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Die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung | APuZ 4/1955 | bpb.de

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APuZ 4/1955 Die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung

Die Methoden der Beck/Goerdeler-Verschwörung

Dieter Ehlers

Fortsetzung Planmäßig haben die Putschisten nach einem Todeskandidaten gesucht. Stauffenberg, Oster und Tresckow rangen, manchmal in stundenlangen Gesprächen, um die Einwilligung des Ausersehenen Oberleutnant von Haefften, der Ordonnanzoffizier Stauffenbergs, lehnte ab. Er berief sich auf seine christliche Überzeugung, sie verbiete ihm, durch ein Sprengstoffattentat Unschuldige aus der Umgebung Hitlers zu opfern Hingegen erklärten sich zwei andere 24jährige Offiziere, Axel v. d. Bussche und Ewald Heinrich von Kleist, nacheinander bereit (November 1943 und Januar 1944), bei einer Vorführung neuer Uniformen eine Spengbombe am eigenen Leibe zu tragen, auf Hitler loszuspringen, ihn zu „umarmen“ und sich gemeinsam mit ihm zerreißen zu lassen. Die angesagte Uniformvorführung fiel jedoch aus

Wohl aber hatte am 18. März 1943 jene Ausstellung im Berliner Zeughaus stattgefunden, die einer der Leiter dieser Ausstellung, Oberst von Gersdorff, benutzen wollte, um Hitler bei der Besichtigung zu töten Eine Zeitbombe unter dem Rednerpult bot keine Garantie. Deswegen erschien Gersdorff mit zwei Sprengladungen in der Mantel-tasche. Sie sollten ihn und Hitler zerreißen. Die Brenndauer des chemischen Zeitzünders betrug 10 Minuten. Nach 8 Minuten verließ Hitler die Ausstellung. Warum Gersdorff sich keinen mechanischen, „heeresüblichen“ Sofortzünder beschaffte, bleibt auch für den, der über keine pioniertechnischen Vorkenntnisse verfügt, unerfindlich.

Der komplizierte Mechanismus einer Höllenmaschine hatte Probleme aufgegeben, an denen die Attentatsversuche von Tresckow, Gersdorff und Stauffenberg scheiterten. Ein Selbstopfer hätte diese technischen Schwierigkeiten bis zur Handgreiflichkeit vereinfacht. Andere Attentate scheiterten, weil es nicht gelang, bereitwillige Täter an Hitler heranzubringen. Aber auch diese Schwierigkeiten wurden nur deshalb entscheidend, weil sich unter den zahlreichen Verschwörern, die gelegentlichen oder gar ständigen Zugang zu Hitler besaßen, niemand gefunden hatte, der zum Selbstopfer entschlossen gewesen wäre. Diese Tatsachen (Kordt: „Man schafft das Faktum nicht aus der Welt“) beweisen, daß die Ausführung des Attentats an Hitler weniger ein organisatorisches oder materielles, sondern letzten Endes ein „menschliches“ Problem gewesen ist. Alle Attentatsversuche scheiterten im letzten Grunde nicht am Tatmittel oder am Tatort, sie scheiterten am Täter — auch das Attentat vom 20.

Juli 1944. Die wenigen Minuten vor der Detonation, in denen Stauffenberg den Führerbunker verließ, genügten, um Hitler in einen toten Winkel zu bringen und zu bewahren. Es heißt, Stauffenberg sei ursprünglich bereit gewesen, sich selbst zu opfern. Seine Mitverschwörer hätten ihn jedoch davon abgebracht, weil sie ihn als Initiator beim Aufstand in Berlin nicht entbehren zu können glaubten. Diese einleuchtende Darlegung kann erklären, aber nicht überzeugen. Ein Rest Skepsis bleibt. Die Geschichte der Stückwerk gebliebenen Attentatsversuche, vor allem das Beispiel derer, die zur heroischen Tat des Selbstopfers bereit gewesen waren, dann aber doch aus mehr oder minder wohlfeilen Gründen davon Abstand nehmen mußten, bewies immer wieder, daß zwischen dem Entschluß zur Selbstaufopferung und dem faktischen Vollzug unnennbare Räume liegen. Daß sie überbrückt werden, verstand sich nicht von selbst, auch nicht bei einer derart imponierenden und willensstarken Erscheinung wie Stauffenberg. Ob einer fähig war, dieses letzte Niemandsland vor der Tat zu durchmessen, erweist sich immer erst hinterher, dann, wenn die Tat auch tatsächlich vollzogen wurde. So blieb denn die Beck/Goerdeler-Verschwörung, trotz ihrer Einsicht, „daß man nur mit vollem Einsatz seiner selbst handeln darf und muß“ trotz Kleist und v. d. Bussche, Gersdorff und Stauffenberg, den Beweis schuldig, daß sie die heroische Energie besaß, auch die seltene Figur eines absolut totbereiten Märtyrers hervorzubringen. Die Frage, warum gerade die Beck/Goerdeler-Verschwörung mit ihrer überragenden moralischen Potenz, ihrem selbstlosen Pathos und ihrer langen Totenliste derer, die für ihre Sachen starben, diesen Beweis schuldig blieb, braucht keine müssige „heroische Deklamation" (wie Zeller meint) zu sein, sie hat im vorliegenden Fall den Sinn, nach den übermenschlichen Bedingungen einer Methode zu forschen, für die sich die Beck/Goerdeler-Verschwörung nun einmal entschieden hatte.

Das Selbstopfer betrifft die äußerste Grenzsituation, die die politische Moral kennt. Vielleicht liegt es auch bereits jenseits der politischen Moral („Ultra posse nemo obligatur"). Diesseits aber lag für die Putschisten zweifellos das Gebot, notfalls für ihre Sache zu sterben. „Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen.“ Das sagte Tresckow am 21. Juli 1944, wenige Stunden, bevor er eine Gewehrgranate abzog und sich, wie Schlabrendorff berichtet, „den Kopf vom Rumpf trennte“ Von ihm, der Hitler mehrmals Auge in Auge gegenüberstand und der sich dennoch zum anonymen Cognacflaschenattentat entschlossen hatte, stammt auch das Wort „Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben“

