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Unsere Verteidigungspolitik | APuZ 14/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 14/1954 Statement on Defence Unsere Verteidigungspolitik

Unsere Verteidigungspolitik

Earl Alexander von Tunis

Erklärung des britischen Verteidigungsministers in der Debatte des britischen Oberhauses über das Weißbuch zur Verteidigung am 16. März 1954

Meine Herren Lords!

Wie ich im vergangenen Jahr sagte, wird es stets mein Ziel sein, das Oberhaus und unser Land insoweit eingehendst über das Verteidigungsprogramm zu informieren, als es sich mit der Sicherheit vereinbaren läßt. Ich habe daher versucht, in der diesjährigen grundsätzlichen Erklärung zur Verteidigung eine weitergehendere Exposition als gewöhnlich über unsere Verteidigungspolitik und über die hauptsächlichen Erwägungen darzulegen, auf denen diese basiert. Bevor ich zum Hauptteil meiner Rede übergehe, mag es für Eure Lordschaften von Interesse sein, etwas über die von uns während der vergangenen 18 Monate durchgeführten Untersuchungen zu hören, die zu dem gegenwärtigen Kurs unserer Verteidigungspolitik geführt haben. Kurz nachdem ich im Frühjahr 1952 mein Amt übernahm, wurde mit Hilfe unserer militärischen Berater eine sorgfältige Studie unserer gesamten globalen Strategie ausgearbeitet. Aus dieser Untersuchung ging eindeutig hervor, daß das Weltbild sich in einem Stadium der Veränderung befindet und die Zeit dafür reif war, das Schwergewicht in der Verteidigung anders zu lagern.

Beim Ausbruch des koreanischen Krieges im Jahr 1950 hatte es damals den Anschein, daß ein dritter Weltkrieg möglicherweise gefährlich nahe wäre. Dies führte zu einer Beschleunigung der Rüstung um jeden Preis. Ich bin davon überzeugt, daß die Entscheidung der damaligen Regierung, unsere Kampfstärke zu erhöhen, angesichts der seinerzeitigen internationalen Situation den einzigen der offenstehenden realistischen Wege darstellte. Aber das Bild änderte sich im Jahre 1952, und wir gelangten zu dem Schluß, das unter der Voraussetzung, daß die Alliierten in ihren Bemühungen ihre Einheit wahrten und weiterhin eine abschreckende Stärke schufen, ein baldiger Krieg nicht so wahrscheinlich war wie es zwei Jahre vorher im Jahre 1950 den Anschein hatte. Es war jedoch eine zunächst andauernde Periode internationaler Spannungen vorauszusehen, obgleich auch immer die Gefahr bestand, daß ein größerer Konflikt entweder auf Grund einer Aggression oder durch einen Zwischenfal'oder durch eine Fehlrechnung ausbrechen konnte. Wir wußten seit 1949, daß die kommunistische Welt die Geheimnisse der Atombombe erfahren hatte. 1953 wußten wir gleichfalls, daß die Sowjetunion eine thermonucleare Explosion durchgeführt hatte. Diese schrecklichen Geheiinnise waren nicht mehr länger ausschließlich im Besitz der Westmächte. Die Art eines zukünftigen Krieges hatte sich dadurch grundsätzlich geändert.

Auf Grund dieser neuen Umstände waren wir der Ansicht, daß ein zukünftiger Krieg voraussichtlich mit einer Eröffnungsphase von noch nicht dagewesener Intensität beginnen und nur wenige Wochen oder vielleicht nur Tage dauern würde, wobei beide Seiten die Atombombe einsetzen würden. Wenn man sich die gewaltige Stärke des amerikanischen Strategischen Luftkommandos mit seiner Atomschlagkraft vor Augen hält und vorausgesetzt, daß dieses unmittelbar zurückschlage könnte, so würde der Aggressor eine schreckliche Vergeltung erhalten, die unter Umständen sein gesamtes Kriegsproduktionspotential zerstören könnte. Diese kurze Spanne intensiver Zerstörung könnte daher entscheidend sein — wenn sie sich aber nicht als entscheidend erweist, so würde ein wechselvolles systematisch auf die ganze Welt übergreifendes Ringen entstehen, in dessen Verlauf sich beide Seiten von der Anfangsschlacht erholen und ihre Kampfstärke neu aufbauen würden, um den Krieg weiterzuführen.

Kein reines aktives oder passives Verteidigungssystem kann unter diesen Umständen voll wirksam sein. Es muß daher gefolgert werden, daß die Bedeutung von Abschreckungskräften gewaltig wird. Auf Grund dieser Tatsachen und Schlüsse haben wir beschlossen, unsere Kampfstärke im Hinblick auf drei Ziele auszubauen: Wir müssen erstens ausreichende Streitkräfte aufrechterhalten, um unseren weltumspannenden Verpflichtungen einschließlich derjenigen, die sich aus dem Kalten Krieg ergeben, nachkommen zu können; zweitens gemeinsam mit unseren Alliierten den größtmöglichen Beitrag zum Aufbau von Abschredcungskräften gegen den Krieg leisten; drittens müssen wir Vorbereitungen gegen die Gefahr eines großen Krieges treffen, falls die Abschreckungsmaßnahmen versagen sollten. Obwohl ich diese Aufgaben in der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit aufgezählt habe, werden sich Eure Lordschaften natürlich darüber im klaren sein, daß sie miteinander verbunden sind und sich überschneiden.

Keine absolute militärische Sicherheit

Was ich Ihnen unterbreite, ist eine realistische Verteidigungspolitik, weil sie den Tatsachen entspricht, und die Tatsachen sind die folgenden. Es kann niemals absolute militärische Sicherheit geben. Kein Land, so stark es auch sein mag, kann es sich leisten, mehr als eine bestimmte Summe seiner Geldmittel, seiner Arbeitskraft, seines Materials und seiner Produktionskapazität für Rüstungen aufzuwenden, ohne seiner Wirtschaft, von der seine Fähigkeit zum Aufbau seiner militärischen Stärke abhängt, ernsthaften Schaden zuzufügen. Und da wir niemals der Aggressor sein werden, so können wir auch niemals den Zeitpunkt wählen, an dem wir herunter bis zum letzten Knopf auf Feindseligkeiten vorbereitet sein müssen. Wir könnten natürlich einen Zeitpunkt berechnen, was etwas besser als eine Schätzung sein würde, und zu einer Kriegswirtschaft mit allen seinen Vor-und Nachteilen übergehen. Wenn jedoch der von uns gewählte Zeitpunkt eingetreten ist und nichts geschehen ist, können wir es uns dann leisten, unsere Kampfstärke in der Höhe aufrecht zu erhalten, die sie dann erreicht haben wird? Ein derartiger Vorbereitungsplan ist weder realistisch noch praktisch. Wir sind daher zu bestimmten Schlüssen gekommen, die zu der Politik des „langfristigen gleichmäßigen Kurses" geführt haben, einer Politik, die seither auch von den Vereinigten Staaten von Amerika und den anderen NATO-Mitgliedern eingeschlagen wurde. Darum haben wir dieses überstürzte Rüsten durch ein sorgfältig durchdachtes Wiederaufrüstungsprogramm innerhalb eines finanziellen und wirtschaftlichen Rahmens ersetzt, das wir uns nicht nur für dieses oder das nächste Jahr, sondern auch für die folgenden Jahre leisten können.

