Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Das Bild des Menschen. Ein Drama | APuZ 28/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 28/1954 Das Bild des Menschen. Ein Drama

Das Bild des Menschen. Ein Drama

Peter Lotar

Peter Lotars gleichnamiges Hörspiel wurde von fast allen westdeutschen Sendern und dem schweizerischen Landessender Beromünster wiederholt aufgeführt und fand auch in Buchform einen tiefgehenden Widerhall. In den vergangenen zwei Jahren hat nun der Schweizer Autor sein Werk zu Ende geführt und ihm jene endgültige Form gegeben, die ihm von Anbeginn an zugedacht war: die des Bühnendramas. Wir sind glücklich, unseren Lesern dieses Werk noch vor der bevorstehenden Erstaufführung, gerade zum zehnten Jahrestag der deutschen Erhebung, zugänglich machen zu dürfen. Bundeszentrale für Heimatdienst

VORREDE

Die Fragen, die hier gestellt werden, lauten:

Muß man Widerstand leisten gegen die Herrschaft der Gewalt? Wer von uns ist dazu imstande und berufen? Lohnt es sich, dafür zu sterben — auch wenn der Tod ein vergeblicher scheint?

Diese Fragen werden der ganzen Welt gestellt. Ihre Beantwortung geht uns alle an.

Wir haben Menschen vor uns, verschieden nach Anlage, Herkunft, Beruf und Zielsetzung — Gerichtete und ihren Richter angesichts des Todes.

Sie alle haben jetzt vor unseren Herzen zu bestehen, die allein ja sagen sollen oder nein.

Sind diese Menschen Deutsche? Sie sind mehr als das. Unser Stüde ist aus dem Erleben und Erleiden Deutscher erwachsen. Es steht auf dem Boden des Dokumentarischen und sprengt es zugleich, indem es darüber hinauswächst. Es ist die Aufgabe des Dichters, vom Einzelfall zum Typus, vom realistischen Detail zum gültigen Zeichen zu gelangen So sind in jeder unserer Gestalten viele Schicksale zusammengefaßt, jede von ihnen steht für unzählige andere da, und unser Geschehen ist ein ganzes Bündel dokumentarischer Geschehnisse, zu einer einzigen, schlichten Handlung zusammengeflochten und zu Ende gedichtet. Nicht in dem Sinne, als wäre weggelassen und hinzugetan, sondern als wäre das. was sich scheinbar zufällig und unübersichtlich unserem Auge darstellt, nun durchleuchtet zu jener Klarheit, die Bestand haben soll.

Wir sagten, daß diese Menschen mehr sind als Deutsche. Kein Land wird erwähnt, kein Name fällt Sie stehen statt aller und für alle da. Denn, obgleich von der ganzen Welt verlassen, rangen, litten und starben sie für die ganze Welt.

Wir glauben an den elementaren christlichen Grundsatz, daß jeder allein sich selber richten darf. Wir rücken ab vom Chor der Heuchler, der das deutsche Unheil allein aus sich selbst erwachsen sah. Die Völker der Welt sind vom Schöpfer her eine Familie. Viele von ihnen haben durch Deutschland nicht nur schweres Leid erlitten, sondern ihm auch Leid zugefügt. Und wir sehen heute mit Schaudern, wie Lüge und Gewalt mit würgendem Griff das Schicksal anderer Länder gestaltet. Wir alle sind mitverantwortlich am gemeinsamen Schicksal in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Aus dieser Mitverantwortung, diesem verbindlichen Bekenntnis allein, erwächst die Berechtigung, ein ursprünglich deutsches Problem zum Anliegen der ganzen Welt zu bereiten. Der Konflikt zwischen der Treue zu Deutschland und der Treue zur Menschheit, an dem die Männer unseres Dramas zerbrachen, entstand, weil ein Führer Deutschlands mit der Menschheit gebrochen hatte. Die Antwort der Menschheit darauf sollte lauten: Dem wahren und edlen Deutschland die Hand zu reichen, so wie dieses der Menschheit die Treue hält.

Die Frage, wie das Bild dieser Menschen in unserer Erinnerung und in unser aller Herzen gestaltet sein wird, ist eine Schicksalsfrage Deutschlands, ist das Schicksal der ganzen Welt (Ein einfacher, sehr unauffälliger Mann steht vor uns im Licht. Wir wissen noch nicht, woher er kam. Erst später wird uns klar, daß er unserer eigenen Vergangenheit entstammt. Kein sichtbarer Vorhang-spalt hat ihn entlassen, wie wir überhaupt von keinerlei Maschinerie des Theaters etwas sehen und wissen möchten, denn auch der Mann, der vor uns steht, ist nicht dem Bereich des Theaters zugehörig. Er ist von so schlichter Art, daß ihn nur etwas überaus Dringliches dazu gebracht haben kann, vor die Öffentlichkeit zu treten.)

DER MANN: Es gibt Dinge, die man nicht vergessen kann . . . gewiß .. in jedem Leben gibt es Erinnerungen. Aber manchmal ergreift dieses Unvergeßliche so ganz und gar Besitz von uns, als ob gar nichts anderes mehr Platz darin hätte. Dann nämlich, wenn es im Begriffe ist, von den anderen Menschen vergessen zu werden. Dann halten diese Dinge um so beharrlicher an der Seele fest, in der sie noch lebendig sind. Ob das irgendeine tiefergehende Bedeutung hat? Ich glaube es. Erst wenn das Geschehene in der Erinnerung der nachfolgenden Geschlechter sich zur Klarheit gestaltet, kann es seinen eigentlichen Sinn, seine Funktion in dem gewaltigen Wesen entfalten, das sich Menschheit nennt. Wir alle sind nur eine von Myriaden vergänglicher Zellen dieses großen, uns überdauernden Organismus. Und doch hängt Entscheidendes davon ab, wie jede dieser winzigen Zellen ihr Schicksal erfüllt. Aus dem Verhalten des Einzelnen wird Krankheit oder Gesundheit, Leben oder Tod des Ganzen. Und darum will jedes Schicksal beachtet, gewürdigt, von uns bewahrt sein. Denn wer weiß, ob auf ihm nicht unser aller Zukunft ruht.

Mir war beschieden, am Ende vieler Schicksale zu stehen, dort wo das menschliche Leben in ein anderes Bereich hinübertritt. Es gibt Zeiten, da das nicht immer freiwillig geschieht. Ich hatte einen ungewöhnlichen Beruf. Ich war Gefängnisgeistlicher. Das war eine schöne Aufgabe. Ja — bis zu jenem Tage, als in unserem Lande die Todesstrafe wieder eingeführt wurde. Ich möchte Ihnen jetzt nicht sagen, was ich empfand, als ich das erstemal einen Verurteilten zum Richtblock führen mußte — auch wenn es ein Raubmörder war. Ich war im Begriffe, aus meinem Amt davonzulaufen.

Aber da kam eine neue Regierung. Alles wurde anders. Auch für mich. Nun gab es manchmal bis zu dreißig Hinrichtungen an einem Tag, allein in unserem Gefängnis. Und dennoch kam ich nicht mehr in Versuchung, ein bequemeres Amt zu wählen. Denn die Männer und Frauen, die ich jetzt auf ihrem letzten Gang zu begleiten hatte — ja, es waren auch oft Frauen dabei — sie starben für ihre Überzeugung, während man draußen der neuen Ordnung zujubelte, auch dann noch, als statt des versprochenen Paradieses über alle das Verderben kam. Das war nämlich das Schlimmste an diesen Männern und Frauen, die man hier zu Tode brachte: daß sie nicht bereit waren, mitzujubeln, sondern ihr Leben für etwas hingaben, was niemand verstand. Deshalb sollte ihr Tod ganz besonders verächtlich sein. Wie Schlachtvieh wurden sie schließlich an eisernen Haken auf einer langen Schiene aufgehängt . . , Verzeihen Sie, man hört so etwas nicht gerne. Man will es so schnell wie möglich vergessen .... Aber ich kann es nicht. Das ist meine Angelegenheit, finden Sie? Ich weiß nicht recht.

Diese Menschen glaubten, für uns alle zu sterben. Für unsere Zukunft. Es könnte daher nicht unwichtig sein, zu wissen, wofür sie gestorben sind.

Für mich sind die vielen hundert Nächte, da ich mit den Verurteilten auf ihren Tod wartete, zu einer einzigen geworden, zu der letzten Nacht. Ich möchte, daß Sie sie mit mir durchwachen und mit diesen Männern und Frauen, damit wir alle gemeinsam Klarheit erlangen.

Ich nehme Sie mit in dieses traurige Haus. Auch seine vielen hundert Zellen sind in mir zu einer einzigen verwachsen. Denn eine ist wie die andere.

(Allmählich dämmert die Zelle auf: Für unseren Blick wesentlich ist bloß: Eine vergitterte Türe gegen den Gang, von außen zu verriegeln. Die strohgefüllte Pritsche, ein Hocker, ein hochgefügtes kleines Gitterfenster).

Nur durch etwas unterscheiden sie sich: durch das Bild des Menschen, dem sie als Rahmen dienen und durch das Schicksal, das sich in ihnen vollendet. (Die Gestalt des Grafen wird vom Licht erfaßt, wie er, auf dem Hocker sitzend, sich bemüht, mit gefesselten Händen zu schreiben).

DER GEISTLICHE (betritt den Gang, der von vorn bis unendlich weit nach hinten zu führen scheint. Der Graf versucht Bleistift und Papierblatt zu verstecken). GEFÄNGNISGEISTLICHER: (ruft nach hinten). Ich möchte zu Zweihundertvier — WACHE: (unsichtbar, aus der Tiefe des Ganges). Machen Sie nur, Herr Pastor. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Danke. (Er öffnet den schweren Außen-riegel der Zellentüre und tritt ein).

GRAF: (Anfang vierzig, schlanke, grazile Erscheinung, die durch die Entbehrungen des langen Gefängnisaufenthaltes etwas Asketisches hätte, wenn nicht ein starker Sinn für Humor noch dominierender wäre. Er ist wie das Glanzlicht einer Harmonie, die keineswegs angeboren, sondern einer sensiblen Natur im Ringen eines intensiven Lebens abgekämpft, der ganzen Persönlichkeit eine ungewöhnliche Leuchtkraft verleiht. Denken wir uns dazu noch die äußerste Schlichtheit des Ausdrucks, so nehmen wir von diesem Menschen die Erinnerung an etwas Schwebendes, ja Transparentes mit. Und doch werden wir erleben, daß auch sein Bild sich verwirrt, schmerzlich verdunkelt — und damit erst die volle Dimension des Menschlichen erreicht).

GRAF: Wirklich, ein so gepflegtes Organ hat seine Meriten. Ich hab's noch nie mit solcher Erleichterung gehört, mein Bester, wie in diesem Augenblick.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ich freue mich, daß ich auch heute Nacht noch die Zielscheibe ihres Spottes sein darf.

GRAF: Das glaub'ich Ihnen. Dann haben Sie's endgültig überstanden. GEFÄNGNISGEISTLICHER: (zart) Glauben Sie nicht Graf, daß auch Humor zuweilen übersteigert sein kann?

GRAF: Genau das ist das Vorrecht des Galgenhumors. — Wenn Sie es nicht gewesen wären, säße ich jetzt schön in der Tinte. Ein Blatt Papier gefesselt zu verstecken, ist noch schwieriger, als es zu beschreiben. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ist es etwas Wichtiges?

GRAF: Was ist schon wichtig auf der Welt? Ich wollte meiner Frau schreiben.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Erwarten Sie denn Ihre Frau nicht noch heute Abend?

GRAF: Oh ja. Aber ob man mir auch die unverdiente Gnade erweist, sie durchzulassen?

Und manches ist auch besser zu schreiben, als zu sagen. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Abschiedsbriefe sind gestattet.

GRAF: Gestattet oder nicht. (Er erhebt sich) Der letzte Brief an meine Frau soll nicht durch die Finger einer gewissen Sorte gehen. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Nein, das soll er nicht. Deshalb bin ich gekommen.

GRAF: Aber ich habe noch keine zwei Zeilen zuwege gebracht. Da sieht man wieder, was man für begrenzte Fähigkeiten hat. Meine Finger sind in den läppischen Handschellen wie abgestorben, Es soll einen armlosen Maler gegeben haben, der den Pinsel meisterhaft mit dem Mund führte.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Er hatte wohl auch etwas mehr Zeit zur Übung. So wie ich — um in diesen Jahren Stenographie zu erlernen. (Er zieht einen Block und Bleistift hervor)

GRAF: Ich bin gewohnt, Geschäftsbriefe zu diktieren, aber . , , GEFÄNGNISGEISTLICHER: (setzt sich ganz in die Ecke auf die Pritsche, den Block auf den Knien) Wir haben wenig Zeit. Vergessen Sie mich ganz. Als ob nicht ich hier wäre, sondern Ihre Frau. GRAF: Das ist sie auch. Immer, in jedem Atemzug. (Er beginnt umherzugehen. Ein wenig unkonzentriert). Meine Liebe . . , (Er bleibt stehen. Blickt aus dem Fenster. Pause. Dann wendet er sich um, gesammelt, leise.) Meine liebe Frau, nun kommt das Schönste, nun werde ich über alles hinweggetröstet, für alles belohnt: Ich darf noch einmal mit Dir reden. Ich bin in meiner Zelle. Nach all dem Lärm gestern, den häßlichen Gesichtern, den schreienden Mündern, den brutalen Gebärden im Dunst des Gerichtssaals, umfängt mich wieder die Stille, die Kühle, die klare Geborgenheit meiner Zelle. (Einige Schritte) Ja — fast hätte ich es vergessen: Ich bin also zum Tode verurteilt, wegen Hochverrats. Bis Du diese Zeilen erhältst — sie werden noch wunderbarer den Weg zu Dir finden, wie alle früheren — wird wohl das Urteil bereits vollstreckt sein. Nach dem Brauch dieses Hauses hätte das eigentlich schon heute früh sein sollen. Seltsamerweise sparten sie uns bis morgen auf. (Er kehrt zurück zum Fenster und blickt hinaus). Dabei ist mir gar nicht nach Abschied zumute.

Woher das kommt, weiß ich nicht. Aber ich fühle mich gar nicht . jenseitig*. Du siehst ja, daß ich mich ganz lieb mit Dir unterhalte, statt mich Gott zuzuwenden. (Er kehrt sich um) Nein, ich beschäftige mich gar nicht mit dem lieben Gott. Er hat die unaussprechliche Gnade, zu mir zu kommen und sich mit mir zu beschäftigen. (Zwei Schritte aut den Geistlichen zu) Ist das hoffärtig? (Der Geistliche bleibt unbeweglich) Vielleicht. Aber er wird mir noch so vieles vergeben, daß ich ihn schließlich um diese letzte Hoffart auch noch um Vergebung bitten darf. (Setzt sich auf den Hocker) Wenn ich jetzt gerettet würde — was ja um nichts wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ist, als vor einer Woche — so müßte ich mich erst einmal wieder zurecht finden, so ungeheuer war die Demonstration von Gottes Gegenwart und Allmacht. Dein Mann, Dein schwacher, feiger, . komplizierter“, sehr durchschnittlicher Mann, der hat das erleben dürfen: Zu einem Instrument Gottes zu werden. Nicht als Verschwörer hat man mich verurteilt, denn es ist vom Gericht festgestellt, daß ich gegen jede Gewalt war, nichts organisiert, nichts geplant hatte. Nein, man tötet mich, weil ich meine Befehle von Gott empfange, anstelle von den Machthabern. (Er erhebt sich und steht nun im einfallenden Schein der Abendsonne, ganz still, die Augen geschlossen) Zu welch einer gewaltigen Aufgabe ist Dein Mann ausersehen gewesen: All die viele Arbeit, die der Herrgott mit ihm gehabt hat, die unendlichen Umwege, die verschrobenen Zickzackkurven eines Lebensweges, die finden plötzlich in einer einzigen Stunde ihre Erklärung. Für diese eine Stunde, die heute schlug und sich morgen erfüllt, hat der Herr sich all diese Mühe gegeben. Welch eine Dokumentation Gottes. (Er hebt den Blid ) Uns ist es nicht gegeben, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aber wir müssen sehr erschüttert sein, wenn wir plötzlich erkennen, daß er ein ganzes Leben hindurch, am Tage als Wolke und bei Nacht als Feuersäule vor uns hergezogen ist, und daß er erlaubt, das in einem zu uns plötzlich Augenblick, wissen. Nun kann nichts mehr geschehen. (Ferne Sirenen ertönen, das Heulen pflanzt sich langsam fort, kommt immer näher. Der Graf bleibt unbeweglich) Nein, es kann mir nichts mehr geschehen. Auch das Heulen der Hölle kann mir nichts mehr anhaben, auch ihr Feuer nicht, denn ich bin durch sie hindurchgegangen. (Im Hintergrund hört man Hin-und Herrennen gestiefelter Männer auf den Gängen des Gefängnisses, hallende Befehle, Schreien, Fluchen)

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Seltsam, wie Menschen um ihr Leben zittern, deren Beruf es ist, andere zum Tode zu bringen.

GRAF: Ja — die Gewißheit des Todes verleiht mir eine schätzenswerte Überlegenheit. Sie sollten auch in den Bunker gehen, Pastor. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Mein Platz ist hier.

GRAF: Heroismus ist nicht Ihr Metier. Sie werden noch gebraucht. Sie sind für uns alle die beste Rückversicherung.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Erst müssen wir Ihren Brief zu Ende bringen — STIMME: (aus einer entfernten Zelle. Dazu wilde Schläge an der . Wand) Ich will heraus! Laßt uns in den Bunker! Sind wir Ameisen oder Menschen, daß wir mit dem ganzen Bau verbrennen sollen . . .?! Herauslassen! 1 (Das Getrommel pflanzt sich durch das Haus fort).

VIELE STIMMEN: (durdi das dicke Mauerwerk erstickt) Heraus-lassen!

Herauslassen ... I GEFÄNGNISGEISTLICHER: (hat sich erhoben)

GRAF: Ich sagte Ihnen, Sie werden noch anderswo gebraucht.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (steckt die Schreibsachen ein) Wir müssen den Brief nach dem Alarm fertig schreiben. Ich habe einige Sorgenkinder, die man jetzt nicht allein lassen kann. Während des Angriffs in der Zelle eingeschlossen sein — das ist keine Kleinigkeit.

(Er wendet sich zum Gehen)

GRAF: Da helfen nur zwei Mittel: Beten oder Lachen.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (In der Türe) Was ist wohl besser?

GRAF: Die Fröhlichkeit kommt ganz von selbst — nach dem Beten.

(Während sich die Türe schließt, versinkt die Zelle im Dunkel) (Gleichzeitig erhellt sich eine andere Zelle links vom Gang) PAUL: (Auch Hunger und Schläge haben den von Schwerarbeit geformten Gliedern nicht ihre Wucht genommen. Der mächtige, glatt-rasierte Schädel wirkt in seiner Magerkeit jetzt nur noch markanter, um so mehr, als er von einem sehr klaren, durchdringenden Blick dominiert wird. Er zeugt von natürlicher Intelligenz, der noch politische Schulung zugute kommt. Seine Ausdrucksweise ist knapp, zuweilen knurrig, aber nie ordinär. Was er sagt, pflegt zu sitzen. Er ist ebenfalls gefesselt).

Nimm Dich endlich zusammen!

OTTO: (lehnt erschöpft an der Wand. Offensichtlich ist er es, der zu schreien begann und die allgemeine Panik verursacht hat, die nur langsam abebbt. Im Gegensatz zu Paul ein ausgesprochen kleinbürgerlicher, subalterner Typ, mit fettig in den Nacken fallenden Haaren, durch die er sich gewohnheitsmäßig, besonders in der Erregung, immer wieder fährt. Er spricht schnell und unstet, aber macht einen schlauen Eindruck. Gleichfalls gefesselt).

Schweinerei. Eine Schweinerei ist das.

PAUL: Und durch Dein Gebrüll, meinst Du, kannst Du's ändern? Deswegen lassen sie uns doch nicht raus. Du machst ihnen höchstens eine Freude.

OTTO: Das ist mir piepegal.

PAUL: Das sollt'es aber nicht. Willst Du, daß unsere Herren Nachbarn über uns ihre feine Nase rümpfen?

OTTO: Ach was, die machen genau so in die Hosen, wenn's um's nackte Leben geht. Es ist eben nicht jeder so ein Held wie Du. PAUL: Held . . . Als ob's auf die paar Stunden mehr oder weniger ankommt.

OTTO: (abwesend) Paar Stunden?

PAUL: (Pause) Du scheinst vor lauter Angst zu vergessen, daß es so vorbei morgen früh so oder ist.

OTTO: (nervös) Als ob man so was vergißt. Wie oft haben wir schon damit gerechnet. Und dann kam's wieder nicht. Schließlich läuft ja noch das Gnadengesuch.

PAUL: Du willst Gnade von den Bestien? Ich nicht.

OTTO: Das ist Dein Fehler. Jeder Zeitgewinn ist kostbar. Es gibt nicht so viele Kämpfer unter uns Proleten. Wir müssen alles tun, uns aufzusparen — für später.

PAUL: (verächtlich) Kämpfer. (Pause) Den sie gestern kaputt gemacht haben, der war einer. — OTTO: Der Kompromißler? Pff.

PAUL: So redet man nicht von einem toten Kameraden.

OTTO: Seit wann ist ein Sozi unser Kamerad?

PAUL: Ein Kamerad ist, wer den gleichen Weg mit einem geht. Im übrigen hat D u uns von der Zentrale im Osten die Direktive überbracht, daß wir mit den Sozialdemokraten zusammenarbeiten sollen. Ich war dagegen. Aber man hat mich überstimmt.

OTTO: Wer war eigentlich alles dafür?

PAUL: (Pause. Knurrt) Im Untergrund gibt's keine Namen. Das könntest Du wissen, Herr „proletarischer Kämpfer*.

OTTO: Warum hast Du Dir das nicht selbst hinter die Ohren geschrieben — in einem gewissen Moment?

PAUL: (steht auf, Pause. Er nähert sich langsam Otto, der vor ihm zurückweicht.

OTTO: Hör auf . . .

PAUL: (mit bedrohlicher Ruhe) Warum hast Du das gesagt?

OTTO: (hektisch) Was ist denn schon dabei? Ich werd'mich doch noch verteidigen dürfen, wenn Du auf mir herumhackst .... PAUL: (unbeweglich) Warum hast Du das jetzt gesagt? (Pause. Schwer) Du meinst also, ich bin schuld an seinem Tod . . . OTTO: Quatsch. Wie kommst Du überhaupt darauf . . .? , PAUL: Weil . . . es . . . wahr ist.

OTTO: Dummes Zeug.

PAUL: (wendet sich ab) Es war abgemacht, daß bei der Fühlungnahme der beiden Gruppen kein Name fällt. Und gerade mir muß das passieren, gerade mir . . . .!

OTTO: Nu, wenn schon! PAUL: (setzt sich wieder auf den Hocker, starrt vor sich hin) Ich war mit Richard zusammen auf der Penne, verstehst Du, dann in der Arbeiter-Jugend, in der gleichen Gruppe, immer gemeinsam durch dick und dünn, bis zum ersten Krieg. Dann kam die Spaltung, er ging rechts, ich links. Als beide Parteien dann verboten wurden, kam er in „Schutzhaft" und blieb verschwunden. Wir glaubten alle, sie hätten ihn liquidiert. Und da taucht er nach Jahren plötzlich bei der Besprechung als Delegierter auf. Und da ist mir vor Überraschung und Freude eben sein Zuname rausgerutscht. Ich hätt mir am liebsten selbst . . .

OTTO: Schließlich ist das kein Verbrechen.

PAUL: Im Untergrund i s t das ein Verbrechen. Am nächsten Tag haben sie ihn verhaftet.

OTTO: Das war ein Zufall.

PAUL: Zufall? Auch wir wurden verhaftet. Aber der zweite Sozialist, dessen Namen wir nicht kannten, der blieb frei.

OTTO: Sehr richtig, der blieb frei. Wenn also ein Verräter bei der Besprechung war, muß er's gewesen sein.

PAUL: Hoffentlich. Es soll nicht einmal heißen, daß er unter uns Kommunisten gewesen ist.

OTTO: Hör jetzt endlich auf mit der Gewissensakrobatik. Du bist ohnehin der Einzige, der an sowas glaubt.

PAUL: Der Einzige? Da wär'ich froh. Der, auf den's ankommt, der hat's auch geglaubt.

OTTO: Auf den's ankommt?

PAUL: Richard. Die ganzen Wochen hier in der Zelle mit uns, hat er kein einziges Wort gesprochen. Bis auf die letzte Nacht.

OTTO: Letzte Nacht?

PAUL: Du hast nichts gehört?

OTTO: Was denn? Ich hab'geschlafen.

PAUL: Er hat laut geträumt. Von dem zweiten Sozi, seinem Freund, von seiner Frau und von dem Kind, das sie gekriegt haben, hier im Gefängnis. Verrückt ist das einfach. Da wird man verhaftet, Mann und Frau, und zum Tod verurteilt, und vorher wird einem noch ein Kind geboren.

OTTO: Soll nicht der einzige Fall sein.

PAUL: Wahnsinnig. Was soll denn aus dem Kleinen werden? OTTO: Läuft nicht ein Begnadigungsgesuch für sie?

PAUL: Was Du immer mit den Begnadigungen hast. Wen von uns haben sie denn schon begnadigt?

OTTO: Aber unter solchen Umständen . . . eine Mutter mit einem Neugeborenen — PAUL: Das spielt für die keine Rolle. Sonst hätten sie sie nicht erst zum Tode verurteilt.