Alle Putschisten, «he am Galgen endeten, hatten damit rechnen müssen, daß sie fallen würden wie jeder Frontsoldat auch, der zu ihrer Zeit seinen „Heldentod“ starb. Aber ebenso, wie diese gefallenen Frontsoldaten, hatten auch die Verschwörer eine Chance besessen davonzukommen. Sie zehrten davon, auch die Attentäter. Der graduelle Bruchteil dieser Chance änderte nichts am Prinzip, daß sie vorhanden war. Sie verschwand nur für den, der die absolute Hoffnungslosigkeit des Sclbstopfers auf sich nahm. Jedoch büßte wohl jeder, der in diese Hoffnungslosigkeit eintritt, mit dem vorletzten Schritt zugleich einen Teil jener Energie ein, die ihn dazu getrieben hat. Wer sich unmittelbar auf den eigenen Tod vorbereiten muß, neigt zum Desinteresse am Diesseits, an den Plänen und Erwartungen der Lebenden und Überlebenden, es sei denn, er gehört zu jenen religiösen Fanatikern, für die die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits ohnehin verwischt ist. Die Attentäter der Beck/Goerdeler-Verschwörung waren gläubig, aber sie waren keine religiösen Fanatiker, sie haßten Hitler, aber ihre Attentatsidee war keine Haßreaktion, sondern wohlüberlegter Teil eines moralischen und politischen Aktionsprogramms. Es war auch keiner unter ihnen, der ohnehin lebensmüde war, keiner, der nichts mehr vom Leben erwartete; im Gegenteil, aus einer leidenschaftlichen Erwartung neuer, hoffnungsfroher Zeiten entsprang der Entschluß zum Attentat, er entsprang der Energie eines intensiven, überpersönlichen Lebenswillens.

„Es fehlt nicht an mutigen Männern und Frauen, die aus innerer Verpflichtung eine große Gefahr auf sich nehmen um eines Zieles willen, das ihnen mehr wert erscheint als das Leben. Wenige unter ihnen aber sind bereit, nur das Ziel zu erstreben und darauf zu verzichten, seine Erfüllung persönlich zu erleben. Alle Wachsamkeit der Sbirren jedoch vermag den Tyrannen nur gegen die zu schützen, die das Nachher erleben wollen"

II. Der offene Aufstand

1. Absicht der Arbeit.

2. Umfang und Abgrenzung des Themas. 3. Untersuchungsgang und Gliederung. 4. Bemerkungen zur Quellenlage. I. Selbstmord — Emigration — Desertion.

II. Der Rücktritt.

III. Passive Sabotage.

IV. Militärische Gehorsamsverweigerung.

V. Streikbewegungen. A) Der Widerstand mit geistigen Waffen.

I. Die Denkschrift.

II. Das konspirative Gespräch.

B) Gewaltmethoden des Widerstandes.

I. Das Attentat. INHALTSVERZEICHNIS II. Der offene Aufstand.

1. Das Legal覨ߊ覰ߊ

Es ist der Beck/Goerdeler-Verschwörung nicht gelungen, die Tat des offenen Aufstandes zu umgehen. Daß die Verschwörer überhaupt versucht haben, andere Wege als den des Staatsstreiches zu gehen, und mit welcher Energie und Systematik sie bestrebt gewesen sind, ihrem Widerstand auch ohne Staatsstreich Geltung zu verschaffen, ging aus fast allen vorausgegangenen Kapiteln unserer Untersuchung hervor.

Mit ihren mannigfachen passiven und gemäßigten, loyalen und evolutionären Methoden des Widerstandes bewegte sich die Beck/Goerdeler-Verschwörung oftmals an der Grenze, wo sie aufhörte, eine „Verschwörung“ zu sein. Erklärungen für die Tatsache, daß die Beck/Goerdeler-Verschwörung ihre eigenen Umsturzpläne zeitweise dahingestellt sein ließ oder gar bewußt von ihnen Abstand nahm, ergeben sich a) aus der Besonderheit ihrer Zielsetzung. Das ursprüngliche Ziel der Beck/Goerdeler-Verschwörung hieß ja nicht: Sturz des NS-Regimes und Konstituierung einer neuen Regierung, sondern lautete: Verhinderung bzw. Abkürzung des Krieges, gleichviel, ob mit Hitler oder gegen ihn. Ziele, die darüber hinausgingen (Regierungs-und Verfassungs-Programme, Erneuerungspläne) waren zunächst sekundär. Sie waren Zwangsläufigkeiten, die sich aus der Erwartung des „horror vacui" nach gelungenem Sturz Hitlers ergaben.

b) Revolutionen sind Aufstände von Majoritäten. Ein Staatsstreich ist das Werk einer kleinen Schar. Im Versuch dieser Minorität, ihre Unterlegenheit an massiver Macht durch das Überraschungsmoment, durch taktische List und Wendigkeit auszugleichen, beruht die Kunst des Staatsstreiches. Jedoch ist ein Mindestmaß an Macht, an Einfluß, an Waffen, Soldaten und Anhängern unerläßlich. Ohne das geht es nicht. Die Beck/Goerdeler-Verschwörung nun ist sich zu keiner Zeit sicher gewesen, ob sie über dieses unerläßliche, schwer abschätzbare Minimum an effektiver Macht verfüge. Das war ein weiterer Grund, warum sie den Weg des Staatsstreiches scheute. Das Scheitern des 20. Juli bewies, wie begründet ihre Befürchtungen waren. c) Ein wesentliches Moment, das noch hinzukam, war die Scheu vor der Illegalität. Das Ziel, Hitler und sein Regime zu stürzen, konnte eine legale Absicht sein. Die Realisierung dieses Zieles durch einen Staatsstreich war formalrechtlich aber in jedem Fall eine illegale Methode.

Weder im deutschen Recht noch im Völkerrecht gab es einen kodifizierten Rechtssatz, der einen Staatsstreich legitimiert hätte. Er erfüllte evident den Tatbestand des „Hochverrats“

Das Legalitätsproblem Die Beck/Goerdeler-Verschwörung hat diesen Tatbestand des Hoch-verrats zu keiner Zeit auf sich beruhen lassen. Sie hat versucht, ihn zu umgehen oder durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Davon zeugen a) ihre erschöpfenden Anstrengungen, durch legalen Widerstand im Amt und durch das Amt zum Ziel zu kommen, b) ihr paradoxer Versuch (auch am 20. Juli), einen „legalen Staatsstreich, einen „ordentlichen legitimen Umschwung in Szene zu setzen, c) ihre Pläne, den Staatsstreich nachträglich zu legalisieren.

Der legale Widerstand im Amt und durch das Amt 147) war steril geblieben, weil selbst Minister und Feldmarschälle, die sich mit den Absich-ten der Verschwörung solidarisch erklärt hatten, in den großen politischen und militärischen Entscheidungsfragen, um die es ging, „nicht federführend, nicht kompetent, nicht produzierend“ 147a) waren. Das lag im Wesen der Diktatur.

Auch die Methode der direkten oder indirekten Einflußnahme auf den Diktator persönlich hatte den Vorzug, daß sie „legal“ war. Darin lag ein Hauptgrund, warum dieses Verfahren trotz seiner Fruchtlosigkeit einen ungewöhnlich breiten Raum in der Geschichte der Beck/Goerdeler-Verschwörung einnahm.

