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Die Ost-West-Spannung in der Weltpolitik | APuZ 37/1954 | bpb.de

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APuZ 37/1954 Die Ost-West-Spannung in der Weltpolitik Änderung der amerikanischen Außenpolitik

Die Ost-West-Spannung in der Weltpolitik

Bernhard Wegmann

Das Schicksal Deutschlands wie das Europas und anderer Erdteile seit dem Ende des 2. Weltkrieges wurde weitgehend dadurch bestimmt, daß kurz danach die großen Alliierten, die gegen Deutschland gekämpft hatten, uneinig wurden. Es entstand eine weltpolitische Spannung zwischen Osten und Westen, zunächst in Europa und dann in Asien. Dieser Zu-stand ist unter dem Namen „Der Kalte Krieg“ bekannt. Er führte zu Blockbildungen — zuerst im Osten, dann im Westen. Für das Verständnis der jetzigen Zeit ist es wohl förderlich, rückblickend die Ursachen, Gegebenheiten und Folgen des Kalten Krieges zu überdenken und in den Zusammenhang der weltpolitischen Entwicklung einzuordnen.

Die weltpolitische Lage am Ende des zweiten Weltkrieges

INHALT DIESER BEILAGE

Die deutschen und japanischen Aggressionen und ihre Folgen Der 2. Weltkrieg spielte sich hauptsächlich an zwei großen Schauplätzen ab: in Europa (einschließlich Mittelmeer-Raum) und in Ost-asien. In Europa brachte das nationalsozialistische Reich — in seinem Gefolge Italien und einige südosteuropäische Länder — in unerhörter Schnelligkeit fast ganz Europa (mit Ausnahme Großbritanniens, der iberischen Halbinsel und einiger Neutraler) und sodann wichtige Teile Rußlands unter seine Gewalt. In Ostasien gerieten große Teile Chinas (die Mandschurei schon seit 1931), ferner ganz Südostasien, nämlich die Philippinen, die indochinesische Halbinsel (einschließlich Siam und die britischen Kolonien Burma und Malaia), ferner Holländisch-Indonesien unter die Gewalt Japans. Diese zeitweilige Machtverschiebung bewirkte eine beispiellose Erschütterung der überkommenen staatlichen und zwischenstaatlichen Verhältnisse. Die vor dem Kriege bestehende öffentliche Ordnung wurde in den betroffenen Ländern durch die Kampfhandlungen und die Besetzungsmaßnahmen allenthalben beeinflußt und verändert. Schwere Eingriffe mit entsprechenden sozialen Rückwirkungen wurden vorgenommen. In Asien wurde die „weiße" Kolonialherrschaft durch die Japaner zeitweilig abgelöst. Diese ermutigten oder veranlaßten die Einsetzung einheimischer Regierungen und nahmen sogar Grenzverschiebungen vor. Die schon seit dem 1. Weltkrieg gekräftigte Bewegung zur Abschüttelung des abendländischen Imperialismus wurde dadurch außerordentlich gefördert.

Die Niederwerfung der deutschen Macht erfolgte im wesentlichen durch die vereinigten Streitkräfte der USA und Großbritanniens (unter Zu-ziehung auch von französischen und anderen Truppen) von Süden und Westen her sowie durch die Streitkräfte der Sowjetunion von Südosten und Osten her. Beide Mächte bzw. Mächtegruppen trafen sich zur Zeit der deutschen Kapitulation am 8.. Mai 1945 an der Frontlinie der Roten Armee, die mitten durch Europa verlief — und noch jetzt verläuft. Die Kapitulation der japanischen Macht erfolgte einige Monate nach und wohl auch nicht ohne Zusammenhang mit der deutschen Niederlage durch die Kaiserproklamation vom 10. August 1945; sie ist im wesentlichen den Erfolgen der amerikanischen Flotte und dem Einsatz der Atombombe zuzuschreiben; in den weiten Räumen Südostasiens war jedoch bei der Kapitulation die japanische Militärmacht im großen und ganzen noch unerschüttert.

Absichten und Maßnahmen der Sieger in den befreiten Gebieten Den im Laufe des Krieges unterjochten und darüber hinaus allen Nationen war in der Atlantik-Charta vom August 1941 von den Vereinigten Staaten und Großbritannien das Recht der freien Wahl der Regierungsform, Sicherung der Menschenrechte, der Religionsfreiheit sowie die Wiederherstellung ihrer souveränen Rechte, ferner die Schaffung eines Weltsicherheitssystems und der freie Zugang zu den Wirtschaftsgütern versprochen worden. Dieser Charta traten am 1. Januar 1942, also nach dem Ausbruch des amerikanisch-deutschen und amerikanisch-japanischen Krieges außer der Sowjetunion weitere 23 Staaten bei. Bei der Konferenz von Yalta waren diese Grundsätze in einer Deklaration über das befreite Europa für die bevorstehende Neuordnung nochmals bekräftigt und in einigen Einzelheiten näher bestimmt worden (Februar 1945).

Die Koalition der Mächte, die mit Deutschland und seinen Verbündeten sowie mit Japan im Kriege waren, — an ihrer Spitze USA, Rußland und Großbritannien —, stand nun am Kriegsende vor einer außerordentlich schwierigen Aufgabe. Sie waren in den durch den Krieg zerrütteten Gebieten die einzigen organisierten und effektiven Garanten der Ordnung. Deren Wiederherstellung, insbesondere die Vorsorge für Einsetzung provisorischer Regierungen, oblag zunächst dem obersten Befehlshaber der alliierten Expeditionsstreitkräfte in deren Operationsgebiet in Westeuropa und dem obersten Befehlshaber der Roten Armee in Osteuropa. Die westlichen Militärbefehlshaber entledigten sich in den befreiten Ländern schnell ihrer Aufgabe. Das oberste Hauptquartier wurde schon im Sommer 1945 aufgelöst. Die noch länger dauernde Anwesenheit alliierter Truppen zusammen mit den sofort einsetzenden materiellen Hilfsmaßnahmen war aber für die Einspielung der neuen Ordnung noch längere Zeit von großer Bedeutung. In Osteuropa nahmen die Dinge jedoch einen anderen Verlauf.

Die Lage in Asien war die gleiche, wurde aber dadurch kompliziert, daß die Rückgabe der ehemaligen Kolonialgebiete an die Kolonialmächte auf energischen Widerstand stieß. Indonesien z. B. erklärte sich nach der japanischen Kapitulation, und zwar am 17. August 1945, als unabhängig. In Französisch-Indochina hatten schon vorher Annam, Laos und Kambodscha ihre Unabhängigkeit erklärt. Auch die auf die politische Unabhängigkeit von England drängenden Kreise in Indien protestierten gegen die Rückkehr der westlichen Kolonialherrschaft. Die Atlantik-Charta, die von einigen ihrer Verfasser bzw. späteren Unterzeichner wohl nur als Propaganda gedacht war, hatte in der Welt einen unerwartet starken Widerhall gefunden und Hoffnungen auf endgültigen Verzicht seitens der alten Kolonialmächte erweckt. Es war schließlich auch nicht unbekannt geblieben, daß der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika seinen westlichen Alliierten wiederholt zu verstehen gegeben hatte, die USA würden ihnen nicht zu dem Zwecke helfen, daß der Kolonialimperialismus wieder aufgerichtet werde.

Zunächst mußten aber auch in Asien provisorische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen werden. Die Siegermächte ließen im Laufe des Herbstes 194 5 die Mandschurei und den nördlichen Teil Koreas durch Rußland, Südkorea ebenso wie Japan selbst durch die USA, Nordindochina durch China, Südindochina durch Großbritannien im Interesse der Ordnung besetzen. In einigen Gebieten mußten sie sich sogar zur Aufrechterhaltung der Ordnung der japanischen, schon im Kapitulationszustand befindlichen Truppen bedienen, bis alliierte Streitkräfte oder aber Truppen der ehemaligen Kolonialmächte herbeigeschafft werden konnten.

Ausschaltung der Besiegten aus der Staatenwelt Das Hauptproblem für die Siegermächte war aber die Frage, wie mit den besiegten Großmächten selbst verfahren werden sollte. Die Beschlüsse darüber sind nur dann einigermaßen zu verstehen, wenn man bedenkt, welch fürchterlichen Schock die schnelle Besitznahme fast ganz Europas durch Deutschland und die der weiten Gebiete Südostasiens durch Japan den anderen Weltmächten zugefügt hat. Sie faßten infolgedessen den Entschluß, für alle Zukunft diese Staaten (Italien spielte dabei nur eine Nebenrolle) ungefährlich zu machen, und verlangten die bedingungslose Kapitulation ausdrücklich zu dem Zweck, um die völlige Beseitigung der Militärmacht der Besiegten und des größten Teils des Kriegspotentials durchführen zu könne. Die oberste Gewalt wurde demgemäß von den Besatzungsmächten nicht nur vorübergehend — wie bei den befreiten Staaten — sondern auf unbestimmte Zeit übernommen, um dieses langfristige politische Ziel durchzusetzen und sogar auch, um eine Änderung in den Gesinnungen der besetzten Völker erzielen zu können. Besonders hart wurde dadurch Deutschland getroffen, da dieses nicht — wie Japan — durch eine einzige Macht oder — wie Italien — durch zwei Mächte besetzt wurde, sondern durch die drei Hauptalliierten und außerdem durch Frankreich. Vor Kriegsende hatten die Hauptalliierten zunächst geplant, Deutschland völlig zu zerstückeln. Bei Übernahme der obersten Gewalt am 5. Juni 1945 jedoch war diese Absicht schon fallen gelassen worden. Die Oberbefehlshaber der Streitkräfte proklamierten, daß die Staatsmacht „von den Oberbefehlshabern der Streitkräfte von jedem von ihnen einzeln in seiner eigenen Besatzungszone und von allen in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Kontrollrates gemeinsam in Fragen, die Deutschland als Ganzes betreffen, ausgeübt werde". Damit wurde die Ausübung der Staatsgewalt in die Hände der Militärbefehlshaber der einzelnen Zonen gelegt, während der Kontrollrat für ganz Deutschland nur als Koordinationsorgan bestellt wurde, in welchem Einstimmigkeit erforderlich war. Die völkerrechtliche Einheit Deutschlands blieb zwar erhalten, in der Praxis war aber mit der getroffenen Regelung, wie sich sofort zeigte, eine Aufgliederung Deutschlands vorgenommen worden.

Die Stellung der großen Drei, Frankreichs und Chinas Nachdem Deutschland und Japan (2 Jahre nach Italien) kapituliert hatten, war die überlieferte Rangordnung in der Staatenwelt mit dem Ausschluß der genannten drei besiegten Staaten erheblich verändert. Fast die ganze Welt stand mit der alleinigen Ausnahme Lateinamerikas und einiger Neutraler unter der Leitung und vielfach sogar unter der tatsächlichen obersten Gewalt der Weltmächte der USA, Rußlands und Großbritanniens. Diese waren die großen Drei, zwischen denen die entscheidenden Konferenzen im Krieg über die Kriegsleitung und über die künftige Neuordnung und nach Beendigung der Kampfhandlungen in Europa die Potsdamer Konferenz vom August 1945 stattgefunden hatten.

Kontinentaleuropa, dessen Großmächte noch vor dem 1. Weltkrieg — zusammen mit Großbritannien — an der Spitze der Staatenwelt gestanden hatten, war in dieser Gruppe überhaupt nicht vertreten. So ist es bezeichnend, daß Frankreich in Potsdam ebenso wie in den vorhergehenden Konferenzen nicht vertreten war. Bei der Konferenz von Yalta ist es noch zwischen den großen Drei strittig gewesen, ob Frankreich in Deutschland eine Besatzungszone erhalten sollte und am Kontrollrat zu beteiligen sei. Großbritannien verlangte die Beteiligung Frankreichs; sowohl die USA als insbesondere die Sowjetunion waren ursprünglich dagegen. Erst als Roosevelt sich der Forderung Churchills anschloß, gab Stalin widerwillig und zögernd nach. Bei Aufstellung der Satzung der Vereinten Nationen wurde allerdings Frankreich ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat mit Vetorecht zugebilligt, ebenso auch China. Auf der Potsdamer Konferenz wurde festgesetzt, daß in den Rat der Außenminister, der die Friedensverträge vorbereiten sollte, auch Frankreich, ferner speziell für die Vorbereitung der Friedensverträge in Asien China zugezogen werden sollten. Damit war Frankreich, das als von Deutschland besetzter Staat zur Gewinnung des Krieges nicht gerade sehr viel hatte beitragen können, wieder in die Gruppe der Hauptmächte ausgenommen worden, wenngleich auch später des öfteren seine Zuziehung zu weltpolitischen Beratungen unterlassen wurde. Immerhin konnte nun wieder durch Frankreich die Stimme Kontinentaleuropas zum Ausdruck gebracht werden. China hatte vor dem Kriege noch nicht zur Gruppe der Großmächte gehört; mit seiner Aufnahme trugen die großen Drei dem Umstand Rechnung, daß die einzige asiatische Großmacht Japan ausgeschieden war und daß Chinas Widerstand einen sehr wichtigen Faktor für die Kriegskoalition in Ostasien gebildet hatte.

Es war eine außerordentlich starke und einflußreiche Gruppe von drei Großmächten, die nun am Kriegsende die Geschicke der Welt in den Händen zu halten schien; 48 Staaten folgten am 26. Juni 1945 in San Franzisko ihrer Aufforderung, den Vereinten Nationen (UN) beizutreten und diesem Verband durch die von den Großmächten vorbereitete Satzung eine feste und dauernde Form zu geben, um ein Sicherheitssystem für die ganze Welt zu errichten und für die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Aufstieges aller Völker die notwendigen Einrichtungen zu schaffen. Später sind zu den 51 ursprünglichen Mitgliedern noch neun weitere getreten.

Tiefer liegende Ursachen der Ost-West-Spannung Die Potsdamer Konferenz hatte nach außen noch den Anschein erweckt, daß die Kriegskoalition der großen Drei intakt sei. Bald wurde aber offenbar, daß schon vor Potsdam in grundlegenden Fragen der staatlichen Ordnung und Selbstbestimmung in den osteuropäischen Ländern sowie der künftigen Friedensordnung in der Welt starke Meinungsverschiedenheiten zwischen Rußland einerseits und zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien andererseits aufgetreten waren, die nur sehr mühsam durch Kompromisse ausgeglichen werden konnten. Die Einigkeit der Weltmächte reichte gerade noch so weit, die Pläne zur Ausschaltung der besiegten Großmächte durchzuführen. Zur Einrichtung einer gemeinsamen Kontrolle Deutschlands reichte sie schon nicht mehr. Daß die Einmütigkeit so schnell aufhörte, ist nicht sehr verwunderlich, denn die Koalition war ja nicht einer Übereinstimmung von politischen und rechtlichen Grundsätzen, sowie langdauernden Interessen, sondern nur von zeitweiligen Interessen entsprossen. Sie war lediglich nur dadurch zustande gekommen, daß Rußland vom Deutschen Reich mit Krieg überzogen worden war. Rußland hatte keinen Finger gerührt, als Deutschland Polen und dann später andere europäische Staaten angegriffen hatte, im Gegenteil, es hatte den Angriff auf Polen durch Abschluß des Nicht-Angriffspaktes vom 23. August 1939 und die geheimen Zusätze dazu über die Teilung Polens und die Abgrenzung der beiderseitigen Interessen-sphären ermöglicht. Dies sowie die Einverleibung der baltischen Staaten hatten die anderen Großmächte nicht vergessen. Bei ihren zahlreichen Verhandlungen während des Krieges lernten sie auch die Staatspraxis der Sowjetunion noch besser als vorher kennen, und sie wußten ganz genau, daß der russische Staat keineswegs ein demokratischer Rechtsstaat war wie sie selbst. Auch kannten sie sehr genau den dem Bolschewismus zugrundeliegenden Gedanken, daß die ökonomischen Verhältnisse zwangsläufig im Laufe der Zeit in der ganzen Welt zum Kommunismus führen müßten und daß durch bewußt gelenkte Aktionen über die kommunistischen Parteien in anderen Ländern sowie durch die Macht des kommunistischen Rußlands selbst diese Entwicklung zu fördern sei.