OTTO: Aber sie vollziehen das Urteil nicht. Das ist ein gutes Zeichen. PAUL: Und daß man sie aus der Frauen-Abteilung zu uns herüber geschafft hat, soll das auch ein gutes Zeichen sein?

OTTO: (nervös) Was weiß denn ich?

PAUL: Daß Du immer versuchst, den Kopf in den Sand zu stecken. Deswegen bleibt eine Todeszelle doch, was sie ist.

OTTO: (wird immer nervöser) Deine Sorgen möcht'ich haben — Wir wissen nicht, ob wir den morgigen Tag erleben — und Du zerbrichst Dir den Kopf über andere Leute.

PAUL: (ruhig) Wenn ich mir über andere Leute nicht zeitlebens den Kopf zerbrochen hätte, wäre ich nicht hierhergekommen. Und was den morgigen Tag betrifft, so weiß ich ganz genau Bescheid. OTTO: (hysterisch) Hörst Du auf? Hörst Du endlich auf?! Mir ist ohnedies übel.

PAUL: Ich sag'ja nichts mehr.

OTTO: Aber ich bin krank! Ich ... ich muß zum Arzt. Ich will . . « verlange, sofort ich daß man mich zum Arzt . . .

PAUL: (begütigend) Du machst Dir's nur schwer. Jetzt gibts das sowieso nicht, während dem Alarm. Und außerdem — Du warst doch schon heut'Früh beim Arzt, oder nicht?

OTTO: Aber er hat mich wieder in die Zelle zurückgeschickt! Mit ein paar Pillen ist mir nicht geholfen ... ich ... ich gehöre ins Spital mit meinen Schmerzen . . . ich will ins Spital . . . einen Kranken darf man doch nicht ....

(er fällt schluchzend auf seine Pritsche).

PAUL: Mach's Dir doch nicht so schwer... (Sie versinken im Dunkel) (Das Schluchzen erstickt und statt dessen blüht die Melodie von Schuberts . Frühlingsglauben'auf, voll und wohltönend gepfiffen. Wir gehen dem Ton suchend nach und unser Blick trifft die Silhouette einer ganz jungen Frau, die sich von einem aufleuchtenden Zellen-fenster abhebt. Sie steht mit den Fußspitzen auf ihrem Hocker, so, daß sie gerade hinausblicken kann. Sie wendet uns das Profil mit dem schweren, vollen Haarknoten zu und pfeift andächtig und konzentriert. Nach einigen Augenblicken öffnet sich die dem Fenster gegenüberliegende Türe und der Gefängnisgeistliche tritt ein. Sie dreht sich schnell um. Mit unbekümmerter Frische).

FRAU: Ach, Sie sind es — Gottlob. Man hat mir doch das Pfeifen strengstens verboten. Aber während des Alarms traut sich ja keiner herauf.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ist das nicht ein wenig seltsam, kurz bevor die Bomben fallen, zu pfeifen: „Die linden Lüfte sind erwacht"? FRAU: Gerade in solchen Augenblicken brauchen wir Musik. Dann ist es, als ob diese Bomben, auf die man wartet, etwas ganz Unwirkliches und Unmögliches würden. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Unwirklich?

FRAU: Ja, das sind sie auch. Sie gehören einfach nicht zur wirklichen Welt, so wie sie Gott will und für uns geschaffen hat. Sie sind die Ausgeburt eines falschen und verdorbenen Denkens. Jeder echte Dichter müßte so etwas einfach streichen in seinem Werk. Darum vergißt sie auch jeder, so schnell wie möglich. Nur in den Träumen, da kommen sie immer wieder, aus dem Abfallhaufen der Seele. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Natürlich — jeder versucht, Schweres und Schreckliches zu vergessen.

FRAU: Oh, nein. Vieles Schwere vergessen wir durchaus nicht. Wir dürfen es gar nicht, weil wir es für unser Werden und Wachsen brauchen. Leid, Schmerz — auch den Tod. Das gehört zu unserem Leben, so wie Geburt und Liebe — und der Frühling. Der Holunder-strauch am Gefängnistor — das ist viel wirklicher als alle Bomben. Der kommt wieder, alle Jahre, auch wenn die Mauer, an der er steht, in Schutt gesunken ist. Am Abend duftet er immer so betäubend. Spüren Sie's? (Sie macht ihm Platz am Fenster. Er tritt neben sie. Man hört eine Amsel schlagen).

Das ist mein einziger Konkurrent. Ich fürchte, sie kann es noch besser. Es ist ihr Gutenacht-Gruß. Erst am frühen Morgen meldet sie sidi wieder.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (blickt hinaus, bedrückt) Ja . . . FRAU: (leise) Ich weiß. Der Amselruf im Morgengrauen. Mancher wartet auf ihn die ganze Nacht und möchte doch, daß er niemals käme. So wie mein Richard. Gerade für ihn pfeife ich doch. Das macht uns beiden Mut. Jeden Abend und Morgen — von dem er nie weiß, ob es nicht der letzte ist.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (starrt sie an. Er ist ja gekommen, um ihr angesichts der Hinrichtung ihres Gatten beizustehen).

FRAU: Glauben Sie, wird man ihn begnadigen? GEFÄNGNISGEISTLICHER: (ringt nach Fassung) Ich — FRAU: Es ist doch gut, mal in ein ehrliches Gesicht zu blicken. Sie glauben es nicht. — Ich auch nicht. GEFÄNGNISGEISTLICHER: (ein wenig erleichtert) Das ist auch besser so . . .

FRAU: Und wissen Sie, warum nicht? Weil sein Schicksal in meinen Händen liegt.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ich verstehe nicht — FRAU: Das können Sie auch nicht, lieber Pastor. Weil die kühnste, menschliche Phantasie nicht ausreicht, um einen solchen widernatürlichen Zusammenhang zu begreifen. Ja — ich entscheide über das Leben meines Mannes. Mehr darf ich nicht sagen, denn schon das könnte seinen Tod bedeuten.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Aber — FRAU: — und doch fürchte ich, ich kann sein Leben nicht halten. Er würde es nicht mehr wollen — um diesen Preis. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Welchen Preis?

FRAU: Kann ein wirklicher Mann leben ohne Ehre? GEFÄNGNISGEISTLICHER: Will Sie jemand etwa — FRAU: Keine altmodischen Vermutungen, Herr Pastor. Mit sich selbst kann eine Frau heutzutage kein Leben mehr erkaufen. Dazu sind wir alle zu sehr im Preis gesunken. Nein, über mein Schicksal sind wir einig. (Ganz einfach) Ich darf den Kleinen noch abstillen — dann muß ich sterben.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Einig? Mit wem?

FRAU: Mit dem „Tiger" natürlich. Er entscheidet doch darüber. Die anderen Richter, und sogar der Staatsanwalt, sind ja bloß seine Kreaturen.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Uber etwas derart Ungeheuerliches sind Sie mit dem Gerichtspräsidenten einig?!

FRAU: Aber lieber Pastor — man darf doch immer nur das Mögliche wollen. Zwei „Hochverräter“ miteinander können sie gewiß nicht begnadigen. Deshalb kämpfe ich um Richards Leben. Er ist wichtiger als ich, für Euch alle.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (schnell) Aber nicht für Euer Kind. Das braucht die Mutter noch weit mehr als den Vater.

FRAU: Ein Kind braucht Vater und Mutter. Darüber müssen wir nidit streiten. Aber ich sagte schon — beides kann es nun einmal nicht haben. Ich bin ja schon so unendlich dankbar, daß ich es noch volle fünf Monate stillen und täglich haben durfte. Wie prächtig ist es in der Zeit gediehen. — Meine Mutter ist noch jung, sie wird mit Gottes Hilfe den Kleinen noch lange genug verwöhnen können. Und da ist es wichtig, wenn der Vater als Gegengewicht da ist. Zwei Frauen mit einem vaterlosen Kind — wir würden es nur verderben. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Hören Sie . . . Wir dürfen trotzdem den Kampf um Ihr Leben nicht aufgeben... Richards Schicksal wird davon nicht berührt. Es ist immer noch undenkbar, daß man in unserem Lande die Mutter eines neugeborenen Kindes töten könnte, nur weil sie zu ihrem Mann und seiner Sache steht!

FRAU: Merkwürdig, daß gerade Sie das für so unmöglich halten. Denken Sie doch an Ihre Bibel. War das, was die Kriegsknechte in Betlehem taten, nicht noch weit entsetzlicher? In den Augen einer Mutter ist es geradezu barmherzig, daß unser Herodes anstelle ihres Kindes nur sie selbst umbringen läßt . . .

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Maria!

FRAU: Wie gut, daß Sie meinen Namen aussprechen. Erst in diesen Wochen und Monaten begann ich darüber nachzudenken, was für einen wunderbaren Namen ich habe — den einer Mutter schlechthin. Ich begann zu vergleichen. Joseph und Maria durften leben. Aber sie mußten ihr Kind, das Kind aller Kinder, sterben sehen. Wie glücklich zu schätzen sind doch wir dagegen. Wir dürfen unser Leben geben für unser Kind.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Warum bestehen Sie denn beständig darauf — FRAU: Nein, nein — das dürfen Sie mir nicht nehmen: das Einzige, was unseren Tod sinnvoll macht! Oder sterben wir nicht dafür, damit unsere Kinder einmal wieder ein Vaterland haben, in dem es sich zu leben lohnt?

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (hebt horchend den Kopf. Man vernimmt Schritte auf dem Gang. Gleichzeitig erfaßt das Licht die 1. Wache, die mit einem dampfenden Eßnapf sich der Zelle nähert.) WACHE: (öffnet. Ein unscheinbarer Mann, im Dienste ergraut, von knurrigem Gehaben, besonders dann, wenn er einem Häftling zugetan ist.)

So, so — haben Besuch. Will man nicht stören. Hab’ bloß die Suppe gebracht.

FRAU: (erstaunt) Sonst gibt's doch nie Essen, während des Alarms? WACHE: Nee. Aber ich hab’ mir gedacht, Sie haben’s heut nötig. (Stellt den Napf ab)

FRAU: Danke. Aber — Wenn sie schon so freundlich sind, dann . . . dann hab’ ich auch die übliche Bitte — WACHE: (sieht sie an, dann rauh) Quatsch. Machen sie man fix, solang's heiß ist. Hat heute sogar ein Stück Fleisch drin.

FRAU: (lächelnd) Eben. Das wird meinem Mann großartig schmecken. (Gibt den Napi zurück)

WACHE: (sieht beunruhigt den Gefängnisgeistlichen an)

FRAU: Keine Angst. Der Herr Pastor sagt’s bestimmt nicht weiter. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Was soll ich denn nicht weiter sagen? FRAU: Daß der Herr Wachtmeister so freundlich ist, Richard zuweilen hinüberzubringen, was ich nicht aufessen kann. Männer brauchen ja mehr als wir Frauen.

WACHE: Sie essen ja auch für jemand anders mit, nicht?

Also — FRAU: (lächelnd) Sie müssen sich den nur ansehen, um zu wissen, ob er zu kurz kommt.

WACHE: (sieht den Gefängnisgeistlichen an, der hilflos die Schultern hebt.) Das Essen bleibt hier. (Stellt den Napf ab, daß der Löffel darin klirrt.) Fertig.

FRAU: (erschreckt) Warum? — Was hab'ich Ihnen denn getan?

WACHE: Nichts. Aber — es ist gegen die Vorschrift.

FRAU: Erst heute . . . ?

WACHE: (tritt verlegen von einem Fuß auf den anderen) FRAU: Also . . . ?

WACHE: (gibt sich einen Ruck. Schwer.) Ihr Mann . . . braucht heut'kein Essen mehr.

FRAU: (steht erstarrt. Sie hat augenblicklich begriffen. Nur noch mechanisch) Das , . . heißt . . . ?. GEFÄNGNISGEISTLICHER: (tritt zu ihr und schließt sie schweigend in die Arme.) FRAU: (nur einen Augenblick ruht ihr Kopf überwältigt an seiner Schulter. Dann schiebt sie ihn von sich fort.) Gottlob, daß jemand mehr Mut hatte als Sie. Wann? I GEFÄNGNISGEISTLICHER: (leise) Gestern früh. FRAU: Schon gestern? Gestern?! Einen Tag und eine ganze Nacht und noch ein Tag — und ich weiß von nichts? Ich allein, als einzige sicher in diesem ganzen Haus? Wie lange hättet Ihr denn noch damit gewartet? Eine Woch, einen Monat, ein Jahr? Oder hättet Ihr mich sterben lassen, ohne es mir zu sagen? I GEFÄNGNISGEISTLICHER: (mit gesenktem Kopf) Man hat es uns aufs strengste untersagt — FRAU: Ach. (Sie setzt sich) Ich vergaß. Ihr seid ja gehorsame Diener des Staates. Auch dieses Staates. (Plötzlich hat sie die Kraft verlassen. Sie scheint wie ein kleines Mädchen auf dem Hocker zusammen-gekauert, nur ihr Gesicht ist plötzlich ganz alt geworden. Hilflos) Nun kann ich ihm keine Suppe mehr schicken. (Die Männer stehen unbeweglich) Und etwas ganz Falsches habe ich ihm gepfiffen . . . GEFÄNGNISGEISTLICHER: (tritt zu ihr) Maria — FRAU: (abwehrend, unendlich müde) Nein. — Es gibt nichts mehr zu sagen — WACHE: (öffnet unmißverständlich die Zellentür) GEFÄNGNISGEISTLICHER: (tritt zögernd zu ihm) WACHE: (leise) Weinen ist immer noch das Beste. (Die Männer verlassen die Zelle) FRAU: (bleibt unbeweglidi sitzen. Es ist dunkel geworden. Aber mit einmal scheint ihr von irgendwoher wieder Kraft zuzuströmen. Sie erhebt sich entschlossen, nimmt den Hocker zum Fenster und besteigt ihn. Mit beiden Händen auf den Sims gestützt, pfeift sie andächtig, konzentriert und mit vollem dunklen Ton den Trauermarsch) „Unsterbliche Opfer, ihr sänket dahin ...“ (Ihr Antlitz entschwindet uns langsam mit dem letzten Abend-schimmer) (Das Licht blendet an einer andern Stelle auf die Gestalt eines Mannes, der in sehr aufrechter Haltung, auf einem Hocker sitzend, Klavier spielt. Aber kein Ton ist hörbar, denn er spielt . blind“ und als Klaviatur dient ihm die auf seiner Pritsche zusammengelegte Decke. Aber das tut seiner Konzentration und der Virtuosität seiner Hand-und Fingerbewegung keinerlei Abbruch. Er kehrt uns das Profil mit dem kurzen, bürstenförmig geschnittenen, weißen Haar zu, die Augen geschlossen. Wenn er sie öffnet und uns sein scharfer und zugleich trockener Blick trifft, sind wir jedoch eher geneigt, ihn für einen Lehrer der Mathematik an einer höheren Schule zu halten, als für einen Musiker.

Aus weiter Ferne ist das Pfeifen hörbar, in das er halb summend, aber mit verständlichen Worten einfällt.)

GENERAL: Unsterbliche Opfer, Ihr sänket dahin . . . (Er begleitet sich unhörbar dazu)

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (öffnet die Türe) Verzeihung, störe ich?

GENERAL: Idi bin schon gestört genug, mein Bester, durch diesen Pfeifer, der mir ewig meine Etüden durcheinander bringt. Immerhin ist er nicht unmusikalisch. Ich nehme mir daher die Freiheit, ihn zu begleiten. Das war immer schon meine Stärke — GEFÄNGNISGEISTLICHER: So ohne Instrument zu musizieren — ich bewundere Ihre Konzentration und Ausdauer.

GENERAL: Genau das sind die Eigenschaften, durch die man dem Dilettantismus entgeht. Ich bedaure es geradezu, daß mich die Umstände jetzt erst zur abstrakten Musik-Ausübung führten. Man sollte sie für Generalstäbler obligatorisch erklären. Nichts stärkt so sehr die Kombinationsgabe und die künstlerische Phantasie.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Nicht jeder Stabsoffizier dürfte eine solche künstlerische Ader haben, Herr General — GENERAL: — dann hat er seinen Beruf verfehlt Mit einem Ackergaul kann man ebensowenig die hohe Schule reiten, wie mit einem Jede Gefreiten Strategie betreiben. Anspielung sei mir ferne. (Er steht auf) Es ist etwas schwierig, hier den Gastgeber zu spielen. Ich habe Ihnen nichts anzubieten — GEFXNGNTSGEISTLICHER: Doch. (Er MN MM und blickt hinanus) Den aufgehenden Abendstern Was mußte alles geschehen, damit w wieder des tröstlichen Lichts der Sterne über der dunklen Stadt gewahr werden — GSNSRAI " . gs . s . -\ orte Mi \ ezdunkelung — GF XNGNISG: ISTUCNSR Ni -

der Preis schein: mir za hoch.

Ob MN nodh Sinn Mr mM* Gaben haben? Wie sollen wir die Spradhe des Ewigen verstehen solange die Finstorits aus uns selber kommd CNMGI Nühisen Sie s vomtworili lür diese Füirssttemmiis Be Pmx x hhbe mei Laben imng gege sieamgeiküimgih CEF LNCNSETT N IR 5 me bemitk iswe Reessn lung fir ai-

aes Ganenei n S iegsamiteem CENSRA Warm'd in Raaif ist Wte eder ad e Suidat Zum Unterschied von denen, die ihn herheiführem kennen wir mümiid den Kieg CEF ILNGNISCEISTLICEER: Ich glaube, es gibt zwei Azten ron Soldaten: Solche, die es sein wollen und solche, die es sein müssen. Von den letzteren bezweifelt niemand, daß sie Pazifisten sind. GENERAL: Der Berufssoldat aber, wollen sie sagen, ist eine blut-gierige Bestie, die nichts anderes im Sinne hat, als die Furie des Krieges zu entfesseln, nicht?

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Versuchen wir es ein wenig nüchterner zu So wie die Erzeugung von Waffen ihren notwendigerweise sagen:

Gebrauch so muß jeder, der den Soldatenberuf erwählt, -da bedingt, mit rechnen, ihn einmal auszuüben. Nicht?

GENERAL: Sie leben in überalterten Vorstellungen, Pastor. Mit der übrigen Menschheit hat auch der Soldatenstand seine ethische Entwicklung durchgemacht. Sein Ideal ist nicht mehr der plündernde Landsknecht, sondern Dienst, Treue, Kameradschaft, Ritterlichkeit, Ehre. Eigenschaften, die man im zivilen Leben leider als ausgestorben ansehen kann.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Aber wozu bedarf es einer Armee, wenn man nicht Krieg führen will?

GENERAL: Auch das friedlichste Land muß sich schützen, sonst wirkt es allzu appetitanregend.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Soviel mir bekannt ist, hatten wir doch verschiedene kleine Nachbarn mit nicht unansehnlichen Armeen. Was haben die ihnen genützt?

GENERAL: Die hatten Pech. Erstens war unsere Übermacht allzu-groß und zweitens war zur Führung des Feldzuges mein Köpfchen da, das, wie gesagt, nicht gänzlich phantasielos ist. Sonst wäre es bestimmt nicht derart glatt gegangen. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Und diese kleinen Nachbarn haben uns großes, mächtiges Land bedroht — wie merkwürdig?

GENERAL: Sehr merkwürdig — für den, der's glaubt Kommen sie wirklich aus dem Mustopf, Pastor?

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Zuweilen fühle ich mich ganz wohl darin. GENERAL: Bravo, dann sind sie ein guter Bürger. Heutzutage wird ja das Mus von staatswegen im großen Propagandatopf gekocht GEFÄNGNISGEISTLICHER: Wenn wir also nicht bedroht waren, warum behaupten wir es dann?

GENERAL: Mein lieber Parsival: daß der Angreifer sich heutzutage immpr als der Angegriffene bezeichnet, ist der schlagendste Beweis für meine These, daß das moderne sittliche Empfinden nur noch die Verteidigung als erlaubte Form des Kampfes zuläßt. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Eine wunderbare These — aber sie setzt mich vollends außerstande, zu begreifen, warum wir diese kleinen Länder angegriffen haben?

GENERAL: Du lieber Gott — es war eben leider eine strategische Notwendigkeit GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ach so. Es war gewiß auch sehr ritterlich und ehrenhaft, daß wir es taten?

GENERAL: Mein Guter, was die Ehre betrifft — ich mußte in dieser Zeit ungewöhnlich viel Klavier spielen, um den üblen Nachgeschmack dessen zu verlieren, was in diesen Ländern so nebenbei vor sich ging. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Was bezeichnen sie als . nebenbei*? GENERAL: Die Dinge, mit denen kein unter meiner Führung stehender Soldat sich befleckt hätte — GEFÄNGNISGEISTLICHER: — die aber doch durch die Anwesenheit Ihrer Armeen erst ermöglicht wurden. Hätte der geistige Kopf der Armee dagegen nicht noch mehr unternehmen können, als Klavier tu spielen?

GENERAL: Es dürfte nicht jan? unbekannt sein daß er noch eine Kleinigkeit mehr tat nämlich einer ebenso verderblichen, wie unverbesserlichen Staatsführung sein Amt vor die Füße zu werfen. Diesem Umstand verdanken wir ja das Vergnügen das wir uns in diesem Hause begegnen GEF ANGNISGEISILICHER Es sol in dem gleichen Hause Offiziere geben ie nodh mehr dagegen taen aks nur zurüdzteten es daf sie diese Kamemae ar dem Ho tSL Gruf werweigem?

GENNEBLALL: Es sind züid meühr meime Eumeraen Sh wie ans as Amrmee ausgestmfem Und and id haihe es fir niet’ na wo tliese Ateniat h jedeer Weise m fistamierem Mird itme icihamh, i welcfher Form aund mmer Silhe Sie das iberrasdhem Hem Pastur g ünnTBii" le i Ihmem dariher das einsdlägige Kapiteel Tres strategishen Bandhuchhes zu konsuitierem

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Der Bibel, meinen Sie? Wielen Dank für den Hinweis, Herr General Ich habe wirklich sehr Erstaunliches von Ihnen gelernt GENERAL: Na, sehen Sie. Ein philosophisch geschulter Geist kommt auch ohne die Krücken aus, die dem naiven Denken die Vorstellung unbeweisbaren Gottes liefert eines GEFÄNGNISGEISTLICHER: Gewiß. Nur ein so philosophischer Geist ist auch imstande, daß alles miteinander zu vereinen: Man ist Pazifist und führt doch Millionen in den Tod. Man schafft eine Armee -ein zig zur Verteidigung, aber man überfällt friedliche kleine Nachbarn mit ihr. Man verurteilt bedingungslos jegliche Gewalt, aber den Massenmord einer Zivilbevölkerung übertönt man mit Musik — jetzt hören sie GENERAL: Aber doch mal — GEFÄNGNISGEISTLICHER: (sanft aber unbeirrbar) — privatim bezeichnet man die Staatsführung als verderblich und öffentlich rückt man von denen ab, die sie zu beseitigen versuchten. Man redet von Kameradschaft und Treue, aber den Kameraden, die für die gemeinsame Überzeugung das Leben gaben, verweigert man den Gruß. GENERAL: Jetzt ist es an mir, zu staunen, Herr Gefängnisgeistlicher. Es scheint, daß sie sich mit besagten Häftlingen solidarisch fühlen. Ob ich ein guter Soldat bin, das zu entscheiden, will ich anderen überlassen. Sicher aber ist, daß sie ein schlechter Seelsorger sind. Statt zu beruhigen und zu trösten, bringen sie Unruhe und Verwirrung. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ist das möglich, bei einem so philosophischen Geist? Und was den Beruf des Seelsorgers betrifft, so scheinen diesmal S i e in überalterten Vorstellungen zu leben. Wir sind nicht da, zu beruhigen, sondern aufzurütteln; nicht die Karpfen, sondern die Hechte des Gewissens sollen wir sein.

GENERAL: Etwas deplaciert scheint mir, in der heutigen Nacht, in der ich auf mein Urteil warte. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Brauchen Sie da nicht umso mehr Klarheit, um dem Urteilsspruch mit Festigkeit zu begegnen? GENERAL: Mein Urteil kann nur auf Freispruch lauten, das jedenfalls ist klar. Die anderen Zusammenhänge sind heutzutage leider viel zu kompliziert — GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ja — es ist ein hoffnungslos kompliziertes Leben, in dem das alles nebeneinander zuhause ist: Frieden und Überfall, Ehre und Lüge, Musik und Mord. Als ob der Schwerpunkt verloren gegangen wäre, aus dem die Dinge erwachsen, um den sie kreisen und der sie auseinanderhält.

GENERAL: Der Schwerpunkt einer zivilisierten Gemeinschaft ist der Kompromiß; Können Sie einen besseren finden?

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Sie können ihn selbst finden, sofern sie wollen.

GENERAL: Wo?

GEFÄNGNISGEISTLICHER: In meinem „strategischen Handbuch*, wie sie es so treffend nannten, Herr General. Darf ich es hier lassen? Es umfaßt alle Kriegsschauplätze der Welt. (Er legt ihm seine Taschenbibel auf die Pritsche.)