Selbst mit dem Entschluß zum Staatsstreich hörten die Anstrengungen der Putschisten nicht auf, das legale Gesicht zu wahren. Ihre legalen Tendenzen bestimmten alle Phasen des Staatsstreiches, den Anlaß und Auftakt, den Ablauf und den Belagerungs-und Ausnahmezustand nach dem Tag X.

Vom ultimativen Kollektivschritt der Generalität bei Hitler bis zu dem Plan, Hitler zu verhaften und zum Rücktritt zu zwingen oder für kriminell, geisteskrank und regierungsunfähig zu erklären, erwogen die Putschisten alle nur erdenklichen Möglichkeiten, die geeignet waren, dem Staatsstreich eine legale Ausgangslage zu sichern Auch die weitere Abwicklung des Staatsstreiches sollte einen legalen Anstrich beibehalten. Die Putschisten rechneten noch am 20. Juli 1944 damit, daß es möglich sein werde, nach dem Tod Hitlers mit Beck an der Spitze — „nicht nur als Oberbefehlshaber, sondern als „Generalstatthalter“ — und für die einzelnen Reichsministerien ernannten , Militärbevollmächtigten‘ an seiner Seite, daß es bei dieser Konstellation möglich sein müßte, eine quasi legale Revolution durchzuführen, bei der alle Befehle auf dem eingespielten Apparat weiterliefen . . .“ Der Umschwung sollte „ordnungsgemäß“ abgewickelt werden.

Hinter allen Staatsstreichplänen, die die Verschwörer entwarfen und der Kontrolle ihrer vorauseilenden Phantasie unterwarfen, stand die schwerwiegende Gewißheit: Man wird uns nach unserer Vollmacht fragen Diese Erwartung des Revolutionärs vor der Tat ist so alt, wie das Phänomen der Revolution selbst. Wohl kein Revolutionsführer und Ursurpator hat sich jemals damit begnügt, seine Autorität allein im Faktum: Macht und Erfolg zu begründen. Sie alle hatten das Bestreben, ihre Handlungsweise durch die Berufung auf eine höhere Autorität zu legitimieren, gleichviel ob sie sich dabei auf eine charismatische oder eine konstitutionelle Legitimation beriefen, ob sie ein ideales oder ein positives Recht in Anspruch nahmen, ob sie bestehende Gesetze in ihrem Sinn interpretieren oder ob sie ein neues Recht postulierten.

Die naheliegendste Methode, sich auf ein bestehendes positives Recht zu berufen, blieb der Beck/Goerdeler-Verschwörung nahezu verriegelt. Nach nationalsozialistischer Rechtsauffassung waren die Verschwörer mit dem Entschluß, daß NS-Regime zu stürzen, in jedem Fall Hochverräter. Von Diktaturen und totalitären Regimes ein legales Widerstandsrecht zu erwarten, wäre paradox.

Aber auch der Rückgriff auf die Weimarer Verfassung bot den Putschisten keine eindeutige staatsrechtliche Handhabe. 1938/39 allerdings lautete ihr Staatsstreichziel Wiederherstellung der Weimarer Verfassung Es ist bemerkenswert, daß davon in späteren Jahren immer weniger und schließlich überhaupt nicht mehr die Rede war. Folgende Gründe und Ursachen stellten auch diese Form der öffentlichen Legalisierung in Frage.

1. Die Tatsache, daß Hitler, der „plebiszitäre Demos“ es meisterhaft verstanden hatte, 1933 auf legalem parlamentarischen Wege die Regierungsgewalt zu erobern und mit Hilfe des Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 193 3 sowie des Artikels 48, 2 der Weimarer Verfassung diese Verfassung auf legalem Wege aufzuheben und eine neue Rechts-Ordnung an die Stelle der alten zu setzen, ohne einen sichtbaren Bruch mit der Legalität offenkundig werden zu lassen.

2. Der unumgänglich gewordene Entschluß zur „Attentatsrevolution“, für die es — auch bei noch so souveräner Auslegung bestehender Gesetze und Verfassungsartikel — keine kodifizierte Legitimation gab und auch niemals geben konnte.

3. Die interne Entwicklung der Beck/Goerdeler-Verschwörung aus einer „legalen“ Oppositionsgemeinschaft zum Kader einer eigenständigen Revolutionsbewegung.

Aus diesen Ursachen und Gründen waren die Verschwörer immer mehr davon abgekommen, den Staatsstreich unter Berufung auf bestehendes Verfassungsrecht legalisieren zu wollen. Sie entwarfen und fixierten ein neues, eigenes „Gesetz über den Ausnahmezustand“ das zusammen mit einem vorläufigen „Staatsgrundgesetz“ unmittelbar nach gelungenem Sturz Hitlers verkündet und in Kraft gesetzt werden sollte. Ausführlich bereiteten sich die Verschwörer darauf vor, als Gesetzgeber aufzutreten. Automatisch hätten sie mit ihrem ersten gesetzgeberischen Akt nach vollzogenem Staatsstreich auch den Akt des Staatsstreiches rückwirkend legalisiert. Damit entschieden sich die Verschwörer für ein klassisches Verfahren, das Nicolai Hartmann einmal auf die zugespitzte Formel brachte: „Der Revolutionsführer geht gegen bestehendes Recht und bestehende Macht an. Unterliegt er, so bleibt das Bestehende in Kraft und er steht als Hochverräter da. Setzt er sich aber durch, so gilt mit der neuen Macht ein neues Recht, und er ist der legitime Gesetzgeber dieses Rechts“

Allen genannten, mehr oder minder überzeugenden Anstalten der Putschisten, den Staatsstreich von vornherein oder nachträglich „in einen legalen Kanal“ zu leiten, lag zu Grunde a) das Bedürfnis nach Rückversicherung, b) die taktische Rücksicht auf den „Legalitätskomplex“ des deutschen Volkes, c) das eigene Bekenntnis der Putschisten zur Legalität als achtungsgebietendem Ordnungsprinzip der „res publica“.

ad a)

Das Motiv der Rückversicherung ist so menschlich verständlich wie schwer nachweisbar. Selbstzeugnisse darüber fehlen.