Rußland seinerseits hatte nicht vergessen, daß nach dem 1. Weltkrieg seine früheren Alliierten in die Machtkämpfe in Rußland eingegriffen hatten und Expeditionskorps auf den russischen Boden entsandt hatten, sowie daß lange Zeit danach die Beziehungen zu Rußland seitens der jetzigen Alliierten sehr kühl waren, wenn sie überhaupt bestanden. Die Sowjetunion registrierte auch mit Mißfallen, daß die westlichen Alliierten die durch Hitler ermöglichte Einbeziehung der baltischen Länder in die russische Interessensphäre und dann in den russischen Staat nicht als völkerrechtlich gültig anerkannten. Heute noch sind diplomatische Vertretungen der baltischen Staaten in Washington akkreditiert.

Die Sowjetunion war nun entschlossen, die ihr in den besetzten Gebieten zugefallene Macht zu einer Umformung der von ihr befreiten Völker und zu deren Einbeziehung in die russische Interessensphäre und nach Möglichkeit noch zu einer weiteren Ausdehnung ihres Machtbereichs auszunutzen. Die Westmächte hinwiederum waren überzeugt, daß ohne ihre ungeheure Aufrüstung und wirtschaftliche Anstrengung — insbesondere der USA — und ihre Lieferungen an Rußland (11 Mrd. $) sowie ohne ihre Kontrolle der Lufwege und Wasserstraßen der Welt Rußland den Krieg nicht hätte gewinnen können, sondern einen Separatfrieden mit Deutschland unter schweren Verlusten hätte suchen müssen, wozu in schwerster Bedrängnis auch Fühler ausgestreckt worden waren. Die westlichen Alliierten waren deshalb nicht geneigt, die Mißachtung der vereinbarten Grundsätze über die Wiederherstellung der staatlichen Selbständigkeit der befreiten Völker zu billigen. Tatsache ist, daß die Sowjetunion sich auf die Anerkennung der Atlantik-Charta sowie der Yalta-Deklaration eingelassen und daß sie am Kriegsende das Statut der Vereinten Nationen unterzeichnet hatte.

Dies sind im großen und ganzen die tiefer liegenden Ursachen der Ost-West-Spannung, deren einzelne Phasen nun darzustellen sind.

Beginn der Spannung und Bildung des Ostblocks

Osteuropas Bolschewisierung und Einbeziehung in die russische Interessensphäre Die Wiederherstellung der Selbständigkeit der europäischen Staaten begann in Westeuropa mit der Befreiung, in Osteuropa stieß sie jedoch auf Schwierigkeiten. Die Sowjetunion erklärte immer wieder, die Rote Armee müsse hinter ihrer Frontlinie absolut sicher sein und deswegen müßten die Regierungen der befreiten Staaten östlich dieser Frontlinie gegenüber der Sowjetunion freundschaftlich gesinnt sein. Schon vor dem Kriegsende entstanden deshalb merkliche Differenzen zwischen den westlichen und dem östlichen Alliierten über die Auslegung des Begriffs „freundliche Regierung“. Die Sowjetunion hatte nämlich . sobald ihre Truppen in dem betreffenden Gebiet ankamen, dafür gesorgt, daß provisorische Regierungen mit starkem kommunistischen Einschlag gebildet wurden. In Polen setzte sie im Juli 1944 das rein kommunistische Lubliner Revolutionskomitee als provisorische Regierung ein. Vergeblich bemühten sich die westlichen Alliierten, Vertreter der nach England geflüchteten Exilregierung in die provisorische Regierung Polens hineinzubringen; als dies endlich gelang, war es zu spät. Das kommunistische System war bereits im Sattel. Ähnliches geschah Anfang 1945 in Rumänien und Bulgarien. Die provisorischen Regierungen sorgten dafür, daß in den Wahlen zu den Parlamenten durch Vorlage von Einheitslisten dem Volk in Wirklichkeit keine selbständige Auswahl der Kandidaten möglich wurde. Im Laufe von wenigen Jahren wurden die Vertreter von nichtkommunistischen Parteien völlig aus Regierung und Parlament ausgeschaltet, und das politische, soziale und wirtschaftliche System dieser Staaten wurde immer stärker dem sowjetrussischen Modell angepaßt.

In Ungarn ging die russische Besatzungsmacht etwas langsamer vor, aber bereits 1947 war es soweit, daß auch dort der Kommunismus Alleinherrscher wurde. Im Frühjahr 1948 wurde unter dem Druck der an den Grenzen in Bereitschaft gestellten Roten Armee auch die Tschechoslowakei nach dem mysteriösen Tod des Außenministers Masaryk der Herrschaft der kommunistischen Partei unterworfen. Im Anschluß daran erfolgte die entsprechende energische Umgestaltung der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands.

Die westlichen Alliierten Rußlands haben gegen die sowjetischen Methoden in Osteuropa immer wieder schärfsten Widerspruch erhoben und darauf hingewiesen, daß diese gegen die gemeinsamen Abmachungen über die Wiederherstellung der Selbständigkeit der europäischen Staaten (Yalta-Deklaration) verstießen. Es blieb ihnen aber nichts anderes übrig, als es bei papiernen Protesten bewenden zu lassen, da die Rote Armee nun einmal mitten in Deutschland und damit mitten in Europa stand. Diese Rote Armee konnte und kann auf Grund der seinerzeitigen Abmachungen ja nur dadurch wieder aus Mitteleuropa entfernt werden, daß ein Friedens-bzw. Staatsvertrag mit Deutschland und Österreich abgeschlossen wird. Dazu kam, daß die westlichen Mächte bald nach Kriegsende verhältnismäßig schnell ihre Streitkräfte demobilisierten, so daß sie nicht in der Lage waren, stärkeren Drude auszuüben.

Es kam noch etwas dazu: Zwischen Rußland und Großbritannien war mit Kenntnis, wenn auch ohne Zustimmung der Vereinigten Staaten Anfang 1945 vereinbart worden, daß Rußland sich nicht in Griechenland und daß Großbritannien sich nicht in Rumänien, Bulgarien und Ungarn einmischen solle. Dies sollte als Provisorium bis zur Niederlage Deutschlands gelten. Praktisch beinhaltete die Vereinbarung jedoch eine gewisse Anerkennung von gegenseitigen Interessensphären, wie sie schon vom 3. Reich und Rußland in anderer Grenzziehung vereinbart worden war.

Ab Ende 1945 begannen Verhandlungen über die Friedensverträge mit Italien, sowie mit den osteuropäischen Staaten, die im Krieg auf der Seite Deutschlands gestanden hatten und nun unter russischen Einfluß geraten waren. Diese Verträge wurden am 10. Februar 1947 unterzeichnet. Während Italien aus der Kontrolle der beiden westlichen Besatzungsmächte rechtlich und tatsächlich völlig entlassen wurde, gelang es den Westmächten nicht, Sicherungen für freigewählte Regierungen in den osteuropäischen Ländern einzubauen. Es waren zwar in den Verträgen Bestimmungen über den Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen binnen 90 Tagen enthalten, diese kamen aber dadurch praktisch nicht zum Zug, daß die Rote Armee nach wie vor in Österreich stand, so daß Ruß-land berechtigt blieb, seine Nachschuborganisationen durch die osteuropäischen Staaten nach Österreich aufrechtzuerhalten. Praktisch bedeutete dies, daß der Druck der Sowjetunion auf die osteuropäischen Staaten aufrechterhalten werden konnte, so daß die oben geschilderte Entwicklung zu einem bolschewistischen System in aller Ruhe durchgeführt wurde.

Mit den kommunistischen Regierungen der osteuropäischen Länder schloß im Laufe der Zeit die Sowjetunion eine Anzahl von Einzelvertragen ab, welche das Militär-und Wirtschaftssystem dieser Länder in immer stärkere Abhängigkeit vom sowjetrussischen Staat brachten. Da-bei wurde alles getan, um eine engere Verbindung der osteuropäischen Länder untereinander nicht zustandekommen zu lassen. Die Entwicklung des Ostblocks wurde formell dadurch abgeschlossen, daß im September 1947 die im Krieg aufgelöste kommunistische Internationale in Gestalt der Kominform (Kommunistisches Informationsbüro) wieder hergestellt und daß 1949 auch ein osteuropäischer Wirtschaftsrat gegründet wurde.

Russische Absichten im Mittelmeer und in Vorderasien, amerikanische Eindämmungspolitik Kurz nach Kriegsende erhob die Sowjetunion bei den Verhandlungen in Potsdam die Forderung auf Kontrolle der Dardanellen durch Errichtung eines Flottenstützpunktes auf türkischem Gebiet. Ferner unterstützte sie auch entgegen ihrer Absprache mit Großbritannien die kommunistischen Aufständischen in Griechenland. Weiterhin erhob sie Forderungen auf türkische Grenzprovinzen in der Nadibarschaft des Kaukasus, die vor dem ersten Weltkrieg zum Zarenreich gehört hatten. Im September 1945 verlangte sie bei der ersten Außenministerkonferenz die Übergabe der italienischen Kolonie Tripolis in russische Verwaltung, d. h. die Sowjetunion wollte sich am Mittelmeer in Afrika festsetzen.

Ende 1945 erklärte die Sowjetunion ferner, sie sei nicht geneigt, ihre Truppen bis März 1946 — wie früher abgesprochen — aus der nord-persischen Provinz Aserbeidschan zurückzuziehen. Sie stellte sich dabei auf den Standpunkt, daß diese Besetzung zur Sicherung ihrer in der Nähe gelegenen Ölfelder von Baku notwendig sei.

Allen diesen Versuchen zur Ausweitung der russischen Interessensphäre über die Frontlinie der Roten Armee hinaus traten die westlichen Alliierten auf das schärfste entgegen. Sie unterstützten die griechische Regierung im Kampf gegen die kommunistischen Aufständischen, ermutigten die türkische Regierung zur Ablehnung der russischen Forderungen und erreichten eine Entscheidung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, daß dem Verlangen der persischen Regierung auf Abzug der russischen Truppen stattzugeben sei. Der Sicherheitsrat erkannte an, daß die Anwesenheit fremder Truppen nur mit Einwilligung der Regierung des betreffenden Staates erlaubt sei. Ferner lehnten die Westmächte auf das entschiedenste die Übergabe von Tripolis an die Sowjetunion durch die Vereinten Nationen ab.

Schon fünf bis sechs Wochen nach der Konferenz von Potsdam waren die russischen Expansionstendenzen sichtbar geworden und die Alliierten des Weltkrieges bereits in weltpolitischen Fragen uneinig. vielen Schon damals trat eine gewisse Wendung in ihren Beziehungen ein. An die Stelle der bisherigen Politik der „Nachgiebigkeit“ (appeasement) der westlichen Alliierten gegenüber der Sowjetunion trat eine Politik der . Unnachgiebigkeit“ (no-appeasement). Im Laufe des Jahres 1946 wurde nun die Lage für die Regierung in Griechenland immer bedrohlicher; die Unterstützung der Aufständischen durch andere kommunistische Regierungen der Nachbarschaft — indirekt durch Rußland — war nicht zu bestreiten, und die Last Großbritanniens für die Unterstützung Griechenlands und der Türkei wurde immer schwerer.

Auf das Ersuchen Großbritanniens und Griechenlands um Unterstützung gab Anfang 1947 Präsident Truman die Erklärung ab, daß Amerika willens sei, „freien Völkern bei der Erhaltung ihrer freien Institutionen und ihrer nationalen Integrität gegen Bewegungen zu helfen, die ihnen ein totalitäres System aufzwingen wollen. Totalitäre Regierungsformen, die freien Völkern durch direkte oder indirekte Aggression auferlegt werden, untergrüben die Grundlagen des internationalen Friedens und damit die Sicherheit der Vereinigten Staaten“. Diese Erklärung ist als Truman-Doktrin bekannt geworden, und mit ihr begann die amerikanische Politik der Eindämmung (Containment policy) der sowjetisch-kommunistischen Ausbreitungstendenz. Präsident Truman beantragte und erhielt die Zustimmung des Kongresses zur Gewährung von wirtschaftlicher und finanzieller Hilfe für Griechenland und die Türkei, ferner zur Entsendung von amerikanischem Zivil-und Militärpersonal zwecks Ausbildung an den von Amerika außerdem zu liefernden Waffen.

Entzweiung der Weltmächte über die Deutschland-und Europa-Frage Die eigentliche Ursache der Verschärfung der Ost-West-Spannung, d. h.des „Kalten Krieges", wurden die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten der Alliierten über Deutschland und über Europa. In den Verhandlungen derAußenministerkonferenzen vom Herbst 1945 bis Sommer 1949 wurde deutlich sichtbar, daß die Sowjetunion ihre Interessensphäre auch auf Westdeutschland auszudehnen trachtete. Sie verlangte nämlich Beteiligung an der Kontrolle des Ruhrgebietes, Einbau der sogenannten demokratischen Massenorganisationen (d. h.der Gewerkschaften — um-gemodelt nach sowjetischem Muster — und anderer durch kommunistische Stellen zu lenkende Verbände) in die Wahlvorschläge für ein zentralisiertes Gesamtdeutschland, Reparationen in Höhe von 10 Milliarden Dollar aus der laufenden Produktion, dauernde Entmilitarisierung sowie Demokratisierung und Sozialisierung in ihrem Sinne, ferner endgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Sie verlangte insbesondere, daß das Recht jeder einzelnen Besatzungsmacht, eine Maßnahme einer gesamtdeutschen Regierung zu verbieten (Veto), aufrechterhalten werden sollte, während die USA und Großbritannien, später auch Frankreich, dieses Recht nur der Mehrheit der Besatzungsmächte im Kontrollrat vorbehalten wollten. Mit der Beibehaltung derEinstimmigkeit, d. h.des Vetorechts, wäre es aber Rußland möglich gewesen, die Tätigkeit einer deutschen Regierung lahmzulegen. Es ist sehr bezeichnend, daß die Sowjetunion andererseits nichts hören wollte, als die Westalliierten gegen eine russische Beteiligung an der Ruhrkontrolle ihrerseits Mitbeteiligung an der Kontrolle des oberschlesiSchen Industriegebietes verlangten.