GENERAL: Ich will nicht unhöflich sein, Herr Pastor.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ganz meinerseits, Herr General. Gute Nacht. (Er verläßt die Zelle)

GENERAL: Kann man denn sowas heutzutage noch lesen? (Setzt sich auf den Hocker und schlägt das Buch auf.) „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer. (Das weitere wird unverständlich. Man versteht erst wieder):... „Und Gott sprach Es werde Licht .... und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis.. (Er schüttelt den Kopf) Ist ja von der Wissenschaft längst überholt. (Schlägt eine andere Stelle auf) „Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde*. (Schlägt das Buch zu und wirft es auf die Pritsche. Er schließt die Augen und beginnt mit virtuosem Fortissimo aut seinem imaginären Klavier zu spielen.) (Das Licht verläßt den unhörbaren Klavierspieler und erfaßt die Wache, die langsam und nachdenklich den Gang entlang kommt. Sie bleibt vor einer Tür stehen, zögert. Dann klirrt der Riegel zurück.) WACHE: (barsch): Aufstehen — Hände her. — (Zieht einen Schlüssel hervor, das Schloß der Handfessel klickt auf) GRAF: Sie entfesseln mich? — Jetzt? WACHE: Haben Sie was dagegen? GRAF: (stockt) Ist es schon so weit? — Ich — ich dachte morgen früh .... WACHE: (rauh) Reden Sie keinen Unsinn. Kennen Sie die Hausordnung noch nicht? Während eines Angriffs wird nicht liquidiert. Die sind froh, wenn sie selbst davon kommen. GRAF: Dann verstehe ich nicht .... WACHE: Ist auch nicht nötig. (Zwei Sdiritte zur Türe) Sind eigentlich alle Grafen so merkwürdige Käuze wie Sie? GRAF: Inwiefern? WACHE: Wenn ich sie fessele, da sagen Sie mir immer danke. Als ob man für so was dankt. Jetzt wär'mehr Anlaß dazu. GRAF: Wenn Sie mir die Fesseln anlegen, sage ich danke, um Ihnen diese scheußliche Aufgabe zu erleichtern. Sie tun mir dabei leid. WACHE: Das spür'ich. Und das geht mir auf die Nerven. Deshalb nehme ich Ihnen jetzt die Fesseln ab. Wohin kämen wir, wenn den Häftlingen ihre Wärter leid täten. (Er verläßt die Zelle. Die Türe knarrt, aber schließt nicht) GRAF: (ruft leise) Sie haben vergessen, die Zellentür zuzuschließen. WACHE: (kommt zurück) Was sie nicht sagen. Es fehlt nur noch, daß Sie deshalb Alarm schlagen .... GRAF: Ich dachte Sie hätten vergessen. Ich wollte Ihnen Unannehmlichkeiten ersparen. WACHE: Nach dreißig Dienstjahren vergißt man sowas nicht. GRAF: (atemlos) Wollen Sie mich etwa... WACHE: Quatsch. Warum sollte ich meinen Kopf statt des Ihren hinhalten? Die Tore und Türme sind bei Luftalarm doppelt besetzt Da kommt keiner durch.

GRAF: Also ...

WACHE: Im Nordflügel sind während des letzten Angriffes vierzehn Häftlinge in ihren Zellen verbrannt Das mag ich nicht Deshalb bleibt diese Türe offen.

GRAF: Nur diese?

WACHE: Ja. Sie haben mir immer danke gesagt. (In der Tür) Bei Schlußalarm schließ'ich wieder ab. Wenn sie mir wirklich Unannehmlichkeiten ersparen wollen, werden Sie hier sein.

GRAF: Ich werde hier sein.

WACHE: (entfernt sich durch den Gang.)

GRAF: (Pause. Fährt sich über die wunden Handgelenke, betrachtet seine freien Hände) Jetzt kann ich den Brief ja selbst weiter-schreiben ...

(Er will den Bleistift hervorholen, aber hält plötzlich inne. Sieht sich um, sein Blidt bleibt an der Türe haften) Was meinst Du, Liebes? . . . (mit plötzlichem Entschluß) Ja ... es wird noch später werden, bevor ich ihn zu Ende bringe. Ich versprach bei der Entwarnung hier zu sein. Aber nicht, bis dahin immer hier zu bleiben. (Er verläßt eilends und auf leisen Sohlen die Zelle. Unser Lichtstrahl und Blick begleiten ihn. Aber sie haben nicht weit zu wandern. Denn schon an der Nebentür hält er inne und öffnet mit äußerster Vorsicht. Im gleichen Maße, wie sie sich öffnet, erfaßt das Licht auch die Gestalt eines in der Ecke zusammengekauerten Mannes)

GRAF: (in der Türe) Oh, verzeihen Sie — PFARRER: (Ungefähr gleichaltrig. Auch seine Hände sind gefesselt) Ach, Graf, Sie — nein, Sie stören gar nicht.

GRAF: Doch. Ich komme später wieder — PFARRER: Später? Warum? — Ach so. Wenn man einen Pfarrer knien sieht, sollte man meinen, er sei am Beten. Stattdessen bin ich an meinem Wandkalender.

GRAF: Wandkalender?

PFARRER: Kommen Sie doch mal her und gucken Sie. (Graf schließt die Türe) Ich hab'ihn von meinen Vorgänger übernommen, als ich hier in die Zelle kam. Er hat ihn immer einen Monat voraus in die Wand geritzt und dann jeden Tag abgestrichen. Jetzt bin ich eben wieder dabei, einen Monat einzurichten.

GRAF: Einen Monat? (kleine Pause) Hätte nicht ein Tag genügt? PFARRER: Ja — (Er erhebt sich.) Morgen ist die Hinrichtung. Und ich lege mir einen neuen Kalender an. Aber sehen Sie, es ist ganz merkwürdig. Ich glaube nicht an den Galgen.

GRAF: Ich muß mir das Todesurteil auch ab und zu gewaltsam ins Bewußtsein zurückrufen. Das ist ja das Besondere bei diesem Tod, daß der Lebenswille ungebrochen und jeder Nerv lebendig ist, bis die feindliche Gewalt alles überwältigt.

PFARRER: Ich glaube auch noch nicht an die Ueberwältigung. GRAF: Sie glauben an ein Wunder?

PFARRER: Ich bin bereit, alles zu glauben und für möglich zu halten. Deshalb erstaune ich auch nicht, Sie da so mir nichts dir nichts in meine Zelle hereinspazieren zu sehen.

GRAF: Ja, das ist so eine Art kleines Wunder. Ein ganz unauffälliges, das wieder vorbeigeht.

PFARRER: Ich freue mich über Sie, wie schön und ganz Sie in der Situation stehen können. Das ist viel mehr wert als dieses oberflächliche Gerede von dem „Ueber-der-Situation-stehen*. Nur Gott steht über den Dingen. Wir sind in sie hineingestellt, um uns darin zu bewähren. Und gerade das tue ich nicht, im entscheidenden Augenblick.

GRAF: Das glaube ich nicht PFARRER: Seien Sie nicht höflich mit einem alten Freund. Ein Glück’, daß meine Schäflein nicht ihren Pfarrer so sehen können. So ratlos und unruhig. Deshalb bin ich auch so betriebsam. Ja, ja — Theorie und Praxis.

GRAF: Ich glaube Ihnen nicht ganz, Lieber. In Ihrer Bescheidenheit haben Sie von jeher dazu geneigt, sich selbst herabzusetzen. Sollte wirklich der Mann, der so vielen beim Sterben half, nun selbst damit nicht fertig werden? PFARRER: Nein, mein Junge, ganz so schlimm ist's nun wirklich nicht mit mir. Idi möchte nur gerne wissen, ob ich sterben soll. Es geht mir um das Ja oder Nein. Wenn ich darauf die Antwort hätte, dann wüßte ich schon weiter. (Unterhalb der Bühne tönt Gröhlen und Singen herauf)

GRAF: Hören Sie —. Unsere Herren Wächter da unten, die haben Grund zur Unruhe. Die müssen ihre Angst übertönen. Weil sie nicht wissen, kommt der Angriff oder nicht, trifft die Bombe oder nicht. Ich war auch unruhig bis heute. Aber jetzt wissen wir beide ja, was morgen kommt.

PFARRER: Nun, ich weiß es eben nicht. (Er setzt sich auf die Pritsche) Sie halten mich jetzt vielleicht für kindisch. Aber diese ganzen bitteren Monate stehen bei mir unter einem ganz eigenartigen Gesetz. Von der ersten Minute an war ich innerlich sicher, es würde alles gut gehen. Gott hat mich darin immer wieder bestärkt. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt einfach alles wegtun darf. Diese Sicherheit und Unberührtheit ...selbst wenn sie mich schlagen. Diesen gewissen Trotz, es wird ihnen die Vernichtung nicht gelingen. Diese erbetenen und immer wieder gewährten Zeichen. Kann denn das alles Einbildung gewesen sein?

GRAF: Es war vielleicht ganz einfach eine Gnade und Hilfe des väterlichen Gottes, daß er Sie so in der Wüste bestehen läßt, ohne daß Sie verdursten müssen.

PFARRER: (Blickt zu ihm auf) Die Frage lautet: Will der Herrgott das Opfer, daß wir ihm nicht versagen dürfen, oder will er die Bewährung des Glaubens und Vertrauens bis zum äußersten Punkt der Möglichkeit? Ich finde immer noch keine Antwort darauf.

GRAF: Vielleicht finden wir die Antwort nicht, weil wir sie lieber nicht hören wollen (setzt sich neben ihn). Glauben Sie mir, auch ich würde gerne noch weiterleben für meine Frau und die Söhnchen, und gerne und jetzt erst recht weiterschaffen, und viele neue Werte und Worte verkünden, die ich jetzt erst entdeckt habe. Aber es kommt eben anders. Sie sprachen von einem seltsamen Gesetz, unter dem Sie standen, genau wie ich. Aber es gibt noch ein zweites solches Gesetz. Haben Sie nicht bemerkt, daß alles versagte, was wir zu unserer Rettung unternahmen?

PFARRER: Ja, das mag stimmen. Der ganze äußere Verlauf war Scheitern und Schiffbruch und Ohnmacht über Ohnmacht. S i e sehen darin die Notwendigkeit unseres Todes. Ich den Hinweis auf die Allmacht Gottes. (Steht auf und geht unruhig, immer wieder stehen-bleibend, umher.) Warum leben wir heute noch, obzwar wir nach dem Brauch des Hauses bereits tot sein sollten? Wird man uns begnadigen? Was will Gott mit alledem? Will er die Glaubensprobe? Was soll man tun, ohne untreu zu werden? Weiter hoffen, trotz der Aussichtslosigkeit, bis zur äußerst möglichen Grenze? Oder sich ganz loslassen und den Abschied vollziehen? (Er sinkt auf die Pritsche. Pause.) Ich sitze oft da vor dem Herrn und schaue ihn nur fragend an.

GRAF: Er ist der einzige, der Ihnen das alles beantworten kann. (Erhebt sich) Ich glaube, wir sind einfach noch nicht ganz fertig für seinen Zweck. Darum diese Stunden des eigenartigen Advents. Diese letzte Frist, die er uns nochmals einräumt, — das ist das eigentliche Wunder. Denken Sie, was Gott für mich bis jetzt schon alles tat, damit ich für ihn brauchbar werde: Er pflanzte in mich jenen sozialistischen Zug, der mich Kontakt mit Arbeiterführern finden ließ und mich als Großgrundbesitzer von dem Verdacht befreite, Vertreter einer Kaste zu sein. Als die Gefahr bestand, daß ich in aktive Putsch-vorbereitungen hineingezogen würde, wurde ich herausgenommen, damit ich frei von jedem Zusammenhang mit der Gewaltanwendung bin und bleibe. Denn läßt er mich hierher kommen, und ich darf es erleben, daß meine wunderbare Frau so wächst und gefestigt wird, daß ich frei von sorgenvollen Gedanken an sie und die Kinder werde. Er gibt mir Zeit und Gelegenheit, alles zu ordnen was zu ordnen ist, so daß alle irdischen Gedanken abfallen können. Und schließlich laßt er mich mit Ihnen nochmals alles klären, mit einem katholischen Priester. Gerade meine Freundschaft mit aktiven Katholiken ist am meisten attackiert und verurteilt worden. Und so stand ich vor Gericht nicht als Protestant, nicht als Großgrundbesitzer, nicht als Adeli-

ger, sondern als Christ und sonst gar nichts. Sehen Sie, so wunderbar hat Gott sein unwürdiges Gefäß bereitet.

PFARRER: Das muß es sein. Sie hat er bereitet — mich nicht. Ich bin vielen vieles schuldig geblieben.

GRAF: Das alles trifft mich weit stärker noch als Sie. (Setzt sich zu ihm und legt ihm den Arm um die Schulter) Was Sie aussprechen, beweist, daß Sie Ihre Schuld klarer erkennen, als ich die meine, und daß Sie sie tiefer als ich, bereuen.

PFARRER: Ja, ich bereue. Es ist vieles zerbrochen und ausgebrannt in mir, was nicht echt genug war.

GRAF: Das ist alles, dessen es bedarf. Wir gehen Hand in Hand. PFARRER: Nur gehen Sie voran und ich strauchle hinten nach. Sie sind stark und ich bin schwach.

GRAF: Ein anderer wird entscheiden, wer von uns beiden stark ist und wer schwach.

PFARRER: Es ist eine Schande, daß ich Sie mit all dem noch belaste. Aber ich sehne mich schon den ganzen Tag so sehr nach Beichte und Sakrament.

GRAF: Unser Pastor ist im Hause. Ihr Kollege kommt wahrscheinlich während des Alarms nicht durch. (Steht auf) Ich erwarte auch meine Frau. Wir möchten gemeinsam das Abendmahl nehmen. PFARRER: Wie schön für Sie. Sie haben mir noch manches zum Nachdenken aufgegeben für die wenigen Stunden.

GRAF: Wer weiß, was uns noch alles aufgegeben ist. (Geht zur Türe) PFARRER: Auf Wiedersehen — GRAF: — jenseits des großen Tores. (Er schließt wieder) (Das Licht fällt auf den Gefängnisgeistlichen, der nachdenklich abseits steht.)

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Erst viel später erfuhr ich von diesem Gang meines Freundes durch das Haus des Todes. Denn es umfaßte vier Flügel, fünf Stockwerke, dutzende von Gängen und viele hunderte Zellen. Und so begegneten wir einander nicht.

Wie ein großes, wartendes Tier liegt das Gefängnis im Dunkel schweigend da, aus tausend Lungen atmend, aus tausend Augen in die Ferne starrend. Das Blut stockt in seinen Adem, den Gängen, die sonst von gestiefelten Tritten und dröhnenden Befehlen widerhallen. Denn die heldenmütigen Träger der Stiefel haben sich in den tiefsten Keller geflüchtet, damit die tausend gefesselten Leiber ihnen als Deckung dienen.

Und doch bewegt sich noch ein drittes Wesen durch die einsamen Gänge. Das seltsamste, das sich von Zeit zu Zeit in unserem Hause blicken läßt. Denn es zeigt sich nur in jenen Nächten, die für irgendjemanden die letzte ist. (Das Lidit verläßt ihn und begibt sich auf die Suche nach dem Urheber der schlürfenden Schritte, die indessen vernehmbar werden. Aber erst in einem Türrahmen begegnen sie sich, das Licht und der kleine Mann, den wir nicht ohne Befremden zu betrachten vermögen. Zunächst, er wäre gar nicht so klein, wenn nicht die Verwachsenheit seine Gestalt vornüber zusammenkrümmte. Sein Alter ist unbestimmbar, die weißen, strähnigen Haare und die wenigen verfärbten Zähne, die bloß noch im Munde stehen, verleihen ihm etwas Unheimliches, während die leicht melancholischen, wissenden Augen, die spitzbübischen Fältchen und eine leise dunkle Stimme von baßgeigenhaft tragender Resonnanz etwas Beruhigendes, fast Tröstliches ausstrahlen. Er trägt einen großen, halbgefüllten Sack über die Schulter, seine Kleidung ist altmodisch Bei aller Schlichtheit wirkt er so skurril, daß wir Mühe haben, ihn ganz der Wirklichkeit einzuordnen.

Die Zelle, die er betreten hat, ist die des Generals, der immer noch , am Flügel“ sitzt. Im Eifer des Spiels hat er die Jacke abgelegt) VATER: Mit Verlaub ...

GENERAL: (spielt weiter)

VATER: . . . wenn ich ergebens! bitten dürfte . . .

GENERAL: Noli turbare circulos meos! (spielt weiter)

VATER: — nichts liegt mir ferner, als Deine Kreise zu stören . . . GENERAL: Sieh da, ein humanistischer Geist in diesem Hause — (sieht sich um)

VATER: (entschuldigend) Sit venia verbo — wenn es erlaubt ist — (Legt ein kleines, in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen auf die Pritsche)

GENERAL: (betrachtet ihn erstaunt) Sie haben studiert?

VATER: Nicht der Rede wert. Glaub’ nicht mehr an die Bücher, glaub'an das Leben. GENERAL: Also ein Lebensphilosoph . . .

VATER: . . . wenn man so sagen darf. Hab midi der Praxis ergeben. (Läßt seinen Sack zu Boden)

GENERAL: Dann sind wir sozusagen Kollegen.

VATER: Bin Schuster. Helfe den Leuten auf die Füße.

(Kniet bei ihm nieder. Beginn ihm die Schuhe auszuschnüren) GENERAL: Was machen Sie denn da? Ich habe keinen Schuster bestellt — VATER: Komme auf höhere Bestellung. Streng nach Vorschrift. (Zieht ihm einen Schuh aus)

GENERAL: Was soll denn das? Sind Sie nicht recht im . . . VATER: (unterbricht ihn durch eine blitzschnelle Bewegung, mit der er sich erschreckt an den Kopf greift. Dann legt er warnend den Finger an die Lippen, um anzudeuten, daß man diesen Körperteil jetzt lieber nicht erwähnen solle.)

GENERAL: Sie wirken etwas ungemütlich, Mensch . . .

VATER: Si tacuisses, philosophus mansisses. (Er zieht ihm den anderen Schuh aus und steckt beide in seinen Sack)

GENERAL: Jetzt aber Schluß mit den Scherzen. Geben Sie mir augenblicklich meine Schuhe zurück.

VATER: Hab'etwas Besseres. (Zieht ein Paar Holzpantoffeln aus dem Sack) Holz. (Klopft mit dem Knöchel daran.) Viel wärmer auf dem Steinboden. Auch sonst zweckmäßiger.

GENERAL: Wofür?

VATER: (legt wieder warnend den Finger auf den Mund. Dann nimmt er die Jacke des Generals, die ganz am Rande der Pritsche liegt und will sie in seinen Sack tun.)

GENERAL: Geben Sie mir sofort die Jacke. Ich hab’ sie nur zum Spielen abgelegt.

VATER: Weise, weise. Brauchst sie nicht mehr.

GENERAL: Also, während des Angriffs wird hier ein wenig geplündert, wie? Her mit den Sachen oder ich schlage Alarm. VATER: Kommt keiner jetzt.

GENERAL: (Geht drehend auf ihn los) Ich weiß mir notfalls auch selbst zu helfen . . .!

VATER: (lächelnd) Otium cum dignitate. Ist eines Philosophen nicht würdig — GENERAL: (läßt den Arm sinken) Wer sind Sie eigentlich? VATER: Nenn’ mich einfach Vater. Wie alle.

GENERAL: Vater? Was tun Sie denn hier?

Vater: Meine Pflicht. Nichts als meine Pflicht.

GENERAL: Ich habe Sie aber noch nie gesehen.

Vater: Man sieht mich nur einmal. Wenn ich den letzten Dienst erweise.

GENERAL: Den letzten Dienst?

VATER: Omnia mea mecum porto. Je weniger man bei sich trägt, desto leichter wird es.

GENERAL: Ach so, Sie sind . . . Aber das Ganze ist ein Irrtum. Ich brauche Ihren letzten Dienst noch nicht. Mein Urteil wird erst morgen früh gefällt.

VATER: Kenne keinen Irrtum. Halte mich immer an die Vorschrift. (Zieht eine Liste hervor) Zelle 337.

GENERAL: (triumphierend) Sehen Sie, eben doch ein Irrtum! Ich kam erst heute abend in diese Zelle. Ihre Vorschrift gilt zweifellos meinem Vorgänger.

VATER: (schweigt)

GENERAL: Sie haben gehört. Geben Sie mir die Sachen wieder. VATER: Warten wir bis morgen. Wäre lästig, wenn ich nochmals kommen müßte.

GENERAL: Sie werden kommen müssen, um mir die Sachen wiederzugeben! Weil mein Urteil auf Freispruch lautet, Freund. Und wissen Sie, warum? Weil ich immer das Gleiche getan habe, wie Sie. Meine Pflicht. Nichts als meine Pflicht.

VATER: Was warst Du denn?

GENERAL: General.

VATER: (mitleidig) Da bin ich lieber Schuster. Nicht mein Geschmack, immer anderen das Sterben zu befehlen.

GENERAL: Es ist tausendmal schwerer, andere in den Tod zu schikken, als sein eigenes Leben hinzugeben.

VATER: (sieht ihn an) Wirklich? (Nickt ihm zu) Wie gut für Dich. (Er schultert seinen Sack und verläßt die Zelle.) (Auch für uns verliert er sich im Dunkel, während wir die 1. Wache eine Treppe in die Tiefe, etwa seitlich in das Orchester hinab, gehen sehen. Gleichzeitig schwillt ihr Gesang und Gegröhle aus dem Keller entgegen. Es darf jedoch kein bekanntes deutsches Soldatenlied herauszuhören sein. Plötzlidi schlägt uns der Lärm stark und kurz entgegen, als habe sich eine Türe geöffnet und gleich wieder geschlossen. Die Treppe hinauf, der Wache entgegen, steigt eine große, der Eleganz nicht entbehrende Gestalt.)

PRÄSIDENT: (eine ungemein starke Persönlichkeit, deren Basis, eine nihilistische Brutalität, fast stets verdeckt bleibt. Nach außen präsentiert sich eine behende Ironie von äußerster Schlagfertigkeit, eine distanzierende, transparente Kälte, die zuweilen faszinierend wirken kann. Es ist gleichsam die farbenprächtig blühende Oberfläche eines Sumpfes. Aber wehe, wenn man sich ihr anvertraut. Dann ist man rettungslos verloren.)

Einfach nicht auszuhalten im Bunker, bei diesem ekelhaften Gegröhle. 1. WACHE: Nichts für ungut, Herr Präsident, aber die Leute haben ja sonst den ganzen Tag nichts zu lachen.

PRÄSIDENT: Nennen sie das Lachen? Ich haben sowas bisher nur in einer Menagerie gehört 1. WACHE: Weil die Kollegen ein bißchen lebhaft sind? Das hat immerhin den Vorteil, daß man die Bomben nicht fallen hört. PRÄSIDENT: Das ist kein Vorteil, sondern ein Nachteil. Es ist immer gut zu wissen, daß sie noch den anderen auf die Nase fallen. Im übrigen finde ich, daß sie heute merkwürdig lang auf sich warten lassen. Geben Sie mir mal das Häftlingsverzeichnis.

1. WACHE: Zu Befehl, Herr Präsident. (Zieht eine Liste hervor und händigt sie aus) Wollen der Herr Präsident einen Häftling sprechen? PRÄSIDENT: Ich weiß noch nicht. Ich will mir mal meine Schäflein in der Hürde ansehen. Ich glaube, daß ich mich dort besser amüsieren werde.

1. WACHE: Da will ich mal vorgehen und nach Ordnung sehen. PRÄSIDENT: Nicht nötig.

1. WACHE: Der Herr Präsident wünscht keine Begleitung? PRÄSIDENT: Wozu? Brauche ich Schlüssel?

1. WACHE: Nein. Die Zellen sind von außen zu öffnen. Aber der Herr Präsident ist oben vor dem Luftangriff nicht geschützt. PRÄSIDENT: Und Ihre Begleitung schützt mich vielleicht? Besten Dank — aber Heroismus mit nassen Hosen schätze ich nicht. Ich will oben noch schnell ein paar Köpfchen beklopfen, bevor sie endgültig vom Stengel fallen.

(Präsident steigt die Treppe hinauf ins Dunkel)

1. WACHE: (leise) Wenn das mal gut geht.

2. WACHE: (Zum Unterschied von seinem älteren Kollegen, agressiv und schneidig. Hat das Gespräch verfolgt)

Wir sind dem „Tiger“ wohl nicht fein genug, was?

Einen Menschen mit der Feder durchzustreichen ist allerdings vornehmer, als ihn nachher aufhängen zu müssen.

1. WACHE: Laß man. Je mehr Todesurteile er fällt, desto witziger wird er. Jeder versucht auf seine Weise, mit der Angst fertig zu werden.

(Sie steigen zusammen hinab. Der Lärm schwillt wieder kurz auf, um sich dann zu verlieren)

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (abseits): Wie ein Traum erscheint mir das alles, was doch so wirklich war. Ein Traum, der allmählich zum Alpdruck wird. Und wie meist, wenn wir zu schlafen wähnen, zeigt sich der gleiche Gegenstand in immer neuen Bildern, wählt die ver-schiedensten Symbole. Nicht mehr ein wartendes Tier ist jetzt unser Haus, nein ein undurchdringliches, von endlosen Finsternissen und schmalen Lichtungen erfüllter Wald. Aber auch der nächtliche Urwald schläft nicht, sondern mancherlei Getier beginnt sich darin zu regen: Unhörbar erheben sich die Schwingen der seltsamen Vögel, deren Anblick uns im Dunkel oft zu Unrecht schreckt, behutsam führt das edle Wild die Seinen zur Tränke, während in der Feme das Rudel der Wölfe sein Geheul anstimmt. Aber sie alle fliehen den, der nur die Jagdgründe betritt, wenn Blut zu wittern ist — den Tiger. Denn was er stellen kann, das wird geschlagen. Möge er nicht die Fährte finden, die er sucht. (Er tritt ins Dunkel. Der Lichtschein beginnt aui verschlungenen Wegen über die Bühne zu wandern, begleitet von einem unheimlichen, streng rhythmischen Klopfen, das aus der Ferne kommend, auch wieder in der Ferne erstickt, als eine von Zelle zu Zelle weitergegebene Botschaft. Mit ihr verliert sich auch der wandernde Strahl.) (Die Zelle der Arbeiter blendet langsam auf)

OTTO: (mit dem Ohr an die Wand gepreßt)

Hast Du gehört? Gefahr.