Alle Verschwörer standen stets mit einem Bein im Gerichtssaal. Die Anklage des Hochverrats lastete über ihren Widerstand. Nur, soweit er im Amt und durch das Amt geübt, loyalen Charakter behielt, versprach er, sich notfalls auch vor einem nationalsozialistischen Tribunal rechtfertigen zu lassen. In der Tat wurde keiner von denen, die in dieser Weise Kritik an der Politik und Kriegsführung Hitlers übten, deswegen arretiert und gerichtlich zur Verantwortung gezogen. Schlimmstenfalls fielen sie „in Ungnade" und wurden ihrer Ämter enthoben. Unabhängig von den Geboten und Verboten der NS-Justiz bedrohte das Gespenst des Konzentrationslagers jeden Oppositionellen, der sich im Amt exponierte. Jedoch war auch diese Bedrohung um so geringer, je prominenter die suspekte Persönlichkeit war. Und die Mehrzahl der Verschwörer zählte zur Prominenz von Staat und Wehrmacht. Dieser Umstand bewahrte sie bis zum 20. Juli 1944 vor den tötlichen Schrecken des Konzentrationslagers Das absolute persönliche Risiko stand den Verschwörern erst am Tage X, dem Tag des Staatsstreiches, bevor. Keine der eingebauten legalen Sicherungen vermochte den Staatsstreich soweit zu legalisieren, daß die Hauptakteure erwarten durften, im Falle eines Mißlingens vor Hochverratsprozeß und Galgen bewahrt zu bleiben. Darüber gaben sich die Putschisten wohl keinerlei Illusionen hin, wenngleich sich nach dem 20. Juli einzelne von ihnen darauf beriefen, einen „ordentlichen, legitimen Umschwung“ gewollt zu haben. General Hoeppner, der am 20. Juli als Nachfolger des verhafteten Generals Fromm den Oberbefehl über das Ersatzheer übernehmen sollte, behauptete vor dem Volks-gerichtshof, er habe sich bei Olbricht erkundigt, ob diese Kommandoübernahme auch „legal“ sei, er habe einen schriftlichen Befehl verlangt und auch bekommen „Der eine will handeln, wenn er Befehl erhält, der andere will befehlen, wenn gehandelt worden ist“, hatte Hauptmann Kaiser 1943 einmal erbost festgestellt Eine Ursache dieses Zirkels mag seinen Ort wohl auch im persönlichen Sicherheitsbedürfnis jener Generale gehabt haben, die als passive Mitwisser und potentielle Mittäter der Verschwörung nahestanden.

Ein anderes Gesicht gewann das Problem der legalen Rückversicherung im Hinblick auf diejenigen Offiziere und Soldaten, die überhaupt nicht oder nur unvollständig eingeweiht waren, gleichwohl aber am Tage X eine maßgebliche Rolle spielen sollten. Die Putschisten wollten sie zu dieser Rolle regulär kommandieren, ohne sie in Kenntnis darüber zu setzen, daß der Befehlskopf, von dem diese Kommandos ausgingen, seine Kommandogewalt ursurpiert hatte. Als Major Remer am 20. Juli in das Kreuzfeuer von ordre und contreordre geriet 159) (Goebbels, Reichsverteidigungskommissar — v. Hase, Stadtkommandant von Berlin), bemerkte er zu seinem Adjutanten: „Jetzt geht es um meinen Kopf“

Diese Erkenntnis hatten die Putschisten den Empfängern und ausführenden Organen ihrer „hochverräterischen“ Befehle solange als möglich vorenthalten wollen. Als Oberst Müller am 20. Juli die zögernden Offiziere der Infanterie-Schule Döberitz zur Ausführung dieser Befehle bewegen wollte, überlegte er: „Ist es richtig, wenn ich erkläre: Wir stürzen das Nazi-Regime zur Rettung Deutschlands, ohne Rücksicht, ob Hitler tot ist oder nicht, ohne Rücksicht auf Rechtsgründe?“ Er kam zu dem Schluß: „Hier kann die Truppe verlangen, daß sie so geführt wird, daß ihr auch bei unglücklichem Ausgang kein Strick gedreht wird“. Müller suchte einen „juristisch einwandfreien Grund“. „Ich täuschte daher in mehreren Ansprachen“, berichtet er. Müller entwickelt die Fiktion eines SS-Putsches, der niedergeschlagen werden müsse. Damit gab er dem Befehl, das Konzentrationslager Oranienburg zu zernieren, eine legale Motivierung. „Wir müssen schlagen für die rechtmäßige Gewalt. Es eilt“

Grundlage dieser Fiktion eines SS-Putsches, die auch von den Verschwörern in Paris aufgebracht wurde war der sorgfältig vorbereitete, von Witzleben und Stauffenberg unterzeichnete Befehl gewesen, der am 20. Juli den Staatsstreich in Gang setzte. Dieser Befehl verschwieg, daß seine Verfasser die Attentäter waren. „Adolf Hitler ist tot“, hieß es nur und weiter: „Eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer hat unter Ausnutzung dieser Lage versucht, der schwerringenden Front in den Rücken zu fallen und die Macht zu eigennützigen Zwecken an sich zu reißen. — In dieser Stunde höchster Gefahr hat die Reichsregierung(f) zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung den militärischen Ausnahmezustand verhängt und mir (Witzleben) zugleich mit dem Oberbefehl über die Wehrmacht die vollziehende Gewalt übertragen. — Hierzu befehle ich . .. usw."

Dieser Befehl — in seiner Präambel eine bewußte, rigorose Verdrehung der Tatsachen — verhieß denen, die ihn befolgten — auch nach gescheitertem Putsch — ein Alibi gegen den gerichtlichen Verdacht, wissentlich Hochverrat begangen zu haben. Fraglos haben die Putschisten den Befehlsempfängern diese Rückversicherung nicht aus humanitären oder kameradschaftlichen Motiven in die Hand gegeben. Derartige Rücksichten (— so zu befehlen, daß den Befehlsempfängern „auch bei unglücklichem Ausgang kein Strick gedreht wird“ —) konnten sie sich sachlich nicht leisten. Ihre eignenen Zweifel am Erfolg des Staatsstreichs hatten ihren Ort im Entschlußkampf, nicht aber in der Methode. Die Methode des Staatsstreiches wurde allein diktiert vom Willen zum rücksichtslosen Wagnis — und von den taktischen Bedingungen des Augenblicks.

Diesen Bedingungen hatten sich die Putschisten gefügt, als sie am 20 . Juli legale Sachverhalte vortäuschten. Mit ihrem legalen Täuschungsmanöver gedachten sie, dem Sicherheitsbedürfnis der Mitläufer, dem Beharrungswillen der Loyalen und dem Legalitätskomplex des ganzen deutschen Volkes Rechnung zu tragen. ad b)

Wer in Deutschland einen Umsturz mit offenkundig illegalen Vorzeichen in Szene setzte und diesen bestand auf sich beruhen ließ, mußte damit rechnen, daß ihm das Uros des deutschen Offizierskorps von vornherein seinen Beifall und seine Gefolgschaft strikt und empört versagen würde.