Die Sowjetunion protestierte heftig, als die Amerikaner und Engländer sich im Herbst 1946 entschlossen, ihre Zonen zunächst in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu einer Doppelzone (später Vereinigtes Wirtschaftsgebiet genannt) zusammenzulegen, um dem wirtschaftlichen Verfall Deutschlands mittels Aufhebung der Zonengrenzen Einhalt zu gebieten und dadurch wenigstens eine Vereinigung der nicht von den Russen besetzten freien Teile Deutschlands in die Wege zu leiten. Die Sowjetunion dagegen wollte eine Vereinigung Gesamtdeutschlands in ihrem Sinne und nach ihrer Methode. Falls dies aber nicht gehe, wollte sie die Aufrechterhaltung der getrennten vier Zonen und damit eine dauernde Schwächung und Teilung Deutschlands.

Schon 1946 hatten aber auch die USA erkannt, daß Europa nicht gesunden könne, wenn Deutschland ein ansteckender Krankheitsherd bleibe. Sie hatten ferner erkannt, daß das durch den Krieg in seinem industriellen Produktionsapparat, Verkehrswesen, in der Ernährungswirtschaft, im Wohnungswesen außerordentlich geschwächte Europa eine Blut-zufuhr brauchte, daß diese aber nur wirksam sei, wenn die Produktion der europäischen Staaten und ihr gegenseitiger Handelsaustausch wieder hergestellt werde — und hierzu war Produktion und Außenhandel Deutschlands, mindestens seines westlichen Teils, unentbehrlich. Jedoch auch Deutschland konnte wirtschaftlich ohne einen intensiven Handelsaustausch mit Europa und den überseeischen Ländern nicht gesunden. Diese Erkenntnisse kamen bereits deutlich in der Rede des Außenministers Byrnes am 6. September 1946 in Stuttgart zum Ausdruck.

Am 5. Juni 1947 bot dementsprechend der amerikanische Außenminister Marshall eine umfassende Wirtschaftshilfe für Europa unter der Voraussetzung an, daß die europäischen Staaten sich über die wirtschaftlichen Maßnahmen einigten, die sie selbst treffen könnten, und daß sie ein gemeinsames Wiederaufbauprogramm entwürfen. Marshall erklärte, aus der Verzweiflung der europäischen Völker könnten sich Unruheherde entwickeln, aus denen auch schwere Folgen für die Wirtschaft und Sicherheit der USA kommen müßten. Deshalb sollten diese alles tun, um die Wiederherstellung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse in der Welt zu fördern. Zweck der einzuschlagenden Politik sei, eine funktionierende Weltwirtschaft wieder zu errichten, damit politische und soziale Bedingungen entstehen könnten, unter denen freie Institutionen existieren.

Einige Tage später wurde klargestellt, daß das Angebot auch für Ruß-land gelte. Großbritannien und Frankreich luden daraufhin die Sowjetunion zu Besprechungen ein und arbeiteten einen Plan zur Errichtung einer Organisation der europäischen Staaten (einschließlich Sowjetunion) für wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Die Sowjetunion nahm die Einladung an, lehnte aber — anscheinend nach einigem Schwanken — in schroffer Form nach kurzer Konferenz den Plan ab und nötigte auch die Tschechoslowakei und Polen, die bereits ihr Interesse kundgetan hatten, zur Ablehnung des Planes und der amerikanischen Hilfe. Sie begründete dies damit, daß die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Souveränität der mittleren und kleineren Staaten durch eine solche Organisation bedroht würden und daß die Einbeziehung Deutschlands in den Plan die Verwendung der deutschen Hilfsquellen für Reparationen an die Sowjetunion und andere hindere.

Der weitere Verlauf der Dinge hat bewiesen, daß durch den Marshallplan und die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit die Selbständigkeit der europäischen Staaten nicht beeinträchtigt wurde, daß sie vielmehr alle, einschließlich Deutschland, stärker und kräftiger wurden, allmählich gesundeten und ihre Produktion erheblich steigern konnten. Die Erkenntnis, daß dies eintreten werde, war jedoch wohl der tiefere Grund für die Ablehnung durch Rußland. Es war nicht an einer Gesundung und Kräftigung der westeuropäischen Länder interessiert, sondern an ihrer Schwäche; außerdem fürchtete es, daß die Einbeziehung der osteuropäischen Staaten den in Gang befindlichen Bolschewisierungsprozeß aufhalten und sie wieder allmählich aus der russischen Interessensphäre loslösen könne. Der Tag der schroffen Ablehnung des Marshallplanes, der 2. Juli 1947, kann als Tag des Beginns des kalten Krieges angesehen werden.

Bildung des Westblocks, russische Berlin-Blockade

Beginn der Blockbildung im Westen 1948 Drude ruft Gegendrude hervor. Die Blockbildung im Osten mußte zwangsläufig zu einer Gegenreaktion im Westen führen. Charakteristisch ist, daß in den ersten Außenministerkonferenzen nach Kriegsende die Russen den westlichen Alliierten bereits eine Blockbildung vorwarfen, obwohl tatsächlich eine solche noch keineswegs erfolgt war. Sie begann erst, nachdem die Außenministerkonferenz von Ende 1947 in Moskau wiederum keine Möglichkeiten einer Einigung über Deutschland erbracht hatte. In dieser Konferenz hatte die Sowjetunion besonderen Nachdruck auf ihre Beteiligung an der Kontrolle der Ruhr gelegt, einen „demokratischen“ Aufbau Gesamtdeutschlands in ihrem Sinne bei umfassender Sozialisierung der Industrie verlangt, sowie erneut sich gegen den Marshallplan und ein gemeinsames europäisches Wiederaufbauprogramm gewandt. Nun erkannte auch Frankreich endgültig, daß ohne ein gemeinsames Vorgehen mit den anderen Westmächten — auch in der deutschen Frage — eine politische und wirtschaftliche Genesung in Europa nicht möglich sei.

Der britische Außenminister ergriff im Januar 1948 die Initiative, indem er die benachbarten westeuropäischen Staaten Frankreich, Holland, Belgien, Luxemburg aufforderte, näher zusammenzurücken und einen festen Kern für die Konsolidierung Westeuropas zu bilden. Er begründete dies wie folgt: Die Sowjetunion habe alle in ihrer Macht stehenden Mittel benützt, um in Osteuropa eine kommunistische Kontrolle zu errichten und darüber hinaus auch im Westen. Alle Anzeichen bewiesen aber, daß die Sowjetunion damit noch nicht zufrieden sei. Im Verlauf der Diskussion um den Marshallplan habe die Sowjetunion sich entschlossen, eher einen Westblock zu riskieren als eine Durchdringung Osteuropas in Kauf zu nehmen. Die Zeit sei reif für eine Konsolidierung Westeuropas. Nach Bildung des festen Kerns der fünf westeuropäischen Staaten (bald darauf „Westunion“ genannt), müsse man den Kreis der unmittelbaren Nachbarn weiter durchgehen und die Frage der Heranziehung anderer historischer Mitglieder der europäischen Zivilisation in diese große Konzeption prüfen. Hierbei sprach er namentlich Italien an, das nach Zustandekommen seines Friedensvertrages aus der Kontrolle der Besatzungsmächte entlassen worden war. Auch Deutschlands künftige Rückkehr als demokratische Nation wurde erwähnt.

Der Brüsseler Pakt kam am 17. März 1948 (eine Woche nach dem Fenstersturz des tschechoslowakischen Außenministers Masaryk, mit dem die vollständige Bolschewisierung der Tschechoslowakei begann) zustande zum Zweck der Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Fragen und zur kollektiven Selbstverteidigung. In der Präambel findet sich außer der Versicherung des Widerstandes gegen jede Angriffs-politik auch ein Hinweis „für den Fall einer erneuten deutschen Aggressionspolitik“. Nach der Vorgeschichte des Vertrages, insbesondere nach der vorstehenden Begründung durch Bevin ist dieser Hinweis von geringer Bedeutung, er diente vor allem zur Beruhigung Frankreichs. Von vornherein war in dem Vertrag vorgesehen, daß die vereinbarte engere Zusammenarbeit in wirtschaftlicher Hinsicht durch den Konsultativrat der fünf Mächte oder aber durch andere, noch weitere Staaten umfassende Körperschaften durchgeführt werden könne und daß andere Staaten eingeladen werden könnten, dem Vertrag beizutreten.

Ein wichtiger Bestandteil des Programms der politischen und wirtschaftlichen Wiederherstellung Europas war die Ausfüllung des staatlichen Hohlraumes in Deutschland, d. h.seine allmähliche Rückführung in die Staatenwelt. Zur gleichen Zeit, als die Beratungen über den Brüsseiet Pakt und den Europäischen Wirtschaftsrat liefen, wurden demgemäß auch die ersten Beratungen über einen festen politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluß der 3 Westzonen durchgeführt. Es bedurfte verschiedener Kompromisse, um eine Einigung unter den 3 Westalliierten zu erzielen; Frankreich mußte seine Lieblingsidee aufgeben, Rheinland und Ruhrgebiet zu internationalisieren, d. h. vom übrigen Deutschland los zu trennen. Es wurde dafür an der Kontrolle der Ruhr durch eine zu gründende internationale Ruhrbehörde beteiligt und erhielt das formell» Einverständnis der USA und Großbritanniens zur Beibehaltung der mittlerweile durchgeführten wirtschaftlichen Angliederung des Saargebiets. Die Verhandlungen endeten im Juni 1948 mit dem Beschluß der 3 Westalliierten — im Einvernehmen mit den benachbarten Ländern Holland. Belgien und Luxemburg —, die Ministerpräsidenten der deutschen Länder zu ermächtigen, eine verfassungberatende Versammlung zu berufen. Di« Ausarbeitung des Grundgesetzes für die zu bildende Bundesrepublik zog sich vom 1. September 1948 bis 18. Mai 1949 hin und die Konstituierung der Bundesrepublik erfolgte am 7. September 1949.

Berlin-Blockade zur Verhinderung der deutschen und europäischen Teil-Einigung Ebenso wie schon die Zusammenlegung der zwei angelsächsischen Besatzungszonen das stärkste Mißfallen der Sowjetunion hervorrief, hat der Plan einer über das Wirtschaftliche hinausgehenden politischen Vereinigung aller drei Westzonen (also nun einschließlich der französischen) die Sowjetregierung zu heftigem Protest veranlaßt. Schon die Einberufung der Konferenz im Februar 1948, in der dieser Zusammenschluß beraten werden sollte, erklärte sie als eine Verletzung des Potsdamer Abkommens. Einige Tage nach dem Abschluß des Brüsseler Paktes, und zwar am 20. März 1948, verließ der russische Militärgouverneur ostentativ den Kontrollrat, der von da ab nicht mehr zusammentrat. Bald danach begannen die ersten Maßnahmen gegen Westberlin durch Erschwerung des Verkehrs, die sich immer mehr bis zu einer Blockade steigerten. Die Durchführung der Währungsreform in den Westzonen Deutschlands am 20. Juni 1948, die die wirtschaftliche Gesundung einleitete, bildete sodann den Vorwand, um den gesamten Bahnverkehr zwischen den Westzonen und Berlin zu unterbrechen, um dadurch die Versorgung Berlins auf das äußerste zu gefährden.

Mit dieser Blockade beabsichtigte die Sowjetunion, die Alliierten zur Aufgabe oder wenigstens zu einer Verschiebung des Zusammenschlusses Westdeutschlands und Westeuropas zu zwingen. Vielleicht hoffte sie sogar, die westlichen Alliierten zur Aufgabe Berlins zu nötigen und dadurch die Lücke im Eisernen Vorhang zu schließen. Die Wirksamkeit der Blockade wurde allerdings durch den Erfolg der Luftbrücke, die die Alliierten einrichteten, und die Standhaftigkeit der Berliner Bevölkerung durchkreuzt, die monatelang schwere Entbehrungen auf sich nahm. Seitens der westlichen Alliierten wurden ferner wirtschaftliche Gegenmaßnahmen im Interzonenhandel und im allgemeinen West-Ost-Handel ergriffen.

Der Mißerfolg der Blockade und eine schwere Niederlage der Kommunisten bei den Berliner Stadtverordnetenwahlen Ende 1948 sowie die konsequente Fortführung der Politik der Vereinigung der Westzonen und der westlichen Zusammenarbeit, vielleicht auch die Hinwendung der russischen Aufmerksamkeit auf Asien, veranlaßten zu Beginn des Jahres 1949 den Kreml, das Spiel um Berlin abzubrechen. Es begannen diplomatische Sondierungen in verschiedener Form, die mit Verhandlungen zwischen dem amerikanischen und dem russischen Delegierten im Sicherheitsrat fortgesetzt wurden und schließlich Anfang Mai 1949 zu einem Viermächteübereinkommen führten, das eine Aufhebung der Berliner Blockade beschloß sowie eine neue Außenministerkonferenz über Deutschland vorsah. Es ist sehr bezeichnend, daß diese Übereinkunft etwa einen Monat nach Unterzeichnung des Nordatlantikpaktes erfolgte, in der der Westblock bereits Gestalt gewonnen hatte, und der Inhalt des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland weitgehend feststand. Die Konferenz der vier Außenminister von Ende Mai bis fast Ende Juni 1949 führte jedoch nicht zu einer Einigung; die westlichen Alliierten waren nicht gewillt, das freiheitliche Verfassungswerk der Bundesrepublik wieder zunichte zu machen. Die Russen andererseits verlangten Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und Fortdauer ihrer unumschränkten Einflußnahme durch die Veto-Befugnis (Einstimmigkeit im Kontrollrat). Die Konferenz sollte die letzte der ehemaligen vier Alliierten bleiben — bis zur Konferenz in Berlin von Ende Januar bis 18. Februar 1954.

Die Organisierung der Westlichen Welt und Europas Einen Monat nach Unterzeichnung des Brüsseler Paktes war schon die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Westunion auf eine breitere Grundlage durch Abschluß des Vertrages über die Europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit am 16. April 1948 gestellt worden. Durch diesen Vertrag wurde der Europäische Wirtschaftsrat (OEEC) ins Leben gerufen. Tatsächlich wurde der Europäische Wirtschaftsrat ein wichtiger Bestandteil der westlichen Zusammenarbeit überhaupt. Die drei Westzonen Deutschlands wurden von Anbeginn an in den Europäischen Wirtschaftsrat einbezogen.

Sehr schnell zeigte sich nach Inkrafttreten des Brüsseler Paktes, daß die westeuropäische Verteidigung ohne Teilnahme Nordamerikas, Nord-europas und Südeuropas ungenügend sein würde. Bereits am 11. Juni 1948 billigte der amerikanische Senat einen Vorschlag des Senators Vandenberg, demzufolge auf Ansuchen militärische Hilfe an regionale Bündnisgruppen, wie z. B. die Westunion, gegeben werden könne. Es begannen bald darauf Verhandlungen zwischen der Westunion und den beiden Staaten Nordamerikas, zu denen später eine Anzahl von nord-und südeuropäischen Staaten beigezogen wurde, und zwar zum Zwecke der Errichtung eines nordatlantischen Verteidigungssystems durch einen Nordatlantikpakt. Der Fortgang der Verhandlungen wurde durch die Tatsache der russischen Blockade Berlins sehr gefördert.

Der Vertrag wurde am 18. März 1949 veröffentlicht und die Staaten-organisation. die durch ihn geschaffen wurde, erhielt die Bezeichnung „NATO" (North Atlantic Treaty Organisation). Diese NATO ist als Atlantische Verteidigungsgemeinschaft im Laufe einiger Jahre zum eigentlichen Träger des Westblocks geworden.