PAUL: Psst (Leise Schritte nähern sich. Der Riegel wird bewegt. Beide starren gespannt aul die Türe)

GRAF: (öffnet leise)

OTTO: Pff! Der Herr Graf: Schau mal an, — unsereins liegt in Ketten und die großen Herren gehen spazieren.

GRAF: Die Wache hat mir während des Angriffs offen gelassen. Ich benütze das, um nach den Kameraden zu sehen.

OTTO: Wir sind nicht ihre Kameraden. Wir haben nicht soviel Marie, die Wächter zu schmieren. Und wir stehen nicht um höchstdero werten Besuch. '(Er ist mit einem Sprung bei der unverriegelten Türe) PAUL: Bist Du wahnsinnig ....

OTTO: (hat die Türe aufgerissen) Gleiches Recht für alle. (Er verschwindet im Dunkel des Ganges)

GRAF: (Kann nur noch die Tür auffangen und behutsam schließen)

Was — PAUL: Angst. Vor den Bomben. Und vor morgen. (zuckt die Achseln)

GRAF: Er wird nicht weit kommen. (Pause) Darf ich Ihnen ein wenig Wasser reichen?

PAUL: (ablehnend) Danke. Wenn’s sein muß, lernt man auch gefesselt trinken.

GRAF: Mehr kann ich leider für Sie nicht tun — PAUL: Ich brauche nichts von Ihnen, Sie können beruhigt sein.

GRAF: Genau das ist es, was mich beunruhigt. Muß das wirklich so sein, daß Menschen, die in wenigen Stunden für die gleiche Sache sterben, einander zuvor nichts zu sagen und zu geben haben? Wir stehen auf einem Trümmerhaufen — aber wir sollten nicht als Blinde darauf stehen.

PAUL: Nicht ich bin blind. Denn ich suche mir das Sterben nicht durch sentimentale Illusionen zu erleichtern.

GRAF: Es ist also eine Illusion, daß wir beide im Kampf gegen das gleiche Übel fallen?

PAUL: Ich falle im Klassenkampf des Proletariats. Sie, ein Mitglied der herrschenden Klasse, werden von Ihresgleichen umgebracht. Die Frontlinie verläuft genau zwischen mir und Ihnen. Wenn es für uns noch ein Morgen gäbe, wären wir von neuem Feinde.

GRAF: Vielleicht wären Sie mein Feind, nicht ich der Ihre.

Wenn ich wirklich zu dieser herrschenden Klasse gehöre — warum bringt sie mich dann um?

PAUL: Um einer blossen taktischen Meinungsverschiedenheit willen. Die einen von Euch speien uns Proleten offen ins Gesicht. Sie dagegen ziehen es vor, mit tränendem Auge vom Knecht Gottes zu lispeln und verlangen dafür Fußfall und untertänigsten Dank. Offen gesagt, da ist mir das erste lieber.

GRAF: Sie verurteilen mich also wegen des gleichen Verbrechens wie meine Henker: dafür, daß ich versuche, ein Christ zu sein. Wer darf es leugnen, daß das Leben der meisten von uns im bittersten Gegensatz zu Jesus steht? Aber sagt das etwas gegen ihn selbst und seine Lehre? Niemand hat revolutionärere soziale Forderungen aufgestellt, als er. Es kommt nur darauf an, mit ihnen Ernst zu machen.

PAUL: Allerdings, genau darauf kommt es an. Wenn es ein wahres Christentum jemals gab, dann hat es sich von den Christen zu jenen geflüchtet, die als die Bekenner des Antichrist verleumdet und verfolgt werden. Sie haben aus einer unverbindlichen, mystischen Gefühlsschwärmerei ein zielvolles, klares Programm des Handelns gemacht.

GRAF: Wenn dem so wäre, dann bin ich der erste, der anstelle des goldenen Sterns von Bethlehem, Ihrem roten Stern Gefolgschaft leistet.

PAUL: Und was hindert Sie daran, Herr Graf?

GRAF: (still) Das Stöhnen, das aus Euren Kerkern dringt, wie aus den unseren, und das Blut, das dort vergossen wird, wie hier. (Aus dem Keller beginnt wieder Lärm aufzuklingen) Warum seid auch Ihr beständig am Blutvergießen, obgleich Ihr doch vom Frieden redet? (Eine Welle betrunkenen Johlens tönt auf)

PAUL: Da haben Sie die Antwort. Bestien kommt man nicht bei mit Kußhändchen und Bibelsprüchen.

GRAF: Und womit kommt man Ihnen bei?

PAUL: Mit dem eisernen Besen. Er heißt Revolution.

GRAF: Es hat schon viele Revolutionen gegeben. Und was kommt nachher?

PAUL: Das Nachher heißt Diktatur des Proletariats.

GRAF: Also Gewalt anstelle von Gewalt. Was ist damit gewonnen? PAUL: Alles. Daß keine armen Teufel mehr von reichen Schmarotzern ausgebeutet werden. Daß endlich alle gleich sind. Daß es kein Oben und kein Unten mehr gibt.

GRAF: Sehen Sie, das ist Ihre Illusion. Denn der Mensch ist nicht gleich. Er ist verschieden nach Anlage, Fähigkeit, Berufung, nach Herz, Geist und Seele. Darum ist ihm unausrottbar der Drang nach Freiheit eingepflanzt. Sie aber wollen das einzige Licht löschen, das ihm in der Finsternis noch leuchtet — die Hoffnung. Auch bei Euch wird es ein Unten geben — das unermeßliche Heer der Sklaven, und ein Oben, die peitschenschwingende, anonyme, unangreifbare Tyrannei der Staatsbürokratie. Nein — kein. System, wie immer es auch heißen mag, kann der Menschheit Rettung bringen, solange es von gierigen, egoistischen Menschen gehandhabt wird.

PAUL: Können Sie mir vielleicht verraten, wie Sie’s anfangen wollen, daß die Menschen nicht mehr gierig und egoistisch sind?

GRAF: Ja. Indem wir die gewaltigste aller Revolutionen entfesseln, die einzige, die bis an die Wurzeln greift. Nicht nur unsere Umwelt gilt es zu ändern. Ändern wir den Menschen selbst, der diese Umwelt schafft.

PAUL: (ironisch). Das reinste Kinderspiel, wenn man Sie so hört. Wie wollen Sie denn so eine Revolution beginnen?

GRAF: Indem ich bei mir selbst den Anfang mache. Solange wir immer nur an andere Forderungen stellen, bewegen wir uns hoffnungslos im Kreise. Wenn aber immer mehr von uns bei sich selbst beginnen, dann wird die Kette der allumfassendsten Sklaverei zerbrochen — die der Selbstsucht.

PAUL: Klingt großartig. Und wie sollen wir denn dieses Wunder in uns fertigbringen?

GRAF: Durch einen einzigen Satz: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.

PAUL: Seit zweitausend Jahren kommt Ihr mit diesem probaten Rezept. Und wohin hat es die Menschheit damit gebracht?

GRAF: Fragen Sie lieber, wohin sie es ohne das gebracht hätte? Bringen wir doch endlich den Mut auf, diesen Satz zu leben: Und sehen wir dann zu, was daraus wird!

PAUL: Ich glaube nicht, daß ein Mensch sich ändern kann. Womit wollen Sie denn Ihren Anfang machen, Herr Graf? Ihr ganzes Geld hergeben — das könnte mir noch imponieren.

GRAF: Mir nicht — wenn das alles sein sollte.

Meine Überzeugung kostet mich immerhin noch eine Kleinigkeit mehr, als bloß mein Vermögen.

PAUL: Vielen fällt es leichter, ihr Leben als ihr Geld zu opfern.

GRAF: Und am allerschwersten opfern wir unsere Gewohnheiten und Vorurteile. Kaste, Klasse, Rasse, all dessen müssen wir uns entledigen, um des Größeren willen: ein Mensch zu sein. Wollen wir beide das nicht in diesem Augenblick versuchen? (Er streckt ihm die Hand hin) PAUL: (rührt sich nicht) Zu spät, Herr Graf. Das ist bloß noch eine unverbindliche Geste, ohne Zeugen und ohne Konsequenzen. Vor nichts habt'Ihr solche Angst, als vor den Massen und ihrer Erhebung. GRAF: Nicht meine Freunde und ich. PAUL: Gerade darum seid Ihr mit Eurem Widerstand gescheitert, weil Ihr so vornehm unter Euch geblieben seid. Weil Ihr glaubtet, man kann eine Revolution machen, ohne daß die Massen hinter einem stehen. Es ist kein Zufall, daß der Mann, der den Oberbonzen beseitigen wollte, ein Oberst ist, und noch dazu ein Adeliger genau wie sie. GRAF: Es mußte der Oberst sein, weil er, als einziger der zum Widerstand Entschlossenen, Zutritt zum Staatschef hatte. Aber Sie scheinen nicht zu wissen, warum er das Attentat in diesem Augenblick und unter den denkbar ungünstigsten Umständen unternahm? PAUL: Warum? GRAF: Weil er damit das Leben eines Mannes retten wollte, den das Regime mit dem Tod bedrohte. Des Mannes, der bis gestern früh mit Ihnen die gleiche Zelle teilte. PAUL: Das glaube ich nicht. GRAF: Des Mannes, der die zum Schweigen verurteilten sozialistischen Massen vertrat. Er sollte an entscheidender Stelle in der neuen Regierung stehen. Er ist auch mein Freund gewesen. PAUL: Beweisen Sie mir das! GRAF: Die Beweise finden Sie in den Prozeßakten unserer Henker. PAUL: (Pause) Ein Grund mehr, mir nicht die Hand zu reichen. (Fragender Blick des Grafen) Ich bin mitschuldig an dem Tod dieses Mannes. GRAF: Das müssen S i e mir beweisen. PAUL: Ausgerechnet Sie sollten nicht wissen, daß ich seinen Namen vor einem Spitzel aussprach, der ihn verraten haben soll? GRAF: Ein Gerücht ist kein Beweis. PAUL: Der andere Sozialist wurde nicht verhaftet, — das ist der Beweis. GRAF: Diese Last kann ich von Ihnen nehmen. Auch der zweite Sozialist ist verhaftet. PAUL: (fassungslos) Seit wann ? I GRAF: Seit heute früh. PAUL: Woher wollen Sie das wissen? GRAF: Ich wurde ihm bereits gegenübergestellt. Offengesagt, ich bin überrascht, daß das gerade Ihnen nicht bekannt ist. PAUL: Warum? Ich wurde heute nicht mehr vernommen. GRAF: Aber Ihr Zellengenosse, der uns eben verließ. Er wurde mit ihm noch vor mir konfrontiert. PAUL: (Die Knie des baumstarken Mannes scheinen zu wanken. Er wendet sich ab.) GRAF -. (still) Es gibt Augenblicke, da auch ein Mann sich der Tränen nicht zu schämen braucht. PAUL: (wendet sich um. Die Augen brennen in einem Gesicht von durchsichtiger Weiße) Jetzt ist nicht mehr die Zeit für Tränen. (Er reicht ihm die gefesselten Hände) GRAF: (ergreift sie) Sehen Sie — das ist Ihr Anfang. PAUL: Nein, das ist mein Ende. GRAF: Unser physisches Ende wird zu einem Anfang, der unabsehbar ist, wenn wir ihm einen Sinn verleihen, der uns überlebt. (Die dumpfen Schläge kommen näher. Er horcht) Gefahr. Ich muß weiter. Machen Sie's gut, Kamerad. (Er schlüpft zur Türe hinaus.) PAUL: (betrachtet seine Hände, die sich langsam und unwiderstehlich zu Fäusten ballen.) (Dunkel) (Das sich nähernde dumpfe Klopfen, das uns an das Tamtam des Urwalds gemahnt, kündigt den Gerichtspräsidenten an, der nun vom Licht erfaßt wird.) PRÄSIDENT: (hält vor einer Zellentüre. Das Klopfen verstummt.) Zwonullvier. (Sieht im Häftlingsverzeichnis nach) Könnte ganz amüsant werden. (Er öffnet. Das Licht läßt eine verlassene Pritsche und einen Hocker sichtbar werden) Seine gräfliche Gnaden nicht da? Merkwürdig. Während des Alarms. Na, ja, ist schließlich nicht meine Sache. Auch im besten Zoo ist vorübergehend mal ein Käfig frei. (Sieht wieder ins Verzeichnis) Haben ja noch andere Attraktionen. Zwohundertsechsundzwanzig. Hirschkuh mit Kälbchen. (Er setzt sich wieder in Bewegung, mit ihm das Klopfen, daß ihm voraus läuft.) PRÄSIDENT: (Hält vor einer Türe und klopft an) Darf man, gnädige Frau? FRAU: Herein! Herein! Herein! (In gleichem Maße wie sich die Zellentüre öffnet, blendet die Pritsche auf, auf der sie, mit angezogenen Füßen, die Hände über den Knien verschränkt, sitzt.) PRÄSIDENT: (tritt ein) „Du mußt es dreimal sagen. * Es geht doch nichts über eine allgemeine literarische Bildung. Dank für die schmeichelhafte Begrüßung. FRAU: (rührt sich nicht) Schmeichelhaft? PRÄSIDENT: Aber natürlich. Immerhin erscheine ich mit dem Kavaliersdegen, nicht mit Pech und Schwefel... (Blickt zum Himmel) Das überläßt man heutzutage anderen. Apropos, ich habe mir eine kleine Aufmerksamkeit erlaubt . . . (zieht ein Parfümfläschchen hervor) . . . „Chanel numero cinq" . . , Sie preferieren gewiß ein herbes Parfum. FRAU: Danke. Ich könnte mich nicht revanchieren. PRÄSIDENT: Sagen Sie das nicht. (Setzt sich auf den Hocker, schlägt die Füße übereinander) Um im Bilde zu bleiben — wie steht's denn mit unserem Pakt?

FRAU: (lächelt undefinierbar)

PRÄSIDENT: Ihre ungewohnte Liebenswürdigkeit läßt auf das längst fällige Einverständnis schließen. Es ist ja eine solche Kleinigkeit. Mir müssen Sie nicht einmal etwas unterschreiben. Nur sagen — ein einziges Wort.

FRAU; Ein Fläschchen parfümeriertes Wässer . . . mehr haben Sie also nicht zu bieten...der Teufel ist auf den Hund gekommen ... PRÄSIDENT: Unsere literarische Quelle weiß es besser. Es ist die Stärke des Teufels, daß er immer -das Richtige zu bieten hat. FRAU: Dann sind Sie eben nicht der Teufel.

PRÄSIDENT: Es wird sich zeigen.

FRAU: Ja. (Sie lächelt)

PRÄSIDENT: Ich freue mich über Ihre gute Laune. Hoffentlich vergeht sie Ihnen nicht.

FRAU: Nicht, solange ich Sie sehe.

Darf Was ist denn PRÄSIDENT: ich nicht auch mitlachen? so komisch an mir?

FRAU: Es gibt nichts Lächerlicheres, als zu sehen, wie jemand, der sich für ungeheuer stark und mächtig hält, in Wirklichkeit ganz machtlos und erbärmlich ist.

PRÄSIDENT: Ja, ja. Es ist allerdings ein ausgesprochenes Zeichen von Machtlosigkeit, daß ich das Leben Ihres Mannes in meinen Händen halte.

FRAU: (verliert die Kontrolle über sich und bricht in ein lautes Lachen aus) a PRÄSIDENT: (hat sich erhoben und verschränkt die Arme) FRAU: (versucht sich mühsam zu beruhigen) Sehen Sie, jetzt hat es sich gezeigt, daß Sie nicht der Teufel sind. Der ist nämlich kein Betrüger. Der verspricht nichts, was er nicht mehr besitzt. PRÄSIDENT: (verliert einen Augenblick die Fassung) Wer hat es Ihnen gesagt?

FRAU: Sehen Sie, wie schwach und machtlos Sie sind! Wissen Sie immer noch nicht, daß man von mir nichts erfährt? Auch dann nicht, wenn man den Menschen schon ermordet hat, mit dessen Leben man mich zu erpressen sucht?

PRÄSIDENT: (hat sich schon wieder in der Gewalt) Jetzt ist Ihnen doch das Lachen vergangen. Dafür fühle ich mich ungemein erleichtert. Wie freundlich, daß mir jemand diese traurige Botschaft ahnahm Ich hatte begreiflicherweise einige Hemmungen.

FRAU: Ich weiß ja, wie zartfühlend Sie sind.

PRÄSIDENT: Nicht wahr? Aber auch an meiner Ehrlichkeit sollten Sie nicht zweifeln. Meine Proposition bestand darin, die Begnadigung Ihres verehrten Gatten zu erwirken, falls Sie uns zuvor den Namen seines Hauptkomplizen bekannt geben. Sie haben es bedauerlicherweise nicht rechtzeitig getan — RAU: Bedauerlich für Sie — PRÄSIDENT: Für Sie, Gnädigste, — für Sie. Ihr Mann war nämlich so überaus freundlich, den Namen selbst bekannt zu geben — FRAU: Eine Lüge! Wieder eine Lüge!

PRÄSIDENT: (vorwurfsvoll) Oh! Nur keine Angst — sein hehres Bild soll in Ihrem Seelchen nicht verdunkelt werden. Er hat es nicht etwa gestanden, nein bewahre! Aber er hat eine so reizende kleine Angewohnheit — Ihnen muß ich sie ja nicht verraten — wer sollte es besser wissen, daß er zuweilen im Schlaf ein wenig plaudert — FRAU: — noch eine Lüge mehr!

PRÄSIDENT: Wirklich? Warum verlieren Sie dann plötzlich Ihren bewährten Sinn für Humor? Mein Gott, der Arme — wie begreiflich, wenn man monatelang aus Vorsicht tagsüber kein einziges Wort spricht. Dann muß man sich wenigstens im Schlaf erleichtern. FRAU: Strengen Sie sich nicht an. Ich glaube Ihnen kein einziges Wort.

PRÄSIDENT: Wie immer, habe ich den Beweis an der Hand. Sie müssen sich bloß einige Schritte weit mit mir bemühen, dann können Sie Ihren alten sozialistischen Kampfgenossen in einer Zelle wohl-verwahrt begrüßen.

FRAU: (das erstemal mutlos und müde) Ich verzichte.

PRÄSIDENT: Wirklich schade, daß wir den Namen nicht von Ihnen hatten. Unter diesen Umständen besaß natürlich Ihr Mann keinen Wert mehr für uns als Kompensationsobjekt.

FRAU: Natürlich. Wie sollte ein Menschenleben für Euch Wert besitzen?

PRÄSIDENT: Zuweilen doch. Ich habe einen neuen Vorschlag für Sie.

FRAU: Wir haben miteinander nichts mehr zu sprechen.

PRÄSIDENT: Sie irren, meine Beste. Ich kann Sie ganz einfach als meine Vertraute nicht entbehren. Sehen Sie, wir haben jetzt zwar auch den zweiten sozialistischen Chef. Aber der hohe Herr scheint womöglich noch schweigsamer zu sein, als Ihr seliger Gatte — so . nachdrücklich“ er auch heute befragt wurde. (Sie schlägt die Hände vor's Gesicht) Und auf Träume möchte ich mich doch nicht immer verlassen. Wir haben es nämlich schon ein wenig eilig. Wie wäre es, wenn Sie uns nun sagten, welcher ehrenwerte Gentleman eigentlich so umsichtig war, die Verbindung zwischen den biederen Vertretern des Proletariats und der blaublütigen Aristokratie herzustellen, die unserem bescheidenen Hause gegenwärtig ebenfalls die Ehre gibt?

FRAU: (reagiert nicht)

PRÄSIDENT: (immer im Ton zartester Rücksicht) Dafür wären wir bereit, Ihnen zu beweisen, daß wir entgegen Ihrer Meinung, ein Menschenleben sehr wertzuhalten wissen.

FRAU: fantwortet nicht)

PRÄSIDENT: Sie sollten nicht ein zweites Mal den gleichen Fehler begehen. Wir sind reelle Geschäftsleute: Keine Ware ohne Gegenleistung.

FRAU: (uninteressiert) Sie haben ja nur noch mich auf Lager. Wenn Sie es genau wissen wollen: Diese Ware hat für mich jeden Wert verloren.

PRÄSIDENT: Wirklich? Ich ehre und achte die Trauer der Gattin.

Aber haben Sie vergessen, daß Sie auch noch Mutter sind? Daß wir noch etwas anderes in unserem Assortiment vorrätig haben?

FRAU: (erhebt sich. Pause) Weder Gott noch Teufel hat es je vollbracht, eine Mutter mit dem Leben ihres Kindes zu erpressen.

PRÄSIDENT: Meine Beste. Ich glaube nicht an Gott, also kann ich auch nicht der Teufel sein, denn der müßte ihn ja kennen. Ich bin Geschäftsmann, weiter nichts. Und mit Gott kann man nicht Geschäfte machen.

FRAU: Ihr jetziges Geschäft besteht also darin, mein Kind umzubringen, wenn ich nicht zum Verräter werde ...

• PRÄSIDENT: Sie sollten nicht solche Kolportageliteratur, wie die Bibel lesen, das verdirbt die Phantasie. Seit Betlehem sind immerhin zweitausend Jahre Kultur über uns dahingegangen. Wer denkt denn heutzutage noch an Kindermord? Nein, das Leben eines Kindes ist uns heilig. Wenn der Staat ihm Mutter und Vater wird, lassen wir ihm die ausgewählteste Erziehung angedeihen, die nur unsere Elite genießt.

FRAU: Die Elite der Halsabschneider und Mörder ...

PRÄSIDENT: Wie unhöflich. Immerhin müssen Sie zugeben, von einer Erpressung kann keine Rede sein. Auch wenn Sie nein sagen, geschieht Ihrem Kinde kein Leid — im Gegenteil. Sie sind also ganz frei in Ihrem Entschluß.

FRAU: (mit den Händen’an den Schläfen, verwirrt) Ich muß morgen in Ruhe darüber nachdenken.

PRÄSIDENT: Ich bedaure wirklich unendlich. Aber Sie sind heute so außerordentlich vergeßlich. Es ist Ihnen noch eines entfallen. Es gibt für Sie kein Morgen mehr.

FRAU: (starrt ihn an)

PRÄSIDENT: (freundlich) Aber natürlich. Wir hatten es doch so abgemacht, nicht? Sie dürfen Ihr Kind noch abstillen, dann sagen wir uns adieu. Der Arzt hat heute festgestellt, daß die schöne Quelle der Natur am versiegen ist. Daher ließ ich es mir trotz des Alarms nicht nehmen, Ihnen aus alter Sympathie noch einen Abschiedsbesuch zu machen und Sie zu beruhigen, was die Zukunft Ihres Kindes betrifft. FRAU: Also: ich sterbe morgen früh ...

PRÄSIDENT: (liebenswürdig)... ein etwas harter Ausdruck...

FRAU: . . . und wenn ich bis dahin unsere Freunde nicht verrate, so wird das Kind meiner Familie weggenommen und zum Verbrecher erzogen ...

PRÄSIDENT: ... immer diese Uebertreibungen ...

FRAU: (plötzlich aufatmend)... aber Gottlob, werdet Ihr keine Zeit mehr dazu haben. Ihr seid bald am Ende.

PRÄSIDENT: Auch diese Möglichkeit ist einkalkuliert. Die Kinder bekommen natürlich andere Namen. Man wird sie nie mehr wiederfinden.

FRAU: (sinkt auf den Stuhl. Tonlos) Und wenn ich es sage?

PRÄSIDENT: Dann verschieben wir die Hinrichtung. Das Kind wird in Ihrer Gegenwart einem Mitglied Ihrer Familie übergeben. Falls gewünscht, werden gleichzeitig für beide Paß und Fahrkarte ins neutrale Ausland ausgehändigt. Das gibt Ihnen jede erdenkliche Sicherheit.

FRAU: (denkt fieberhaft nach) Noch etwas. Woher weiß ich, daß Sie mich nicht wieder belügen? Vielleicht ist auch das Kind schon tot?

Ich habe es seit früh nicht mehr gesehen.

PRÄSIDENT: Schon wieder Betlehem . . . Wenn Sie ja sagen, können Sie es sofort haben Sonst nicht mehr. (Pause)

FRAU: (entschlossen) Gut. Schicken Sie mir das Kind und lassen Sie es mir noch eine Stunde... damit ich von ihm Abschied nehmen kann, — aber ungestört. Dann können Sie sich die Namen holen kommen.