Im Unterschied zu den Traditionen südamerikanischer und südosteuropäischer Armeen lagen für das preußisch-deutsche Offizierskorps Meutereien, Revolten und Revolutionen außerhalb der Tradition ihres Berufsdenkens. Das Ethos unabdingbarer Staats-und Regierungstreue hatte auch den Zusammenbruch der preußischen Monarchie überdauert. Nach dem Intermezzo des Kapp-Putsches erhielt die Reichswehr in Generaloberst v. Seeckt einen typenbildenden Kommandeur, der die „Loyalität um jeden Preis“ erneut zur Maxime erhob. „Revolution und Meuterei sind Worte, die es im Lexikon eines Soldaten nicht gibt“, äußerte selbst Beck im Januar 193 8, als er noch Generalstabschef des deutschen Heeres war

Selten hat ein Politiker die revolutionsfeindliche deutsche Mentalität — und damit die Macht eines legalen Rückhaltes — so klar erkannt und meisterhaft auszunutzen verstanden wie Adolf Hitler bei der Übernahme und Konsolidierung seiner Regierungsgewalt. „Er habe mehr als einmal Situationen zu bewältigen gehabt, die ihm den Gedanken des Staatsstreiches nahegelegt hätten“, bemerkte Hitler einmal rückblickend in einem „Tischgespräch". „Er habe sich aber immer wieder selbst überwunden, nicht so zu handeln. Denn die Gefahr, daß ein Einsatz der Macht, die er gehabt habe, eben diese Macht ins Rutschen bringe, d. h. auch einmal zu einem Staatsstreich gegen ihn verleiten könnte, sei zu groß gewesen“ Hitler betonte, daß er 193 3 besonders wegen der Wehrmacht den größten Wert auf die legale Übernahme der Kanzlerschaft gelegt habe Am 20. Juli 1944 versuchte die Beck/Goerdeler-Verschwörung durch eine „quasi legale Revolution“ dem Nationalsozialismus mit der gleichen Methode, mit der er zur Macht gekommen war, diese Macht wieder zu entwinden. Beide, der Nationalsozialismus und die Beck/Goerdeler-Verschwörung, die Revolutionäre und die „Konterrevolutionäre“, benutzten die Legalität als Deckmantel, um dem Legalitätsbedürfnis des deutschen Volkes Rechnung zu tragen. ad c)

Allerdings mit einem grundlegenden Unterschied. Für Hitler war die Wahrung der Legalität nur eine widerwillig ergriffene taktische Handhabe seiner Machtergreifung gewesen. Im Grunde war er ein Verächter des Legalitätsprinzips . Hitler war ein Revolutionär.

Beck und Goerdeler hingegen wurden zu Revolutionären wider Willen. Alle genannten legalen Anstalten und Anstrengungen, mit denen sie ihren Aufstand gegen das NS-Regime zu legalisieren versuchten, waren keine bloßen taktischen Maßnahmen, um diesen Aufstand populär zu machen und nach gelungenem Staatsstreich ein Alibi vor dem Tribunal einer legalitätshörigen Volksmeinung zu besitzen, sondern entsprechen zugleich auch ihrer eigenen ethischen Wertschätzung des Legalitätsprinzips.

Die frühere Äußerung Becks (1937/38), daß Revolution und Meuterei Worte seien, die es im Lexikon eines deutschen Soldaten nicht gäbe schlossen seine damalige persönliche Überzeugung mit ein. Beck verkörperte einen Typ des preußischen Offiziers, ebenso wie Goerdeler als Typ des sprichwörtlichen deutschen Beamten galt. Ein Staatsstreich war für sie zunächst einmal ein Staatsverbrechen. Beide, Bede und Goerdeler, waren Exponenten des legalen Widerstandes gegen Hitler gewesen. Obwohl sie keinen Zweifel darüber hegten, daß Deutschland unter Hitler kein Rechtsstaat mehr war und daß der Legalitätsanspruch des NS-Regimes schließlich nur noch eine formale, papieme Berechtigung hatte vertraten sie die Auffassung, einem Staatsstreich müsse unbedingt die Rechtfertigung durch einen vergeblichen legalen Versuch vorausgehen Goerdeler hat bis in die Vormonate des 20. Juli 1944 den Versuch nicht aufgegeben, diesen vergeblichen legalen Weg, sei es auch nur „pro forma“, zu beschreiten Die formelle Korrektheit Goerdelers, die innere Mühsal seiner und Becks Entwicklung zu „Hochverrätern“ und die übertriebene Wertschätzung, die sie, — wie auch Popitz, Halder und Rommel u. a. — selbst als Verschwörer noch der formaljuristischen Seite ihres Widerstandsrechtes zumaßen, werden vollends verständlich, wenn man — neben der kantisch-formalistischen Wurzel ihres preußischen Staatsdenkens — ein weiteres Motiv ihrer Gewissenhaftigkeit zu Rate zieht. Dieses Motiv entzündete sich an der Paradoxie einer Situation, die die Verschwörer zwang, ihr Ziel der „Wiederherstellung geordneter Rechtsverhältnisse" durch eine Tat anzustreben (Attentat, Sturz der herrschenden Staatsgewalt), die selbst mit allen äußeren Attributen einer destruktiven, anarchistischen Methode belastet war.

Angesichts dieser drohenden Zwangslage respektierten die Verschwörer im Legalitätsprinzip weniger den juristischen Rückhalt, den es bot, oder die Wahrung des Bestehenden um der Beständigkeit willen, die es garantierte — obwohl ein konservativer Zug ihrer Geisteshaltung, das heißt die Überzeugung von dem „im letzten Hinfälligen alles dessen, was die Revolution wirken mag“ wohl mitgespielt hat —, vielmehr respektierten sie im Legalitätsprinzip vor allem den überpersönlichen Ordnungswillen, den es verkörperte Sie respektierten in der Legalität ein Prinzip, das über allen gärenden Umbrüchen der Politik stehend jeder Versuchung zu Chaos und Willkür konstitutionelle Grenzen setzt.

Diese Sicht nimmt dem Vorwurf formalistischer Beschränktheit seine Spitze. In einer schrankenlos gewordenen, deformierten Welt gewann die Achtung vor der gewährten äußeren Form eine um so tiefere Berechtigung. Die Putschisten wollten „dem Wahnsinn ein geordnetes Ende bereiten“. Folglich hatten sie auch auf den ordnungsgemäßen Charakter ihrer Methoden und auf die formalrechtliche Legalität ihrer Vollmacht einen derart gesteigerten Wert gelegt.