Führende Mächte und entscheidende Bestandteile dieser riesenhaften Organisation sind Amerika und Großbritannien. Ersteres brachte seine ungeheure Wirtschafts-und Finanzkraft sowie sein System von Stützpunkten im atlantisdien und pazifischen Raum ein, errichtet auf Grund von einzelnen Abkommen mit einer Anzahl von Staaten; von diesen Stützpunkten aus kontrolliert Amerika einen großen Teil der Luftwege rings um den und im europäisch-asiatischen Kontinent. Großbritannien stärkt die NATO durch seine Flottenmacht und seine kolonialen Stützpunkte, mit denen es immer noch die Meere und Wasserstraßen der Welt kontrolliert. Wegen seiner Schlüsselstellung auf dem Kontinent und in Nordafrika, sowie aus traditionellen Gründen ist auch Frankreich im militärischen Lenkungsgremium der NATO, der ständigen Gruppe der 3 Stabschefs der Hauptmächte, in Washington vertreten; die politische Leitung hat ihren Sitz in Paris.

Seit 1949 gewähren die USA den Teilnehmern militärische Hilfe zusätzlich zur Wirtschaftshilfe. Diese Unterstützung in Form von Kriegs-material und dergleichen sollte die Verteidigungsbudgets der verbündeten Staaten entlasten; sie dauert noch an, während die Wirtschaftshilfe meist beendet wurde. Insgesamt sind in allen Formen der Hilfe seit Kriegsende bis Ende 1952 mehr als 30 Milliarden $nach Westeuropa geflossen.

Ab 1949 begann noch eine besondere Zusammenarbeit der NATO-Staaten in Form eines Kontrollkomitees (Cocom abgekürzt), um die Ausfuhr von strategischem Kriegsmaterial in den Ostblock zu verhindern und von anderen kriegswichtigen Gütern zu beschränken. Auch die Bundesrepublik wurde mehr und mehr und seit 11/2 Jahren vollständig gleichberechtigt zu dieser gemeinschaftlichen Kontrolle zugezogen.

Der Zusammenhalt Europas und indirekt der westlichen Welt wurde im weiteren Verlauf noch durch die Gründung des Europarates sowie die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) im engeren Kreis der sechs kerneuropäischen Länder Frankreich, Deutschland, Italien und den Beneluxstaaten verstärkt. Um auch einen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen und damit den militärischen Hohlraum in Mitteleuropa auszufüllen sowie um den Teilbezirk Zentral-und Südeuropa im atlantischen System straffer zusammenzufassen, wurde seit Herbst 1950 bis April 1952 am Entwurf eines Vertrages über eine europäische Verteidigungsgemeinschaft gearbeitet. Hand in Hand mit den Verhandlungen über die EVG gingen Verhandlungen über einen Deutschland-Vertrag, der die Abschaffung der Besatzungsgewalt über die Bundesrepublik bezweckte. Sein Inkrafttreten war an die Wirksamkeit des EVG-Vertrags gebunden.'Nach Unterzeichnung beider Verträge besserte sich zwar die faktische Stellung der Bundesrepublik gegenüber den Alliierten und den anderen Mächten, nach wie vor besteht jedoch das Besatzungs-Statut und damit die Möglichkeit einer effektiven Ausübung der Obersten Gewalt der Besatzungsmächte über die Bundesrepublik. Da der EVG-Vertrag nicht in Kraft treten konnte, ist das Problem des deutschen Verteidigungsbeitrages und der Aufhebung der Besatzungsgewalt noch nicht gelöst.

Auch der 1948 abgeschlossene Vertrag von Bogota zwischen den USA und den Staaten Lateinamerikas ist als eine Abstützung der Westlichen Welt zu werten. Er bezweckt die Sicherung des inneren Friedens und die Abwehr von Angriffen auf den amerikanischen Kontinent.

Abwendung Jugoslawiens vom Ostblock und Triestfrage Einen Sonderfall in der Ost-West-Beziehung stellte von vornherein Jugoslawien dar. Die Sowjetunion und Großbritannien hatten bei der provisorischen Einteilung der Interessensphären auf dem Balkan Ende 1944 vereinbart, daß beide Mächte sich 50: 50 im Einfluß auf Jugoslawien teilen sollten. Diese Vereinbarung kam nicht zum Zuge, da Jugoslawien weder durch direktes Eingreifen der westlichen Truppen, noch durch die östliche Seite seine Selbständigkeit wiedererlangte, sondern durch die einheimische kommunistische Partisanenarmee von Tito. Dadurch war es in einer anderen Situation als die benachbarten Länder. Nach dem Zusammenbruch der deutschen Armee wurde die im Krieg von der Partei Titos schon begonnene LImgestaltung des Landes zu einem kommunistischen Gemeinwesen ganz nach sowjetischem Muster schnell durchgeführt. Jugoslawien schloß zwar ebenso wie die anderen Länder Verträge mit der Sowjetunion und trat 1947 auch der Kominform bei. Entscheidend war jedoch, daß russische Truppen nicht auf seinem Territorium standen, so daß es in der Lage war, sich gegen den Versuch der Ausbeutung durch die Sowjetunion und gegen den Versuch, Jugoslawien dem Willen des zu Kreml unterwerfen, zu wehren.

Im Sommer 1948, also zu der Zeit, als die Sowjetunion die Zügel im Ostblock angespannt hatte und die Berlin-Blockade begann, wurde Jugoslawien aus der Kominform ausgeschlossen. Anscheinend war der Kreml der Meinung, das kommunistische Jugoslawien habe vom Westen nichts zu erwarten und das Tito-Regime werde vom prorussischen Flügel gestürzt werden. Es hielt sich aber; der Staat begann eine selbständige Politik und näherte sich allmählich dem Westen. USA gewährte Jugoslawien Wirtschaftsund später auch Rüstungshilfe. Das Land gab jedoch das kommunistische System nicht auf; allerdings wurde die übermäßige Zentralisierung der Wirtschaftslenkung gelockert.

Die Annäherung an den Westen erlitt Verzögerungen wegen des Streites um das endgültige Schicksal Triests. Bei den Friedensvertrags-verhandlungen mit Italien hatte Jugoslawien mit Unterstützung der Sowjetunion das Gebiet von Triest verlangt, die Westmächte waren für dessen Belassung bei Italien eingetreten; daraufhin wurde im Friedensvertrag ein Freistaat Triest gebildet, dessen Gouverneur von Jugoslawien und Italien gemeinsam bestellt werden sollte. Eine Einigung darüber kam nicht zustande. Die Westmächte traten im Frühjahr 1948 für eine Rück-gabe von Triest an Italien ein, konnten sie aber nicht durchsetzen. Sie mußten nun weiterhin durch ihre Okkupationstruppen ihre Zone von Triest verwalten — später unter Zuziehung Italiens —; Jugoslawien verwaltete seine Zone. Dieses Provisorium spielte sich unter wechselnden Graden der Spannung allmählich ein.

Zerreißprobe im neuen Asien

Abbau der westlichen Kolonialherrschaft Während der Herausbildung der Ost-West-Spannung in Europa waren in Asien ebenfalls bedeutende Veränderungen Die Unab-eingetreten.

hängigkeitsbewegungen in den ehemaligen europäischen Kolonien machten Fortschritte und gewannen an Stärke, als die früheren Kolonialmächte Holland und Frankreich — in den Augen der Asiaten keine Sieger — im Spätherbst 1945 ihre Truppen entsandten und sich anschickten, ihre frühere Stellung wieder einzunehmen. Zwar sahen sich letztere genötigt, gleichzeitig mit den Führern der Unabhängigkeitsbewegungen zu verhandeln, die selbst Truppen aufgestellt hatten und bei der japanischen Kapitulation auch zu Waffen gekommen waren. Weiteren Auftrieb erhielten die Unabhängigkeitsbewegungen dadurch, daß im Sommer 1946 die Vereinigten Staaten ihr Versprechen bezüglich der Unabhängigkeit der Philippinen einlösten. Am 4. Juli 1946, am Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Amerikas proklamierte es die Selbständigkeit der Republik der Philippinen.

Großbritannien fand sich zwangsläufig in einer Doppelrolle: Als führende Weltmacht mußte es auf Grund der eingangs beschriebenen Absprachen trachten, daß möglichst schnell die Ordnung in den ehemaligen Kolonien durch die früheren Kolonialherren wiederhergestellt werde, ebenso wie es selbst als Kolonialmacht für die Wiederherstellung Burmas und Malaias zu sorgen hatte. Andererseits aber war es schon früher feierliche Verpflichtungen eingegangen, um Indien und seinen Nebenländern Burma und Ceylon den vollen Dominionstatus in derselben Art wie seinerzeit den weißen Dominions Australien und Neuseeland usw. zu verleihen und anderen Kolonien größere Selbstregierungsrechte zu geben.

Kurz nach Beendigung der Kampfhandlungen hat demgemäß die britische Regierung Verhandlungen mit der Führung der indischen Unabhängigkeitsbewegung ausgenommen. Im August 1946 wurde bereits eine Interimsregierung eingesetzt, in der Pandit Nehru als stellvertretender Ministerpräsident fungierte und in der alle Fachressorts mit Indern besetzt wurden. Die größten Schwierigkeiten für die Entlassung Indiens aus der britischen Oberhoheit ergaben sich aber daraus, daß die Moslem-Liga in einem indischen Gesamtstaat nicht eintreten wollte und die Errichtung eines selbständigen Staates Pakistan verlangte, bestehend zum kleineren Teil aus einigen Westprovinzen Indiens und zum größeren Teil aus Teilen von Nordostprovinzen (Punjab-Provinz), die aber mit West-Pakistan keinen territorialen Zusammenhang haben. Großbritannien versuchte zwischen der indischen Kongreßpartei und der Moslem-Liga zu vermitteln. Da eine Einigung jedoch nicht erzielt wurde, blieb Großbritannien nichts anderes übrig, als in die Errichtung zweier selbständiger Dominions Indien und Pakistan einzuwilligen.

Am 15. August 1947 wurden auf Grund des vom englischen Parlament genehmigten Gesetzes über die Unabhängigkeit Indiens die beiden Staaten Indische Union und Pakistan konstituiert. Die Teilung des indischen Subkontinents zog einen riesigen, von schweren Massakern zwischen Moslems und Hindus begleiteten Bevölkerungsaustausch nach sich. Indien erklärte sich bald darauf zur Republik, verblieb aber ebenso wie Pakistan im Verband des britischen Commonwealth. Am 4. Februar 1948 erhielt Ceylon die Stellung eines selbständigen Dominions. Auf Grund eines britischen Unabhängigkeitsgesetzes für Burma und eines Vertrages Großbritanniens mit Burma schied dieses am 6. Januar 1948 sowohl aus der britischen Oberhoheit wie auch aus dem Commonwealth völlig aus. Schon vorher waren die beiden Staaten ein Verteidigungsabkommen untereinander eingegangen.

Außerordentlich schwierig gestaltete sich die Ablösung der holländischen Kolonialherrschaft in Indonesien. Dieses hatte seine Unabhängigkeit bereits am 17. August 1945 proklamiert. In vierjährigen Kämpfen wehrte es sich gegen — durch die Großmächte gebilligte — Versuche Hollands, dort wieder Fuß zu fassen, und ließ sich auch auf Verhandlungen zur Errichtung einer indonesischen Selbstregierung im Rahmen des holländischen Reiches nicht ein. Nach Einschaltung eines Komitees der Vereinten Nationen kam es am 31. Januar 1948 zu einem Waffenstillstandsabkommen zwischen den Niederlanden und der Republik Indonesien, später zu erneuten Kampfhandlungen, und erst am 30. Dezember 1949 zu Verträgen, durch die die Souveränität über Indonesien an die Republik übertragen wurde. Ferner kam es zu einem Statut über eine niederländisch-indonesische Union zum Zwecke der organisierten Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung sowie für Finanzen, Wirtschaft und kulturelle Fragen. Diese Union wurde am 5. Juli 1954 wieder aufgelöst.

In den Perioden seit 1945 hat Frankreich nicht vermocht, rechtzeitig zu dauerhaften Abmachungen mit der indochinesischen Unabhängigkeitsbewegung zu kommen, so daß seit Ende des Krieges bis zur jüngsten Zeit in weiten Teilen Indochinas der Kampf zwischen den nationalistischen Partisanen, die frühzeitig kommunistischen Charakter annahmen, und der französischen Kolonialmacht angedauert hat.

Mit der Entwicklung der Unabhängigkeit in Asien traten sehr alte Gemeinwesen mit eigenständiger hoher Kultur nach teilweise einige Jahrhunderte dauernder Abhängigkeit von europäischen Mächten in neuer Gestalt in die Staatenwelt. Damit kamen in die Weltpolitik neue Komponenten hinein. Außenpolitisch arbeiten Indien, Pakistan, Burma, Ceylon, Indonesien neuerdings als Gruppe der Colombo-Staaten nach dem Muster des Britischen Commonwealth enger — aber nicht in allen Fragen — zusammen; zwischen Indien und Pakistan selbst gibt es dabei als Folge der Teilung ungelöste Probleme und häufig schwere Spannungen.

Machtergreifung der kommunistischen Partei in China Eine ganz entscheidende Veränderung der weltpolitischen Verhältnisse ist sodann dadurch eingetreten, daß die chinesische kommunistische Armee und die in Teilen Nordchinas schon seit langem Regierungsgewalt ausübende kommunistische Partei von Mao Tse-tung nach einem raschen Vormarsch im Oktober 1949 die Staatsgewalt über ganz China erlangte und die mit den USA befreundete Regierung Tschiang Kai-scheks vom chinesischen Kontinent verdrängte. Ende Oktober 1949 wurde von Mao Tse-tung die Gründung der Volksrepublik China und einer zentralen Volksregierung verkündet, die sofort von der Sowjetunion anerkannt wurde. Die neue Regierung Chinas schaltete den westlichen Einfluß auf wirtschaftlichem, politischem und schließlich religiös-kulturellem Gebiet alsbald radikal aus. Im Frühjahr 1950 traf die Regierung der Volksrepublik China in langen Verhandlungen grundlegende Absprachen mit der Sowjetunion, die sich auf gegenseitige Unterstützung in weltpolitischen Fragen, auf Rückgabe von Souveränitätsrechten an China in der Mandschurei innerhalb von 2 Jahren und auf russische wirtschaftliche Hilfe bezogen.

Am 30. Dezember 1949 akzeptierte Indien die Aufforderung der volks-republikanischen Regierung zur Aufnahme von diplomatischen Beziehungen; ein Botschafteraustausch folgte später. Am 5. Januar 1950 erkannte Pakistan Rotchina an, und am gleichen Tage erklärte auch Großbritannien seine Bereitschaft zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen und ernannte sofort einen Geschäftsträger. Großbritannien mußte es aber erleben, daß China keine Miene machte, seinerseits eine diplomatische Vertretung nach London zu entsenden. Von chinesischer Seite wurde als Hauptgrund dafür angegeben, daß Großbritannien nicht für die Aufnahme der Volksregierung in die UNO gestimmt habe. Mit anderen westeuropäischen Staaten hat China jedoch nach deren Anerkennung effektive diplomatische Beziehungen ausgenommen.