Bei der Ausarbeitung unserer Verteidigungspolitik existiert noch ein anderer Aspekt, den wir nicht übersehen haben, und dies ist der folgende. Wenn es zu einem neuen großen Kriege kommen sollte, so wird er nicht von uns verschuldet sein, und wir werden ihn nicht allein auszufechten haben. Wir haben starke und mächtige Alliierte, die mit uns diese Last tragen und darunter keinen mächtigeren als die Vereinigten Staaten von Amerika. Das soll nicht bedeuten, daß wir andere bitten oder von anderen erwarten werden, das zu tun, was richtigerweise unsere Aufgabe wäre oder daß wir uns auf unsere Freunde verlassen werden, sondern das bedeutet, daß wir vermeiden müssen, unsere Energien zu zersplittern und unsere Stärke durch gleichartige Bemühungen auf demselben Gebiet zu vergeuden. Wir sollten daher unsere Hilfsquellen soweit als möglich zusammenfassen und unsere Bemühungen gemeinsam führen, damit wir als ein vereintes Team wirken können, und ein sehr mächtiges Team ist, wie ich Ihnen später beweisen werde, im Entstehen.

Marine, Luftwaffe, Armee

Ich möchte Ihnen jetzt, wenn Sie erlauben, kurz erklären, wie wir hoffen, diese von mir umrissenen allgemeinen Erwägungen der Politik in den Programmen der drei Zweige unserer Streitkräfte zur Durchführung bringen zu können. Angesichts eines Minen-und Unterseeboot-krieges wird die Royal Navy voraussichtlich eine genau so gefährliche und schwierige Aufgabe in einer zukünftigen Auseinandersetzung zu bewältigen haben wie in den vergangenen beiden Weltkriegen. Ich brauche Eure Lordschaften nicht auf die ernste Situation hinzuweisen, der wir gegenüberstehen würden, wenn-unsere Seeverbindungswege unterbrochen werden und uns die Gcleitzüge mit wichtigen Versorgungsgütem aus Übersee nicht erreichen können. Auf Grund dieser Bedrohung liegt der Schwerpunkt des Schiffsbauprogramms auf Minensuchern und U-Bootabwehrschiffen, wobei natürlich Flugzeugträger eingeschlossen sind. Die erste unserer neuen U-Bootabwehrfregatten wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 1954/55 fertiggestellt werden. Die Forschungsbemühungen der Marine richten sich in der Hauptsache auf Minenabwehr-, U-Boot-abwehr und Luftabwehr-Kriegführung.

Die Royal Air Force wird ihre Kampfstärke im Vereinigten Königreich und in Westeuropa weiter erhöhen. Vorallem wird eine Reihe von Staffeln mittlerer Düsenbomber sobald wie möglich in Dienst gestellt werden, um eine hervorragend ausgebildete und bewegliche Einheit für die Geltendmachung unserer Luftherrschaft zur Verfügung zu haben. Diese Einheiten werden nicht nur einen machtvollen Beitrag für die Abschreckungskräfte der Alliierten gegen einen Krieg darstellen, sondern auch im Falle eines Krieges von höchster Wichtigkeit für die Verteidigung dieser Inseln und Westeuropas sein. Im Verlauf des kommenden Jahres werden die Stärke und die Schlagkraft der einsatzbereiten Einheiten der Royal Air Force weiter erhöht werden. Dem Jagdkommando stehen jetzt die ersten britischen Düsenjäger des allermodernsten Typs zur Verfügung, und wir werden in diesem Jahr die Einheiten laufend auf Flugzeuge vom Typ „Swift“ und „Hunter" umstellen. Wie Eure Lordschaften wissen, ist die Royal Air Force von einem frühzeitigen Radar-Warn-und Meldesystem abhängig. Dies ist in der Tat eine der Hauptverbindungen der gesamten Verteidigungskette. Vom Beginn unseres Verteidigungsprogrammes an erhielt diesesProjekt den Vorrang über alle anderen Verteidigungsaufträge mit Ausnahme der Atomenergie und der fernlenkbaren Geschosse. Außerdem werden gegenwärtig Pläne für eine weitere Entwicklung des Kontroll-und Meldesystems und für die Einführung von noch modernerer Ausrüstung ausgearbeitet.

Die Anzahl unserer einsatzbereiten Einheiten der Armee wird im Rahmen der uns durch unsere überseeischen Verpflichtungen und durch unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Alliierten auferlegten Grenzen in gewisser Weise reduziert werden. Das Neuausrüstungsprogramm für die Reservearmee wird sich besonders auf jene Formationen erstrechen, die als erste mobilisiert und eingesetzt werden. Gleichzeitig wird unser Ziel sein, in der Heimat eine strategische Reserve aufzubauen, wenn wir wieder über mehr Bewegungsfreiheit in der Verlegung von Truppen verfügen. Ich möchte bei diesem Punkt noch einen Augenblick verweilen.

Seit der Amtsübernahme der gegenwärtigen Regierung ist es stets unser Ziel gewesen, eine bewegliche strategische Reserve im Vereinigten Königreich aufzubauen, die verfügbar und bereit ist, im Ernstfall mit jeder Lage fertig zu werden, an jedem Ort und zu jeder Zeit. Sobald wir von einigen unserer weltumspannenden Verpflichtungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt unsere Kampfstärke zu sehr in Anspruch nehmen, entlastet werden, wird diese Reserve aufgestellt werden.