An dem Punkt nun, wo ihnen das geschriebene Recht diese Vollmacht versagte (Popitz: „Alle Versuche, auf legale Weise mit dem Regime fertig zu werden, sind erschöpft. Jetzt kann uns nur noch der tote Hitler retten“) entstand nicht nur äußerlich, im Wandel der Methoden, eine Cäsur, sondern auch geistespolitisch im Wandel ihrer inneren Einstellung zum Legalitätsprinzip. Wohl behielt dieses Prinzip in den Augen der Verschwörer seinen Wert — als taktische Handhabe der revolutionären Staatsraison und auch ethisch —, aber es rangierte in der Wertskala nunmehr auf einer niederen Rangstufe als früher. Es war nicht mehr oberste Maxime, die ihr Seinsverhältnis als Staatsbürger zum Staat bestimmte. Höhere Werte verpflichteten sie zum „Hochverrat“. Jedoch hebt der höhere Wert den niederen nicht auf. Der Konflikt bleibt. Er war Ursache mancher Gewissensnöte, die die innere Entwicklung Becks und Goerdelers zu „Hochverrätern“ begleitete.

Unbeschwerter und konzessionsloser hatten die „Jüngeren“ unter den Vertretern preußischer Lebens-und Berufsauffassung, Stauffenberg und seine Freunde, die achtungsgebietende Unverbrüchlichkeit des Legalitätsprinzips in Frage gestellt. „Gehen wir in medias res, ich betreibe mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln den Hochverrat“ mit diesen Worten begann Stauffenberg einmal, einen Neuankömmling einzuweihen. Aus seinen Worten sprach die trotzige, selbstsichere Genugtuung eines Preußen, der den Schock seines Selbstverständnisses als Hochverräter längst überwunden hatte durch ein neues revolutionäres Ethos. Damit hatte Stauffenberg zugleich auch die innere Freiheit gewonnen, um das hinderliche Legalitätsproblem zu drehen und hinzubiegen, bis es — fraglos ohne Wissen und gegen den Willen Goerdelers — in der Form des zitierten Walkürebefehls dem taktischen Zweck der Lage Genüge tat.

Das moralische Bekenntnis zum Hochverrat und der damit vollzogene Bruch preußischer Offiziere und Beamter mit ihren Denktraditionen „alter Schule“ forderten das streng ausgebildete Rechtsempfinden der Verschwörer zur Neubesinnung auf jene materiale Bezugsebene heraus, die oberhalb irdischer Rechtssätze und Meinungen eine absolute Richtschnur verhieß. Namentlich der Kreisauer Kreis erblickte in der Aufgabe, vom Religiösen her die verwirrten Rechtsbegriffe-und zustände zu klären, seine politische Mission. In der Berufung auf die göttliche Instanz suchten und fanden auch Beck und Goerdeler eine Legitimation, die ihnen das kodifizierte Recht verwehrte, auch sie hielten ihren Kampf für „ein von Gott verordnetes Gebot“

Neben dieser Umstellung von formalen zum materialen Rechts-denken hatte der notgedrungene Bruch mit dem Legalitätsprinzip noch eine andere weittragende Folge. Er schien nicht nur juristisch sondern auch politisch die Schleusen zu öffnen für die traumhafte, spontane Verwirklichung eigener revolutionärer Hoffnungen und Konzepte der Verschwörer. Beck zwar blieb reserviert. In seiner Hoffnung auf eine Wiederherstellung der Monarchie nach gelungenem Sturz Hitlers mag er vielleicht sogar geglaubt haben, das Legalitätsprinzip in weitgreifender Auslegung zu retten; Goerdeler aber Stauffenberg und die Kreisauer gerieten ganz in den Bann jener einmaligen Chance, angesichts des totalen Zusammenbruchs alles Bestehenden von Grund auf ganz neu und ganz anders beginnen zu können.

Darin sieht Gerstenmaier „die Kühnheit, mit der sie aus dem Fackelzug von 193 3 Konsequenzen gezogen haben Mit der Preisgabe des Legalitätsprinzips auch der Verpflichtung ledig, die Kontinuität des Bestehenden zu wahren, hatten die Verschwörer „nicht nur die Hitlersche Diktatur, sondern auch die Weimarer Demokratie weit hinter sich gelassen“ So war statt der zunächst proklamierten „Wiederherstellung“ die „Lösung nach vorwärts“ Sinn und Ziel des geplanten Aufstandes der Verschwörer geworden.

Dies 3 Konsequenzen gezogen haben 186). Mit der Preisgabe des Legalitätsprinzips auch der Verpflichtung ledig, die Kontinuität des Bestehenden zu wahren, hatten die Verschwörer „nicht nur die Hitlersche Diktatur, sondern auch die Weimarer Demokratie weit hinter sich gelassen“ 187). So war statt der zunächst proklamierten „Wiederherstellung“ die „Lösung nach vorwärts“ Sinn und Ziel des geplanten Aufstandes der Verschwörer geworden.

Dieser ganze, nur grob skizzierte geistesgeschichtliche Prozeß einer inneren Entwicklung der Verschwörung vom formalistischen zum materialen und vom konservativen zum revolutionären Wertdenken begleitete als bewegter Hintergrund die äußere Entwicklung ihrer Methoden vom legalen zum illegalen Weg, von der Opposition zur Revolution. 2. Die außenpolitische Sicherung des Staatsstreiches Namentlich für die zivilen Kreise der Verschwörung war die Versuchung groß gewesen, aus Enttäuschung über das fortwährende Zögern und Sich-Versagen der Militärs, die Machtmittel, die notwendig waren, um das NS-Regime gewaltsam zu stürzen und die im eigenen Land offenbar nicht zu mobilisieren waren, aus dem alliierten Lager zu erbitten. Dennoch stieß dieser denkbare Weg fast durchweg und energisch auf Ablehnung. „Die Gegner Hitlers in Deutschland hofften auf eine Beseitigung seiner Gewaltherrschaft durch einen Staatsstreich, nicht durch fremde Intervention“ 188). Auch die Kombinierung eines Staatsstreiches von innen mit einer Intervention von außen wurde abgelehnt. „Eine Verbindung aber von Unruhen oder gar von Bürgerkrieg auf deutschem Boden mit einer Intervention von außen, das war bestimmt nicht, was ein guter Deutscher und ein guter Europäer herbeiwünschen konnte“ 189), bemerkte Weizsäcker zu dieser Form des Regimesturzes. „Das muß unsere interne Sache sein“, lautete ein immerwiederkehrendes Resume, das Hasell aus zahlreichen konspirativen Gesprächen zog 190).

Die Rücksicht auf den soldatischen und patriotischen Ehrenstandpunkt der Militärs 191), ein Standpunkt, den auch zivile Verschwörer durchaus teilten 192), blieb nicht das einzige Motiv. Hinzu kam die lang-gehegte Hoffnung der Verschwörer, ihr Vaterland vor dem Schicksal einer totalen militärischen Niederlage bewahren zu können. Diese Hoffnung war ein treibendes Motiv zum Widerstand überhaupt gewesen.