Hauptgegner der diplomatischen Anerkennung Rotchinas und seiner Aufnahme in die Vereinten Nationen waren und sind die USA. Diese Haltung ist aus vielerlei Motiven und Ursachen zu erklären. Die Regierung Truman hatte nach dem Krieg längere Zeit vergeblich versucht, die kommunistische Teilregierung in Nordchina mit der Regierung Tschiang Kai-schek zu verschmelzen. Die USA unterstützten dann die letztere weiterhin mit Marshallplan-und Rüstungsgütern und betrachteten sie nach ihrer Verdrängung aus dem Kontinent nach Formosa nach wie vor als rechtmäßige Regierung Chinas und als dessen Vertreterin im Sicherheitsrat, wohl teilweise aus Gründen der Loyalität, teils aber auch, um den wichtigen strategischen Stützpunkt Formosa im Interesse der Sicherheit Japans und der dortigen amerikanischen Militärbasen sowie anderer westlicher Länder nicht aufgeben zu müssen. Entscheidend war dabei aber die amerikanische Abneigung gegen die Vergrößerung des Ostblocks und die alte eingewurzelte Vorstellung, daß durch Umsturz entstandene neue Regierungen erst zeigen müssen, daß sie sich an die Normen des Völkerrechts halten und daß sie imstande sind, Ordnung und Recht im Innern aufrecht zu erhalten. Die USA hatten ja auch die Sowjetunion erst im Jahre 1934, also 17 Jahre nach Errichtung des Sowjetsystems anerkannt und mit ihr Beziehungen ausgenommen. Die Nichtanerkennung Rotchinas und die Verweigerung seiner Zulassung zu den UN wurde in der weiteren Folge eine der wichtigsten weltpolitischen Streitfragen sowie auch eine Quelle von Unstimmigkeiten zwischen USA und Großbritannien.

Allerdings bekam die Frage der Anerkennung Rotchinas und seiner Aufnahme in die UN dadurch ein anderes Gesicht, daß der Korea-Konflikt ausbrach und China in diesen eingriff. Nunmehr mußten auch die für die Anerkennung Rotchinas eintretenden Staaten sich bestreben, dieses Problem aufzuschieben und darüber hinaus darum bemüht sein, die noch vorhandenen Stützpunkte in Ostasien und im Pazifik zu halten, um nicht die im Fernen Osten befindlichen anderen Teile der westlichen Welt wie Australien, Neuseeland usw. in Gefahr zu bringen, und um zu verhindern, daß auch die neue asiatische Staatenwelt in die Hände der Kommunisten falle. Das Zentrum der Ost-West-Spannung verlagerte sich damit nach Asien. Die Militärhilfe der USA an die NATO-Staaten wurde auch auf asiatische Staaten ausgedehnt wie schon früher die wirtschaftliche Auslandshilfe.

Krieg und Waffenstillstand in Korea Obwohl die Lage in Asien durch den rotchinesischen Vormarsch schon im Frühjahr 1949 bedenklich geworden war, zogen die USA ihre Truppen Ende Juni 1949 aus Südkorea ab. Die Sowjetunion hatte dies schon Ende 1948 getan, hatte aber vorher eine nordkoreanische Armee voll ausgerüstet und ausgebildet. Die Südkoreaner besaßen zur gleichen Zeit lediglich eine Gendarmerie zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung. Es ist von heute aus gesehen fast unerklärlich, daß bei dieser Lage der Dinge die amerikanische Regierung ihre Truppen aus Korea abgezogen hat.

Fast genau ein Jahr nach dem Abzug der Amerikaner, und zwar am 25. Juni 1950, überschritt die nordkoreanische Armee die Demarkationslinie (den 38. Breitengrad), welche Südkorea von Nordkorea trennte. Die nordkoreanische Regierung behauptete, die Südkoreaner hätten ihrerseits vorher einen Angriff auf Nordkorea gestartet. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verlangte sofortige Zurückziehung der nord-koreanischen Truppen und erbat die Unterstützung Südkoreas durch die Mitglieder der Vereinten Nationen. An der Sitzung des Sicherheitsrates nahm jedoch der Vertreter der Sowjetunion nicht teil. Die Regierung der Vereinigten Staaten beauftragte ihren Oberkommandierenden in Japan mit sofortigem Eingreifen. Eine Anzahl von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen entsandten ebenfalls Truppen.

Der koreanische Krieg gestaltete sich sehr wechselvoll. Zeitweise waren die Truppen der Vereinten Nationen (hauptsächlich Amerikaner) auf einem kleinen Brückenkopf im Süden zusammengedrängt. Als bei der Gegenoffensive Südkorea befreit war und sich der Kampf in Nordkorea abspielte und dem Grenzfluß Yalu näherte, griffen sogenannte „freiwillige Truppen" Rotchinas in den Kampf ein. Zeitweise fürchtete damals die Welt, es könnte sich daraus ein dritter Weltkrieg entwickeln. Die Truppen der Vereinten Nationen wurden wieder zum 38. Breitengrad zurückgedrängt, um den herum sich eine neue Frontlinie allmählich verhärtete.

Mitte Juni 1951 gab die Sowjetunion in ähnlicher Weise wie seinerzeit vor Aufgabe der Berlin-Blockade dem Westen zu erkennen, daß sie die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen befürworte, die sodann am 1. Juli 1951 erfolgte. Es geschah dies zur gleichen Zeit, als in Europa der Ausbau der NATO auf Grund der Erfahrungen mit Korea entscheidende Fortschritte gemacht hatte und als die Frage eines deutschen Verteidigungsbeitrages und einer Aufhebung des deutschen Besatzungsstatuts, sowie in Asien der Friedensvertrag mit Japan in die Tagesordnung der westlichen Mächte ausgenommen worden war. Die Vorverhandlungen für einen Waffenstillstandsvertrag in Korea haben sich jedoch noch zwei Jahre hingezogen. In dieser Zeit spielten sich immer noch Kämpfe ab, ohne daß von beiden Seiten noch ernste Versuche einer strategischen Fortsetzung des Krieges gemacht wurden. Der Waffenstillstandsvertrag vom 27. Juli 1953 kam aber erst zustande, als nach dem Tode Stalins eine Entspannung der politischen Weltlage von Seiten des Kreml offenbar als notwendig angesehen worden war. Im Vertrag wurde praktisch die Frontlinie, die teils südlich, teils nördlich des 3 8. Breitengrades verlief, zur neuen Demarkationslinie zwischen Nord-und Südkorea, und nach sehr hartnäckigem Feilschen konzedierte die kommunistische Seite sogar eine freie Entscheidung der Gefangenen, ob sie in die Heimat zurückkehren wollten oder nicht.

Weltpolitische Zwischenakte im Mittelmeer-Raum und in Vorderasien

Die arabische Staatengruppe Auch im Mittelmeer-Raum ist seit Ende des 2. Weltkrieges eine neue Gruppe selbständiger Staaten in Erscheinung getreten. Die arabischen Staaten, die ehemals Teile des türkischen Reiches waren und nach dem 1. Weltkrieg einzeln unter Mandat des Völkerbundes an Frankreich, Italien, vor allem aber Großbritannien zur Verwaltung übergeben worden waren, hatten teils vor und während des 2. Weltkrieges, teils am Kriegsende volle Souveränität erlangt. Es sind dies: Irak, Syrien, Libanon, Jordanien, Saudisch-Arabien, Jemen, sowie seit einigen Jahren Libyen (Tripolis). Bereits 1945 haben sie sich unter Führung Ägyptens in einer Arabischen Liga zusammengeschlossen. Mit der Erlangung der Selbständigkeit und dem Abschluß eines Bündnisses wurde diese Staatengruppe mit ihrer wichtigen Lage an der Verbindungslinie des Mittelmeeres zum Indischen Ozean und ihren reichen Ölquellen ein neuer Faktor in der Weltpolitik. Von ihr gehen naturgemäß auch Antriebe auf die Autonomiebestrebungen der benachbarten französischen Kolonien und Protektorate in Nordafrika aus. Mit Ausnahme des Libanons gehören diese Staaten zum Islam. Von ihnen laufen auch Querverbindungen zu anderen islamischen Staaten, wie Türkei, Iran, Pakistan und Indonesien.

Relativ unabhängig von der Ost-West-Spannung traten in der arabisch-islamischen Welt seit 1948 Konflikte im Zusammenhang mit der Palästina-Frage und mit nationalen Ansprüchen Persiens und Ägyptens auf. Diese Spannungen beanspruchten nicht nur die Aufmerksamkeit der interessierten Großmächte, sondern banden auch zeitweise in erheblichem Maße ihre Kräfte in anderen weltpolitischen Fragen.

Konflikt in Palästina um den Staat Israel Palästina stand nach Kriegsende noch unter britischer Mandatsverwaltung (seit 1922). Im September 1947 erklärte Großbritannien, das Mandat aufgeben zu wollen, und verlangte ein Übereinkommen zwischen den in der nationalen Heimstätte angesiedelten Juden und den Arabern. Die Majorität eines von der UNO eingesetzten Komitees hatte eine Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat, eine Minorität die Einrichtung eines Bundesstaates vorgeschlagen. Die Araber verlangten aber die Errichtung eines arabischen Staates mit demokratischen Freiheitsrechten für alle Bewohner, die Juden dagegen Erhebung ihrer Heimstätte zu einem unabhängigen Staat. Die UN-Vollversammlung stimmte mit Mehrheit dem Teilungsplan zu, den die Araber in Palästina ebenso wie die anderen arabischen Staaten nicht akzeptierten (November 1947). Der jüdische Teil Palästinas rief im Mai 1948 den unabhängigen Staat Israel aus. Die Anfang 1948 beginnenden Kämpfe zwischen beiden Parteien wurden auf Grund eines Beschlusses des Sicherheitsrates im Juli 1948 durch Waffenruhe eingestellt, nachdem die jüdischen Streitkräfte mehr Territorium von Palästina besetzt hatten, als ihnen im Teilungsplan ursprünglich zugebilligt worden war. Die Waffenruhe wurde im weiteren Verlauf durch von den Beteiligten abgeschlossene Waffenstillstandsverträge ersetzt und vom Sicherheitsrat im August 1949 bestätigt. Der arabische Teil Palästinas wurde gegen den Willen der anderen arabischen Staaten an das Königreich Jordanien angeschlossen. Ein Friede zwischen Israel und den arabischen Staaten ist noch nicht zustande gekommen. An der Demarkationslinie, die unter anderem quer durch Jerusalem verläuft, ereignen sich Zwischenfälle. Die -häufig Ver einten Nationen waren bei der Regelung stark eingeschaltet; die Gegensätze zwischen den Weltmächten machten sich dabei kaum bemerkbar. Jetzt noch ist eine Beobachtergruppe der Vereinten Nationen in Palästina am Werke, die die Einhaltung des Waffenstillstandes überwacht.

Der persisch-britische Ölkonflikt Im März 1951, zu einem Zeitpunkt, in dem die Koreafrage besonders gefährlich war, begann der persisch-britische Ölkonflikt durch Annahme eines persischen Gesetzes zur Verstaatlichung der Erdölindustrie und damit der Anglo-Iranischen Ölgesellschaft. Dieser Streitfall hat die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit durch seine dramatischen Begleitumstände, wie Entsendung britischer Streitkräfte und Flotteneinheiten nach Vorderasien, außergewöhnliche Rolle des Ministerpräsidenten Mossadegh, innere Kämpfe zwischen Kaiserhaus und Ministerpräsident, mißglückte und schließlich geglückte Entfernung von Mossadegh durch Eingreifen der Armee, sowie durch Einschaltung der USA-Regierung auf sich gelenkt. Der Ausfall des persischen Erdöls auf den Weltmärkten wurde infolge der Beruhigung der Weltnachfrage und der vermehrten Heranziehung anderer vorderasiatischer Ölquellen auf dem. Weltmarkt bald verschmerzt; den Schaden trug Persien selbst durch gefährlichen Rückgang seiner Budget-und Zahlungsbilanzeinnahmen.

Nachdem im August 1953 Mossadegh endgültig gestürzt worden war, wurden die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien wieder ausgenommen. Die Beilegung des Konfliktes wurde eingeleitet. Die Anglo-Persische Ölgesellschaft hatte inzwischen ihr Eigentum in ein internationales Konsortium eingebracht (40 °/o sie selbst, 40 °/o amerikanisches, der Rest holländisches und französisches Kapital), so daß nunmehr das Konsortium Verhandlungspartner der persischen Regierung in der Entschädigungsfrage wurde. Das Konsortium handelte mit den Persern ein Abkommen aus, das ihm das Nutznießungsrecht an dem von den Persern geförderten Öl auf der Basis einer Gewinnaufteilung von 50 : 50 für die nächsten Jahre sicherte. Das Konsortium sorgt dafür, daß das persische Öl wieder in die Weltwirtschaft eingeschaltet wird. Eine Verbesserung der politischen Zusammenarbeit Persiens mit dem Westen ist mit der Regelung vom 5. 8. 54 ebenfalls eingeleitet worden.

Britisch-ägyptische Streitfrage um Sudan und Suezkanal Gerade zu dem Zeitpunkt, in dem die englische Angestelltenschaft die persische Ölraffinerie Abadan verlassen mußte, legte die ägyptische Regierung im Oktober 1951 nach vorhergegangenen diplomatisch-politischem Geplänkel Gesetze über die Annullierung des britisch-ägyptischen Vertrags von 1936 vor, auf Grund dessen englische in Truppen der Suez-Kanal-Zone stationiert sind, sowie ein Gesetz über die Kündigung des britisch-ägyptischen Vertrags von 1899, in welchem die gemeinsame Verwaltung des Sudans (Kondominium) vereinbart worden war. Damit entspann sich ebenfalls ein recht dramatischer Streit, in dessen Verlauf es zur Vertreibung und Absetzung des Königs Faruk und zur Diktatur einer Militärjunta kam. Die Sudan-Frage wurde zunächst durch ein Abkommen vom Februar 1953 geregelt. Nach einer Übergangszeit von 3 Jahren wird eine Abstimmung der Sudanesen über eine Union mit Ägypten oder über ihre Selbständigkeit vorgenommen werden. Am 27. Juli 1954 wurde ein britisch-ägyptisches Übereinkommen zunächst über die Grundsätze und einige wichtige Einzelbestimmungen eines noch abzuschließenden Vertrags über die allmähliche Rückziehung der britischen Truppen aus Ägypten und die einvernehmliche Aufrechterhaltung der militärischen Basis in der Kanalzone abgeschlossen. Damit ist eine erhebliche Beruhigung in diesem für den Westen wichtigen Gebiet eingetreten.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß die schon bald nach Gründung der NATO projektierte Gründung einer gemeinsamen Verteidigungsorganisation für den Nahen Osten — bestehend aus den arabischen Staaten und anderen Mittelmeerländern, sowie den interessierten-Großmächten — wieder in Angriff genommen wird. Schwierigkeiten dürfte dabei allerdings nach wie vor das ungeklärte Verhältnis zwischen Israel und den arabischen Staaten bereiten.