Um eine strategische Reserve so wirkungsvoll wie möglich aufzubauen, müssen wir die Möglichkeit haben, sie kurzfristig und mit großer Beschleunigung dorthin zu verlegen, wann und wo immer sie gebraucht wird. Truppenverlegungen in größerem Ausmaß auf dem Luftweg ist natürlich eine Routineangelegenheit in unseren militärischen Vorkehrungen. 90% unserer Truppenbewegungen nach dem Mittleren Osten werden gegenwärtig durch die Luft vorgenommen; im Notfall wurden stets Verstärkungen beschleunigt auf dem Luftwege verlegt, besonders in den letzten Monaten nach Kenia. Aber dieses moderne Transportmittel muß weiter entwickelt werden, und wir haben beschlossen, daß für den Transport von Truppen und Ausrüstungen über weite Entfernungen ein schneller und weitreichender Flugzeugtyp dem Transport-kommando eingegliedert werden wird. Für den Transport von schweren militärischen Ausrüstungen wie auch von Truppen wurde das Beverley Frachtflugzeug für das Transportkommando in Auftrag gegeben. Es wird über 15 to Güter über eine Strecke von mehr als 600 Meilen transportieren können, oder, falls notwendig, einen leichten Tank oder ein mittleres Geschütz oder 6 Jeeps.

Zusammengefaßt ist unser Plan für die Streitkräfte der folgende. In Anbetracht der engen Zusammenarbeit mit unseren Alliierten und der wachsenden Schlagkraft des NATO-Bündnisses werden wir uns auf eine kleinere, besser ausgerüstete, besser verteilte und beweglichere Armee, auf Luftstreitkräfte von wachsender Defensiv-und Offensiv-Schlagkraft und auf eine Marine konzentrieren, die trotz der ersten Gefahr durch U-Boote und Minen in der Lage sein wird, unsere lebenswichtigen Seeverbindungswege in Notzeiten offen zu halten.

Forschungs-und Entwicklungsprogramm

Ich komme nun zum Forschungs-und Entwicklungsprogramm, dem wir im vergangenen Jahr einen großen und steigenden Anteil unserer Verteidigungsquellen zur Verfügung gestellt haben. In den nächsten 3 oder 4 Jahren werden wir die Fertigstellung zahlreicher wichtiger Projekte erleben, auf die sich unsere Forschung und Entwicklung seit einigen Jahren konzentrierte. Nach dem Kriege mußten wir nicht nur die Lehren jenes Krieges verwerten, sondern auch einige bedeutende Schritte über die seinerzeit bekannten Dinge hinaus unternehmen. Bei der Entwicklung bedeutender moderner Ausrüstungen und Waffen, bei denen die Elektrotechnik eine wichtige Rolle spielt, handelt es sich jetzt unvermeidlich auf Grund der Vervollkommnung und der Komplizierung dieses Elektronenapparates um einen sehr langen Vorgang. Den ehrenwerten Herren Lords der Oppositionspartei muß beträchtliche Anerkennung für die Aufnahme und Unterstützung eines umfassenden Forschungsund Entwicklungsprogrammes in den Jahren ihrer Amtszeit zugebilligt werden. Gegenwärtig kostet uns dieses Programm eine gewaltige Summe Geldes — im Jahre 1954/55 fast 160 Millionen Pfund, das ist doppelt so viel wie im Jahre 1950. Dies beweist eindeutig, daß die Regierung diese wichtigen Arbeiten nicht vernachlässigt. Für alles Nützliche gibt es jedoch Grenzen, und wir müssen sehr wählerisch in unserem Entschluß sein, wofür wir unser Geld in der Zukunft ausgeben wollen. Besonders dürfen wir nicht vergessen, daß es wenig Sinn hat, eine große Anzahl verschiedener Ausrüstungstypen zu entwickeln, die wir niemals in Mengen produzieren können. Daher müssen wir hier wie auch bei allen anderen Dingen realistisch sein und uns den richtigen Verhältnissen anpassen.

Die drei Zweige der Streitkräfte standen bereits und werden auch in wachsendem Maße weiterhin der Notwendigkeit gegenüberstehen, eine der ernstesten Entscheidungen zu treffen, die seit Beendigung des Krieges erforderlich waren. Wir müssen uns entscheiden, wie wir die verfügbaren Hilfsquellen zu Verbesserungen für die uns bereits bekannten Waffen, die wir auf weite Sicht hin für nützlich halten, und für die Entwicklung und schließlich die Produktion von völlig neuen Waffentypen einsetzen. Diese Waffen werden äußerst kostspielig sein. Wir können es uns daher nicht leisten, eine Anzahl verschiedener Waffentypen zu entwickeln und herzustellen, die den gleichen Zweck erfüllen, um dann mehrere Jahre die eine gegen die andere ausprobieren zu müssen. Wir haben das Risiko übernommen, und wir werden es auch weiterhin tun, indem wir uns auf eine oder manchmal zwei von einer Anzahl von möglichen Lösungen festlegen. Bei diesen Entscheidungen verlassen wir uns auf das gemeinsame Urteilsvermögen des erfahrenen Operationsstabes und der Wissenschaftler in den Verteidigungsstreitkräften. Ich kann nicht garantieren, daß wir stets diejenige Entscheidung treffen, die sich in jedem Fall als die richtige erweisen wird, aber wir werden weiterhin überlegen, bevor wir Geld ausgeben und unser Bestes tun, um das größtmögliche Wissen und den militärischen Fortsdiritt aus jedem Stadium der Forschungen und Entwicklungen zu erlangen.

Taktik der Atomkriegführung

Wie die edlen Herren Lords wissen, ist in den vergangenen Jahren durch uns und die australische Regierung ein gewaltiges gemeinsames Versuchsprojekt für weitreichende Waffen bei Woomera in Australien geschaffen worden. Die australische Regierung hat für diese Einrichtung sehr große Teile ihrer Hilfsquellen zur Verfügung gestellt, und diese sind jetzt von steigendem Nutzwert. Wir erhielten gleichfalls von Australien sehr willkommene Mitarbeit bei den Versuchen mit unseren Atomwaffen. Unsere beiden bisherigen Versuche wurden innerhalb australischen Territoriums durchgeführt, und wir erhielten von der australischen Regierung äußerst wertvolle Hilfe. In diesen beiden Fällen waren die in Australien zur Verfügung stehenden Basen wesentlich geeigneter als irgendwelche im Vereinigten Königreich, und die Zusammenarbeit mit Australien in der Forschung und Entwicklung unserer Waffen ist unerläßlich geworden.