Es war vorauszusehen, daß die Alliierten nicht erst um Erlaubnis fragen würden, ob den Verschwörern eine „Intervention“ genehm sei. Die Alliierten würden — so befürchteten die verschworenen Militärs — ohnehin das Schwächemoment des deutschen Heeres im Augenblick des Staatsstreiches für eine Offensive ausnutzen und den Putschisten damit faktisch in den Rücken fallen 193). Die Verschwörer sind ihre Befürchtungen, gleichsam mit offenen Flanken gegen das NS-Regime anrennen zu müssen, bis zum 20. Juli 1944 nicht losgeworden.

Vergebens hatten sie sich bemüht, den Staatsstreich außenpolitisch abzusichern. Ihr Plan war, einen (ehrenvollen) Waffenstillstand, der nach gelungenem Sturz Hitlers in Kraft treten sollte, mit den Westalliierten abzuschließen, zumindest aber eine bindende Zusicherung darüber zu erwirken, daß die Allierten einen Staatsstreich nicht ausnutzen, sondern „Gewehr bei Fuß“ abwarten würden.

Das Äußerste, was die Verschwörer 1939/40 während der „dröle de guerre“ in dieser Richtung erreichten waren allgemeine vage Erklärungen, in denen englische Regierungskreise ihre wohlwollende Einstellug zu den Zielen der Verschwörung bekundeten und ihrer Bereitwilligkeit zu einem Verhandlungsfrieden mit einer deutschen „bona fide Regierung Ausdruck gaben 3. Ob mit diesen mündlichen und schriftlichen, aber nicht paraphierten Erklärungen wirklich, wie Weizsäcker es auslegt, die Bereitschaft der britischen Regierung festgestellt worden war, „im Fall eines Systemwechsels in Deutschland den Ablauf , Gewehr bei Fuß'abzuwarten" ließ Halder dahingestellt Vergebens bemühten sich die Putschisten um eine Garantie. Zu einem effektiven Geheim-abkommen mit der britischen Regierung, geschweige denn mit einem alliierten Oberbefehlshaber, ist es jedenfalls nie gekommen. Im Gegenteil —, mit der Ablösung von Chamberlain und Halifax durch Eden und Churchill brachen die losen „diplomatischen“ Beziehungen zur britischen Regierung überhaupt ab. Nicht einmal zu offiziellen Gesprächen, geschweige denn zu Abmachungen ist es in der Folgezeit gekommen. „No action could be taken“, lautete die deutlichste Absage, die ein Vermittler der Verschwörer, Bishop Bell, 1943 von Eden empfing

Die bleibende Ungewißheit der Putschisten im Hinblick auf das Verhalten der alliierten Frontheere während und nach einem Staatsstreich wirkte sich innenpolitisch auf die Wahl der Methode ihres geplanten Aufstandes insofern aus, als die Akteure darauf bedacht blieben, unter allen Umständen einer Verwirrung oder Selbstauslösung der deutschen Kriegsfronten vorzubeugen. Eine „Dekomposition des deutschen Heeres“ mußte und sollte vermieden werden. Aus dieser Prämisse ergaben sich folgende Richtlinien: 1. Die Hauptlast des Aufstandes dürfe nicht das Frontheer, sondern müsse — wenn irgend möglich — auf das Heimatheer (Ersatzheer, Wehrkreise) verlagert werden. 2. Der Staatsstreich müsse als ein Werk weniger Stunden abgewickelt werden. 3. Keine militärische Sabotage, keine Anzettelung von Streikbewegungen, die die Rüstungsindustrie und den Nachschub für das Frontheer -

lahmlegen würden. 4. Keine chaotischen Massenaufstände und Truppenmeutereien, kein Bürgerkrieg.

Diese auch innenpolitisch ratsamen Richtsätze behielten bis zum 20. Juli 1944 ihre Gültigkeit. Sie waren seit 1941, mit Beginn des Rußlandfeldzuges, noch zwingender geworden, denn an ein vorsorgliches Arrangement mit der Roten Armee war noch weniger zu denken, als an eine Stillhaltezusage des westalliierten Oberkommandos.

Ihren Plan, nach einem Sturz des NS-Regimes die militärische Kriegsführung zu reformieren und den Krieg bis zur Erlangung eines „Peace with honour“ fortzusetzen hatten die Putschisten mit Beginn des geglückten angloamerikanischen Invasion endgültig begraben, nicht aber die Hoffnung, nur bedingt kapitulieren zu müssen. Bedingungen konnten sie jedoch nur durchsetzen, solange die Fronten noch standen. Aber auch daran mußten die Verschwörer zweifeln. Sie zweifelten, stabile Kriegsfronten über die unerhörte Krise des Staatsstreiches hinweg-retten zu können, weil 1944 die Durchbruchsgefahr in Frankreich und Rußland ohnehin akut geworden war. Unter diesen Umständen entschlossen sich die Putschisten — auch aus politischen Gründen — zu der kühnen Lösung, den Staatsstreich nach Osten zu sichern, indem sie die westliche Flanke preisgaben. Sie wollten die Westfront öffnen Dieses Angebot richteten Bede und Goerdeler im April 1944 an die Angloamerikaner Außerdem erklärten sie sich im Namen der Fronde bereit, die Landung alliierter Fallschirm-und Luftlandedivisionen auf strategisch wichtigen Punkten des Reichsgebietes, u. a. in Berlin, vorzubereiten. Erst nach dem Sturz des NS-Regimes sollten diese westalliierten Truppen ins Land gerufen werden. Sie waren nicht als Verbündete der Putschisten in ihrem Kampf gegen den inneren Feind gedacht, sondern als Schutz gegen die sowjetrussische Flut aus dem Osten

Die amerikanische Regierung reagierte überhaupt nicht auf diesen Vorschlag, den Dulles nach Washington weitcrgeleitet hatte 206). Beck und Goerdeler waren von der irrigen Annahme ausgegangen, Deutschland könne nach gelungenem Sturz des NS-Regimes einen separaten Waffen-198 Stillstand mit den Westmächten abschließen und den Kampf an der Ostfront zunächst noch fortsetzen

An diese „irrige Annahme“ klammerten sich vor allen auch die Verschwörer in der Frankreicharmee Rommel gab sich sogar der Hoffnung hin, Eisenhower werde dem deutschen Westheer nach gelungenem Sturz Hitlers Gelegenheit geben, sich abzusetzen und bis auf die Rheinlinie zurückzugehen