Diplomatische Bemühungen um neue West-Ost-Verhandlungen

Russische Verhandlungswünsche und Proteste gegen den Westblock Der Sowjetunion ist es nach Kriegsende weder in Europa noch in Asien geglückt, ihre Interessensphäre über die Frontlinie der Roten Armee auszuweiten. Sowohl die Blockade von Berlin als auch die Förderung der nordkoreanischen Invasion nach Südkorea hatten nicht zu dem gewünschten Ziel geführt. Allerdings hat die Sowjetunion — fast wider eigenes Erwarten und Zutun — in Rotchina einen Partner und dadurch Rückenfreiheit in Asien erhalten. Schon seit Ende 1950, also nachdem der Mißerfolg in Korea sich bereits abzeichnete, wandte sich der Blick Rußlands wieder nach Europa, und die Sowjetunion bemühte sich darum, die ehemaligen Alliierten zur Wiederaufnahme der Viermächte-Konferenzen über Deutschland zu veranlassen. Sie begann einen bis Ende 1953 — mit größeren Pausen — sich hinziehenden Notenwechsel; darin wollte sie zunächst das Deutschlandproblem behandelt wissen. Die anderen Mächte stellten sich jedoch auf den Standpunkt, daß dieses „nicht die Wurzel der derzeitigen ernsten Spannungen ist; diese ist vielmehr in erster Linie die Folge der Gesamthaltung der Sowjetunion seit Kriegsende".

Die Westmächte wollten also zunächst das Deutschlandproblem im Rahmen der Ost-West-Frage überhaupt behandeln. Sie ließen sich schließlich im Frühjahr 1951 auf eine Vorkonferenz in Paris (vom 5. März bis 26. Juni) ein, die eine Tagesordnung für eine Viererkonferenz aufstellen sollte. Die Vor-Konferenz endete ohne Ergebnis, da die Westmächte sich nicht bereit fanden, die nunmehr von den Russen in den Vordergrund gestellte Frage des Atlantikpaktes und der amerikanischen militärischen Stützpunkte in Europa und Asien zu behandeln.

Zwei Tage nach dem Abbruch dieser Vor-Konferenz durch die Westalliierten kamen die Russen mit dem Angebot heraus, über einen Waffenstillstand in Korea durch Rotchina und Nordkorea verhandeln zu lassen. Daraus ist zu ersehen, daß die festere Haltung des Westens in Europa sofort auch Rückwirkungen auf die Haltung der Russen gegenüber der westlichen Position in Asien hatte. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich schon der Abschluß der Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Japan ab, von denen die Russen sich fernhielten und der trotz ihres Protestes im Herbst 1951 zustande kam. Gleichzeitig erfolgte auch ein Abschluß von Verteidigungsbündnissen der USA mit Australien und Neuseeland (Anzus-Pakt), sowie einzeln mit den Philippinen und Japan. Die NATO-Politik, die Politik der Wiedereingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die Staatenwelt sowie ihre Einbezie-hung in die westliche Verteidigung wurden energisch fortgesetzt. Auch die Verhinderung des Exports von Rüstungsmaterial in den Ostblock wurde allmählich für den Osten spürbar.

All dies veranlaßte die Sowjetunion, in vielen diplomatischen Schritten die benachbarten Staaten in Europa, im Nahen Osten und in Asien vor der Zusammenarbeit mit bzw. in der NATO zu warnen und sie zu drängen, sich neutral zu verhalten. Auch dem von der Vormundschaft befreiten Japan gegenüber zeigte sie, ohne dem Friedensvertrag beizutreten, eine neue Haltung, indem sie in einer Stalin-Botschaft Japan volle Unabhängigkeit wünschten, d. h. sie wollten Japan ebenfalls in eine neutrale Stellung lancieren. Desgleichen trachtete sie, Deutschland aus dem Westblock herauszulösen und zu neutralisieren. In Noten der Sowjetzonenregierung an Bundesregierung bzw. Bundestag wurde der Ruf nach gesamtdeutschen Beratungen und später nach Wahlen erhoben, letztere hatte die Bundesregierung mit Unterstützung durch die Westmächte schon Anfang 1950 verlangt. Als die Verträge über die Ablösung des Besatzungsstatuts (Generalvertrag) und über Gründung der EVG fast fertig waren, trat die Regierung der Sowjetunion selbst auf den Plan. Sie verlangte in einer Note vom 10. März 1952 den Abschluß eines Friedensvertrages mit Gesamtdeutschland und seine Neutralisierung. Dabei sprach sie erstmals sogar von einer Gestattung eigener nationaler Streitkräfte zur Verteidigung, ein Zugeständnis in unbestimmter Form, das später sehr verwässert wurde. Die Westmächte haben nach Konsultation mit der Bundesregierung in dem darauf folgenden Noten-wechsel die Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung auf der Grundlage freier Wahlen vor Abschluß eines Friedensvertrages in den Vordergrund gestellt und die Bildung einer Nationalarmee als einen Rückschritt erklärt.

Im weiteren Notenwechsel wurde besonders auch die Frage der Entscheidungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung, die mit West oder Ost bisher abgeschlossenen Verträge anzunehmen oder abzulehnen, diskutiert. Der Notenwechsel zog sich noch bis zum Herbst des Jahres 1952 hin; aus den Antworten der russischen Regierung wurde ersichtlich, daß sie eine Priorität der gesamtdeutschen Wahlen nicht haben wollte. Schließlich erteilte sie keine Antwort mehr auf die letzte Note der Westalliierten im September 1952.

Westliche und östliche Verhandlungsbereitschaft nach Stalins Tod Die einstweilige Einstellung des Notenwechsels dürfte mit einer Über-prüfung der gesamten russischen Politik aus Anlaß des nach 13jährigem Abstand abgehaltenen kommunistischen 19. Parteikongresses Zusammenhängen. Nach dem Tode Stalins im März 1953 erfolgten Maßnahmen und Gesten der Entspannung innen-wie außenpolitischer Art in rascher Folge. Besonders auffällig waren die Schritte zur tatsächlichen Herbei-führung eines koreanischen Waffenstillstandes und der Verzicht auf die alte Forderung eines Dardanellen-Stützpunktes. Außerordentliche Ereignisse folgten: es entstanden Anfang Juni 1953 Arbeiterunruhen in der Tschechoslowakei und am 16. und 17. Juni zunächst Demonstrationen dann ein Aufstand der arbeitenden Bevölkerung in Ostberlin und in der Sowjetzone, der durch die russische Besatzungsmacht niedergeschlagen wurde. Am 10. Juli kam die Bekanntgabe des schon vorher erfolgten Sturzes des zweiten Mannes in der neuen Sowjetregierung, Beria.

Schon einen Monat nach dem Tode Stalins und noch vor den letztgenannten dramatischen Ereignissen im östlichen Bereich wurde das weltpolitische Gespräch zwischen Ost und West durch eine Rede des Präsidenten Eisenhower am 16. April 1952 ausgenommen, in der er die grundsätzliche Haltung der Vereinigten Staaten darlcgte. Ein wichtiger Punkt dieser Rede war, daß sich die USA zu einer Verringerung der Rüstungslasten bereiterklärte, wenn eine weltpolitische Entspannung erreicht würde. Die Sowjets antworteten darauf zunächst durch eine ausführliche Stellungnahme in der regierungsamtlichen Prawda, in der die Bereitschaft zum Ausdruck kam, „die heranreifenden internationalen Fragen auf freundschaftlichem Wege zu erörtern und zu lösen".

Am 11. Mai 1953 griff Churchill durch eine aufsehenerregende Rede im Unterhaus in dieses Gespräch ein, in der er eine schrittweise Entspannung in der Ost-West-Frage empfahl. Seine Rede hat besonders dadurch Aufsehen erregt, daß er ein Sicherheitsbedürfnis des russischen Staates anerkannte und dies zur Grundlage einer möglichen Lösung machen wollte.

Bald darauf machte die Regierung der USA den Vorschlag, daß sich erst einmal die Regierungsschefs der westlichen drei Hauptmächte treffen sollten, um ihre Politik abzustimmen. Auf einer Konferenz der drei westlichen Außenminister vom 10. bis 14. Juli 1953 wurde eine Note an die Sowjetunion beschlossen, in der sie ihr eine Konferenz der vier Außenminister im frühen Herbst vorschlugen, um unmittelbar neben einer Besprechung des Österreichischen Staatsvertrages die erstenSchritte zu einer befriedigenden Lösung des Deutschlandproblems zu erörtern, nämlich die Organisation freier Wahlen und die Bildung einer freien gesamtdeutschen Regierung. In einem besonderen Kommunique über asiatische Fragen verpflichteten sich die drei Mächte zu einer gemeinsamen Politik der Wiederherstellung des Friedens und der Sicherheit bei einer Erneuerung der Aggression in Korea. Bundeskanzler Adenauer hat sich in die Verhandlungen der drei westlichen Alliierten von vornherein und wiederholt eingeschaltet und hierbei auch die Frage eines Sicherungssystems für alle europäischen Völker, einschließlich des russischen Volkes, behandelt.

Der Notenwechsel über eine Viermächte-Konferenz zog sich noch bis zum Ende des Jahres hin. Die Sowjets verlangten außer der Behandlung der Deutschland-und Österreich-Frage auch die Behandlung anderer weltpolitischer Fragen unter Zuziehung Rotchinas und schlugen Berlin als Tagungsort vor. Die Westmächte haben die Konferenz schließlich dadurch zustande gebracht, daß sie auf den Tagungsort Berlin eingingen und daß sie auch den Wünschen bezüglich des Umkreises der zu behandelnden Themen Rechnung trugen. Die Russen ihrerseits haben ihr anfängliches Verlangen, daß Rotchina zur Konferenz beigezogen werde, fallen gelassen.

Die Berliner Konferenz vom 25. Januar bis 14. Februar 1954

Die Tagesordnung der Konferenz umfaßte folgende Punkte: 1. über die Maßnahmen zur Minderung der Spannung in den internationalen Beziehungen und über die Einberufung einer Konferenz der Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, der USA, der Sowjetunion und der Volksrepublik China; 2. über die deutsche Frage und die Aufgaben der Gewährleistung der europäischen Sicherheit; 3. über den österreichischen Staatsvertrag. Der Sowjetunion lag hauptsächlich an der Behandlung des ersten Punktes, den Westmächten an der Behandlung der zwei anderen Punkte. Es gelang den Westmächten relativ frühzeitig, zur Behandlung des zweiten Punktes „Deutschland" . vorzustoßen, allerdings mit dem Zugeständnis, daß der erste Punkt nochmals in sogenannten Geheimsitzungen behandelt würde.

Die Westmächte legten im Eden-Plan ein Programm der Wiedervereinigung Deutschlands vor, das im wesentlichen auf einmütigen Beund Schlüssen des Deutschen Bundestages beruht und von garantiert freien Wahlen ausgeht. Sie haben in einzelnen Punkten bei der Durchführung dieses Programms Zugeständnisse angeboten, ohne dafür Gegenliebe zu finden. Es zeigte sich sehr bald, daß den Russen vor allen Dingen an der Aufrechterhaltung ihrer Machtstellung im Osten und in der Mitte Deutschlands gelegen ist und daß sie lieber die Fortdauer der Spaltung Deutschlands sehen, falls es ihnen nicht gelingen sollte, durch ihre Methode einer Wiedervereinigung ganz Deutschland unter kommunistischen Einfluß zu bringen.

Vollkommen deutlich wurden die wirklichen Motive Rußlands in der deutschen Frage bei der Behandlung der Frage Österreichs. Die Westmächte haben hier das äußerste Entgegenkommen gezeigt, indem sie die noch ausstehenden Punkte des Staatsvertrages mit Österreich, über die noch keine Einigung erfolgt war, in der russischen Fassung annahmen. Der Staatsvertrag mit Österreich war schon Ende 1949 nach etwa 260 Sitzungen der Stellvertreter der vier Außenminister bis auf diese ausstehenden Punkte fertiggestellt worden. Nadi dem Vorgang der Friedensverträge mit Italien und osteuropäischen Staaten hätte mit dem Abschluß des Vertrages ein Abzug der Besatzungstruppen verknüpft sein müssen. Rußland hat jedoch erst in Berlin verlangt, daß die Besatzung auch nach Abschluß des Staatsvertrages aufrechterhalten bleiben soll, bis ein Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen sei. Dadurch wäre es in die Lage versetzt, auch die Nadischuborganisation nach Österreich durch Rumänien und Ungarn hindurch aufrechtzuerhalten und damit den Griff auf diese Satellitenstaaten zu behalten sowie seine strategische Position am Alpengebiet mitten in Europa zu bewahren.

Die Frage der europäischen Sicherheit Bei beiden Mächtegruppen ist nun die deutsche Frage unweigerlich mit der internationalen Sicherheit verknüpft. Die Westmächte haben aus der Entwicklung seit Gründung der Bundesrepublik das Vertrauen und die Einsicht gewonnen, daß man Deutschland eine vorherige Bindung nicht auferlegen könne. Sie sehen in der freiwilligen Eingliederung Deutschlands in die EVG nach wie vor auch die beste Garantie für die internationale Sicherheit. Sie haben deshalb die Entscheidungsfreiheit von Gesamtdeutschland, die von der Bundesrepublik abgeschlossenen Verträge anzunehmen oder abzulehnen, erneut in einer völlig unzweideutigen Weise bekräftigt. Den Russen schwebt jedoch vor, Deutschland zu verpflichten, sich aus den Mächtegruppierungen der Welt herauszuhalten und es zu neutralisieren, womit jedoch eine dauernde Kontrolle notwendigerweise verbunden sein müßte. Noch deutlicher wurde ihre Vorstellung über die deutsche Stellung innerhalb des Kreises der europäischen Staaten und die Beibehaltung der Aufspaltung, als sie ihr Programm der europäischen Sicherheit vorlegten. Dieses sah ein Sicherheitssystem in einer Organisation von 32 europäischen Staaten einschließlich der Sowjetunion selbst und — offenbar — einiger ihrer Teilstaaten wie etwa Weißrußland, Ukraine usw. vor, zusammengefaßt durch Verträge und durch eine Gesamtorganisation, von der jedoch nach der 1. Fassung die USA und wahrscheinlich auch England ausgeschlossen sein sollten. Die Bundesrepublik sowohl als auch die Sowjetzone sollen von vornherein getrennt in das System einbezogen werden, solange ein Friedensvertrag nicht zustande kommt, wozu nach der russischen Methode ja praktisch keine Aussicht besteht.

Es ist klar, daß ein solches Sicherheitssystem sich mit dem bestehenden westlichen Sicherheitssystem der NATO nicht verträgt. Obwohl die Sowjetunion während der Konferenz häufig Angriffe gegen die NATO richtete, hat sie jedoch auf direkte Fragen, ob dann die NATO aufzulösen sei, eine Antwort nicht gegeben. In Wirklichkeit dürfte sich ihre Feindschaft vielleicht weniger gegen die NATO, als vielmehr gegen das Stützpunktsystem der Vereinigten Staaten richten, das auf Einzelverträgen mit zahlreichen europäischen und asiatischen Staaten beruht. Die Westmächte haben dem russischen Plan gegenüber aufgezeigt, daß dieser praktisch die russische Vorherrschaft in ganz Europa bis zum Atlantik hin über den Kreis der Satellitenstaaten hinaus ausdehnen würde. England vor allem hat unzweideutig erklärt, daß seine Außen-und Sicherheitspolitik nach wie vor auf der NATO beruht. Die EVG haben die Westmächte als Teil des NATO-Systems bezeichnet und außerdem auch als ein Mittel, die unvermeidliche Wiederbewaffnung Deutschlands durch seine freiwillige Teilnahme an den Bindungen der EVG gewisser Gefahren zu entkleiden.