PRÄSIDENT: (seine Augen leuchten im Triumph auf)

Sie sollen sehen — ich verstehe, großzügig zu sein. (Er verläßt die Zelle)

FRAU: (langsam versinkt ihr weißes Antlitz im Dunkel) Ich auch... (Das Klopfen beginnt wieder, aber diesmal erfaßt das Licht Otto, der von den Warnungssignalen den Gang entlang getrieben wird.) OTTO: (öffnet so schnell wie möglich die Türe seiner Zelle und schlüpft hinein. Wischt sich den Schweiß von der Stirne) Verdammt nochmal, man kommt nirgends durch. (Sieht nach Pauls leerer Pritsche) Scheint auch getürmt. Das kann heiter werden. (Setzt sich aut die Pritsche) PAUL: (steht im Dunkel an der Wand) Warum bist Du zurückgekommen? OTTO: (fährt zusammen) Dumme Witze... Der »Tiger“ streicht im Haus herum. PAUL: Hat er Dich zurückgeschickt? OTTO: Wieso? Ich habe in einer Zelle seine Stimme gehört. .. PAUL: Wo? OTTO: Bei Maria ... (unterbricht sich, beißt sich auf die Lippen i PAUL: (als hätte er nicht verstanden) Bei wem? OTTO: Bei ... bei der Frau vom Richard. PAUL: (langsam) Woher weißt Du denn, daß die Maria heißt? OTTO: Was? Hab'ich das gesagt? PAUL: (mit unheimlicher Ruhe) Du hast Maria gesagt OTTO: Heißt Sie denn wirklich so?

PAUL: Du hast Maria gesagt.

OTTO: (harmlos) Zufall. Oder ich hab's mal wo aufgeschnappt... PAUL: Ja. Das hast Du wohl.

OTTO: (will ablenken) Hörst Du?

PAUL: Was?

OTTO: Schritte. (Pause. Man hört tatsächlich Schritte) Der . Tiger*. (Die Schritte kommen im Dunkel näher. Halten. Die beiden starren zur Türe. Sie ötfnet sich.)

OTTO: Wer ... wer sind Sie? l VATER: (ist mit seinem Sack auf dem Rücken eingetreten) Der Schuster des letzten Dienstes, mit Verlaub. Aber man nennt mich „Vater* hier im Haus. Bin hilfsbereit. Sehr hilfsbereit. (Holt aus dem Sack zwei in Zeitungspapier eingewickelte Gegenstände)

OTTO: (starrt ihn an) Was wollen Sie?

PAUL: (ruhig) Das übliche.

VATER: (reicht ihm ein Päckchen) Kleine Aufmerksamkeit PAUL: Was ist das?

VATER: Stulle mit Wurst. Tut gut. (Packt die Schnitte aus)

PAUL: (nimmt sie) Danke. (Setzt sich auf den Hocker)

VATER: (hat die andere ausgepackt, will sie Otto geben) Meine Spezialität.

Otto: (heftig) Hab'keinen Hunger.

VATER: (legt sie auf die Pritsche) Kommt noch. Kommt noch. Wurst ist rar heute. (Holt Holzpantoffeln aus dem Sack. Kniet bei Paul nieder)

Nichts für ungut. (Beginnt ihm die Schuhe auszuziehen)

PAUL: (kaut) Merkwürdige Beschäftigung, Vater. Beneide Dich nicht.

VATER: Man gewöhnt sich in vierzig Jahren.

PAUL: Und warum machst Du's? Gehörst doch nicht zum Personal?

VATER: Eben. Manchmal macht's auch der Scharfrichter oder die Gehilfen. Aber dann toben oder weinen die Klienten. Wenrrich komme, bleiben sie ganz ruhig. Und das -ist besser — für beide. (Er hat ihm die Pantoffeln übergestreift und steckt die Schuhe in den Sack)

Besten Dank. Die Jacke hol'ich mir, bis sie Dich entfesseln.

PAUL: Warum kommst Du denn schon jetzt, während des Alarms?

VATER: Werd'sonst nicht fertig. Viele Kunden heute, sehr viele.

(Hat ein zweites Paar Pantoffeln hervorgeholt. Kniet bei Otto nieder.)

Mit Verlaub.

OTTO: Scher'Dich zum Teufel.

VATER: Möcht'ich oft gerne. Das Hierbleiben ist schwerer. Sei vernünftig, ich mein's gut. (Will seine Schuhe aufbinden)

OTTO: Rühr'mich nicht an!

VATER: Es ist besser für den Zweck. Wenn Du mich's nicht machen läßt, dann ... machen's andere mit Gewalt.

OTTO: Nicht bei mir, ich behalt'meine Schuhl VATER: Ich hab'meinen Urlaub unterbrochen, um Euch diesen Dienst zu erweisen. Mach's mir nicht schwer... (Er will ihm die Schuhe ausziehen)

OTTO: (gibt ihm einen Fußtritt, daß er zurücktaumelt) Kommt bei mir alles nicht in Frage!

PAUL: Schwein!

VATER: Das... das macht man nicht mit einem alten Mann. (Er rappelt sich mühsam auf, klaubt die Pantinen zusammen und nimmt das Wurstbrot zurück) Die Wurst spar'ich mir vom Mund ab für Euch. Jetzt... jetzt wird man's Dir anders besorgen. (Er schließt die Zelle ab und schlurft mit seinem Sack davon.)

PAUL: /bleibt im Folgenden unheimlich ruhig) Jetzt hab'ichs endlich gesehen, daß Du ein Kämpfer bist.

OTTO: Hätt'er mich in Ruh gelassen.

PAUL: Eben. Kommt ja alles bei Dir nicht in Frage.

OTTO: (unruhig) Du weißt ja, ich.. ich wart'immer noch auf die Begnadigung.

PAUL: Ich weiß. Alles weiß ich jetzt.

OTTO: Wieso?

PAUL: Du warst doch gestern und heute beim Arzt, nicht?

OTTO: Ja, ich — PAUL: Du hattest Bauchweh, ich weiß. Hätt'ich auch, wi Deiner Stelle. Ist der „Tiger'ein guter Arzt?

OTTO: Was meinst Du eigentlich?

PAUL: Ich meine, daß der Präsident sehr wirksame Mittel hat, wie? Jetzt hast Du ihn ja eben wieder gesucht, Deinen Freund. Schade, daß er gerade bei Maria war.

OTTO: Du bist nicht recht im Kopf.

PAUL: Aber teuer sind diese Mittel. Verflucht teuer. Kann man mit Geld nicht bezahlen. Man muß statt dessen erzählen, was andere tun und reden — sogar dann, wenn sie schlafen, in ihren Träumen. OTTO: (immer angstvoller) Du bist wirklich verrückt geworden. PAUL: Ja, man könnte verrückt werden dabei, daß es einer fertig-bringt, seine Genossen nicht nur zu verraten, sondern auch noch die letzten Worte ihrer Todesnacht preiszugeben.

OTTO: Ich weiß überhaupt nicht, wovon Du redest?! Ich hab'geschlafen, vorgestern nacht.

PAUL: Woher weißt Du denn dann, daß Richards Frau Maria heißt? Erst in der Todesnacht hat er von ihr gesprochen, und von seinem Freund, dem zweiten Sozialisten. Monatelang haben sie den vergeblich gesucht. Und jetzt können sie ihn verhaften, gleich, nachdem Du Dich „zum Arzt'gemeldet hast!? Genau wie damals, als man Richard holte, weil Du von mir seinen Zunamen hörtest! Purer Zufall, wie?!

OTTO: (außer sich) Herrgott nochmal, warum hätt'ich das denn alles tun sollen? Ich bin ja selbst verhaftet worden ...

PAUL: ... um uns auch noch im Gefängnis weiter zu bespitzeln. Nur deshalb hat man uns alle drei in eine Zelle gesperrt.

OTTO: Das ist alles Wahnsinn. Ich bin ja zum Tod verurteilt, genau, wie Ihr...

PAUL: Ja. Darauf warst Du nicht gefaßt. So hatte Dich der „Tiger* weiter in der Hand. Und konnte aus Dir rausholen, was er wollte. Er hat Dir die Begnadigung versprochen, nicht?

OTTO: Alles nicht wahr. Du siehst ja, man hat mich nicht begnadigt! PAUL: Nein. Das wäre zu sehr aufgefallen. Aber Deine Hinrichtung soll nur zum Schein vollzogen werden, wie?

OTTO: (immer hoffnungsloser in der Enge) Du, Du ...

PAUL: Sonst hättest Du dem alten Mann ja ruhig Deine Schuhe lassen können. Zu dumm, wenn man knapp vor Torschluß die Nerven verliert.

OTTO: Red', soviel Du willst. Ich sag'nichts mehr.

PAUL: Gibt auch nichts mehr zu sagen, Genosse aus der Zentrale.

Nur liegt diese Zentrale nicht so weit im Osten, sondern hier im gleichen Haus.

OTTO: Schluß jetzt.

PAUL: Richtig. Schluß. (Er nähert sich ihm langsam)

OTTO: (weicht zurück) Was willst Du?

PAUL: Vorhin war ein Mann da, der wollte einen guten Christen aus mir machen Zum Glück bin ich's noch nicht. Ich halte nichts von Vergebung. Ich bin für Gerechtigkeit. Und zwar noch hier auf Erden.

OTTO: (ganz an die Wand gedrängt. In panischer Angst.) Ich kann doch nichts dafür!

PAUL: Wer denn?

OTTO: Ich hab'an sie geglaubt. An all das Gute, das sie unserem Volk versprachen ... dabei wollt'ich mithelfen — PAUL: Durch Verrat und Verbrechen?

OTTO: Es kommt auf das Endziel an. Meinst Du, Deine Freunde im Osten machen's anders?

PAUL: Das hoffe ich. Wenn Sie's wirklich auch so machen, dann bim ich nicht mehr mit dabei.

OTTO: (gehetzt) Mir blieb nichts anderes übrig. Sie kamen mir auf eine alte Geschichte und drohten mir mit Entlassung und Lager. Ich hab'Frau und Kinder zu Haus.

PAUL: (bedrohlicher) Und ich nicht? Und Richard — dessen Frau und Kind Du in die Todeszelle brachtest?!

OTTO; (hält schützend die Arme vor.) Hilfe!! Hil... PAUL: (streckt ihn mit einem einzigen, gewaltigen Hieb der gefesselten Fäuste nieder.) (Aul dem Gang werden Schritte hörbar. Der Präsident eilt herbei, hält dann unschlüssig an, blickt durch die Türluke.) PAUL: (steht unbeweglich. Pause) Keine Angst. PRÄSIDENT: (öffnet) Im Allgemeinen pflegt man vor mir Angst zu haben. PAUL: Ich nicht, das wissen Sie. Jetzt können Sie mich ja zweimal hängen. GEFÄNGNISGEISTLICHER: (ist indessen hereingekommen, kniet bei Otto) Man muß sofort den Arzt... Es sieht aus, wie Schädelbruch ... PRÄSIDENT: (leichthin) Tatsächlich? (zu Paul) Da haben Sie uns aber eine große Arbeit abgenommen. PAUL: (sieht ihn an) PRÄSIDENT: Im Ernst, wir sind Ihnen sehr zu Dank verpflichtet Der gute Junge hätte uns morgen Schwierigkeiten machen können. PAUL: (schwer) Er war sicher, daß ihm nichts geschieht. PRÄSIDENT: Hat mich auch einigen Schweiß gekostet, ihn davon zu überzeugen. Aber angesichts des Henkers, fürcht'ich, wären ihm gewisse Zweifel gekommen ... PAUL: Ihr hättet ihn auch . . .? I Aber er war ja Euer Spitzell PRÄSIDENT: (vergnügt) Danke für die freundliche Mitteilung. Und Sie glauben, wir sind so erpicht auf Zeugen? Was wir getan oder nicht getan haben, wollen wir der staunenden Nachwelt selber überliefern. Die übrigen tun am besten daran, nichts gesehen und nichts gewußt zu haben. GEFÄNGNISGEISTLICHER: (erhebt sich und verläBt die Zelle) PRÄSIDENT: (ihm nach auf den Gang. Schiebt den Riegel vor) Wohin, wenn man fragen darf? GEFÄNGNISGEISTLICHER: (hält inne) Den Arzt holen, selbstverständlich. PRÄSIDENT: Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Herr Pastor. Zurückkommen brauchen Sie nicht mehr. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ich habe heute Nacht noch einige Besuche zu machen. PRÄSIDENT: Genug herumgeflattert, verehrter Seelenschmetterling — GEFÄNGNISGEISTLICHER: Verschiedene Häftlinge wünschen das Heilige Abendmahl. PRÄSIDENT: — genug genippt und genascht. Besonders an den weiblichen Blüten .... GEFÄNGNISGEISTLICHER: Diese Art von Verdächtigungen können mich nicht treffen .... PRÄSIDENT: Bewahre, wie könnte es Ihresgleichen treffen, ein Mann zu sein. Aber zum Zuträger verbotener Nachrichten, -dazu langt es wohl, nicht? Besagte Dame war etwas erregt, nachdem Sie sie verlassen hatten. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Sie hat die Todesnachricht nicht von mir erhalten. Leider. Ich schäme mich dafür. PRÄSIDENT: Na ja, das Schämen ist auch Euere besondere Stärke. Wissen Sie was, von jetzt an schämen Sie sich im stillen Kämmerlein. Das eignet sich besonders gut dafür. GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ich erhebe Einspruch, Herr Präsident... PRÄSIDENT: Soviel Sie nur wollen . . . und damit wir künftig Ihre zarten Flügel schonen, wollen wir vorläufig eine kleine Wache vor ihrem Dienstraum aufstellen. Bitte nur vorauszuflattern — (Sie sind nicht mehr im Licht) PAUL: (steht noch immer unbeweglich da und starrt auf seine Hände) .... meine Gerechtigkeit .... (Zugleidi mit dem Licht wandert sein Blick zum Toten, der zu seinen Füßen liegt. Dann versinkt die Zelle im Dunkel.) GEFÄNGNISGEISTLICHER: (steht wieder am Bühnenrahmen) Von nun an war ich unter Bewachung, bis zum Morgengrauen. Nur bruchstückweise sollte ich erfahren, was sich inzwischen noch begab. Bis ich das alles ein wenig geordnet habe, dann .... dann will ich versuchen, weiterzuberichten. (Nun ist die Bühne ganz dunkel. Im Zuschauerraum wird es langsam hell.)

Pause. (Das Licht im Zuschauerraum ist wieder erloschen. Eine ferne Turm-uhr schlägt zwei. Die Gestalt des Präsidenten blendet auf. Er sieht aut seine Taschenuhr, dann wirft er mißbilligend einen Blick gegen den Himmel. Indessen hat das Licht auch den General erfaßt, der, auf dem Hodcer eingeschlummert, mit dem Kopf auf der Pritsche liegt.) PRÄSIDENT: (schließt aut und tritt ein)

GENERAL: (fährt auf)

PRÄSIDENT: Verzeihung, ich wäre untröstlich, gestört zu haben. Aber da sieht man eben die wahren Helden. Während wir erbärmlichen Zivilisten vor den Bomben zittern, die nicht kommen wollen, schläft ein Soldat in jeder Lage — sogar auf einem imaginären Konzertflügel.

GENERAL: Das Zittern glaube ich Ihnen nicht ganz — Herr Präsident. PRÄSIDENT: Und ich Ihnen nicht das Schlafen, Herr General. Ich hätte Ihnen zum Zeitvertreib ja liebend gern einen Steinway herein-stellen lassen. Aber ich weiß, Sie spielen mit Vorliebe Mozart — und dann muß ich immer weinen. Das könnte hier leicht zu Mißverständnissen führen.

GENERAL: (ebenso liebenswürdig) Ich hoffe, ich bedarf hier nicht noch lange eines Zeitvertreibes.

PRÄSIDENT: Dessen bin ich sogar sicher.

GENERAL: (hat sich erhoben, verbeugt sich leicht) Sie bringen mir mein Urteil, Herr Präsident?

PRÄSIDENT: Ihr Urteil wird erst morgen gefällt. Wer sollte es besser wissen, als Sie, daß man das Reglement einhalten muß.

GENERAL: Allerdings. Ich dachte nur ....

PRÄSIDENT: Ein reiner Privatbesuch.

GENERAL: Hocherfreut. Darf ich bitten .... (weist auf die Pritsche) PRÄSIDENT: Doch nicht auf Ihrem Instrument. Könnte einen Mißton geben.

GENERAL: Schwerlich. Ich darf Ihren Besuch zweifellos als gutes Omen nehmen. PRÄSIDENT: (lä& iell ermunternd) Vielleicht ....

GENERAL: Es ist kaum anzunehmen, daß Sie mich privat aufsuchen würden, wenn nicht mein Freispruch bevorstünde .... PRÄSIDENT: Ja — das ist kaum anzunehmen ....

Worüber ich mir noch nicht ganz klar bin, das ist lediglich die Urteils-begründung. Vielleicht könnten Sie mir da ein wenig unter die Arme greifen.

GENERAL: Die Begründung? Was kann die für Schwierigkeiten bieten . . . . ? Bringen wir es auf die einfachste Formel: Ich habe immer meine Pflicht getan — ich war stets meinem Eid getreu. PRÄSIDENT: (undurchsiditig) .... Ihrem Eid getreu .... GENERAL: Das hat die Verhandlung eindeutig nachgewiesen. Ich hatte nichts mit dem Attentat zu tun, ja ich lehnte es rundweg ab, an irgendwelchen Aktionen gegen das Staatsoberhaupt teilzunehmen — in welcher Form auch immer.

PRÄSIDENT: (träumerisch) Ja, Sie lehnten rundweg ab ... . aber da ich privat hier bin, darf ich Sie mal ganz entre nous etwas fragen? Wer ist Ihrer Ansicht nach mehr schuldig: Die Kugel, die ihr Ziel erreicht, oder der Heckenschütze, der sie abgefeuert hat? GENERAL: Ich bin sonst nicht gerade phantasielos, aber hier verstehe ich nicht den Zusammenhang ....

PRÄSIDENT: Ist nur der Mörder schuldig an einem Mord, oder nicht auch die, welche ihm die Überzeugung beibrachten, daß seine Tat etwas Notwendiges oder gar Heroisches sei?

GENERAL: Verzeihen Sie, aber es wäre absurd, das auf mich zu beziehen.

PRÄSIDENT: (charmant) Allerdings — ein großer Stratege sieht die Fäden des Zusammenhangs etwas genialer, als ein einfacher kleiner Staatsgerichtspräsident. In meinen bescheidenen und vielleicht etwas kurzsichtigen Augen zeigt sich die Sache etwa so: Der Mordbube ist ein Oberst des Generalstabs. Ein solcher untersteht, wenn mich nicht alles täuscht, dem Generalstabschef. Dieser aber kritisiert und mäkelt und ketzert an allem herum, was sein oberster Kriegsherr anordnet und unternimmt. Und schließlich wagt es dieser Chef des Generalstabs, mitten in einem Kampfe, der um Leben und Tod des Volkes geht, sein Amt einfach zur Disposition zu stellen. Bei einer niedrigeren Charge bezeichnet man so etwas als Fahnenflucht .... GENERAL: Herr Präsident ....

PRÄSIDENT: (mit eisiger Ironie) .... bei einem General aber steht so etwas selbstverständlich niemals im Bereich der Möglichkeit. Und da sagt sich so ein einfacher Oberst: Wenn mein Chef der geniale Stratege aus der Zeit unserer großen Siege, gezwungen ist zu gehen, und wenn nun Rückschlag auf Rückschlag folgt, dann kann die Schuld einzig und allein bei jemand anderem liegen: Nämlich beim obersten Kriegsherrn. Und der nächste logische Gedanke lautet: Der Staatschef muß weg. — Oder ist das etwa nicht logisch, mein Verehrtester?

GENERAL: (seine Überlegenheit gerät ins Wanken) Ist das tatsächlich die Schlußfolgerung des Präsidenten unseres höchsten Gerichtshofes? PRÄSIDENT: Sie vergessen immer wieder, daß ich privat hier bin, so privat, daß es der Staatsgerichtspräsident nicht einmal wissen darf. GENERAL: Dann ist es mir erlaubt, Ihnen jetzt ebenfalls ganz privat zu sagen, was ich mir mit Rücksicht auf die Öffentlichkeit vor Gericht versagte:

Glauben Sie, es ist mir leicht gefallen, von einem Amt zurückzutreten, das die Erfüllung eines ganzen Lebens war? Vor diesem Entschluß lagen unzählige schlaflose Nächte voll drückender, übermächtiger, immer unabweisbarer werdender Sorgen .... PRÄSIDENT: Ach, und Sie glauben, der Staatschef hat diese schweren Sorgen nicht?

GENERAL: Es sind seine Maßnahmen, die sie verursachen, und für die ich die Verantwortung nicht mehr übernehmen kann. Dieser Kampf nach allen Seiten, von dem es gerade früher immer hieß, er müsse unter allen Umständen vermieden werden, diese wahnwitzige Ausdehnung der Fronten, und vor allem die sinnlose, selbstmörderische Aufopferung unserer Mannschaften, die man zwingt, in Positionen zu verharren, die längst verloren sind .... PRÄSIDENT: Und Sie, Herr General, Sie hätten das alles vermeiden können ....

GENERAL: Ja. Aber auch für Argumente, die jedem militärischen Fachmann selbstverständlich sind, fand ich kein Gehör. Daher blieb nichts anderes, als der Rücktritt. Er ist mir schwer genug gefallen.

PRÄSIDENT: Interessant, interessant. (Immer liebenswürdiger) Wenn wir schon entre nous sind, Verehrtester, schlage ich vor, noch offener zu sein. Wenn schon, denn schon. Sie sagen, Ihre Argumente seien jedem militärischen Fachmann selbstverständlich. Folgt daraus nicht logisch, daß unser oberster Kriegsherr vielleicht ein Laie, ja sogar ein militärischer Dilettant ist?

GENERAL: Man kann leider nicht leugnen, daß Sie diese Bezeichnung nicht als erster brauchen.

PRÄSIDENT: (strahlend) Ah — jetzt beginnen wir uns zu verstehen. Es ist doch nichts herzerfrischender als Offenheit. Wenn der Staatschef also ein militärischer Dilettant ist, seine Anordnungen wahnwitzig, sinnlos, selbstmörderisch, wie Sie so treffend sagen, wieso habt Ihr verantwortungsbewußten, genialen militärischen Fachleute dann von ihm Euere Armee aufbauen und Euch in Euere Ämter einsetzen lassen? Warum seid Ihr dann frischfröhlich unter ihm in diesen Krieg gezogen?

GENERAL: Es gab eine ganze Reihe von Generalen, die vor diesem Krieg mit allem Nachdruck warnten. Man hat sie abgesetzt, kaltgestellt, sogar in den Tod getrieben.

PRÄSIDENT: Stimmt, die gab es. Aber sind Sie nicht gerade über die Schulter dieser Männer behende in Ihr hohes Amt geklettert? Haben nicht Sie die genialen Feldzugpläne entworfen, nach denen unsere Armeen siegreich den ganzen Kontinent erstürmten? Da gibt es doch wohl nur zwei Möglichkeiten: Entweder war alles was geschah, wirklich so dilettantisch, sinnlos, wahnwitzig und selbstmörderisch, wie sie zu sagen belieben — und Ihr Fachleute habt es bloß zu Beginn nicht gemerkt. Wart dann nicht Ihr selbst die unfähigen Dilettanten und fällt dann nicht auch alles andere auf Euch zurück?

GENERAL: Mir war von Beginn an klar, daß ....

PRÄSIDENT: .... oder Ihr wußtet von Anbeginn, wie es kommen muß, und habt geschwiegen und mitgemacht, solange alles gut ging, solange es Siegesfeier auf Siegesfeier gab, Orden und Titel und Ehrensolde. Wart Ihr dann nicht charakterlos und ehrlos und käuflich von allem Anbeginn? (Sanft) Wie stellen Sie sich als Fachmann zu dieser Ansicht eines kleinen militärischen Laien?

GENERAL: (Pause) Herr Präsident, unter Offizieren müßte man auf solche Unterstellungen mit der blanken Waffe Antwort geben, aber PRÄSIDENT: .... was hab'ich doch für ein Glück, daß ich nichts bin als ein kleiner, satisfaktionsunfähiger Zivilist. Der sieht in seiner Beschränktheit die Sache eben so: Wer mittut, solange es gut geht, und sich davonmacht, wenn schwere Zeiten kommen, ist ein Feigling und Verräter. — Aber, wie gesagt, das ist ja nur die unmaßgebliche Ansicht eines Dilettanten. • GENERAL: (erkennt die tödlidie Gefahr. Versucht das Heft wieder in die Hände zu bekommen)

Herr Staatsgerichtspräsident, ich glaube wirklich, Sie sind sich dessen nicht voll bewußt, in welch tragischen, unlösbaren Konflikt ein hoher Offizier heute getrieben wird. Auf der einen Seite stehen Pflicht, Gehorsam, der geleistete Eid. Auf der anderen die Einsicht, daß die Führung dieses Krieges je länger, desto mehr das Verderben unseres ganzen Volkes ist. Zwischen diesen Mühlsteinen war ich gezwungen, meinen Weg zu gehen.

PRÄSIDENT: — den Weg des faulen Kompromisses, meinen Sie?

GENERAL: (beherrscht sich mühsam) Nicht meine Meinung entscheidet hier, sondern die Ihre. Herr Präsident. Und darum frage ich Sie als Juristen, auf dem Gebiete, wo Sie Fachmann sind:

Was bedeuten diese fragwürdigen Vorwürfe angesichts des erwiesenen Tatbestandes, daß ich am Attentat unbeteiligt bin, ja daß ich es ausdrücklich abgelehnt habe . . . . ? I PRÄSIDENT: Ausgezeichnet. Sie haben die Beteiligung am Attentat abgelehnt Das heißt, Sie haben davon gewußt. Und dennoch haben Sie Ihren obersten Kriegsherrn von dem Plan weder unterrichtet, noch ihn auch nur gewarnt. Juristisch nennt man das Mitwisserschaft, Vorschubleistung, Beihilfe.