Sie werden verstehen, daß bei der Entscheidung über den Einsatz und den Ausgleich zwischen der Marine, der Armee und den Luftstreitkräften das Vorhandensein der von mir erwähnten neuen Waffen eine sehr wichtige Rolle gespielt hat. Wie Sie wissen, werden jetzt Atombomben an die Royal Air Force ausgeliefert. Diese Atomwaffen, die von unseren mittleren Bombern transportiert werden, werden unsere Schlagkraft gewaltig erhöhen. Außerdem muß ich die ersten fernlenkbaren Geschosse erwähnen, eine Flugzeugwaffe gegen Luftziele, die jetzt ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium erreicht hat.

Fernlenkbare Geschosse für den Einsatz vom Boden gegen Luftziele werden später folgen und wir erwägen bereits, welche Rolle sie in unserer Luftverteidigung spielen werden. Wir haben beschlossen, daß diese Waffe der Royal Air Force unterstellt werden müsse, da sie in dem gleichen Luftraum wie die Jäger operiert und daher dem gleichen einheitlichen Bodenkommando unterstehen muß. Wir haben weiterhin beschlossen, unsere Pläne voranzutreiben, nach denen die Armee mit einem ferngelenkten Geschoß, mit einem Atomsprengkopf für die Verwendung vom Boden aus gegen Bodenziele ausgestattet werden soll. Das Vorhandensein einer solchen Waffe auf dem Schlachtfeld wird unsere Verteidigungsstärke beträchtlich erhöhen. Hierbei handelt es sich jedoch um ein langfristiges Projekt, und es wird in keinem Fall eine Hilfe für die Armee in ihren Verpflichtungen im Kalten Krieg sein. Der Erfordernisse der Marine für ein von Bord aus in die Luft abzufeuerndes Geschoß und ein von Bord aus gegen schwimmende Ziele wirkendes Geschoß werden nicht vernachlässigt. Wir können tatsächlich den Tag vorausbestimmen, an dem sie zur Hauptbewaffnung des Schiffes gehören werden.

Sowohl in allen unseren Offiziersschulen als auch in den höheren Stäben wird die Taktik der Atomkriegführung ständig und genauestens studiert. Es ist allerdings noch zu früh, eine bestimmte taktische Lehre über diese neue Kriegsphase niederzulegen, es ist jedoch bereits viel nützliche Arbeit geleistet worden, die sich als Grundarbeit für die neuen taktischen Lehren als von großem Wert erweisen wird. Wenn wir durch größere praktische Erfahrung die Möglichkeiten dieser neuen Waffen kennengelemt haben, werden diese Lehren eingeführt werden. Das Erscheinen der Atomwaffen auf dem Schlachtfeld wird natürlich große Auswirkungen auf die zukünftige Taktik und Organisation haben. Dies wird Aufgliederung, Beweglichkeit, Tarnung und schnelle Verlegungen in höchstem Grade erfordern. Aber, wie ich schon früher sagte, sind wir noch nicht in der Lage, über alle diese wichtigen Dinge feste Entscheidungen zu treffen bis wir weitere Angaben und weitere Gelegenheit haben, diese Probleme noch eingehender zu untersuchen.

Nichts würde das Vertrauen schwächen und unsere Verteidigungsvorbereitungen verzögern, als auf Grund von halben Entschlüssen zu handeln. Und doch gibt es jene Enthusiasten, die gerne möchten, daß wir die herkömmlichen Waffen aufgeben und uns nur auf nicht-herkömmliche stützen. Ich bedauere, es ist aber nicht ganz so einfach wie wenn man in einen Laden geht, um ein Paar Schuhe zu kaufen. Die Wahrheit ist, daß die meisten dieser Waffen erst in mehreren Jahren vervollkommnet sein werden, und wir noch in Erfahrung bringen müssen, wie erfolgreich sie sein werden. Daher müssen wir die Lücke zwischen den alten und den neuen überbrücken, andernfalls würden wir uns in einem schutzlosen Zustand befinden, falls in der Zwischenzeit ein plötzlicher Krieg ausbrechen sollte.

Meine Herren Lords, wir dürfen niemals wieder riskieren, daß eine Lage entsteht, in der wir mit einer unserem Feind unterlegenen Rüstung in den Krieg ziehen. Ich habe diese unglückliche Lage beim Ausbruch von zwei Weltkriegen selbst erlebt. Im Jahre 1940 verfügten wir über keine Panzer, die mit denen der Deutschen vergleichbar waren, und über keine Panzerabwehrwaffen, die gegen jene Panzer hätten eingesetzt werden können, abgesehen von einer Munitionsknappheit, sogar für diese unterlegenen Waffen. Ich möchte Sie daran erinnern, daß das Kriegsglück sich nicht eher zu unseren Gunsten neigte, bis wir Waffen und Ausrüstungen von solcher Qualität und in ausreichender Menge hatten, daß wir dem Feind unter gleichen Bedingungen entgegentreten konnten. Wenn wir so schlecht vorbereitet wie das letzte Mal in einen Krieg eintreten, werden wir uns nicht so leicht erholen; das würde der sichere Weg zum Untergang sein. Natürlich wäre es töricht, sich auf den letzten Krieg vorzubereiten, obwohl wir einige nützliche Lehren daraus ziehen können, und eine der wertvollsten Lehren ist die, daß der zweite Weltkrieg sich vom ersten genau so unterschied wie ein Boxkampf vom Ringkampf. Und es besteht aller Grund für die Annahme, daß ein neuer großer Krieg sich vom letzten noch mehr unterscheiden wird, und dieser Unterschied wird genau so wachsen, wie die Zeit voranschreitet.