Nach der Konferenz hat Rußland im April in einer Note klargestellt, die LISA könne an dem Sicherheitspakt teilnehmen, und es hat sich sogar bereiterklärt, die Frage seiner Teilnahme an der NATO zu erörtern. Im Mai lehnten die drei Westalliierten letzteres Angebot ab, da Rußland ja durch ein Veto die Tätigkeit der westlichen Verteidigungsorganisation lahmlegen könne, erklärten sich aber zu Verhandlungen über die Sicherheitsfrage bereit, wenn die Sowjetunion konkrete Beweise ihrer guten Absichten, insbesondere durch Entgegenkommen in den Fragen Österreich, Deutschland, Abrüstung und Atomkontrolle zeige.

Beschluß über eine Asien-Konferenz Während in den europäischen Fragen auf der Berliner Konferenz Fortschritte wurden, gelang es in den parallel laufenden keine erzielt Geheimsitzungen, ein Einverständnis in der Frage der Einberufung einer Konferenz über asiatische Fragen, nämlich über die Korea-Frage sowie über die Wiedererrichtung des Friedens in Indochina, zu erzielen. An letzterem war Frankreich besonders interessiert. Den Russen ist es aber nicht gelungen, bei dieser Gelegenheit Rotchina als einladende Macht aufführen zu lassen und es damit sozusagen auf der Hintertreppe in die führende Gruppe der Weltmächte einzuführen. Immerhin wurde die chinesische Volksrepublik nach den vier einladenden Mächten als erste der weiteren Konferenzteilnehmer aufgeführt. Von der von kommunistischer Seite gewünschten Einladung neutraler Mächte, wie etwa Indiens, an der das Zustandekommen der im koreanischen Waffenstillstandsvertrag vorgesehenen politischen Konferenz gescheitert ist, war nicht mehr die Rede. Ausdrücklich wurde im Schlußprotokoll hervorgehoben, daß eine Anerkennung Rotchinas, soweit sie noch nicht erfolgt ist, mit der Einladung zu der Konferenz und ihrer Abhaltung nicht verbunden sei.

Das Ergebnis der Konferenz hat mehr, als es durch die bisherigen Notenwechsel geschehen konnte, die Haltung der beiden Mächtegruppen klargestellt. Die Sowjetunion hat die Hoffnung nicht aufgegeben, den Westblock wieder zur Auflösung zu veranlassen, und ist deshalb nicht gewillt, zunächst irgendeine Machtposition in Europa zu räumen. Die Einigkeit des Westens hatte sich jedoch auf der Berliner Konferenz in der Europafrage als stärker erwiesen als vorher vielfach angenommen worden war. Besonders wichtig war, daß die immer wieder in Deutschland auftauchende Furcht, der Westen könnte sich mit dem Osten auf Kosten Deutschlands einigen, sich als unbegründet erwiesen hat. Ein neuartiger Vorschlag war allerdings der in der späteren russischen Note modifizierte Vorschlag eines europäischen Sicherheitspaktes, dessen hintergründige Motive noch nicht ganz klar sein dürften.

Die Genfer Konferenz v 26. April bis 21. Juli 1954

Die Aufmerksamkeit der Welt war auf diese Konferenz besonders deshalb gerichtet, weil die indochinesische Frage durch die Offensive der kommunistisch-nationalen Kräfte des Vietminh gefährlich wurde, weil erstmals die Volksrepublik China an mehrseitigen internationalen Verhandlungen unter Beteiligung der USA teilnehmen sollte und weil zu hoffen war, daß aus dem Gang der Verhandlungen einiges über die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Rotchina herausgehört werden könnte.

Fortdauer des Provisoriums in Korea Der Konferenzabschnitt, der sich mit Korea beschäftigte, ging am 15. Juni 1954 zu Ende. Eine Übereinstimmung bezüglich der politischen Lösung der Korea-Frage in Ergänzung zu dem Waffenstillstandsabkommen konnte nicht erzielt werden. Die teilnehmenden Mitglieder der Vereinten Nationen, die einen militärischen Beitrag zugunsten Südkoreas geleistet hatten, hatten vorgeschlagen, freie Wahlen unter der Aufsicht der Vereinten Nationen in ganz Korea vornehmen zu lassen. Dies wurde von den kommunistischen Delegationen abgelehnt; nach ihnen sollte die Aufsicht über freie gesamtkoreanische Wahlen durch eine von ihnen gebildete gesamtkoreanische Körperschaft aus Vertretern Nord-und Südkoreas vorgenommen werden. Sie hatten also dasselbe Muster in Bereitschaft, das sie schon lange für die Lösung der deutschen Frage ausgearbeitet haben. Praktisch lief der kommunistische Vorschlag darauf hinaus, das Provisorium des Waffenstillstandes fortbestehen zu lassen. Die 16 UNO-Staaten erklärten, daß es zwecklos sei, die Verhandlungen fortzuführen, und daß sie den Vereinten Nationen Rechenschaft ablegen würden. Gefährliche Lage in Indochina bei Konferenzbeginn Das zweite Konferenzthema war die Beendigung der Kampfhandlungen in Indochina und die Herbeiführung friedlicher Zustände. Besonders interessiert daran war Frankreich, das den Schutz der indochinesischen Staaten auch nach deren teilweiser Verselbständigung im Rahmen der französischen Union weiterzuführen hatte. Die Kämpfe gegen die Streitkräfte der Vietminh hatten Frankreich seit 1945 erhebliche Opfer an Menschen (Franzosen und Fremdenlegionäre) sowie an materiellen Werten — hierbei allerdings zunehmend unterstützt durch die USA — gekostet. Nach dem Waffenstillstand in Korea verschlechterte sich die Situation für Frankreich, da Rotchina die Aufständischen nunmehr mit Materialien stärker unterstützen konnte. Bis dahin hatte Frankreich es aber abgelehnt, in aller Form die Hilfe der Vereinten Nationen und insbesondere der USA anzurufen, da es die indochinesischen Probleme als eine innerfranzösische Frage betrachtete. Die französische Regierung hatte sich aber auch nicht entschließen können, die Genehmigung des Parlaments zum Einsatz der Heimatarmee einzuholen.

Während vor der Berliner Konferenz zwischen den drei westlichen Mächten in längeren sorgsamen Vorarbeiten eine völlige Übereinstimmung über die einzunehmende Haltung erzielt worden war, war dies vor der Genfer Konferenz nicht der Fall. Kurz vor Beginn der Konferenz sah sich nun Frankreich genötigt, eine massive Hilfe durch die amerikanische bzw. britische Luftwaffe zu erbitten, um der belagerten Festung Dien Bien Phu in Indochina Entlastung zu schaffen. Da Großbritannien aber nicht bereit war, irgendwelche Schritte vor der Genfer Konferenz zu unternehmen, haben auch die USA vom Einsatz eigener Streitkräfte abgesehen; desgleichen wurde der amerikanische Vorschlag einer gemeinsamen Warnung der Westmächte an China vor einer Invasion Indochinas fallen gelassen. Hingegen wurde die Prüfung der Möglichkeiten auf Schaffung eines Sicherheitspaktes für Südostasien nach Art der NATO vereinbart. Großbritannien bestand jedoch darauf, daß die Einberufung einer die interessierten Staaten umfassenden Konferenz für diesen Zweck bis nach Abschluß der Genfer Konferenz verschoben würde, ließ sich jedoch auf eine Prüfung der militärischen Lage und ihrer Notwendigkeit durch die Stabschefs herbei. Die Gefahr einer Ausweitung des regionalen Krieges war damals recht groß. Kurz nach Beginn der Konferenz unterzeichneten Frankreich und die Regierung von Vietnam Erklärungen und Verträge, durch welche die völlige Unabhängigkeit und Souveränität Vietnams von Frankreich anerkannt und eine auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung ruhende Verbindung zwischen Frankreich und Vietnam geschaffen wurde.

Geordnete beiderseitige Rüdenahme von Streitkräften Zu dem Indochina betreffenden Abschnitt der Genfer Konferenz wurden Vertreter der Vietminh-Partei bzw. -Regierung einvernehmlich zugezogen, ferner hat Indien — ohne Konferenzteilnehmer zu sein — durch seinen Sonderbotschafter eine intensive vermittelnde Tätigkeit ausgeübt. Die Konferenz verlief zum Teil in eingeschränktem Kreise sowie in Einzelverhandlungen vor allem zwischen den Vertretern Rußlands, Englands, Rotchinas und Frankreichs in zahlreichen Geheimbesprechungen, die USA beschränkten sich auf eine Beobachter-Rolle. Das Ergebnis baute weitgehend auf den indischen Vermittlungsvorschlägen auf, es umfaßt Abkommen zwischen dem Kommando der Volksarmee Vietminh und den Kommandos der Streitkräfte Frankreichs und der drei indochinesischen Staaten, von denen die Konferenz in einer Schluß-Erklärung Kenntnis nahm, sowie Feststellungen, Erklärungen und Bestimmungen der Konferenz selbst, an welche die Streitparteien gebunden wurden. In den Abkommen der Streitparteien wurde für den Staat Vietnam eine Demarkationslinie in der Nähe des 17. Breitengrades festgesetzt. Die vorhandenen Streitkräfte beider Seiten werden danach nördlich bzw. südlich dieser Linie umgruppiert, d. h. Frankreich und die indochinesischen Truppen haben in bestimmten Zeitabständen das ganze nördliche Vietnam bis zum 22. Mai 1955 zu räumen. Andererseits haben die Viet-minh-Truppen und Partisanen das südliche Vietnam zu räumen. Obwohl die Sachlage bei einem Partisanenkrieg anders ist als bei normalen Kriegen, so ist immerhin bemerkenswert, daß nicht irgendwelche Frontlinien versteinert werden, sondern daß beiderseits eine Rücknahme von Streitkräften erfolgen muß.

Politische Regelung und Verhältnis zu Frankreich Die politische Herrschaft nördlich der Demarkationslinie wird vom Vietminh, genannt demokratische Republik Vietnam, übernommen. Im südlichen Vietnam bleibt die bisherige Regierungsform. In dem Staate Laos werden die Vietminh-Truppen in die zwei nördlichsten Provinzen zurückgezogen. Im Staat Kambodscha werden die relativ wenigen kommunistischen Truppen entwaffnet und als Zivilisten heimgeschickt.

Die Zweiteilung des Staates Vietnam gilt als eine vorläufige Maßnahme. Die Konferenz einigte sich darauf, daß die gemäß den „Grundsätzen der Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Integrität zu treffende Regelung der politischen Fragen dem vietnamesischen Volk den Genuß der grundlegenden Freiheiten ermöglichen muß, die durch demokratische Institutionen garantiert werden, die aus allgemeinen Wahlen hervorgehen“. Bis spätestens im Juli 1956 sollen demgemäß unter Kontrolle einer internationalen Kommission allgemeine Wahlen für den ganzen Staat durchgeführt werden. Ab Juli 1955 sollen zwischen den zuständigen Behörden der beiden Zonen darüber Besprechungen stattfinden. In dieser Abmachung sind also die für die entsprechende Regelung in Deutschland gegensätzlichen Prinzipien der beiden Seiten vereinigt: internationale Kontrolle einerseits, Besprechungen der beiden Staatshälften andererseits. Der Gesamtbevölkerung von Vietnam ist es gestattet, nach freiem Willen die Zone zu wählen, in der sie leben will.

Wichtig ist die Regelung der Beziehungen Frankreichs zu den indochinesischen Staaten. Frankreich verpflichtet sich, bei der Regelung aller mit der Wiederherstellung und Stärkung des Friedens in den drei Staaten verbundenen Probleme die Unabhängigkeit und Souveränität, die Einheit und territoriale Integrität der Staaten zu respektieren. Neue fran-zösische Truppen dürfen nicht ins Land gebracht werden, und die Ein fuhr von Waffen und Munition ist verboten. In beschränktem Umfang dürfen die im Land befindlichen Truppen abgelöst werden. Stützpunkte dürfen ausländischen Staaten nicht eingeräumt werden. Keine der beiden Hälften von Vietnam darf einer Militärallianz beitreten. Kambodscha und Laos dürfen zur Sicherung ihrer eigenen Verteidigung von Frankreich Unterstützung in Form von Instruktoren, Personal und Kriegs-material entgegennehmen. Die beiden Staaten wurden aber verpflichtet, solange sie nicht bedroht sind, ausländischen Truppen keine Stützpunkte einzuräumen unterVorbehalt von zwei französischenStützpunkten inLaos. Beide Staaten dürfen keine Militärallianz eingehen. In den drei indochinesischen Staaten dürfen also französische Truppen, wenn auch in begrenzter Stärke, bleiben. Frankreich hat sich jedoch verpflichtet, „auf Ersuchen der interessierten Regierungen und innerhalb der mit diesen vereinbarten Zeiträume französische Truppen aus den drei Staaten zurückzuziehen, ausgenommen in jenen Fällen, wo durch ein Abkommen zwischen den beiden Parteien eine bestimmte Anzahl französischer Truppen für eine gewisse Zeit an gewissen Punkten belassen werden kann“.

Zur Überwachung des Waffenstillstands ist eine gemischte Kommission, bestehend einerseits aus Vertretern der beiden Parteien des Bürgerkriegs, andererseits aus einer neutralen Kommission bestehend aus Vertretern Indiens, Polens und Kanadas, eingesetzt worden. Indien erhielt darin den Vorsitz. Die amerikanische Regierung unterzeichnete die Schluß-Erklärung nicht, nahm jedoch Kenntnis von den zwischen den Streitparteien geschlossenen Abkommen und erklärte, daß sie deren Durchführung nicht stören, daß sie aber jede Erneuerung der Aggression als ernste Bedrohung des internationalen Friedens betrachten werde; ferner bekräftigte sie ihre Haltung bezüglich des Selbstbestimmungsrechtes der Völker ohne Zwang von selten Dritter.

Die Lage nach del Genfer Konferenz

Allenthalben provisorische Regelungen Die Genfer Konferenz brachte keine Änderung des politischen Zustandes in Korea. Sie die Beendigung der Kämpfe in Indochina erzielte durch Auseinanderziehen der im ganzen Land ineinander verflochtenen gegnerischen Streitkräfte und ihre Sammlung in voneinander getrennten Verwaltungsgebieten. Frankreich ist nicht mehr Kolonialherrscher von Indochina, sondern fungiert nur noch als Helfer der selbständigen Staaten. Ein weiteres Stück des ehemaligen abendländischen Imperialismus ist damit beseitigt worden.

Die Regelung in Indochina schließt die Reihe der in verschiedenen Konfliktsregionen getroffenen provisorischen Regelungen. Diese richteten sich nach den gegebenen Tatsachen und verzichteten auf Einigung in rechtlichen Grundsätzen. Zu ihnen gehören die Abkommen über die Zonenaufteilung Deutschlands — fast gegenstandslos zwischen den drei Westmächten, aber in Geltung zwischen Ost und West —, die fortdauernde Besetzung Österreichs, die Aufgliederung von Triest in zwei Zonen, die Abgrenzung Israels vom arabischen Palästina, die Aufgliederung Koreas sowie das tatsächliche Verhältnis von Japan zu Rußland und China. Immerhin ist auch zu diesen Regelungen, die auf Grund der gegenseitigen Machtverhältnisse erfolgt sind, ein gewisses Mindestmaß von Übereinstimmung erforderlich gewesen.