GENERAL: (die mühsam bewahrte Fassung stürzt zusammen)

Aber das ist ja der reinste Wahnsinn. Niemals stand es für mich im Bereiche der Möglichkeit, daß aus diesem unverantwortlichen Gerede tatsächlich etwas Ernsthaftes — PRÄSIDENT: Wie sollte es Ihresgleichen auch für möglich halten, daß jemand konsequent sein kann ....

GENERAL: Sie stellen die Dinge geradezu auf den Kopfl PRÄSIDENT: Moment, ich bin nicht fertig. In diesem Hause befindet sich noch ein hoher Offizier: die Kreatur, die es gewagt hat, den Staatschef anzurühren. Man hat ihn gestellt, in die Ecke getrieben und zusammengeschlagen, wie es einem tollen Hund gebührt. Und morgen geben wir ihm den Gnadenstoß. Aber das möchte ich Ihnen noch zum Abschied sagen: Er handelte, wie ein tollwütiger Hund seiner Natur nach handeln muß, und hatte wenigstens den Mut, zu beißen. Sie aber zogen es vor, aus der sicheren Loge dem tödlichen Theater zuzusehen, um abzuwarten, wer der Sieger bleibt. (Türe auf) Nur sind die Logenplätze leider bei uns aufgehoben. Keiner ist mehr Zuschauer, sondern jeder Akteur. Mein Kompliment, Herr General.

(Der Riegel fällt zu.)

GENERAL: (schlägt an die Türe) Ich protestiere, ich verlange einen anderen Richter, ich gehöre vor ein Militärgericht ....

PRÄSIDENT: (bereits unsichtbar, vom Gang) Wir alle stehen jetzt an der Front, Herr General, wir alle sind jetzt Militär ....

GENERAL: (trommelt wie wahnsinnig an die Türe) .... Hätten wir Euch nur beizeiten unschädlich gemacht .... Sie gehören an meine Stelle, Sie, nicht ich ... . (Während das Toben des Generals langsam verklingt, erscheint in einer Zelle die Gestalt des Grafen, der eilig eine Türe schließt) GRAF: (unterdrückt) Verzeihen Sie, daß ich eindringe, ab'er es ist Gefahr im Anzug.

(Hier stehen zwei Pritschen im rechten Winkel zueinander. Auf der einen sitzt der Professor)

PROFESSOR: (sensibel, nervös) Sind Sie auf der Flucht?

GRAF: Nein, die Wache ließ mich für eine Weile aus der Zelle. Der Lärm auf dem Gang überraschte mich. Ich weiß nicht was das ist . . . (Der General ist verstummt. Man hört nun wieder das warnende Klopfen)

PROFESSOR: Bleiben Sie vorsichtshalber noch da. (Pause)

GRAF: (tritt zum Fenster)

PROFESSOR: Unerträglich, das lange Warten auf den Angriff heute. Das frißt mehr an den Nerven als der Angriff selbst. Wo bleiben die nur so lange?

GRAF: Vielleicht kommen Sie gar nicht mehr. Vielleicht gilt der Angriff einer Nachbarstadt.

PROFESSOR: Warum entwarnt man dann bei uns nicht?

GRAF: Sie können uns noch auf dem Rückweg anfliegen. PROFESSOR: Wenn sie nur schon da wären.

GRAF: Nun — in Gesellschaft ist ja das Warten leichter. PROFESSOR: (bitter) Gesellschaft .... Der junge Mann würdigt mich keines Wortes. Deshalb hat man uns zusammengesperrt. Eine sehr wirkungsvolle Art von Strafverschärfung.

GRAF: (wendet sich um) Sie sprechen nicht miteinander — angesichts des Todes?

PROFESSOR: Wie Sie sehen. Er war einmal mein Lieblingsschüler. GRAF: (zum Studenten) Warum tun Sie das?

PROFESSOR: Lassen Sie ihn. Er antwortet doch nicht. STUDENT: (Hockt mit dem Rücken zum Professor auf der Pritsche. Etwa dreiundzwanzig, getrieben von leidenschaftlicher Impulsivität, aber überschattet von Bitterkeit und schwerstem Erleben.)

Ich antworte sehr gern. Jedes lebende Wesen teilt sich gerne mit.

Nur nicht Menschen, die man verachtet.

GRAF: Sie verachten einen Mann vom Range Ihres Lehrers?

STUDENT: Das erstaunt Sie, was? Wie kann man das bloß, wenn man jahrelang im Hörsaal zu Füßen des großen Gelehrten saß, der niemanden so bevorzugte wie mich, an niemanden soviel seiner kostbaren Zeit verwandte, der mich sogar mit nach Hause nahm . . . .

Wie undankbar und niederträchtig bin ich doch, nicht wahr?

GRAF: Ich höre.

STUDENT: Um so schlimmer, wenn man bedenkt, daß dieser Lehrer uns seine Wissenschaft auf festem ethischem Grunde vermittelte, daß er uns lehrte, es gäbe keine Wahrheit, die nicht zugleich gut und schön sei.

PROFESSOR: Ein triftiger Grund mich zu verachten.

STUDENT: Und dieser hochverehrte Lehrer, der so bedingungslos und rein für das Gute kämpft, beginnt nun die innerste Welt seiner Schüler zu erschüttern: den Glauben, daß sein Vaterland das Gute will ....

PROFESSOR: Ich habe niemals das Vaterland dem Tyrannen gleichgestellt ....

STUDENT: Damit meint er den Staatschef, und alle, die ihm ergeben sind. Alles, was uns bis dahin stolz gemacht hatte, daß Millionen arbeitsloser Hände sich wieder freudig regen durften, daß unser Land aus der Erniedrigung wieder zur freien Gleichberechtigung emporgestiegen war, daß es sich ein Heer zu seinem Schutze schuf — das alles prägte der große Soziologe in das Gegenteil, ins Böse um. Denn nach seiner These diente das alles nur einem einzigen verbrecherischen Ziel: Der Vorbereitung eines Angriffskrieges.

GRAF: (Setzt sich auf den Hocker, sehr still) Der Krieg ist gekommen. STUDENT: Ja, er ist gekommen, und wir begannen unserem Lehrer zu glauben. (Setzt sich auf) Aber nun kommt das Seltsame: Der gleiche kompromißlose Kämpfer gegen das Böse nimmt kurz vor dem Kriegsausbruch eine hohe Position im Außenministerium an, ja, er wird Berater des Ministers, den er uns oft genug als präpotenten Dummkopf bezeichnet hat.

PROFESSOR: Ja, ich nahm an. (Erhebt sich) Weil man mich beschwor, es zu tun, weil man hoffte, durch meinen Einfluß könne es gelingen, den Krieg doch noch zu verhüten ....

STUDENT: Er hat ihn nicht verhütet, aber er blieb — auch während des verbrecherischen Krieges. Man flüsterte, er hoffe eines Tages selbst Minister zu werden.

PROFESSOR: Dann hätte ich diesen Krieg beizeiten beendet. Dessen können Sie sicher sein. Statt dessen wurde ich kalt gestellt. Denn meine Ratschläge waren unwillkommen.

STUDENT: Was tut ein Mann von Charakter, wenn er kalt gestellt wird und merkt, daß ihn sein Chef nicht haben will? Er geht. Aber mein Lehrer der Ethik tat etwas anderes. Er blieb. Und benützte die Beziehungen und den Deckmantel seines Amtes, um mit dem Feind Verbindung anzuknüpfen. Wie nobel, wie ethisch, wie sittlich einwandfrei!

PROFESSOR: Alles, was ich tat, diente der Sache des Friedens. (Geht unruhig umher) Es galt, ihn zu erreichen, solange noch unsere Kraft und Substanz vorhanden war, solange Aussicht auf günstige Bedingungen bestand. Das Hindernis auf diesem Wege ist unser eigenes Regime. Darum muß man es bekämpfen, aus allen Möglichkeiten und aus der geeignetsten Position.

STUDENT: Ja — durch Doppelzüngigkeit und durch Verrat. Wir haben kein Recht, die eigene Niedertracht aus der Niedertracht der anderen herzuleiten. Wenn man sich schon für einen kompromißlosen Kämpfer hält, so muß man offen dafür einstehen, auch wenn man dabei zugrundegeht.

PROFESSOR: Es geht um etwas Größeres — daß unser Volk nicht zugrundegeht ....

STUDENT: Was haben Sie denn mit alldem erreicht? War das Ausland bereit, mit Ihnen und Ihren Freunden zu verhandeln? PROFESSOR: Es war nicht einmal mehr bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es auch in unserem Volke Männer gibt, die für die Menschlichkeit und Freiheit kämpfen. Soweit ging schon die Flut des Hasses, die wir entfesselt hatten. Das war die allerbitterste Erkenntnis, daß niemand so einsam und verlassen ist, wie der, der es versucht, den Haß zu überwinden.

STUDENT: Man verhandelt nicht mit jemandem, der keinerlei Auftrag dazu besitzt. Da haben Sie das Fazit Ihrer Haltung: Die Männer vom Widerstand wollen nichts von Ihnen wissen, weil sie im Dienste des Regimes standen, und das Regime hängt Sie auf, weil Sie es verraten haben.

PROFESSOR: (Setzt sich, sein Kopf neigt sich tief herab, leise) Und der liebste Mensch, den ich hatte, speit mir noch vorher ins Gesicht STUDENT: (Pause, tritt zum Grafen) Ich wüßte gerne, was Sie dazu sagen. Ich kenne Sie nicht, aber Sie gehören zu den wenigen Menschen, die einem offen in die Augen sehen.

GRAF: (Kleine Pause) Es gilt nicht immer zu reden — zuweilen ist es viel wichtiger, zuzuhören. Und dann sich selber Fragen zu stellen. STUDENT: Und was fragen Sie sich jetzt?

GRAF: Ich frage mich, wie Sie, der erbarmungslose Richter, selbst ms Haus des Todes kamen, in die gleiche Kammer mit dem Gerichteten, und das im Kleide des Soldaten? STUDENT: Im Kleide des Soldaten. Sehen Sie, das war meine Antwort auf den Konflikt, in den ich geworfen war, wie er. Auch ich glaubte nicht an die Notwendigkeit des Krieges. Kein Mensch, der nicht dem Trommelfeuer der Propaganda erlegen ist.

GRAF: Und Sie fanden nicht, daß man diesem Unheil entgegen treten muß?

STUDENT: Es ist besser, ein großes Unheil über sich ergehen zu lassen, als sich selbst untreu zu werden. Ich kann mich nicht an der Niederlage meines Vaterlandes freuen, ich kann nicht zu ihr beitragen und damit Millionen Kameraden in den Rücken fallen, die nichts anderes tun als ihre Pflicht. Für mich gab's keinen anderen Weg, als an die Front, dorthin, wo es keine Halbheiten und Hinterhältigkeiten gibt, wo das volle, unerbittliche Schicksal und die Freundschaft allein das Gesetz des Handelns bestimmen. Ich mußte mittragen an der Last und an dem Schicksal der anderen.

GRAF: Und wieso führte Sie dieser Weg von der Front hierher? STUDENT: Ich wurde einem Regimentsstab zugeteilt. Wir hielten eine Stadt umzingelt, die ausgehungert werden sollte. Da kam in meine Hände ein Befehl, daß auch auf die Zivilisten und Kinder, die versuchen könnten, auszubrechen, geschossen werden müsse. Ich wies auf die Völkerrechtswidrigkeit des Befehles hin und weigerte mich, ihn weiterzuleiten. Man machte mich darauf aufmerksam, daß auf Befehlsverweigerung die Todesstrafe stehe. Ich beharrte. Man verhaftete mich, und ich sollte vor ein Militärgericht. Da geschah das Attentat. Auf höchsten Befehl wurden sämtliche Militärgerichte aufgelöst. Nur noch der Staatsgerichtshof war zuständig. So kam ich hierher. Die Anklage lautet nicht mehr auf Befehlsverweigerung, sondern auf Sabotage und Hochverrat.

PROFESSOR: Genau wie die meine ....

GRAF: Standen Sie schon vor Gericht?

STUDENT: Der Termin war angesetzt. Aber beim letzten Angriff gingen meine Akten in Flammen auf. Ich muß bis zu ihrer Wiederherstellung warten.

PROFESSOR: Das geht vielleicht noch wochenlang. Ich hoffe, daß er auf diese Weise durchkommt. Bis dahin sind wahrscheinlich die Verbündeten hier.

STUDENT: Ich wünsche mein Leben nicht der Niederlage meines Vaterlandes zu verdanken. Ich bin kein Hochverräter.

PROFESSOR: Und doch wird man Sie als solchen verurteilen, wenn es zur Gerichtsverhandlung kommt.

STUDENT: Das weiß ich. Und darum hat das Leben für mich seinen Sinn verloren. (Wendes sich ab)

GRAF: Darf ich etwas fragen? Was geschah nach ihrer Weigerung mit dem Befehl betreffs der Zivilisten, Frauen und Kinder?

STUDENT: Es hat ihn einfach ein anderer weitergeleitet. Ich habe eingesehen, daß es unsinnig ist, sich einer unbarmherzigen, toten Maschinerie entgegenzuwerfen. Fazit: Ich sterbe für nichts. (Pause. Kauert sich auf seiner Pritsche zusammen)

GRAF: (sehr zart) Wenn wir glauben, für nichts zu sterben, so heißt das, daß wir mit unserem Tod nicht fertig werden.

STUDENT: Und Sie werden damit fertig?

GRAF: Ich versuche es.

STUDENT: Wie, wenn ich fragen darf?

GRAF: Indem ich mich bemühe, mit mir selbst ins Reine zu kommen. Den Prozeß, der alles entscheidet, müssen wir im eigenen Herzen führen. Aber ehrlich und bis in die letzte Konsequenz. STUDENT: Ich habe beides versucht.

GRAF: Nein, Sie sind davongelaufen.

STUDENT: Ich?

GRAF: Sie haben sich geflüchtet in die Anklage gegen einen anderen, der sich nicht mehr zuschulden kommen ließ als Sie: Nämlich, daß er kämpfte, vielleicht mit den falschen Mitteln und auf dem falschen Posten, und dabei scheiterte.

PROFESSOR: Lassen Sie ihm doch wenigstens den Trost, etwas Besseres als ich zu sein.

STUDENT: Den Beweis sind Sie mir noch schuldig.

GRAF: Das Erlebnis an der Front traf Sie als etwas Ungeheuerliches und Unerwartetes. Aber es war unausbleiblich und logisch. Andere waren wider Willen gezwungen, Grausameres und Unmenschlicheres zu tun, als bloß den Befehl dazu weiterzuleiten. Sie müssen den Mut haben, konsequent zu Ende zu denken: Was ist das für ein Vaterland, das für Sie zur toten, unbarmherzigen Maschinerie werden konnte?

STUDENT: Es ist immer noch mein Vaterland.

GRAF: Ja, es ist unser aller Vaterland. Aber es ist entehrt und geschändet.

STUDENT: Deshalb müssen wir es nur noch inniger lieben. GRAF: Ja. (Erhebt sich) Und diese Liebe gebietet uns vor allem, das Erniedrigte wieder aufzurichten und das Entehrte zu reinigen. STUDENT: Wie kann ein Einzelner das tun?

GRAF: Nur der Einzelne kann es. Was ist das Vaterland? Ist es durch Grenzen bestimmt? Die ändern sich. Durch Sprache oder Rasse? Viele Sprachen und Rassen bilden oft ein Vaterland und zuweilen teilt sich die gleiche Sprache in zwei Völker. Es ist der große Gleichklang von Millionen einzelner Seelen, verbunden durch ein gemeinsames Ideal. Stirbt dieses, dann stirbt früher oder später auch das Vaterland.

STUDENT: (bitter) Zuerst der Einzelne. Zum Beispiel ich.

GRAF: (tritt zu ihm) Wie soll das Orchester rein klingen, wenn die Instrumente verstimmt sind? Stimmen wir die Instrumente; reinigen wir uns selbst.

STUDENT: Versuchen Sie es, mich zu stimmen, wenn Sie können. Das Instrument ist nichts mehr wert.

GRAF: Die menschliche Seele ist ein umso edleres Instrument, je demütiger und elender sie wird. Und zwei Töne vermag jede zu spielen, die der Wahrhaftigkeit und Liebe.

STUDENT: Ich bin niemals wissentlich unwahrhaftig und lieblos gewesen, und mit mir Millionen anderer junger Menschen. Wir haben für wahr gehalten, was man uns sagte, wir glaubten damit unser Land zu lieben.

GRAF: Ich klage nicht an. Niemand darf den anderen richten. Darum wehrt Euch, wenn Fremde Euch einst richten sollten, die über sich selbst noch nicht Gericht gehalten haben. Aber führen wir umso unerbittlicher den Prozeß im eigenen Herzen. (Steht über ihm) Wir strebten nach Ruhm, Größe, Ehre, Macht. Wir glaubten uns edler, fähiger und zur Herrschaft über andere bestimmt, die wir als minderwertiger verfolgten, ja zu Tode brachten. Wo blieben Wahrheit und Menschlichkeit? Und schließlich täuschten wir uns vor, wir seien bedroht und griffen zu den Waffen.

STUDENT: Das alles ist nicht mehr rückgängig zu machen. Was hat es für Sinn, im Vergangenen zu wühlen?

GRAF: Wie können wir die Zukunft bauen, wenn wir mit der Vergangenheit nicht fertig werden? Wie sollen wir die alten Fehler vermeiden, wenn wir sie nicht einmal erkennen? Wir haben die Wahl: Wollen wir in der Selbsttäuschung beharren und damit weiter unsere Seelen vergiften? Oder wollen wir an uns selbst die Reinigung vollziehen und damit uns und unseren Kindern ein volles, neues Leben schenken? (Pause)

STUDENT: Ich möchte jetzt nicht antworten. Ich möchte darüber nachdenken. Lange nachdenken.

GRAF: Wenn Sie darin zur Klarheit kommen, bekommen Tod und Leben einen neuen Sinn.

STUDENT? Auch der Tod ...?

GRAF: Das Leben als Probe der Bewährung. Der Tod als Anfang, nicht als Ende ...

PROFESSOR (leise) Möge er im Gegensatz zu uns noch viel Zeit zum Nachdenken und zur Bewährung haben. (Klopftöne)

GRAF: Ich muß weiter. (Zur Türe)

PROFESSOR: Ich danke Ihnen. Das Schweigen wird jetzt leichter fallen.

GRAF: (nickt ihm zu und verläßt die Zelle. Der Riegel klickt zu)

STUDENT: (stockend) Sie müssen mir vieles nachsehen, Professor ...

PROFESSOR: (leise) Wir wollen schweigen... (Langsam werden Professor und Schüler wieder vom Dunkel umfangen, in dem sie uns nun geborgen scheinen.) (Datür flammt an anderer Stelle, in einer eben geöffneten Türe, die Gestalt des Präsidenten auf.)

PRÄSIDENT: Ah — Hochwürden erflehen gewiß gerade den Zorn des Allmächtigen auf mein frevelhaftes Haupt. Bitte — ich stehe zur Verfügung. (Erst jetzt erfaßt das Licht den sich eben erhebenden Piarrer, der es nicht schätzt, von irgendjemand, also auch nicht von uns, kniend gesehen zu werden.)

PFARRER: (still) Was wollen Sie noch hier?

PRÄSIDENT: Vielleicht hoffte ich, bei Ihnen den Gott zu finden, den Sie so oft im Munde führen. Es muß sehr angenehm sein, mit ihm auf so vertrautem Fuß zu stehen. Vielleicht könnten Sie mich noch zu ihm bekehren? Das wäre doch ein großartiges Happy-End, noch schöner, als die Märtyrerkrone auf dem tonsurierten Köpfchen?

PFARRER: (Setzt sich schweigend auf den Hocker)

PRÄSIDENT: Wie angenehm. — Ein Pfarrer der schweigt, wenn er keine Antwort weiß, ist noch immer besser, als einer, der mit Bibelsprüchen um sich wirft.

PFARRER: Wozu Menschen antworten, die gar nicht ernsthaft fragen ...

PRÄSIDENT: Sie unterschätzen mich. Ich frage sehr ernsthaft: Wo ist Ihr Gott? Warum sieht er zu, wie Sie geschlagen, wie Sie hingerichtet werden? Warum führt er Sie nicht heraus aus dem Gefängnis? Warum duldet er all diese Ungerechtigkeit?

PFARRER: Gott ist mit mir. In all meiner Schwäche und meinen Leiden. Und er beantwortet alles, früher oder später. Wenn Sie Fragen an ihn haben, müssen Sie zuerst lernen, wie man mit ihm zu sprechen hat.

PRÄSIDENT: Aber Ihr Katholiken habt doch einen Stellvertreter Gottes auf Erden. Und Sie, der Priester, sind doch wieder ein Stellvertreter dieses Stellvertreters. Wenn Sie also meine Fragen nicht beantworten, entsteht dann nicht der Verdacht, daß auch Ihr Gott schweigen könnte? (Er hat spielerisch das Kreuz mit dem Rosen-kranz ergriffen, das auf der Pritsche lag.)

PFARRER: Wenn Sie Gott nicht zu hören vermögen, dann schweigt er allerdings — für Sie. Es gibt auch einen schweigenden Gott. Er kann es sich leisten, zu schweigen. Denn Sie fallen doch einmal in seine Hand. Es kommt nur darauf an, ob es die Hände des Vaters oder die des Richters sind.

PRÄSIDENT: Merkwürdig — ich zittere noch immer nicht. Wenn es Ihren lieben Gott wirklich geben sollte, dann ist er scheinbar abwesend? (Er fährt genießerisch mit der flachen Hand über das leere Kreuz)

PFARRER: Ja, Gott ist abwesend. Fortgegangen aus dem Leben derer, die ihn daraus vertrieben haben. Denn er drängt sich niemandem auf. Aber dieser abwesende Gott spricht schweigend eine harte, unüberhörbare Sprache. Für ihn sprechen die weinenden Mütter und Frauen und der Hunger der verwaisten Kinder. Für ihn sprechen Feuer und Schwefel, die vom Himmel fallen.

PRÄSIDENT: Auf Sie, wie . auf mich — da sitzt der Haken. Für den Geschmack eines Juristen eine etwas fragwürdige Auffassung von Gerechtigkeit.

PFARRER: Es trifft die Unschuldigen mit den Schuldigen. Denn lern Menschen ist es bestimmt, in Gemeinschaft zu leben — und jeder ist verantwortlich für den anderen. (Mit einem unerwarteten Griff der gefesselten Hände nimmt er den Rosenkranz wieder an sich) Das erhöht die Last der Schuldigen ins Unermeßliche.

PRÄSIDENT: Sie verwechseln die Rollen, Hochwürden. Ich bin Ihr Richter, nicht Sie der meine. An Ihnen ist es, endlich Beichte abzulegen. PFARRER: Was ich in dieser Stunde zu beichten habe, sind nicht Sie berufen, mir abzunehmen.

PRÄSIDENT: Der typisch christliche Cocktail — Demut, gemixt mit Heuchelei und Anmaßung: Wohl bekomm's — zum Glück bin ich der letzte, der Sie anhört.

PFARRER: Ich erwarte noch unseren Seelsorger. Selbst in diesem Hause hat jeder Anrecht auf die letzten Sakramente.

PRÄSIDENT: Gewiß, gewiß — im Rahmen der Hausordnung. Es sollte Sie doch stutzig machen, daß die göttliche Fügung sich auch hier wiederum gegen ihren Diener wendet. Daß der Angriff doch nicht kommen will und der Alarm gerade heute solange dauern muß, daß auch die äußerste Grenze der Besuchsstunde überschritten wird! Wie merkwürdig ., « PFARRER: (Erhebt sich) Sie wollen mir die letzte Tröstung verweigern ...?

PRÄSIDENT: Ich? Verweigern? Ich spreche lediglich von den Bestimmungen der Hausordnung.

PFARRER: Wie Euch doch immer daran gelegen ist, das Unrecht im Namen des Rechts zu begehen ...

PRÄSIDENT: Im Hause des zu Hängenden sollte man wedgr vom Strick, noch davon reden, was ihm dazu verhelfen hat. Das Unrecht im Namen des Rechts begehen — genau darin bestand Ihr Hochverrat.

PFARRER: Lassen Sie doch das Geschwätz vom Hochverrat. Es ist kein Publikum mehr da, das Ihnen glaubt Ich werde aus dem einzigen Grunde hingerichtet, weil ich meine Pflicht als Priester tat.

PRÄSIDENT: Ja — was für ein pflichtbewußter Priester, der die Gläubigen von der Kanzel herab gegen den Staat aufhetzt und zudem einem Mordbuben als Hehler dient.

PFARRER: Nachdem es mir im Laufe der Verhandlung nicht gelang, scheint es mir auch jetzt nicht mehr aussichtsreich, Ihnen das Wesen des Beichtgeheimnisses nahe zu bringen.

PRÄSIDENT: Aber unter uns, Verehrungswürdigster, ich begreife ja so gut, wozu ein Beichtstuhl gut sein kann. Wenn zu einem gewöhnlichen Sterblichen ein Mörder kommt und fragt: darf ich den X ermorden? Dann wird dieser überaus gewöhnliche Sterbliche nicht nur nein sagen, sondern auch zur Polizei laufen, so schnell ihn seine Beine tragen, um diesen Mord zu verhindern. Wenn aber der Mörder so schlau ist, sich zum gleichen Zwecke in einen Beichtstuhl zu begeben, dann erlebt er das Erstaunliche, daß dessen geweihter Inhaber erst acht Tage in noch geweihteren Schriften blättern muß, bevor er ihm die Frage mit einem schüchternen Nein beantwortet. Was denkt sich dann wohl so ein frommes Mörderlein? „Wenn es selbst der heilige Mann acht Tage lang nicht weiß, ob man morden darf oder nicht, da kann ich's mal ruhig wagen. Und was das Beste ist: Er sagt’s ja doch nicht weiter.“

PFARRER: Ebenfalls unter uns gesagt, Herr Präsident, ich bin erst jetzt zur Einsicht gekommen, daß ich damals wirklich falsch gehandelt habe.

