälle sowie die Anmietung konspirativer Wohnungen und die Anlage von Waffendepots im Rhein-Main-Gebiet waren von Beginn an Teil der Gruppenaktivität, bevor im Herbst 1982 Sprengstoffanschläge auf Angehörige der US-Streitkräfte in Frankfurt am Main, Butzbach, Darmstadt und Gießen verübt wurden. Explizit formuliertes Ziel dieser Anschläge, bei denen mehrere US-Soldaten zum Teil schwer verletzt wurden, war es, durch wahllosen Terror den Abzug der "Besatzer" zu erzwingen. Im Februar 1983 wurden Mitglieder der Gruppe in einer konspirativen Wohnung in Frankfurt sowie im englischen Poole verhaftet. Odfried Hepp flüchtete in die DDR, wo er bereits seit 1981 über enge Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit verfügte. Im Verlauf der 1980er Jahre wurden gegen die Mitglieder der "Hepp-Kexel-Gruppe" Freiheitsstrafen zwischen fünf Jahren Jugendstrafe und 14 Jahren Haft ausgesprochen.

Mit der Verhaftung und Verurteilung zahlreicher rechtsterroristischer Täter*innen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre war diese Hochphase rechter terroristischer Gewalt zunächst abgeschlossen. Nutzung von Infrastruktur im Ausland, konspirative Wohnungen, Banküberfälle zur Finanzierung des Gewalthandelns und schwerste Gewaltakte waren zentrale Merkmale. Zu den Anschlagszielen dieses Terrorismus gehörten dabei aus antikommunistischen Motiven zunächst insbesondere die politische Linke beziehungsweise Repräsentanten und Grenzanlagen des sogenannten Realsozialismus, darüber hinaus auch Einrichtungen und Akteur*innen, die an die Shoah erinnerten. Mit den von den DA um Manfred Roeder verübten Brandanschlägen und den Bombenattentaten der "Hepp-Kexel-Gruppe" wurde bewusst auf die Erzeugung von Angst und Einschüchterung gesetzt; außerdem sollten politische Entscheidungen herbeigeführt werden, die den Grundzügen extrem rechter Weltanschauung entsprechen – die Herstellung unbeschränkter Souveränität des deutschen Nationalstaates sowie die "Bewahrung des deutschen Volkstums".

Generation Hoyerswerda

Terroristische Gewalt ist auch seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 ein integraler Bestandteil von Strategien in der extremen Rechten. Ob "Nationale Einsatzkommandos" gegen die politische Linke, eine "Werwolf Jagdeinheit Senftenberg", die "Nationale Bewegung", die bis heute unaufgeklärten Anschläge auf die Grabstätte des langjährigen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, am 19. Dezember 1998 in Berlin und auf den jüdischen Friedhof in Berlin am 16. März 2002 oder das "Freikorps Havelland", das sich zum Ziel gesetzt hatte, als "Ausländer" identifizierte Menschen zu terrorisieren und zunächst aus dem Havelland, später dann aus Deutschland überhaupt zu vertreiben – sie alle richten sich gegen diejenigen, die sie als "Feinde des deutschen Volkes" ansehen. Dies verbindet den versuchten Sprengstoffanschlag auf ein jüdisches Kulturzentrum in München im November 2003 mit der rassistischen Mordserie des NSU sowie der Vielzahl von rechten Zusammenschlüssen, die sich im Zusammenhang mit der Aufnahme von Schutz und Auskommen suchenden Menschen in Deutschland ab 2014 dazu legitimiert sahen, gegen eine interkulturelle und interreligiöse Gesellschaft mit terroristischer Gewalt vorzugehen. Während ein Teil der Gruppen wie beispielweise die "Oldschool Society" oder die "Bürgerwehr Freital" aufgedeckt und strafrechtlich belangt wurden, ist eine Vielzahl von entsprechenden Straftaten nicht aufgeklärt.