In der Welt ist nach Genf nicht eine Stabilität entstanden, die auf echtem Einvernehmen beruht. Vielfach glaubt man aber an eine gewisse Beruhigung, die als „Kalter Friede" bezeichnet wird, als Hauptgrund für diese zweifelhafte Beruhigung wird die allgemeine Furcht vor einem Atomkrieg angeführt. Östliche Vorschläge und Ansprüche Die Weltpolitik kann jedoch nicht stillstehen, ihre einander gegenüberstehenden Hauptträger bleiben voreinander auf der Hut, trachten nach Sicherung ihres Besitzstandes und nach Rückerlangung von Gebieten, auf die sie Rechtsansprüche haben oder zu haben glauben — aber mit diplomatisch-politischen Mitteln. Die Sowjetunion hat drei Tage nach Beendigung der Genfer Konferenz erneut in einer umfangreichen Note ihre Ansichten zur Weltlage, insbesondere zu den Staatengruppierungen der Westmächte mitgeteilt und ihre Vorschläge zur Errichtung „eines gesamteuropäischen Vertrags über die kollektive Sicherheit in Europa“ erneuert, dessen Annahme nach ihrer Auffassung die Neutralisierung Deutschlands sichern, die Lösung der Österreich-Frage erleichtern und die internationalen Spannungen mindern würde. Hinzugefügt wurde ein neuer Vorschlag, diesen Vertrag durch Bestimmungen zur Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet zu ergänzen. Die Sowjetunion erneuerte ferner ihren Vorschlag zum bedingungslosen Verbot der Atomwaffe, ihre „Vorwürfe gegen die Kriegspropaganda in den USA und deren groben Druck zwecks Verhinderung der Teilnahme der Volksrepublik China in den Vereinten Nationen". Sie schlug zunächst eine Vorkonferenz aller europäischen Staaten und der USA unter Zuziehung Chinas als Beobachter vor. Am 4. August forderte die Sowjetunion zur Vorbereitung der gesamteuropäischen Konferenz eine Konferenz der vier Außenminister, auf der auch die Beratung der Deutschlandfrage fortgesetzt werden sollte. Die seit Ende 1953 begonnenen Geheimverhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion über Abrüstungsfragen im Zusammenhang mit der Atombombe sind jedoch festgefahren; die Sowjetunion ist nach wie vor einer effektiven Kontrolle der Atomenergie-Verwendung abgeneigt. Nach der Genfer Konferenz meldete auch China bei verschiedenen Gelegenheiten erneut seinen Anspruch auf Ausnahme in die Vereinten Nationen, ferner auf die Insel Formosa an. Neue Beunruhigung bestand durch Beschießung der von nationalchinesischen Truppen besetzten kleinen Insel Quemoy in geringer Entfernung vom chinesischen Festland und andere Zwischenfälle.

Schaffung eines Südostasienpaktes Die auf Wunsch Großbritanniens auf die Zeit nach der Genfer Konferenz verschobene Zusammenkunft von westlichen und asiatischen Mächten zum Abschluß eines Sicherheitspaktes gegen jede Aggression in Südostasien und im westlichen Pazifik hat in Manila am 6. September begonnen und endete infolge sorgfältiger Vorbereitungen schon am 8. September mit der Unterzeichnung des Vertrages. An ihm nehmen teil: Großbritannien, die USA, Frankreich, Australien, Neuseeland, Pakistan, Thailand (Siam) und Philippinen. Als Gültigkeitsbereich des Vertrags wird der „allgemeine Raum Südostasien, einschließlich der gesamten Territorien der asiatischen Vertragspartner und der allgemeine Raum des Südwest-Pazifik" angegeben, jedoch wird die nationalchinesische Insel Formosa durch die vorgesehene Begrenzung ausgeschlossen. Malaia und Britisch-Borneo gehören ebenso wie Ost-und Westpakistan noch zum Geltungsbereich des Vertrags. Auch nichtteilnehmenden Ländern ist die Hilfe der durch den Pakt geschaffenen Südostasiatischen Verteidigungsorganisation (SEATO) zugesichert, wenn dies nötig werden sollte, jedoch nur mit Zustimmung der betroffenen Länder. Ein Schutzversprechen für die assoziierten indochinesischen Staaten ist in einem separaten Protokoll niedergelegt. Die Vertragsschließenden verpflichten sich, außer zur gemeinsamen Verteidigung, auch zur Entwicklung wirtschaftlicher Maßnahmen. Als Organ wird ein Rat gebildet, der für militärische und andere Planungsmaßnahmen zuständig ist. Ausdrücklich wird festgestellt, daß die Verpflichtungen der Partner nach der Satzung der Vereinten Nationen durch den neuen Vertrag nicht berührt werden; letzterer hat eine unbegrenzte Geltungsdauer. Durch eine besondere Deklaration; die „Pazifik-Charta“, wird das Recht der Selbstbestimmung jedes Volkes anerkannt; die Deklaration bestimmt für alle Länder, die sich ihr anschließen, daß sie den Kolonialismus in keiner Form und insbesondere nicht im Pazifik oder in Südostasien dulden und daß sie sich jeder Form der Aggression widersetzen, die den Völkern dieses Gebietes eine totalitäre Regierungsform aufzwingen oder darauf abzielen würde, sie zu versklaven. Die vom amerikanischen Außenminister zuerst gewünschte ausdrückliche Erwähnung des Kommunismus als wahrscheinlichen Angreifers wurde auf Wunsch der asiatischen Teilnehmer gestrichen. Bei Fassung des Vertragswerks wurde besondere Rücksicht auf die Einstellung Indiens, aber auch Rotchinas genommen.

Die weltpolitische Situation im 10. Jahr nach Kriegsende

Mangelnde wirtschaftlich-soziale Stabilität in Asien und im Ostblock Von einer wirklichen Stabilität und von zuverlässigen Aussichten einer ruhigen Entwicklung kann noch nicht die Rede sein. Unstabil sind vor allem außer den politischen die wirtschaftlichen Verhältnisse in Asien, aber auch in vielen anderen Teilen der Welt, und zwar sowohl innerhalb der einzelnen Länder wie auch zwischen ihnen. Es hat zwar die durch den Krieg in große Unordnung geratene Weltwirtschaft in Produktion und Handel sich weithin wieder eingespielt, besonders in Europa und der westlichen Welt. Dagegen ist China aus dem allgemeinen Welthandel teils freiwillig durch fast völlige Umorientierung zur Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten, teils infolge der Verhän-gung des Embargos durch den Westen ausgeschieden. Ferner ist nicht zu verkennen, daß die allgemeine Entwicklung der Wirtschaftsproduktion und Versorgung in Asien, und zwar sowohl im freien wie im unfreien Teil, wie auch offenbar im europäischen Ostblock ungenügend ist. So ist insbesondere das hochentwickelte Japan noch nicht wieder in genügendem Umfang und in dauerhafter Weise in die Weltwirtschaft eingeschaltet, es ist wegen der weltpolitischen Verhältnisse nicht in der Lage, mit dem ihm am nächsten liegenden Raum China und Südostasien einen für beide Teile nützlichen und wünschenswerten Handelsaustausch im notwendigen Umfang zu treiben. Die mangelnde Stabilität in der östlichen Erdhälfte hat aber mancherlei ungünstige Rückwirkungen — auf längere Sicht — für die prosperierende westliche Hälfte. An und für sich wäre es bei der außerordentlichen Entwicklung der Produktivität der Wirtschaft und der Arbeit in den höchstentwickelten Ländern wie den USA sowie auch in gewissem Abstand in Europa möglich, erhebliche Kapitalbeträge für die Entwicklung der zurückgebliebenen Länder und damit für die Stabilisierung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse aufzubringen. Verteilungsmaschinerien dafür sind in der Organisation der Vereinten Nationen, in der Weltbank und in der Commonwealth-Entwicklungsbank gegeben. Zunächst hindert jedoch die labile weltpolitische Lage und insbesondere die Last der Rüstungen, die fortwährend sehr große Mittel auch in den hochentwickelten Ländern beansprucht, sowohl Aufbringung wie Verwendung von Investitionsgeldern in unterentwickelten Gebieten.

Veränderungen in den Kräfteverhältnissen der Mächte Neun Jahre nach Beendigung des Weltkrieges stehen an der Spitze der Staatenwelt immer noch die drei Weltmächte USA, Sowjetunion und Großbritannien. Sie haben aber als Gruppe nicht mehr die damalige ausschließliche Geltung, schon dadurch, daß die Ost-West-Spaltung eingetreten ist. Großbritannien als einzelne Macht hat in den letztenJahren, nachdem sich seine Wirtschaft und sein Handel erholt haben, seine weltpolitische Zusammenarbeit mit dem Commonwealth und insbesondere Indien sich eingespielt hat und nachdem es neuerdings eine gewisse Mittlerrolle in der Indochina-Frage mit einigem Erfolg übernehmen konnte, an relativer Bedeutung wieder gewonnen. Die ungemeine Geltung der USA einerseits und Rußland andererseits dürfte sich jedoch gemindert haben schon dadurch, daß die allgemeinen Verhältnisse weniger anomal sind als zu Ende des Weltkrieges, insbesondere dadurch, daß auch Kontinental-Europa neben Großbritannien sich erholt hat und daß neue Kräfte in die Weltpolitik — wie Indien, Rotchina und weitere asiatische und mittelmeerische Staaten — eingetreten sind.

Frankreich ist im Begriff, unhaltbare Positionen in der Welt zu räumen und beabsichtigt auch, eine durchgreifende Reform seiner durch eine 40jährige schleichende Inflation mit ihren mannigfaltigen schlimmen Folgen geschwächten Wirtschaftsverfassung durchzuführen. Dadurch, daß sein Parlament die von früheren französischen Regierungen initiierte Politik der europäischen Einigung durch Absetzung des EVG-Vertrages von der Tagesordnung aufgeschoben hat, ist seine Position in der westlichen Welt — in einer keineswegs irreparablen Weise — geschwächt worden.

Die Vormundschaft über die am Kriegsende ausgeschalteten ehemaligen Großmächte ist für Italien 1947, für Japan 1951 aufgehoben worden. Deutschland ist immerhin praktisch, wenn auch noch nicht rechtlich, seitens der drei westlichen Hauptmächte aus ihr entlassen; es ist aber nach wie vor gespalten, seine Sicherheit beruht auf einseitiger Garantie dritter. Alle drei Staaten nehmen eine gegenüber der Vorkriegszeit sehr geminderte Stellung in der Staatenwelt ein.

Vielzahl von Mächtegruppen bei fortdauerndem Ost-West-Gegensatz Nach wie vor stellen die USA und die Sowjetunion die stärksten — polar entgegengesetzten— Kräfte in der Welt dar. Großbritannien steht trotz mancher Meinungsnuancen durch anerkannten Staatsgrundsatz an der Seite der USA, von ihr nicht getrennt durch langfristige Gegensätze der Interessen und der Prinzipien. Verbunden durch die kommunistische Doktrin sowie durch Interessen der Gegenwart steht Rotchina in ähnlicher Weise neben der Sowjetunion.

Die Aufgabe der europäischen Einigung im allgemeinen, sowie in bezug auf die Verteidigung wird trotz Scheitern des EVG-Vertrages durch das französische Parlament von den Mitgliedsstaaten der Montanunion, des Europarates und der NATO nicht verleugnet. Es werden vielmehr andere Formen für die Lösung des heiklen Problems des deutschen Verteidigungsbeitrages und der Sicherheit der Bundesrepublik unter deren Zuziehung gesucht. Die Lücke in der Flankenverteidigung Europas wurde durch Abschluß des Balkanpaktes am 10. 8. 1954 zwischen der Türkei, Griechenland und Jugoslawien geschlossen. Dieser Pakt ergänzt den schon im Februar 1953 abgeschlossenen Freundschafts-und Zusammenarbeitsvertrag zwischen diesen 3 Ländern durch ein engeres Bündnis militärischen Charakters.

Desgleichen ist seit 29. September 1953 durch die zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Abkommen über den Bau und die Verwendung militärischer Stützpunkte durch die USA sowie über Wirtschafts-und Militär-Hilfe der USA an Spanien eine bedeutsame Verstärkung des westlichen Verteidigungssystems erfolgt.

Im Nahen Osten ist durch die persisch-britischen Ölkonflikte und der ägyptisch-britischen Streitfrage über den Sudan und den Suezkanal eine günstigere Situation entstanden. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der Türkei, Persien und Pakistan scheint sich ebenfalls anzubahnen.

Welche Auswirkungen die neugebildete Kombination von Mächten zum Schutze Südostasiens haben wird, läßt sich noch nicht beurteilen. Erstmals haben sich in ihr abendländische Staaten — einige von ihnen mit imperialistischer Vergangenheit — mit Siam und neuentstandenen asiatischen Staaten verbunden und in einer Deklaration feierlic dem System des -Kolonialismus abgeschworen.

Die etwa seit 1948 entstandenen regionalen Mächtegruppen ergänzen einander, die westlichen Hauptmächte sind praktisch an allen beteiligt. Dabei gibt es auch Überschneidungen, so überschneidet sich z. B. die Gruppe der Colombo-Staaten mit dem britischen Commonwealth und mit der neuen Südostasiengruppe.

Die Entstehung dieser regionalen Mächtegruppen ist dadurch bedingt, daß sich die Erwartungen, dte am Ende des 2. Weltkrieges an die Bildung der Vereinten Nationen geknüpft wurden, nur zum kleinen Teil verwirklicht haben. Zweifellos haben die Vereinten Nationen mit ihren fachlichen Nebenorganisationen den entstehenden weltweiten öffentlichen Aufgaben — auch bei internationalen Streitfällen — gute Dienste geleistet. Die Entstehung des Ost-West-Gegensatzes und seinen Fortgang haben sie nicht verhindern können.

Die vor dem 2. Weltkrieg schon geschwächte Gemeinsamkeit von Grundanschauungen der Völker und ihrer Staatsmänner über Ethik und Recht, insbesondere über das Völkerrecht ist noch weiterhin abgebröckelt, eine Gemeinsamkeit, von der eine wirkliche Verständigung über Streitpunkte eigentlich abhängt. Solange nicht wieder ein gewisses Mindestmaß einer solchen Gemeinsamkeit gefunden sein wird, solange wird allerdings die Welt, wie es auch manchmal in früheren Epochen der Fall war, bestenfalls nur in Verhältnissen eines Waffenstillstands, nicht aber eines echten Friedens weiterleben müssen.

Immerhin sind die Vereinten Nationen eine wichtige Komponente der Weltpolitik geblieben, die Hauptgegenspieler nicht aus ihr ausgetreten — wozu sie zeitweise Miene machten —. Die Sowjetunion hat gerade in letzter Zeit den Gesamtorganismus durch ihren Beitritt und die Zulassung des Beitritts von Satellitenstaaten zu Sonderorganisationen wieder gestärkt und gegen den Zugang der Bundesrepublik zu solchen Institutionen nichts unternommen.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Vereinten Nationen in Zukunft wieder eine größere Rolfe spielen können, insbesondere wenn es gelingt, die vor ihrer Tür stehenden Staaten — rund 20 an der Zahl — unter ihnen die besiegten Großmächte des letzten Weltkrieges — in sie einzubeziehen.

Fussnoten

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