PRÄSIDENT: Ei, ei.

PFARRER: Ja, als mein Beichtkind mich fragte, ob die Kirche es in der äußersten Not gestatte, einen Tyrannen zu töten, da antwortete ich mit Nein. Und ich legte ihm auf, anstatt dessen für die Bekehrung und das ewige Heil des Staatschefs und seiner Helfer vor Gott zu beten. Ob er es tat, weiß ich nicht. Hingegen wissen wir, daß er das Attentat nicht unternommen hat, sondern ein anderer. Seitdem aber habe ich Euch von Angesicht zu Angesicht erkannt und erfahren, daß man das Tier aus dem Abgrund'nicht bekehren kann. Und es stellt sich die Frage, ob man noch für eine Regierung von Lügnern, Wortbrüchigen und Mördern beten darf, die sich selbst an die Stelle Gottes setzt?

PRÄSIDENT: Aber warum haben Sie denn nicht schon in der Verhandlung so herzerquickend gesprochen? Das hätte mir das Urteil ungemein erleichtert!

PFARRER: Warum habe ich nicht schon im Beichtstuhl so gesprochen? Warum sagte ich nicht: Es gibt nur noch die Wahl, ob man Euch gehorchen will oder Gott, ob man um Verlängerung oder Beseitigung des Uebels betet, und ob man diesem Gebet entsprechend auch zu handeln wagt. In diesem Versäumnis, Herr Präsident, liegt meine Schuld.

PRÄSIDENT: Und Si e wollen einen anderen Beichtvater haben? Als ob es noch einen gäbe, der Sie überzeugender lossprechen könnte, als Sie, der Auserwählte Gottes selbst?! Ich wünsche gute Verrichtung! (Der Riegel klirrt zu. Die Zelle versinkt im Dunkel)

PRÄSIDENT: (steht einen Augenblick unschlüssig im Gang und blickt auf beide Richtungen. Dann geht er aut den Zehenspitzen, so leise er kann weiter, diesmal von keinem Klopfen begleitet. Auch das Licht kann ihn nur bis zum Ende des Ganges verfolgen, wo er uns entschwindet.) (So sucht der Strahl des Lichts die Frau auf, um deren Schicksal wir noch immer bangen.)

FRAU: (hält das schlafende Kind in den Armen. Auf ihrem Hocker gegen die Wand gelehnt, ist sie selbst vor Uebermüdung eingeschla-fen. Zögernd erst, dann mit vollem, wohllautenden Schlag ertönt der Morgenrui der Amsel. Maria öffnet die Augen.) Ja... ich komme.

Bist Du zur Stelle mich zu begleiten mit Deinem Lied? Es ist so fröhlich und voll Zuversicht. Das ist recht. Denn von jetzt an mußt Du es an meiner statt, morgens und abends, meinem Kinde singen, ja . . .

das versprichst Du mir...? Aber weck'ihn mir noch nicht. (Sie betrachtet das Kind) Wie konnte ich nur einschlafen — in der letzten, einzigen Stunde, da ich Dich noch habe. Wie konnte ich nur einen einzigen Blick versäumen, mit dem ich Dich noch ansehen darf? Und doch — es zwang mich etwas Unwiderstehliches über die Schwelle des Traumes, als ob er mir etwas zu sagen hätte.

Ich ging mit Richard über eine endlose, weiße Fläche, in dichtem Nebel und bei schneidender Kälte. Um uns heulte ein unbarmherziger Sturm, der mich taumeln ließ. Aber Richard hielt mich fest und stützte mich, sobald ich strauchelte. Dazu pfiff er ein frohes, ermutigendes Lied. Und an meiner Brust ruhte warm, wohlgeborgen das Kind. Da ... plötzlich ... trat mein Fuß ins Leere. Unter uns hatte sich der Boden geöffnet, gurgelte eine schwarze, tödliche Flut. Es waren Eisschollen, die unter uns in Stücke brachen. Wir versanken hilflos in einer unauslotbaren Tiefe. Mit letzter, übermenschlicher Kraft ergriff ich Dich, mein Kind, und warf Dich weit von mir, bis an das rettende Ufer. Und bevor uns vollends das eisige Wasser verschlang, da sah ich noch, wie Dich eine Gestalt schützend in die Arme nahm... aber ich konnte nicht unterscheiden, ob es meine Mutter war oder vielleicht der Engel des Herrn. (Sie schließt die Augen. Pause. Mit tiefer, hoffnungslosester Bitterkeit, die ihrer Stimme jeglichen Ausdruck nimmt.) Träume sind Schäume. Ich kann Dich nicht retten, mein Kind. Denn das Ufer, an dem ich Dich aussetzen müßte, gehört der Hölle, und der Dich dort erwartet, will einen seiner Teufel aus Dir machen. Das Grauenvollste aber wäre, daß Du es nicht einmal wüßtest, daß Du einer bist. (Pause. Ein schmelzender Triller der Amsel.) Dank für die Mahnung, mein Sänger. Ja, es wird Zeit. Wieviel schöner ist's doch und barmherziger, mein Kind, Dich mitzunehmen, dorthin, wo Dein Vater uns schon erwartet. — Es soll Völker geben, die glauben, daß ein Kind, das stirbt, zurückkehrt in den Schoß der Mutter. Das Schicksal macht's mir leicht, daß es Dich so fest schlafen läßt. — (Betrachtet das Kind.) Du süßes Antlitz, nun will ich Dich mit meiner ganzen Liebe an mich drücken, bis Du nicht mehr erwachst. So wie ich Dir den Atem gab, so will ich ihn jetzt wieder an mich nehmen — (sie will das Kind an ihrer Brust ersticken, als sie vor einer Gestalt zusammeniährt, die aus dem Dunkel auftaucht. Wie wir, glaubt sie zunächst, es sei schon der, den sie mit Grauen erwartet. Aber es ist „Vater', den sie in ihrer leidenschaitlichen Versunkenheit ebensowenig die Zelle betreten hörte, wie wir.) VATER: Gott der Herr bläst dem Menschen den lebendigen Odem ein, weißt Du das nicht? Nur er darf ihn wieder an sich nehmen. FRAU: Wer ... wer...?

VATER: (sanft) Darfst nicht vor mir erschrecken. Tut mir leid, daß ich so häßlich bin. Man nennt mich . Vater*.

FRAU: Ach. Sie ... ich weiß. Sie kommen zu jedem, der ... VATER: Ja. Gestern war ich bei Deinem Mann. Wir wurden Freunde. Er läßt Dir etwas sagen: „Sei nicht zu tapfer. Wenn wir nur auf uns vertrauen, vergessen wir die Barmherzigkeit Gottes in Anspruch zu nehmen, die größer ist, als alles.“

FRAU: Das läßt mir Richard sagen? „Nicht zu tapfer?“ Das erstemal, daß ich ihn nicht ganz verstehe ...

VATER: Du hast noch Zeit, es verstehen zu lernen.

FRAU: (bitter) Zeit...

VATER: Für die Erkenntnis reicht die Dauer eines Blitzes. Du hast noch fast zwei Stunden.

FRAU: Aber der Präsident...

VATER: (beginnt ihr von hinten behutsam den Haarknoten zu lösen) Der Tiger ist noch weit . . .

FRAU: Der Teufel, meinen Sie...

VATER: Tust ihm zu viel Ehre an. Ich hab'ihn auf einer Fährte gesehen, die er nicht lassen kann, weil er sie sonst verliert. Deiner glaubt er sich sicher.

FRAU: Was tun Sie denn mit meinen Haaren?

VATER: Ist wirklich schade, ja. (Der volle Strom ihrer Haare fällt auigelöst herab.) Hab'noch nie so schöne gesehen. (Er zieht eine Schere hervor.) Aber es ist Vorschrift. (Er beginnt ihr die Haare im Nacken abzuschneiden.)

FRAU: Man wird heute noch mehr als meine Haare.., VATER: (hält warnend den Finger an den Mund) Darüber spricht man nicht. Du sollst an Wichtigeres denken. (Fährt mit dem Haar-schneiden fort)

FRAU: Wichtigeres, als...?

VATER: Denk'daran, was Dir Dein Mann sagen läßt.

FRAU: Barmherzigkeit. Wie sinnlos. Hätte er alles gewußt...

VATER: Vielleicht wußte er mehr, als alles.

FRAU: Er wußte nicht, was unserem Kinde bevorsteht.

Vater: Und was weißt Du davon? Und von der Barmherzigkeit, die für Dein Kind bereitet ist?

FRAU: Hier helfen keine schönen Redensarten. Der Präsident will mir mein Kind nehmen und es unter anderem Namen zu einem von diesen Verbrechern machen.

VATER: Pst. Nicht so heftig. Sonst erwacht es und das wär’ nicht gut. Gar nicht gut. (Versorgt die abgeschnittenen Haare in seinem Sack)

FRAU: Am besten ist, wenn es nie mehr erwacht...

VATER: Was Du nicht sagst. Auch der Tiger ist nicht allmächtig.

FRAU: In diesem Hause ja, aus dem es kein Entrinnen gibt. Oder raten Sie mir, zur Rettung meines Kindes unsere Freunde an den Galgen zu liefern? Ist das Euere Barmherzigkeit?

VATER: (hat indessen zwei Holzpantoffeln aus dem Sack genommen, kniet bei ihr und zieht ihr die Schuhe aus.) Willst viel zu tapfer sein.

(Nimmt einen Holzpantoffel) Tut mir leid, hab'keine kleineren...

FRAU: Als ob das noch wichtig wäre...

VATER: Siehst Du, gerade das ist wichtig. Für viele große Pantoffeln braucht man einen großen Sack. Er war voll, als ich heute kam. Jetzt ist er halb leer. (Hat ihre Halbschuhe eingesteckt.) Hat noch viel Platz darin. Sehr viel. Sogar für ein schlafendes Kind.

FRAU: (starrt ihn an)

VATER: (Kramt im Sack) Die Schuhe zuunterst, und auf den Jacken liegt es sich weich, wie in einer Wiege.

FRAU: (begreift, fassungslos) Sie... Sie... wie könnten Sie...? VATER: (selbstverständlich) Da guckt keiner nach. Die wissen ja, was ich sonst drin hab'— Und es graut ihnen vor mir.

FRAU: Aber was ... wohin würden Sie denn mit ihm ...

VATER: (kichert) Hab'schon manche Kinder bei mir versteckt Besonders vom Volke Israel. Die brauchen heute auch Barmherzigkeit. Warum nicht Deines?

FRAU: Aber das ist doch Wahnsinn...

VATER: Wirklich? Und es ersticken wollen, ist keiner?

FRAU: Ich weiß nicht...

VATER: Du hast kein Vertrauen? (Er öffnet den Sack)

FRAU: Doch. Unbegreiflicherweise, aber...

VATER: Es bleibt nicht lang bei mir. Der Spuk ist bald vorbei. Dann bring'ich's Euern Eltern.

FRAU: Wissen Sie denn, wo ...

VATER: Ich hab'von Richard schon einen Brief für sie.

FRAU: Ach... (In der Ferne beginnt es zu klopfen)

VATER: Keine Zeit mehr. Der Tiger jagt...

FRAU: (ergreift das schlafende Kind und bettet es in den Sack.) VATER: (legt ihn behutsam aut seinen Rücken. Leise) Jetzt kann uns alle Tapferkeit der Welt nicht helfen, sondern nur noch Gottes Barmherzigkeit: Daß es nicht schreit, bis ich zu Hause bin. (Er schließt die Tür und trottet den Gang dahin ins Dunkel. Das Klopfen hält inne. Durch das Zellenfenster fällt das erste Dämmergrau. Die Amsel beginnt sieghaft zu schlagen.)

FRAU: (hebt den Kopf) Ja, Richard — jetzt kann ich zu Dir kommen, (Das Licht springt zur Gestalt des Grafen über, der eben eilends eine Türe erreicht und sie öffnet.)

GRAF: (atemlos) Endlich... ich... (sein Blick fällt auf den Mann, der im Halbdunkel auf seiner Pritsche ruht, mit dem Oberkörper gegen die Wand gelehnt. Sein Kopf ist notdürftig verbunden, die Kleider sind in Fetzen, alles verrät Spuren schwerster Mißhandlungen.) ... Verzeihung ... ich habe mich in der Zelle geirrt. OBERST: (Es dar! kein Stöhnen, überhaupt keinerlei Beschwernis hörbar sein. Es ist vielmehr, als habe diese Stimme alles Körperliche überwunden, so entmaterialisiert, aber auch so sicher ist sie.) OBERST: Doch ... ich glaube, Sie sind recht.

GRAF: Nein . . . Oberst . . . ?

OBERST: Endlich wieder ein Grund zum Lachen. Sogar die alten Freunde erkennen mich nicht mehr.

GRAF: (zu ihm gebeugt) Was hat man mit Ihnen getan . . . ? ! OBERST: Nichts Besonderes. Das übliche .... Ich hatte noch Glück. Es war verboten, mich auf Mund und Hals zu schlagen .... Sie erhofften doch von mir Mitwisser .... So blieb von mir wenigstens noch eines, meine Stimme — GRAF: (erschüttert) .... Was kann ich für Sie tun?

OBERST: Sie haben bereits alles getan. Schön, daß ich Sie doch noch wiedersehe .... Als ich Sie das letztemal zu Hause aufsuchen wollte, waren Sie bereits verhaftet So erfuhren Sie nicht einmal mehr meinen Plan. Nun gehen wir wohl in verschiedene Richtungen, — Sie sind entlassen?

GRAF: Wir gehen morgen den gleichen Weg. — OBERST: Sie — Sie sind doch unschuldig?

GRAF: Oh, nein. Ich wurde des schlimmsten Verbrechens überführt — des Denkens. Es wurde festgestellt, daß ich mit anderen Männern überlegt hatte, wie unser Vaterland nach unserer Niederlage zu retten und zu erhalten sei.

OBERST: Das ist alles?

GRAF: Es hieß: „Vorbereitung zum Hochverrat begeht, wer hochpolitische Fragen mit Leuten erörtert, die der Partei nicht angehören, wer sich ein Urteil über Fragen anmaßt, für die allein das Staatsoberhaupt zuständig ist, wer zwar selbst jede Gewalthandlung ablehnt, aber mit der Gewalt des Feindes rechnet. * Wir werden gehenkt, weil wir zusammen dachten.

OBERST: Lohnt es sich, darum zu sterben?

GRAF: Als ich mich vor einer Stunde zu Ihnen aufmachte, war ich dessen sicher. Jetzt weiß ich es nicht mehr.

OBERST: .... Wer zwar selbst jede Gewalthandlung ablehnt ....

Wenn ich Sie noch zu Hause angetroffen hätte, Sie hätten abgelehnt?

GRAF: Ja.

OBERST: Dann lohnt es sich nicht für Sie zu sterben.

GRAF: Und für Sie, Herr Oberst, lohnt es sich?

OBERST: „Ist unsere Zeit gekommen, so wollen wir ritterlich steiben um unserer Brüder willen und unsere Ehre nicht lassen zu Schanden werden. * Ich sterbe um unserer Brüder und ihrer Ehre willen.

GRAF: Oberst, darf ich . . . ich muß die Fragen meines Herzens in dieser entscheidenden Stunde vor Sie hintragen. Es werden die Fragen derer sein, die nach uns kommen.

OBERST: Fragen Sie.

GRAF: Sie haben sich auf die Bibel berufen. Und Sie haben versucht zu töten. Geht das zusammen?

OBERST: Es waren die Worte der Makkabäer. Sie zogen gegen die Feinde der Kinder Gottes. Wir alle sind Kinder Gottes. Und die Feinde sind zuweilen unter uns.

GRAF: Der Herr gebot uns, unsere Feinde zu lieben. Und Leiden mit Geduld zu tragen.

OBERST: Es ist gut, sich selbst im Leiden zu üben. Aber es kommt der Augenblick, da es uns verboten ist, bloß darin zu verharren: Dann nämlich, wenn es uns zur Bequemlichkeit gereicht, dem Leiden der Anderen tatenlos zuzusehen.

GRAF: Was bleibt uns übrig? Nur Gott darf seine Feinde zerschmettern. OBERST: Der Herr wirkt nicht Wunder, solange er durch uns wirken kann. Wir sind seine Instrumente. Gottes Sohn gab sich seinen Feinden dahin, aber vorher fegte er sie zum Tempel hinaus. Der liebende und strafende Gott, er ist ein Ganzes, mögen wir's auch nie begreifen. Sie hat er zur Stimme seiner Liebe gemacht, mich zu seinem Schwert. Wollen wir darum miteinander rechten? GRAF: Ich rechte nicht. Ich stehe mit geneigtem Haupt vor Ihnen da. Aber ich wollte, ich wäre frei von Zweifel. Wenn Sie Gottes Instrument gewesen sind, wie konnten Sie scheitern? Der Machthaber lebt. Er würde nicht leben, wenn es Gott nicht wollte. OBERST: Was sollte Gott mit dem Leben eines Menschen wollen, der ein ganzes Volk in den Abgrund führt?

GRAF: D a ß er es in den Abgrund führt. Damit das Volk, in der äußersten Tiefe angelangt, erkennt, daß es Zeit zur Umkehr ist. OBERST: Es gibt eine Tiefe der Schuld, in der es keine Umkehr, nur noch ein Ertrinken gibt. Um einem Volk dieses Äußerste zu ersparen, müssen manche seiner Söhne sich selbst zum Opfer bringen. Das war mir auferlegt und meinen Kameraden. Es ist nötig, daß wir sterben, damit unser Volk in uns aufersteht und wir in seinem Herzen.

GRAF: (setzt sich, entmutigt) Werden wir auferstehen? Werden die Männer, die uns töten, nicht zugleich auf unser Grab einen Berg von Schmach und Schande türmen? Wird sein Name nicht lauten: Eidbruch und Hochverrat?

OBERST: Gewiss werden sie das tun. (Er erhebt sich) Glauben Sie, der Kampf zwischen Gut und Böse macht an einem Grabe halt? Aber eines Tages wird eines unserer Kinder fragen: „War denn der Mann seinem Eide treu, der unserem Volk Frieden, Wohlstand und Ehre versprach, um ihm statt dessen Blut, Elend, Trümmer und Schande zu geben? * Und ein zweites wird fragen: „Muß man denn auch dem Bösen Treue halten? Heißt das nicht das Gute verraten? * Und ein drittes: „Haben denn alle dem Unrecht untätig zugesehen, haben sich wirklich alle mitschuldig gemacht, wie unsere Gegner sagen? * Und da wird der Sohn aufstehen, der bis zuletzt geschwiegen hat, und wird die Hand ausstrecken nach einem Hügel, der viele namenlose Gräber deckt, und wird nur ein Wort sagen:

Hierl (Still) Fürchten Sie nicht den Block der Lüge auf unserem Grab. Er ist federleicht für den Engel des Herrn.

GRAF: Ich bin kein Engel. Mich droht er zu erdrücken. OBERST: Das ist die dunkle Stunde vor dem Hahnenschrei.

Auch das gehört dazu.

PRÄSIDENT: (ist unhörbar in die Türe getreten) Wenn die Herren schon dabei sind Gethsemane zu spielen, mit verteilten Rollen, so folgt anschließend die Szene des Pontius Pilatus. Ich halte mich zu Diensten. Den Auftritt des Judas wollen wir vorläufig auslassen, da man über die Rollenbesetzung, scheint's, noch nicht einig ist.

Szenenwechsel. Darf ich bitten Herr Graf?

GRAF: Zu spät, Herr Richter. Der Urteilsspruch ist schon vorbei.

PRÄSIDENT: Ich sagte ja, wir haben gewisse Szenen nachzuholen.

Der Dialog unter vier Augen ist noch fällig.

OBERST: Tun Sie ihm den Gefallen, Graf. Er könnte glauben, wir hätten unsere Rollen nicht zu Ende studiert PRÄSIDENT: Danke für das gütige Entgegenkommen. Dafür will ich übersehen, daß sich ein Darsteller in die falsche Szenerie verirrte.

Nach Ihnen, Herr Graf ...

(Graf und Präsident verlassen die Zelle.)

OBERST: (bleibt unbeweglich zurück. Seine aufrechte, ragende Gestalt scheint uns, mißhandelt und geschändet, um so kostbarer, aber auch von äußerster Einsamkeit. Wir können lange nicht den Blick von ihr wenden, bis sie langsam von der Geborgenheit des Dunkels ausgenommen wird.) (Nun aber wenden wir, zugleich mit dem Licht, unsere Aufmerksamkeit wieder dem Graten und dem Präsidenten zu, die der Zellentüre zustreben, von welcher aus der Graf seinen Gang durch diese Nacht antrat.). PRÄSIDENT: (hält inne) Jetzt kommen sie. (Auch wir haben bereits das ferne Motorengebrumm vernommen) GRAF: Merkwürdig. Die Abwehr schweigt. PRÄSIDENT: Wir sparen unsere Munition immer für den entscheidenden Augenblick. (Er setzt sich wieder in Bewegung) Wozu schießen? Auf dem Rückflug haben sie keine Bomben mehr.

(Sie haben die Türe erreicht. Der Graf betritt als erster, aufrecht und ohne zu zögern, wieder die Zelle. Die Wellen des Motorengeräusches verschwinden und kommen unter dem Zwiegespräch, mit den Staffeln der heimfliegenden Bomber.)

PRÄSIDENT: (lehnt an die Türe an) Idi bin entzückt, Herr Graf, daß Sie mir vor Ihrer Abreise doch noch bei sich Gastfreundschaft gewähren. Es ist sozusagen eine Dankvisite, eine Revanche für Ihren Besuch bei mir, im Gerichtssaal. (Er setzt sich auf den Hocker) Wie angenehm, dabei nicht einmal zu riskieren, daß Sie mir Gleiches mit Gleichem vergelten. Sie sind ja Christ.

GRAF: (schweigt)

PRÄSIDENT: (bietet ihm Zigaretten an. Der Graf rührt sich nicht) Es liegt nämlich nahe, daß Sie mich nach dem Zweck meines Besuches fragen ....

GRAF: (schweigt)

PRÄSIDENT: Sie erwarten noch Ihre Frau, nicht wahr? Scheußlich, daß sie durch den langen Alarm nicht rechtzeitig durchgekommen ist. Nach der Hausordnung ist es natürlich jetzt zu spät, zu so fortgeschrittener Nachtstunde. Nun ich bin gekommen, Ihnen zu sagen, daß ich auf eigene Verantwortung eine Ausnahme machen möchte. Falls sie noch rechtzeitig vor der Urteilsvollstreckung eintrifft, werde ich sie persönlich zu Ihnen bringen.

GRAF: (schweigt)

PRÄSIDENT: Ich habe keinen Dank erwartet. (Pause. Zündet sich eine Zigarette an.) Sagen Sie, warum könnten zwei Männer wie Sie und ich eigentlich nicht zusammenfinden? Es ist vielleicht dazu noch nicht zu spät ....

GRAF: Was erwarten Sie von mir darauf für eine Antwort? PRÄSIDENT: Hoffentlich nicht: Apage Satanas. Wenn ich Sie nicht für orgineller hielte, hätte ich mich nicht hierherbemüht. In Ihrem Schlußwort sagten Sie, ich hätte Sie verurteilt, weil Sie gewagt hätten, zu denken. Das war ausgezeichnet formuliert. Gerade wegen dieser ungemein selten gewordenen Fähigkeit suche ich Sie auf.

GRAF: Finden Sie dieses Eingeständnis nicht riskant? PRÄSIDENT: Riskant? Sie können es ja nicht mehr weitersagen. GRAF: Diesen Vorzug teilen heute nacht mit mir noch andere Männer. PRÄSIDENT: Die sind uninteressant. Die mußten den Kampf gegen uns schon deshalb verlieren, weil sie gar nicht wußten, wofür sie kämpften. Es genügt nicht, gegen etwas zu sein, wenn man nichts Besseres an seine Stelle zu setzen hat.

GRAF: Es gibt Männer in diesem Hause, die für ein um so viel Besseres sterben, daß es sich wohl Ihrem Begriffsvermögen entzieht. PRÄSIDENT: Meinen Sie den einsamen Freiheitshelden, bei dem ich Sie eben fand? Eine kleine Nachgeburt von Wilhelm Teil, der verunglückte Tyrannenmörder, wie? Etwas vorsintflutlich, diese Einzelgänger im Zeitalter der Propaganda. Kommt mir vor wie ein Museumsstück.

GRAF: Allerdings, dieser Mann ist ein Einzelner. So sehr Ihr Euch auch bemüht habt, das Bild des Menschen in ihm zu schänden, so ist es doch, als sei es in ihm das erstemal wieder als Ganzes enthalten. All das -Gute, Wahre und Schöne, das einst in unserem ganzen Volke war, hat sich nun in diese wenigen, Einsamen, zurückgezogen. In ihnen ist es gerettet und aufbewahrt.

PRÄSIDNET: (sieht auf die Uhr, mit zustimmenden Grinsen)

Ja. Genau noch für eine Stunde, zwölf Minuten.