Ich möchte hier besonders betonen, daß wir es uns nicht leisten können, unseren gegenwärtigen Schild herkömmlicher Waffen aus der Hand zu legen und entblößt und schutzlos zu warten, bis ein neuer Schild nicht-herkömmlicher Waffen an diese Stelle treten kann. Meiner Meinung nach handelt es sich hier um eine stufenweise Eingliederung in dem Maße wie die neuen Waffen ihren Wert beweisen und in Produktion gegeben werden können. Und wir müssen ferner folgendes beachten: wenn wir die nicht-herkömmlichen Waffen eingeführt haben, wird nicht allzu viel Zeit vergehen, bis diese herkömmlich werden, wenn neuere und bessere am Horizont auftreten, um ihren Platz einzunehmen — so wie es in einem Zeitalter derartig raschen wissenschaftlichen Fortschritts sicher der Fall sein wird. Ich möchte Ihnen gern ein Bild der gegenwärtigen Erfordernisse für herkömmliche Waffen geben. Wenn Atomwaffen auf dem Schlachtfeld erfolgreich sein sollen, müssen wir den Gegner zuerst einmal veranlassen, ein geeignetes Ziel zu bieten. Dies kann am besten erreicht werden, indem man ihn veranlaßt, seine Streitkräfte in ausreichender Stärke für einen Durchbruch zu konzentrieren. Nur unsere herkömmlichen Erdkampfstreitkräfte können einen solchen Zustand herbeiführen, andernfalls würden unsere Atomwaffen von feindlichen weit verstreuten und auf breiter Front angreifenden Kräften, die wie Wasser über einen Damm fluten, überrannt werden. Westeuropa muß gehalten weiden: Wir können nicht zulassen, daß unsere Verbündeten überrannt und erneut besetzt werden. Wir können es uns nicht leisten, den Russen in den Besitz unserer Luftstützpunkte und Abschußbasen an der Kanal-küste innerhalb geringer Schußentfernung auf unsere Küsten gelangen zu lassen. Aber wenn Westeuropa gehalten werden soll, dann müssen herkömmliche Streitkräfte und Waffen vorhanden sein, um es zu halten. Dies ist meine Antwort an jene Kritiker, die da sagen, wir würden zu große Mittel für herkömmliche Waffen und zu wenig für die Entwicklung und Produktion neuer Waffen verwenden. Es wird ferner behauptet, wir würden zuviel für Soldaten und zu wenig für Produktion, Forschung und Entwicklung ausgeben. Als Antwort hierauf möchte ich darauf hinweisen, daß 1950 etwa ein Drittel unserer gesamten Verteidigungsausgaben für Produktion, Forschung und Entwicklung verwendet wurde, während 1954, da unser Verteidigungsbudget rund doppelt so groß ist, fast die Hälfte für die Produktion und die Verteidigungsforschung bestimmt ist. Und der Anteil unserer Mittel für Soldaten wurde im Gegenteil ständig verringert. Natürlich würde ich unter anderen Umständen zustimmen, daß kleinere besser ausgerüstete Streitkräfte wünschenswerter sein würden, wir müssen jedoch bei der Aufstellung unserer Streitkräfte die heute vorhandenen Tatsachen in Rechnung stellen. Unsere mannigfaltigen Verpflichtungen machen es gegenwärtig unmöglich, den Mannschaftsbestand, die Truppenbewegungen, die Versorgung und all die anderen Faktoren weiter einzuschränken, die für die Unterhaltung größerer Truppenverbände erforderlich sind.

Laufende Verpflichtungen

Ich kann dies am besten klarmachen, indem ich Ihnen einen kurzen Überblick über unsere laufenden Verpflichtungen gebe. Man kann sagen, daß unsere Verpflichtungen unter zwei Überschriften zusammengefaßt werden können: erstens, diejenigen, die unserer Stellung als Weltmacht entspringen — dies sind Verantwortungen, die — da sind wir uns einig — weder eingeschränkt noch beiseite geschoben werden können: zweitens, die Verpflichtungen, die wir als Mitglied der Vereinten Nationen und als eine der Signatarstaaten des Nordatlantikpaktes übernommen haben. Wir haben größere Verpflichtungen unter der ersten Rubrik im Fernen Osten. In Malaya sind wir in aktive Operationen gegen die kommunistischen Banden eingespannt. Alle drei Zweige unserer Streitkräfte spielen auf diesem Schauplatz eine Rolle, obwohl die Armee die Hauptlast zu tragen hat. Unsere Truppen operieren in Malaya unter sehr harten und schwierigen Bedingungen und hatten beachtliche Erfolge. Ich hoffe, daß wir innerhalb der nächsten Jahre unsere Truppenstärke in Malaya reduzieren können. Es ist jedoch lebenswichtig, daß wir nicht den Boden veilieren, den wir bereits mit so großen Opfern gewonnen haben. In Hongkong müssen wir gleichfalls eine Garnison aufrechterhalten. Wir dürfen die Kommunisten nicht darüber im Zweifel lassen, daß wir diese Kolonie zu verteidigen beabsichtigen. In Korea handelt es sich, obwohl die Kämpfe eingestellt wurden, nur um einen Waffenstillstand. Wir können den Streitkräften der Vereinten Nationen jedoch nicht unsere Unterstützung entziehen. Daher haben wir gegenwärtig die Absicht, unseren Beitrag für die Commonwealth-Divisiön und unsere Marine-streitkräfte auf diesem Schauplatz zu belassen.

Ich möchte mich heute nicht mit der Position Ägyptens und den Gründen befassen, dort weiterhin unsere Truppen zu stationieren. Aber ganz gleich, welches Ergebnis unsere Verhandlungen mit Ägypten haben werden, haben wir im Mittleren Osten eine Aufgabe zu erfüllen. Die britischen Truppen in diesem Gebiet würden im Falle eines Krieges das Rückgrat für eine wirksame Verteidigung der Mitteloststaaten darstellen. Es bestehen auch vertragliche Verpflichtungen mit einigen dieser Staaten, und wir müssen in der Lage sein, diese einzuhalten. Während der vergangenen zwei Jahre mußten wir in den Kolonien neue Verpflichtungen übernehmen. Staatsfeindliche Aktivität der Mau-Mau in Kenia zwangen uns, beachtliche Verstärkungen zur Unterstützung der örtlichen Streitkräfte zu entsenden. Wir haben jedoch alle Hoffnung, innerhalb einer irregeleiteten absehbaren Zeit den Haß und die Gewalttätigkeit einer Menschengruppe durch kluge und feste Aktionen zu überwinden. Im vergangenen Jahr hatten wir ebenfalls kurzfristig Verstärkungen zur Unterstützung der örtlichen Sicherungsstreitkräfte nach Britisch-Guayana zu entsenden. Bisher habe ich nur die Unruheherde erwähnt.

dürfen aber vergessen, daß noch andere vorhanden Wir nicht Territorien sind, wo Garnisonen aufrechterhalten werden müssen. Ich gebe zu, daß diese Truppenverbände verhältnismäßig klein sind, insgesamt stellen sie jedoch auch schwere Anforderungen an die drei Zweige der Streitkräfte.

