Als im November 1918 die Waffen schwiegen, war das deutsche Kaiserreich an imperialer Hybris und dilettantischer Führung zugrunde gegangen. Wilhelm II. hatte abgedankt, es schlug die Stunde der Demokratie. Doch wie konnte das neue, von vielen ungeliebte Staatswesen im Schatten der Kriegsniederlage Legitimität erlangen? Der Soziologe Max Weber unterschied Verantwortungs- von Gesinnungsethik und entwickelte Idealtypen der legitimen Herrschaft. Auch die Republik, so Weber, benötige charismatisches Führungspersonal.
Das demokratietheoretische Ideal besteht darin, dass die Regierenden den "Willen des Volkes" als Grundlage des politischen Handelns respektieren. Doch im 21. Jahrhundert scheinen sich die immer komplexeren postindustriellen Gesellschaften zu "Postdemokratien" mit schwindenden Bindekräften zu entwickeln. Bürgerinnen und Bürger haben nur mehr geringen Einfluss auf den Input des politischen Prozesses. Expertengremien, Lobbygruppen und die Massenmedien mit ihren Personalisierungseffekten bestimmen über die Agenda.
Die sozialwissenschaftliche Leadership-Forschung hat analysiert, dass solche leader democracies nachträglich Legitimität entfalten: Ihr Output wird bei Wahlen bewertet. In politischer Führung, die zwar im institutionellen Gehäuse der Demokratie, aber weitgehend losgelöst von den Bürgern agiert, liegt indes der Keim einer Legitimationskrise. Mit den jüngsten Erschütterungen des globalisierten Kapitalismus ist das Bedürfnis nach Führung gewachsen. Die liberale, repräsentative Demokratie ist vielfältigem Problemdruck ausgesetzt. Kluge politische Führung ist gefragt, die in demokratischer Verantwortung Entscheidungen fällt, diese auch umsetzt - und sich der permanenten Herrschaftskritik der Opposition und der Zivilgesellschaft stellt.