Rechtsterrorismus tritt inzwischen in vielfältiger Form auf, nutzt Social-Media-Kanäle zur Tatvorbereitung und -ausführung, orientiert sich an internationalen Vorbildern und hat in jüngster Zeit mit Angriffen auf den Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein und die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sowie den Mord an Walter Lübcke eine neue Stoßrichtung bekommen. Diese terroristische Gewalt, die umfassende mediale Resonanz hervorruft, ist zugleich Teil einer viel umfangreicheren Gewalt von rechtsaußen, die alltäglich stattfindet und deren Opfer meist namenlos bleiben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Tanjev Schultz, NSU. Der Terror von rechts und das Versagen des Staates, München 2018; Annette Ramelsberger et al., Der NSU-Prozess. Das Protokoll, München 2018.

  2. Hinsichtlich der Definition von Rechtsextremismus folge ich Hans-Gerd Jaschke, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit: Begriffe, Positionen, Praxisfelder, Wiesbaden 2001, S. 30. Der vorliegende Text entstand in Anlehnung an Fabian Virchow, Nicht nur der NSU. Eine kleine Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland, Erfurt 2016.

  3. Vgl. Alex P. Schmid/Albert J. Jongman, Political Terrorism, Amsterdam 1988; Joseph J. Easson/Alex P. Schmid, Appendix 2.1: 250-plus Academic, Governmental and Intergovernmental Definitions of Terrorism, in: Alex P. Schmid (Hrsg.), The Routledge Handbook of Terrorism Research, New York 2011, S. 99–157.

  4. Vgl. Peter Dudek/Hans-Gerd Jaschke, Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Opladen 1984, Bd. 1, S. 356–388.

  5. Vgl. Hessischer Minister für Inneres, Der Technische Dienst des Bundes Deutscher Jugend (BDJ), Wiesbaden 1954.

  6. Vgl. Rolf Steininger, Südtirol zwischen Diplomatie und Terror 1947–1969, Bozen 1999.

  7. Vgl. Fabian Virchow, Faschistische "Tatgemeinschaft" oder weltanschauliche Kaderschmiede? Systemoppositionelle Strategien der bundesdeutschen Rechten nach 1969, in: Massimiliano Livi/Daniel Schmidt/Michael Sturm (Hrsg.), Die 1970er Jahre als schwarzes Jahrzehnt. Politisierung und Mobilisierung zwischen christlicher Demokratie und extremer Rechter, Frankfurt/M.–New York 2010, S. 229–247.

  8. Vgl. Olaf Sundermeyer, Rechter Terror in Deutschland, München 2012.

  9. Vgl. Klaus-Henning Rosen, Rechsterrorismus, Bonn 1989, S. 52f.

  10. Vgl. Barbara Manthe, Rechtsterroristische Gewalt in den 1970er Jahren, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1/2020 (i.E.).

  11. Vgl. Es ist Wolfszeit, in: Der Spiegel 46/1981, S. 30f.

  12. Vgl. Jürgen Strohmaier, Manfred Roeder – ein Brandstifter. Dokumente und Hintergründe zum Stammheimer Neofaschisten-Prozeß, Stuttgart 1982.

  13. Eike Hennig, F. Sch. (1957–1980) – Ein "politischer Soldat", in: Werner Graf (Hrsg.), "Wenn ich die Regierung wäre …" Die rechtsradikale Bedrohung, Bonn 1984, S. 58.

  14. Vgl. Stefan Aust/Dirk Laabs, Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU, München 2014, S. 91.

  15. Vgl. Fabian Virchow, Gegen den Zivilismus. Internationale Beziehungen und Militär in den politischen Konzeptionen der extremen Rechten, Wiesbaden 2006, S. 57–90.

  16. Vgl. exemplarisch Heike Kleffner/Anna Spangenberg (Hrsg.), Generation Hoyerswerda. Das Netzwerk militanter Neonazis in Brandenburg, Berlin 2016.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Fabian Virchow für Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de

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ist promovierter Politikwissenschaftler und Professor am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften an der Hochschule Düsseldorf. Sein Buch "Nicht nur der NSU. Eine kleine Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland" erscheint 2020 in aktualisierter Auflage. E-Mail Link: fabian.virchow@hs-duesseldorf.de