GRAF: Mögt Ihr sie auch töten, was von ihnen ausgeht, ist unvergänglich.

PRÄSIDENT: Hoffentlich erhält Ihnen Ihr Hergöttchen die Illusionen. Man wird schon deshalb von Euch nichts wissen wollen, weil Euer Tod wie ein Vorwurf auf die wirken wird, die es klugerweise vorziehen, zu leben.

GRAF: Genau das wollen wir: daß unser Volk weiterlebt, für das wir sterben.

PRÄSIDENT: Apropos, ich glaube, es wird draußen heller. Kommen wir zu uns. Warum kann man eigentlich nicht Christ sein und mit uns gehen? Unser Chef ruft den Allmächtigen immer öfter an. Gottes Segen wäre uns nicht unwillkommen. Ich fürchte sehr, Sie machen sich der Ketzerei schuldig, wenn Sie dem Kaiser nicht geben, was des Kaisers ist.

GRAF: Bitte unzensiert. Im gleichen Satz heißt es: Gott, was Gottes ist.

PRÄSIDENT: Aber bitte, bitte .... Sie werden sehen, daß wir sehr großzügige Verhandlungspartner sind. Unserer Einigung steht ja nichts entgegen. Die Priester hierzulande verkünden die gute alte Lehre, die Obrigkeit werde von Gott bestellt. Das findet unseren ungeteilten Beifall. Somit gibt es ja gar keine Reibungsmöglichkeiten: Uns die Erde, Gott und seiner Kirche das Jenseits. Sie müssen zugeben, Sie erhalten die größere Hälfte, räumlich wie zeitlich. Also, sind wir großzügig?

GRAF: Vor allem unlogisch. Von Gott bestellt, heißt es von der Obrigkeit, nicht wahr? Das bedeutet gleichzeitig Gott unterstellt. Sein Gesetz ist das aller irdischen Ordnung. Und diese Ordnung zu erhalten, ist der göttliche Auftrag der Obrigkeit. Wo die Obrigkeit sich diesem Gesetz entzieht, und den göttlichen Auftrag verleugnet, verliert sie ihren Anspruch auch auf unsere Gehorsamspflicht. PRÄSIDENT: Ein Rebell und Ketzerl Ich hab's ja gewußt. Denn Euere vortrefflichen Theologen sagen, daß nur Gott der Obrigkeit die Macht geben und nehmen kann, daß sie daher auf die Dauer ihrer Herrschaft gewissermaßen jenseits von Gut und Böse ist. Besitzen wir also die Macht, so ist das der unumstößliche Beweis, daß wir unseren Auftrag auch erfüllen!

GRAF: Allerdings. Aber auf eine viel geheimnisvollere Weise, als Sie ahnen. Sie müssen Gott dienen, ob Sie wollen oder nicht. Wenn Sie es nicht wollen, so dienen Sie dem Namen Christi durch das Leiden seiner Gemeinde.

PRÄSIDENT: Ah! (Steht auf) Nun — ist endlich das Wort gefallen, auf das ich gewartet habe: . Leiden". Sie sind von der Krankheit des Leidenwollens befallen. Dann muß ich Sie verloren geben. Denn diese Krankheit ist unheilbar. Sie werden nun also mit Ihren Freunden in die Reihe der ehrwürdigen und rührenden Märtyrer eingehen, die nichts als ihr elendes bißchen Leben dahingeben müssen, um dafür glorreich und unsterblich aufzuerstehen — ist es nicht so?

GRAF: Das alles werden nicht wir entscheiden.

PRÄSIDENT: Wie unendlich bescheiden Sie plötzlich sind .... Hattet Ihr beiden nicht etwa schon den Vorgeschmack der Auferstehung auf Eueren Lippen, vor einer Weile, als mein Stichwort fiel? Reden wir doch miteinander ohne Feigenblatt. Sehen Sie, ich maße mir darüber die Entscheidung an: Ihr werdet niemals auferstehen. Auch dafür ist gesorgt.

GRAF: Verzeihen Sie. Jetzt muß ich lächeln.

PRÄSIDENT: Ich auch, ich auch. Weil Sie uns immer noch so sehr unterschätzen. Lustig, sich so ganz ohne Feigenblatt gegenüber zustehen, wie? Sehe ich böse aus, wenn ich nackt bin? Das könnte möglich sein.

GRAF: Sie halten sich also selbst für böse?

PRÄSIDENT: Ich sagte Ihnen schon, wir stehen jenseits von Gut und Böse, denn wir allein bestimmen, was gut und böse ist. Aber falls ich auch dumm aussehen sollte, dann täuscht der Augenschein. Glauben Sie, wir wüßten nicht, daß wir in ein paar Wochen auf eine Zeitlang verschwinden müssen? Wir werden es auf eine zauberische Weise tun: indem wir behaupten, es habe uns niemals gegeben. GRAF: Und Sie meinen, das wird man Ihnen glauben? PRÄSIDENT: Man hat uns noch ganz andere Dinge geglaubt. Der Witz besteht darin, daß wir nicht einmal die Mühe des Wiederkommens haben werden. Wir bleiben ganz einfach da. Zum Unterschied von Euch. Ihr könnt beruhigt sein. In den paar-Wochen, die uns bleiben, räumen wir noch gründlich auf. Das junge, frische Gemüse — das ernten wir auf Euerem Feld. Was von Euch übrig bleiben wird, das ist der alte zähe Kohl — die richtige Nahrung für die karge Winterzeit.

GRAF: Die Zeit der Auferstehung ist im Frühling. Da zählt, was man gesät hat, nicht was übrig bleibt.

PRÄSIDENT: Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund. Was heißt denn Propaganda? In die Herzen und Geister säen. Und das tun w i r. Vaterlandsliebe, Heldenmut und Opfertod, das alles kommt auf unseren Acker. Was wir auf den Eueren säen, das sind die Worte Feigheit, Eidbruch und Hochverrat. Die werden aufgehen und gedeihen, in ihnen werdet Ihr auferstehen. — (Das Geräusch eines einzelnen Flugzeuges wird deutlich hörbar.)

(Präsident blickt zum Fenster) Scheint ein Nachzügler zu sein. Die Luft wird wieder rein. Auch zwischen uns ist es jetzt wohl klar. — Na, Herr Gegenspieler, wer gewinnt die Partie?

GRAF: (sehr still) Ein Größerer ist Ihr Gegenspieler. Ein Leben hat er schon aus Ihrer Hand genommen. Die Akten des Studenten sind verbrannt. Zur Wiederherstellung reicht die Zeit nicht mehr. Die Jugend, die Euch so sehr geglaubt und die Ihr so sehr betrogen habt, werdet Ihr nicht töten.

PRÄSIDENT: Sie sind wirklich naiv, mein Bester. Die Akten sind verbrannt, aber mein Köpfchen ist noch da. Und das ist sehr bemerkenswert, das produziert so ein Aktenfaszikelchen in einem Tag — in einem Stündchen, wenn es sein muß.

(Der Endalarm wird gegeben)

PRÄSIDENT: Ah, endlich! Es scheint Zeit zu sein, das Feigenblatt wieder anzulegen. (Er öffnet die Türe) Und was die Jugend betrifft, so mahnt mich das noch an eine kleine Pflicht. Wir sind aufs Rührendste um sie besorgt, das dürfen Sie mir glauben. Wenn nötig, nehmen wir sie schon in unsere Obhut, solange sie noch in den Windeln liegt ....

(In diesem Augenblick, da der Präsident auf den Gang hinausgetreten ist, wird ein gewaltiger Schlag hörbar, gefolgt von einer dumpfen Detonation. Zugleich wird es aut der Bühne undurchdringlich dunkel. Zusammenklang stürzender Mauern, bis alles langsam in Stille aus-mündet. Nur noch Bröckeln und Rauschen des Schutts.) (So wie das Sonnenlicht nach einer Explosion nur zaghaft und mühsam durch Staubwolken zu dringen vermag, so tastet auch der Strahl des Scheinwerfers sich nur zögernd auf unseren Schauplatz zurück. Er bleibt gleich zu Beginn an einem kleinen Haufen Schutt haften, aus dem sich eine Gestalt hervorarbeitet.)

PFARRER: (mühsam) Sind Sie hier, Graf .... ach, da ... . GRAF: (liegt am Boden, stöhnt)

PFARRER: Mein Freund .... Gott sei Dank. (So gut es mit den Fesseln geht, nimmt er sich des Freundes an und bettet dessen Kopf in seinen Schoß)

GRAF: (benommen) Was war denn das .... ich träumte, der Teufel sei dagewesen und der Herr habe ihn mit seinem Blitz zerschmettert • • • .

PFARRER: Eine Bombe hat unser Stockwerk durchschlagen .... GRAF: Dann hat mich wohl der Luftdruck .... wie kommen Sie denn hierher, Herr Pfarrer?

PFARRER: Sehen Sie nicht? — Die Mauer zwischen unseren Zellen ist eingestürzt. (Entfernte Hilferufe)

STIMMEN DER WACHEN: Ruhig bleiben! Keine Dummheiten machen. Wir hacken uns zu Euch durch!

(Von nun an dringt gedämpftes Geräusch der Aufräumungsarbeiten durch, das langsam, unabwendbar näher kommt)

GRAF: Sie hacken sich durch zu uns .... Wie schön wäre es gewesen, nicht mehr aufzuwachen ....

PFARRER: Es ist noch schöner, den Weg mit offenen Augen zu Ende zu gehen.

GRAF: Glauben Sie jetzt an das Ende?

PFARRER: Der Gerichtspräsident war bei mir. Er versuchte, vor meinem Leib auch meine Seele zu töten. Aber der Herr gab mir, dem Schwachen, Stärke. Ich weiß jetzt, wohin er mich führt. Draußen graut der Morgen. Es ist soweit.

GRAF: Ihnen gab er Stärke. Mir nahm er sie. Der Versucher kam, und ich mußte mit Entsetzen sehen, daß ich ihm schon längst zuvor erlegen war. Idi glaubte, fleckenlos dastehen zu können, während um mich Tausende unwissend und gutgläubig dem Bösen erlagen, ohne daß ich versuchte, ihm Einhalt zu tun. Ich klage mich der Herzensträgheit an, weil ich das Unrecht und Leid, das anderen geschah, nur verdammte, ohne mich dagegen zu erheben. Ich klage mich des Treubruchs an, daß ich das Böse nicht von Anfang an bekämpfte, sondern erst, als es schon im Begriffe war, uns alle zu überwältigen.

So hab’ ich selbst zu seinem Sieg beigetragen. Und jetzt ist es zu spät.

PFARRER: Solang wir leben, ist es nie zu spät. Seltsam. Als ich vorhin schwach und elend war, da durften Sie mich trösten. Vielleicht ist es mir vergönnt, jetzt Gegenpart zu halten. Keinem von uns bleibt die Stunde der Abrechnung erspart. Nicht Anklage, sondern Reue, Reinigung, nicht Verdammung ist der Sinn der Beichte.

GRAF: Ja, ich bereue, verzweifelt. Aber was hilft das? Es ist zu spät. Wir gehen unter und die anderen bleiben. Sie haben gesät, sie werden auch ernten.

PFARRER: Oh, nein. Gott sät — uns Menschen. Wir selbst sind das Saatkorn, das in den Acker der Zeit fällt. Mühen wir uns nur noch um das Eine: als gesunder und fruchtbarer Samen in die Erde zu fallen. GRAF: Und wenn wir darin liegen bleiben und niemals aufgehen? PFARRER: Um aufzugehen, muß das Samenkorn gesprengt werden. Und das tut weh. Darum bleibt Tod immer Tod, Abschied: Abschied, Wunde: Wunde. In dieser Stunde heißt es für uns beide tapfer sein. GRAF: Wenn wir nur hoffen dürften, daß die nach uns es besser machen und glücklicher leben werden!

PFARRER: Das dürfen wir hoffen, trotz all unserer Unzulänglichkeit. Wir haben das Recht, Dinge im Leben stehen zu lassen, die nicht aufgehen, weil wir wissen, unser Raum geht über unseren Bereich. Wir dürfen Mahnmale und Wegzeichen sein über uns selbst hinaus. Wir dürfen getröstet sein und vertrösten, obgleich wir vor Unbegreiflichem stehen. Denn wir selbst sind etwas Unbegreifliches, das weit hinausragt über alle Sterne.

RUFE DER WACHEN: Achtung, in den Zellen zwohundertzehn bis zwölf. Wir brechen durch! (Klingen der Hacken und Spaten. Lärm fallender Ziegel und Mauerbrocken.) .

GRAF: (Richtet sich auf die Knie auf) Sie kommen näher. Wir haben nur noch Minuten. Wollen wir gemeinsam das Abendmahl nehmen, Herr Pfarrer? Ich habe ein Restchen Brot. Wir können es uns gegenseitig reichen ....

PFARRER: (erhebt sich) Ich trage die geweihte Hostie bei mir .... GRAF: Wollen wir sie teilen?

PFARRER: Bitte seien Sie nicht traurig. Aber das darf ich nicht. Das Allerheiligste bedeutet für uns etwas anderes als für den Protestanten ....

GRAF: Etwas anderes? Hat Gott darum die Mauer eingerissen zwischen uns? Dürfen wir auch in dieser Stunde nicht gemeinsam hintreten vor ihn?

PFARRER: Das dürfen wir. Aber wir wollen uns und unserer Lehre dabei treu bleiben, Sie und ich. Ich muß mein Allerheiligstes als katholischer Priester selbst kommunizieren. Aber als Ihr Bruder in Christo will ich Ihnen Ihr Stückchen Brot brechen und reichen. Sind Sie's zufrieden?

GRAF: Ich bin's. (Gibt ihm den kleinen Brotrest)

PFARRER: Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre meine Seele zum ewigen Leben. (Er nimmt die Hostie)

GRAF: (kniend) Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach es und gab es seinen Jüngern ....

PFARRER: (bricht das Brot und reicht es ihm) Nimm hin das Brot des Lebens, das für Dich gegeben ist.

GRAF: (hat es genommen) Amen.

STIMME DER 2. WACHE: (schneidend) Achtung! Zellen zwohundertacht bis vier!

PFARRER: (kniet neben dem Grafen) Wir wollen beten. O Jesus, wir bereuen von Herzen die Fehler unseres ganzen Lebens und nehmen zur Buße demütig aus Deiner Hand die Leiden, die Du für uns bestimmt hast. Wir geben Dir unser Leben zurück, das wir von Dir empfingen. Oh Herr, sei uns gnädig und barmherzig! Wir hoffen auf Dich!

GRAF: Wir hoffen auf Dich, geopfert, nicht erschlagen zu werden.

Oh, Herr, laß unser Sterben nicht vergeblich sein. Laß das Sterben der Millionen an den Fronten, in den Häusern der Städte und in den Kerkern Deiner Feinde nicht das Ende unseres ganzen Volkes sein, sondern gleich dem unseren, die Geburt eines neuen Lebens im Angesicht der Wahrheit. Du, durch den allein alles wächst, blüht und dahingeht, laß die Saat des Bösen nicht wieder aufgehen in den Herzen unserer Kinder. Laß sie sehen, daß die Welt zur Hölle wird, aus der wir Dich vertreiben. Laß sie erkennen, oh Gott, daß die Welt nach diesem Krieg nicht abhängt von Soldaten, Grenzen, Plänen oder Organisationen, sondern von dem Einen ganz allein: daß wir das Bild des Menschen wieder aufrichten nach Deinem Ebenbild.

(Geklirr der Spaten in unmittelbarer Nähe)

PFARRER: Und am Ende wollen wir unsere gefesselten Hände erheben, um zu segnen, solange wir noch atmen dürfen. Segnen unser Land und Volk in seiner Not und inneren Qual. Segnen alle, denen wir und die uns Unrecht taten. Und danken unserem Gott, der uns nicht verlassen hat.

BEIDE: Amen. (Das Geräusch eines einstürzenden kleinen Mauer-stückes. Die Spaten Und Hacken ruhen. In den Lichtkreis treten die 2. und 1. Wache, mit ihren Geräten.)

2. WACHE: Da wären wir wohl alle wieder beisammen. Den Herren ist die Zeit ja scheinbar nicht zu lang geworden, (militärisch) Häftling zwohundertfünf... vorwärts, marsch!

GRAF: (sie reichen sich die geiesselten Hände) Auf Wiedersehen, Freund...

PFARRER: Mach's gut, mein lieber Junge... (Von der 2. Wache eskortiert, schreitet er durch die zertrümmerte Türe.)

1. WACHE: (gedämpft) Fast hätten wir beide nicht Wort gehalten, was? Da geben die Idioten zu früh Endalarm. Und der letzte Nachzügler muß seine einzige Bombe ausgerechnet uns verehren. GRAF: Gab es Opfer?

1. WACHE: In den gegenüberliegenden Zellen. Und auf dem Gang hat es den Gerichtspräsidenten erwischt. Ein schwerer Stützbalken, genau auf den Kopf.

GRAF: Vor meiner Türe . ..

1. WACHE: Ihre Tür geht nicht mehr abzuschließen. Lohnt sich auch nicht mehr... Häftling Zwohundertvier — es geht alles seinen ordnungsgemäßen Gang. In einer Viertelstunde werden Sie abgeholt. (Er legt ihm wieder die Handschellen an)

GRAF: ...seinen ordnungsgemäßen Gang...

WACHE: Haben Sie noch einen Wunsch?

GRAF: Ja. Lassen Sie mich bitte bis dahin noch allein.

1. WACHE: Tut mir leid. Aber in der letzten Stunde darf laut Vorschrift kein Häftling allein bleiben. GEFÄNGNISGEISTLICHER: (tritt vom Gang herein) Ich bleibe bei dem Häftling.

1. WACHE: (sieht ihn an) Gewiß, Herr Pastor. Wird gemacht. (Sieht den Grafen an, geht dann gedankenverloren hinaus und will gewohnheitsmäßig die aus den Angeln gerissene Türe schließen. Greiit ins Leere.) Gibt bald nichts mehr, woran man sich noch halten kann. (Ab.)

GRAF: Ich hätte nicht gedacht, daß wir uns noch wiedersehen.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Ich war bis jetzt in meinem Amtsraum unter Bewachung. Aber die Bombe hat auch dieses Hindernis beseitigt.

GRAF: Ich hab's doch gesagt — Sie sind unsere beste Rückversicherung.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: Immer noch der Gleiche. Soll ich draußen — GRAF: Oh, nein. Nein — Wir wollten doch einen Brief zu Ende schreiben. Jetzt, da mein Schreibzeug im Schutt begraben liegt, bin ich doppelt auf Sie angewiesen.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (zieht Block und Bleistift hervor) Ich bin bereit.

GRAF: Nun ist der Augenblick gekommen, mein Herz, den Schlußpunkt zu setzen. (Er vergißt nach wenigen Worten, daß er diktiert, daß überhaupt ein Dritter anwesend ist. Ja — ein Dritter, — denn für ihn ist der liebste Mensch nun ganz und gar hier gegenwärtig, bei ihm, um ihn, in ihm. Er setzt sich auf den Mauerrest. Mit der zartesten Vertraulichkeit.) Es ist viel geschehen, zwischen der vorletzten Zeile und diesen letzten meines Lebens... Nach allem, was Gott schon für mich bisher tat, hat er mir seine allerhöchste Gnade erwiesen.

Er hat mich so gedemütigt, wie ich noch nie gedemütigt worden bin, damit ich allen Stolz verliere und endlich, in meiner letzten Stunde, meine tiefe Sündhaftigkeit verstehe, und ihn um seine Vergebung bitten, mich seiner Gnade anvertrauen lerne. Er läßt mich die tiefste Tiefe des Abschiedschmerzes und der Todes-furcht und der Höllenangst erleben — damit auch das vorüber ist.

Dann stattet er mich mit Glaube, Hoffnung, Liebe aus, mit einem Reichtum an Dingen, der wahrhaft überschwenglich ist. Und damit komme ich zu Dir, zu meiner lieben Frau. Du stehst an einer ganz anderen Stelle, als alles. Du bist nämlich nicht ein Mittel Gottes, um mich zu dem zu machen, der ich bin. Du bist vielmehr ich selbst.

Ohne Dich, mein Herz, hätte ich der Liebe nicht, ohne die niemand besteht. Nur wir zusammen sind ein Mensch. Wir sind ein Schöpfungsgedanke.

Das ist wahr, buchstäblich wahr. Darum bin ich auch gewiß, daß Du mich auf dieser Erde nicht verlieren wirst. Du wartest jetzt wohl an der Pforte und sie lassen Dich nicht zu mir. Aber sei getrost. Du bist bei mir. Du teiltest mit mir das Abendmahl und sprachst für mich die Worte in meinem Herzen. (Pause) Ich sollte wohl Abschied nehmen von Dir und den Söhnchen — ich vermag's nicht. Ich sollte wohl der Lasten gedenken, die jetzt auf Dich fallen — ich vermags nicht. Ich kann Dir nur eines sagen: Wenn der Herr Euch das gleiche Gefühl der absoluten Geborgenheit schenkt, so hinterlasse ich Euch einen Schatz, demgegenüber selbst mein Leben nichts wiegt.

Diese armseligen Kreaturen, nicht einmal begreifen würden sie, wie wenig sie nehmen können. (Er steht auf. Nur. um seine Gestalt allein ist Licht.) Nein, Ihr werdet mich nicht verlieren. Ihr müßt aus mir eine Legende machen, die eingeht in die Herzen unseres Volkes. Ich bin nun einmal das Gefäß gewesen, für das der Herr alle diese unendliche Mühe aufgewandt hat.

(Am Ende des Ganges wird der Marschtritt einer Gruppe von Menschen hörbar.) Der Auftrag, für den Gott mich gemacht hat, ist erfüllt. Ich aber sage Dir zum Schluß, Kraft des Schatzes, der aus mir gesprochen hat, und der dieses bescheidene irdene Gefäß erfüllt: Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.

(Die Schritte werden immer lauter und enden in dröhnendem Forte. In gleichem Maße nimmt das Licht Abschied von ihm. Es erspart uns, die zu sehen, die ihn holen kommen und die für immer im Dunkel bleiben mögen.)

Stille.

GEFÄNGNISGEISTLICHER: (Steht an der gleichen Stelle, an der er uns seine Geschichte zu erzählen begann.) Der Alabasterkrug wurde zerbrochen. Aber dann muß das andere geschehen, von dem es heißt: Der Wohlgeruch dessen, was das Gefäß barg, erfüllte das ganze Haus ... Die Legende, die zu erzählen uns auferlegt war, ist zu Ende. Vielleicht, wie man sagt, sind die Toten weiter mit uns. Aber wichtiger noch ist es, daß sie gerne bei uns sind. (Das Licht geht von ihm über auf uns.)

Ende Quellen Helmuth James Grat von Moltke, Letzte Briefe aus dem Gefängnis Tegel.

Karl Henssel-Verlag, Berlin.

Allred Delp, Christ und Gegenwart. Josei Knecht, Frankfurt a. M.

Rainer Hildebrandt, Wir sind die Letzten. Michael, Neuwied-Berlin. Harald Poelchau /Stenbock-Fermor, Die letzten Stunden. Volk und Welt, Berlin.

Besonders jetzt tu Deine Pflicht, Letzte Briefe. WN Verlag, Berlin. Dietrich Bonhoefer, Ethik. Chr. Kaiser, München.

Peter Bor, Gespräche mit Halder. Limes, Wiesbaden.

P. Buchholtz, Wie sie starben. Archiv Südwestfunk.

Eugen Budde, Der 20. Juli. Freies Wort, Düsseldorf.

Alma de l'Aigle, Meine Briefe von Theo Haubach. Hofmann & Campe, Hamburg.

Deutsches Vermächtnis. Volk und Welt, Berlin.

Heinz Guderian, Erinnerungen eines Soldaten. Vowinckel, Heidelberg. Ulrich von Hassell, Vom anderen Deutschland. Atlantis, Zürich.

Emil Henk, Die Tragödie des 20. Juli 1944. Rausch, Heidelberg.

Karl Jaspers, Die Schuldfrage. Artemis, Zürich.

Erich Kordt, Nicht aus den Akten. Union Deutsche Verlagsges., Stuttgart. Kriegsbriefe gefallener Studenten. Leins, Tübingen.

Annedore Leber, Den toten, immer lebendigen Freunden. Telegraf, Berlin. Annedore Leber, Das Gewissen steht auf. Mosaik, Frankfurt.

Julius Leber, Ein Mann geht seinen Weg. Mosaik, Frankfurt-Berlin. Hanns Lilje, Im finsteren Tal. Laetare, Nürnberg.

Wilhelm Niemöller, Kampf und Zeugnis der Bekennenden Kirche. Bechauf, Bielefeld.

Rudolf Pechei, Der deutsche Widerstand. Rentsch, Erlenbach-Zürich.

Jan Petersen, Unsere Straße. Dietz, Berlin.

Max Picard, Hitler in uns selbst. Rentsch, Erlenbach-Zürich.

Wilhelm Röpke, Die deutsche Frage. Rentsch, Erfenbach-Zürich.

H. Rothfels, Der deutsche Widerstand gegen Hitler. Krefeld 1949.

F. von Schlabrendorff, Offiziere gegen Hitler. Europa, Zürich.

Inge Scholl, Die weiße Rose. Frankfurter Hefte.

Günther Weisenborn, Memorial. Rowohlt, Hamburg.

Eberhard Zeller, Der Geist der Freiheit. Rinn, München.

Ernst von Weizsäcker, Erinnerungen. Paul List, München.

Fussnoten

Weitere Inhalte