Nun kommen wir zu unseren Verpflichtungen im Rahmen der NATO und als Mitglied der Vereinten Nationen. Ich möchte nicht erneut Korea erwähnen, ich habe darüber bereits genug gesagt. In Triest haben wir eine Infanterie-Brigade. Unsere dort stationierten Truppen und der britische Kommandant der Zone haben im vergangenen Jahr ihre Pflicht unter sehr ernsten und schwierigen Bedingungen erfüllt, und sie erfüllen sie weiterhin mit Standhaftigkeit, Taktgefühl und unparteiisch, und sie verdienen unsere Anerkennung. Eine friedliche Regelung dieses schwierigen und komplizierten Problems wird nicht nur die Position der Alliierten in diesem strategisch wichtigen Gebiet stärken, sondern uns auch gestatten, unsere Truppen, die anderweitig notwendig gebraucht werden, zu verlegen. In Österreich haben wir die Stärke unserer Truppen kürzlich herabgesetzt, und wir hoffen, daß in nicht allzuferner Zeit ein zufrieden-stellendes Abkommen über die Zukunft des Landes uns gestatten wird, die Reste unserer Truppen abzuziehen.

Näher der Heimat nun haben wir unsere wichtigste Verpflichtung, unseren Beitrag zur NATO in Europa. Eure Lordschaften sind ja im Bilde, daß wir mit unseren vier einsatzbereiten Divisionen — davon drei Panzer-Divisionen — in Deutschland die Elite unserer Armee im Bereich des Obersten Allierten Befehlshabers, General Gruenther, stationiert haben. Diese starken Infanterie-und Panzereinheiten werden durch das zweite Taktische Luftkommando unterstützt, und die Royal Air Force leitet somit nach dem der Vereinigten Staaten den zweitgrößten Beitrag zu den NATO-Luftstreitkräften. Bomberverbände sind natürlich ebenfalls vorhanden. Unter den verschiedenartigen Aufgaben würde im Kriege eine der vordringlichsten darin bestehen, den unter SHAPE stehenden Streitkräften die größtwirksamste Unterstützung zu geben. Auf dem Meere stellen die Heimatflotte und die Mittelmeerflotte einen großen Teil der alliierten Seestreitkräfte unter SACLANT und ebenfalls unter SHAPE. Wiederum ist unser Beitrag zu den Seestreitkräften der NATO nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte.

Eure Lordschaften werden verstehen, daß dies nur ein kurzer Überblick über die Verteilung unserer Kampfstärke ist. Aber ich denke, er zeigt Ihnen das Ausmaß unserer Verpflichtungen und Bindungen und kennnzeichnet die Notwendigkeit für den gegenwärtigen Ausgleich unseres Verteidigungsprogrammes, und besonders die Unmöglichkeit, unter den gegenwärtigen Umständen die Länge der Dienstpflicht zu reduzieren. Wir möchten auf keinen Fall den Dienstpflichtigen länger dienen lassen, als er zu dienen gewillt ist, unter den gegenwärtigen Umständen ist es jedoch unmöglich, ihn zu entlassen oder die Dienstzeit zu verkürzen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Regierung Ihrer Majestät diese Angelegenheit nicht laufend überprüft. Ich werde den Tag begrüßen, wenn wir nicht nur, falls möglich, die Dienstpflicht verkürzen, sondern die Dienstpflicht überhaupt aufheben können. Als alter erfahrener Soldat würde ich stets eine Freiwilligenarmee einer großen Armee unter den herrschenden Bedingungen vorziehen.

Menschenproblem

Ich habe nun ausführlich über die Aufgaben der Streitkräfte gesprochen. Ich möchte nun etwas über die Menschen sagen, von denen wir bei der Durchführung dieser Aufgaben abhängig sind. Wenn Eure Lordschaften das Verteidigungsweißbuch studieren, so werden Sie feststellen, daß die Gesamtstärke der aktiven Streitkräfte voraussichtlich im kommenden Jahr etwas geringer als gegenwärtig sein wird. Wir schätzen, daß wir im laufenden Jahr fast genau so viel Rekruten wie im Jahre 1953 ausheben können. Warum haben wir dann ein Menschenproblem und warum sind ernst? bestimmte Aspekte dieses Menschenproblems so Der Grund liegt darin, daß wir gegenwärtig die Stärke der aktiven Truppen nur aufrechterhalten können, indem wir die regulären Einheiten mit Dienstpflichtigen auffüllen. Die Dienstpflichtigen bilden jetzt 35°/o der aktiven (für Übersee einsatzbereiten) Truppen, während ihre Zahl in der (Heimat-und Rhein-) Armee stärker als die des längerdienenden Soldaten ist. Nun ist der Dienstpflichtige ein sehr wertvoller der Streitkräfte, Angehöriger und zwar besonders während der letzten sechs Monate seiner Dienstzeit. Er hat sich bei den Kämpfen in Korea äußerst tapfer geschlagen und half und hilft weiterhin, die Last der Kämpfe in Malaya und Kenia zu tragen, um nur drei der Unruheherde zu erwähnen. Noch bedeutender ist, daß wir Mitte dieses Jahres über eine halbe Million ausgebildeter Reservisten verfügen werden, die nach Beendigung ihrer zweijährigen Dienstpflicht die große Masse ausgebildeter Reserven darstellen werden, auf die wir uns im Anfangsstadium eines zukünftigen Krieges stützen können.Unter den gegenwärtigen Verhältnissen des Kalten Krieges können wir weder die Anzahl unserer aktiven Truppen merklich herabsetzen, noch zulassen, daß die Einsatzbereitschaft unserer Reserven sinkt. Dies sind die beiden Hauptgründe, warum die Regierung gegenwärtig eine Verkürzung der Dienstpflichtzeit nicht in Erwägung ziehen kann. Es bleibt die unerfreuliche Tatsache, daß ein großer Teil unserer aktiven Truppen unter dem Dienstpflichtsystem nicht länger als zwei Jahre dient. Und obwohl die Rekrutierungszahlen, verglichen mit denen vor zwei vnd drei Jahren günstig liegen, verpflichten sich die Anwärter zum aktiven Dienst höchstens auf die dreijährige Kurzdienstzeit. Sogar die neue 22jährige Verpflichtung in der Armee, die eine ziemliche Zahl von Rekruten anzieht, kann, wenn der Soldat es wünscht, alle drei Jahre beendet werden. Dies alles bedeutet, daß die Streitkräfte große Schwierigkeiten haben, um den notwendigen Stamm erfahrener und länger-dienender Mannschaften zu halten, die die große Masse der Unteroffiziere und Spezialisten stellen. Dies ist der schwache Punkt unseres gegenwärtigen Menschenproblems. Wir können heute die kurzfristige reguläre Verpflichtung nicht abschaffen. Das heißt, wir müssen alles versuchen, um die Mannschaften zur Verlängerung ihrer Dienstzeit durch Erweiterung oder NeuVerpflichtung aufzufordern, wenn ihre kurzfristige Erst-verpflichtung zu Ende geht. Augenblicklich geht ein zu großer Teil dieser Mannschaften nach nur dreijährigem Dienst in den Streitkräften in das Zivilleben zurück. Es ergibt sich daher das Problem, wie die Bedingungen in den Streitkräften als attraktive Alternative für den längerdienenden Soldaten dargestellt werden können, der, wenn er ins Zivilleben geht, unter den Verhältnissen der Vollbeschäftigung und mit seiner während der Dienstzeit erworbenen Ausbildung leicht Beschäftigung und ansprechenden Lohn findet.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir Abhilfe schaffen können. Zunächst müssen wir alles tun, um die allgemeinen Verhältnisse im Dienst in Verbindung mit solchen Problemen, wie Dauer des Überseedienstes, Häufigkeit der Versetzungen und den daraus entstehenden Unannehmlichkeiten für die Soldaten und ihre Familien, Verbesserung der Kasernen-verhältnisse, die schon lange überfällig sind und wo wir bald Fortschritte zu erzielen hoffen, und die Bereitstellung von Unterkünften für Verheiratete zu bessern. Aber der Rahmen für eine Verbesserung der allgemeinen Bedingungen des Dienstes ist auf Grund der Verhältnisse des kalten Krieges, der laufend wiederauftretenden Notfälle in Übersee und unserer weltumspannenden Bindungen und Verpflichtungen sehr beschränkt. Wir könnten versuchen, dem voll mit der Handhabung der komplizierten modernen Waffen und dem erforderlichen technischen Wissen ausgebildeten aktiven Soldaten eine Besoldung zu geben, die der entsprechen würde, die er bei seinem Ausscheiden aus den Streitkräften im Zivilleben erhalten würde. Dies ist genau das Ziel der besonderen Solderhöhungen, die an anderer Stelle im Rahmen der Verteidigungsdebatte am 2. März bekanntgegeben wurden. Es handelt sich, wie gesagt, um besondere und keine allgemeinen Solderhöhungen für jeden Angehörigen der Streitkräfte, die den gerade von mir erwähnten bestimmten Problemen entsprechen sollen, um eben den kurzfristig dienenden aktiven Soldaten in den Streitkräften zu halten und so den Stamm erfahrener und ausgebildeter Soldaten aufzubauen, ohne die keine der Zweige der Streitkräfte ihre operative Wirksamkeit aufrechterhalten kann.

Bevor ich dieses Problem der Truppen verlasse, sollte ich vielleicht noch das bereits an anderer Stelle bekanntgegebene und, wie ich glaube, allgemein begrüßte Schema für die Ausbildung bestimmter Reservisten erwähnen, die mit den Aufgaben der Zivilverteidigung vertraut gemacht vzerden sollen. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, aber wenn Eure Lordschaften wünschen, kann mein verehrter Freund, der Staatssekretär für die Luftstreitkräfte, sich in seiner morgigen Rede mit weiteren Einzelheiten befassen.

Meine Herren Lords, ich möchte Ihnen in diesem Stadium keine Zahlenangaben machen, da ich die verfügbaren Informationen nicht bei mir habe, aber es besteht kein Zweifel darüber, daß bei der Truppenversorgung einer weit entfernten Station auf dem Seewege zahlreiche Mannschaften für eine lange Zeitspanne auf dem Versorgungsweg benötigt werden. Wenn die Versorgung jedoch auf dem Luftwege geschieht, so ist die Verbindung kürzer und weniger Personal notwendig. Sie brauchen nicht so viele Wochen oder sogar Monate, sondern nur ein paar Tage in der Luft.

Bedeutendster Faktor: NATO

Bisher haben sich meine Ausführungen in erster Linie auf unsere eigene Verteidigungspolitik und das Programm beschränkt. Aber, wie ich vorher sagte, muß beim Aufbau unserer Kampfstärke die Tatsache in Rechnung gestellt werden, daß wir Mitglied eines vereinten Teams sind, in dem wir unsere Bemühungen mit unseren Verbündeten und Freunden vereinen müssen, und das bringt mich zum Thema NATO. Eure Lordschaften werden mich nicht beschuldigen, ihre Bedeutung zu unterschätzen, weil ich mich erst am Ende meiner Rede der NATO zuwende. Ihre Existenz ist tatsächlich der bedeutendste Faktor der gegenwärtigen internationalen Situation. Sie ist für unsere Sicherheit von absolut grundlegender Wichtigkeit. Die NATO funktioniert weiterhin mit wahrhaft bemerkenswerter und steigender Wirksamkeit und entwickelt stetig die für die Sicherheit auf einer langfristigen kollektiven Basis erforderliche Stärke und den Zusammenhalt. Mein Freund, General Gruenther, hat der Ansicht Ausdruck verliehen, daß wir nun in Westeuropa über eine Luft-und Bodenabwehr von ausreichender Stärke verfügen, die es für die Russen erforderlich macht, zusätzliche Streitkräfte einzusetzen, wenn sie sicher sein wollen, diese Verteidigung durchbrechen zu können. Natürlich können die Russen zusätzlich Kräfte ohne viel Schwierigkeit heranführen, aber, wenn sie es tun, so würden wir rechtzeitig vor einem kommenden Angriff gewarnt werden. Auf Grund dieser Warnung dürften wir in der Lage sein, unsere Luftverteidigung und unsere Luftstreitkräfte zu alarmieren, und natürlich auch die weiteren erforderlichen Notmaßnahmen einzuleiten. Dadurch wird die Verteidigungsstärke der westlichen Front erhöht und, was noch wichtiger ist, die Zeit für politische Aktionen gewonnen, um gemeinsam mit Verbündeten zu versuchen, den Ausbruch der Feindseligkeiten zu verhindern.

Der oberste alliierte Befehlshaber in Europa schätzt die Stärke der ihm heute zur Verfügung stehenden Streitkräfte drei-bis viermal so hoch ein wie zu der Zeit, als General Eisenhower vor drei Jahren nach Europa kam. Wenn jedoch die abschreckende Kraft unserer Truppen in Europa wirksam bleiben soll, müssen wir nicht nur unsere bisherige Stärke aufrecht erhalten, sondern sie auch, soweit es unsere Hilfsquellen gestatten, erhöhen, da wir uns darüber im klaren sein müssen, daß nicht nur die alliierten Streitkräfte mit neuen Waffen ausgerüstet werden. Die Russen verbessern ebenfalls laufend die Güte ihrer Truppen, und außerdem werden auch die Streitkräfte der Satellitenstaaten ständig schlagkräftiger. Eure Lordschaften werden ohne Zweifel bemerkt haben, daß der sowjetische Verteidigungsminister Marschall Bulganin in einer kürzlichen Rede erklärte: „Rußlands Armee ist die stärkste der Welt und wird noch weiter verstärkt."

Die NATO darf daher nicht ruhen. Wir müssen weiterhin den Schild verstärken, hinter dem die volle Kraft der Mitgliedstaaten im Kriegsfälle schnell mobilisiert werden kann. Es gibt allerdings einen Weg, auf dem wir diesem Schild beträchtliche Verstärkung zuführen können — und zwar durch einen deutschen Beitrag zur westlichen Verteidigung. Aus diesem Grunde werden wir der EVG weiterhin unsere volle Unterstützung verleihen, weil wir der Ansicht sind, daß dies der beste Weg ist, um diesen Beitrag zu erhalten und gleichzeitig sicherzustellen, daß die Aufstellung deutscher Divisionen und die deutsche Rüstungsproduktion unter strenger Kontrolle gehalten werden.

Trotzdem wir eng an die NATO gebunden sind, haben wir die Zusammenarbeit mit den Schwesternationen des Commonwealth nicht vernachlässigt. Die engsten Bande verknüpfen uns mit ihnen, sowohl in bezug auf militärische Pläne als auf die Organisation und die Ausbildung unserer verschiedenen Streitkräfte. Kanada bildet z. B. unsere Piloten aus. Seit dem Beginn im Januar 1951 wurden über 700 Piloten und über 1200 Navigatoren der Royal Air Force im Rahmen des kanadischen Luftausbildungssystems auf Schulen in Kanada ausgebildet. Australien und Neuseeland haben drei Luftstaffeln für den Nahen Osten zur Verfügung gestellt. Außerdem besteht ein reger Austausch von Offizieren zwischen unseren verschiedenen Stabsquartieren, und Offiziere aus dem gesamten Commonwealth besuchen gemeinsam die Ausbildungsschulen. Im vergangenen Jahr besuchte der Chef des Königlichen Generalstabs Australien und Neuseeland, um die Verteidigungspolitik und Strategie in diesem Gebiet mit den dortigen Generalstabschefs zu erörtern. Er besuchte ferner Anfang des Jahres Kanada, während sich der Erste Lord der Admiralität zu einem Besuch nach Pakistan begab. Wir hatten im Vereinigten Königreich einen Besuch von General Simmonds, dem Chef des kanadischen Generalstabs, und Admiral Sir John Collins, Erstes Mitglied des australischen Flottenstabes, wird uns im kommenden Monat besuchen. Stabsoffiziere aller Commonwealthstaaten wohnten der vom Chef des königlichen Generalstabes im vergangenen Sommer in Camberley durchgeführten Übung bei, um die Probleme der Atomkriegführung zu studieren. Ferner wurde im vergangenen März in Neu-Delhi eine erfolgreiche Konferenz des Beratenden Commonwealth-Ausschusses für Verteidigungswissenschaft abgehalten.

Die edlen Herren Lords wissen, daß es in Verteidigungsfragen nichts Endgültiges gibt. Je mehr wir weiter in die Zukunft dringen, desto mehr stoßen wir auf zahlreiche Unbekannte. Daher müssen wir unsere Phantasie voll ausnutzen, um zu versuchen, in die Zukunft vorzudringen, ohne die Realitäten und Erfordernisse der Gegenwart aus der Sicht zu verlieren. Neue Waffen und neue Methoden werden weiterhin sowohl das Bild und das Gleichgewicht der gegenüberstehenden Kräfte verändern, als auch die Art und den Rahmen unserer eigenen. Bei der Erstattung meines Berichtes an Eure Lordschaften habe ich die Zuversicht, daß das von mir in dem Verteidigungsweißbuch umrissene Wiederaufrüstungsprogramm für die kommenden drei oder vier Jahre auf der richtigen Linie liegt, aber nicht länger. Darüber hinaus ist die Aussicht ungewiß. Das soll jedoch nicht bedeuten, daß wir uns nicht bemühen, noch weiter vorauszuschauen. Wir sind daher jetzt damit beschäftigt, die wahrscheinliche Entwicklung der weltstrategischen Situation und die Form unserer Verteidigungserfordernisse auf lange Sicht zu studieren. Wir erkennen sehr wohl, daß wir nur durch die am weitesten vorausschauende Politik weiterhin von unseren großen, aber trotzdem begrenzten Verteidigungshilfsquellen in einem Zeitalter des wissenschaftlichen Fortschritts den besten Gebrauch machen können, und ich kann Euren Lordschaften versichern, daß wir uns der großen Probleme von Krieg und Frieden voll bewußt sind, die in dieser gefährlichen Zeit von der richtigen Beurteilung dieser Angelegenheit abhängen.

Politik und Zeitgeschichte Aus dem Inhalt unserer nächsten Beilagen:

Robert Boothby „Die Führung Westeuropas"

Bernhard Brodie „Atomwaffen:

Strategie oder Taktik?

Wolf von Dreising „Der Stand des Schutzes der Zivilbevölkerung im Ausland"

Prof. Dr. Freiherr „Freiheit und Sicherheit von der Heydte in der modernen Demokratie“

Pascual Jordan „Kopernikus und die Entwicklung des abendländischen Denkens"

Kurt Georg Kiesinger „Haben wir noch den Bürger? Die Problematik des Parteienstaates"

Adelbert Weinstein „Die Verteidigung ist unteilbar“ • * • „Atombilanz 1953 — Wirkung, Transport und Abwehr atomarer Waffen“

Woodrow Wyatt „England ist in Europa"

Eine Zusammenstellung Im Brennpunkt Zeitgeschichte der aktuellen politischen Literatur

Fussnoten

Weitere Inhalte