In Berlin stand am 20. Juli ein Kurier der Verschwörer bereit, um nach Madrid zu fliegen und dort über den Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft im Namen der neuen deutschen Regierungsgewalt Waffenstillstandsverhandlungen mit General Eisenhower einzuleiten Dazu fehlten Zeit und Voraussetzung, als am Abend des 20. Juli der Staatsstreich in Berlin im Zusammenbrechen begriffen war. Daraufhin bestürmten Stülpnagel und Hofacker den Oberbefehlshaber-West, v. Kluge, die Westfront zu öffnen, ja bedingungslos zu kapitulieren, um das deutsche Volk und die Angloamerikaner vor die einzige umwälzende Tatsache zu stellen, die die Verschwörer zu vollenden noch imstande waren 2n). Bekanntlich weigerte sich Kluge, der damals mächtigste, aber auch unschlüssigste Mann der Verschwörung, die Verantwortung für diesen Verzweiflungsschritt auf sich zu laden. 3. Die Wahl des Zeitpunktes Ein „Leitfaden“ der Staatsstreichplanung war die Formel: „es müssen die Armee, die Beamtenschaft und die Funktionäre aller Art in einem Zeitpunkt „eidfrei“ gemacht werden, in dem sie selber aus innerer Einsicht erkannt haben, was Nationalsozialismus bedeutet und bereit sind, sich der Opposition anzuschließen. Diese von unten gewachsene Evolution muß im richtigen Augenblick durch eine , Blitzrevolution‘ von oben ergänzt und dadurch der Umsturz möglich werden“

Diese Strategie mit ihren Bedingungen und Möglichkeiten war bereits 1938, in den dramatischen Monaten der Sudetenkrise, maßgebend gewesen für die damaligen Umsturzhoffnungen und jähen Enttäuschungen der Beck/Goerdeler-Verschwörung.

Ihre damaligen Unisturzhoffnungen und konkreten Staatsstreich-vorbereitungen hatten sich auf die — verfrühte — Annahme gegründet, der Zeitpunkt, in dem Heer, Beamtenschaft und der „einfache Mann auf der Straße“ „selber aus innerer Einsicht erkannt haben, was Nationalsozialismus bedeutet", stehe unmittelbar bevor, er werde sich ergeben, sobald öffentlich durchgedrungen sei, daß Hitler im Begriff stehe, mit seinem Entschluß zum bewaffneten Angriff auf die Tschechei einen europäischen Krieg zu entfesseln.

Daß der „kritische Termin“, d. h.der Vortag der geplanten Angriffs-befehle für die Armee, auch wirklich in seiner alarmierenden Zuspitzung dem deutschen Volk zum Bewußtsein komme, war eine Hauptsorge der Verschwörer gewesen. Sie waren sich darüber im Klaren gewesen, „daß ohne eine offene und eindeutige Erklärung der britischen Regierung über ihre Haltung bei einem deutsch-tschechischen Krieg — das deutsche Volk und die Truppe die Gefahren, in denen sich Deutschland befand, nicht sehen und nicht begreifen (würden)“ Deshalb hatten die Verschwörer alles in ihrer Macht stehende unternommen, um die britische Regierung zu einer derartigen Erklärung zu bewegen und sie hatten darauf gedrängt, daß diese Erklärung nicht nur an Hitler und Ribbentrop adressiert werde (um sie eventuell doch noch zum außenpolitischen Rückzug zu zwingen), sondern auch an das deutsche Volk. Sie hatten auf eine öffentliche Erklärung gedrängt, die sich wie ein Lauffeuer bei Volk und Wehrmacht verbreiten und der Verschwörung Argumente in die Hand gehen sollte, „die auch dem einfachen Mann einleuchten“

Die unerwartete Bereitschaft der Westmächte, mit Hitler zu verhandeln, die Reisen Chamberlains nach Berchtesgaden (16. 9. 38) und Godesberg (22. 9.) und das Ergebnis der Viererkonferenz in München (29. 9.) machten die Hoffnungen der Verschwörer, daß der historische Augenblick zum Staatsstreich gekommen sei, jäh zunichte

In der Folgezeit, bis zum endgültigen Ausbruch des Weltkrieges, ja eigentlich bis zum 20. Juli 1944, kreisten die konspirativen Gespräche der Verschwörer immer wieder um die Zweifelsfrage, ob man dem Verhängnis vorläufig seinen Lauf lassen müsse, bis sich die — im Dunkel der Zukunft liegende — politische Gunst der Stunde von selbst wieder der Fronde zuwenden würde, ob man also den „populären, psychologisch richtigen Moment“ zum Aufstand abwarten müsse, oder ob man ihn herbeiführen könne und dürfe.

Die Frage nach Wahl und Wesen des richtigen Zeitpunktes für den Aufstand, die Frage nach der großen Unbekannten des Tages X, an dem es heißen mußte: jetzt oder nie, war für die Verschwörer mehr, als nur ein rechnerisch lösbares Problem ihrer Umsturzstrategie. Das „Gefälle der Geschichte“ richtig abzuschätzen und zu deuten, war in tieferem Sinn das Problem, vor das sich die Verschwörer gestellt sahen. In ihren Augen gewann das Zeitpunkt-Problem sogar religiöse Tragweite. Mit „metaphysischer Verantwortung“ rangen sie um die richtige Einsicht in das gottgewollte Verhältnis von Schicksal und Freiheit, von Handeln und Leiden, von gelassener Bereitschaft und spontaner Berufung zur geschichtlichen Tat

Generale wie Halder und Brauchitsch, Thomas und Kluge machten die geschichtliche und politische Reife des Zeitpunktes zur Bedingung für ihre Mitwirkung zum Aufstand. Sie wollten nur stoßen, was schon fiel. Das hatte auch sehr reale Gründe. Die verschworenen Generale hielten es für ausgeschlossen, ein Regime stürzen zu wollen, das, in der Volks-meinung verankert, den Zenit seiner äußeren Erfolgskurve noch nicht einmal erreicht, geschweige denn überschritten habe.

Die Bedingung der Militärs, nur handeln zu wollen, wenn der Staatsstreich „Echo im Volk“ finde und ihr Einwand, der „populäre Augenblick“ sei noch nicht gekommen oder sei bereits verpaßt, forderten den Widerspruch der zivilen Verschwörer heraus. Sie warnten davor, im Hin-horchen auf die öffentliche Meinung das erste Klingelzeichen zu erwarten. — „Das debacle wird erst allgemein erkannt werden, wenn es da ist. Dann freilich wäre der Staatsstreich populär, aber er käme zu spät und würde das Unheil nicht mehr abwenden, in das wir alle, ob mit Hitler oder ohne ihn . . . hineinstürzen“, gaben Kordt und Etzdorfs 1939 (in einer Denkschrift an das OKH) zu bedenken, und in einem Brief, den Goerdeler im Mai 1943 an General Olbricht richtete, heißt es: „Immer wieder habe ich mir die Auffassung überlegt, es müsse erst der psychologisch richtige Moment abgewartet werden. Wenn man darunter den Zeitpunkt versteht, in dem die Ereignisse Handlungen auslösen, dann fällt er mit dem Beginn des Niederbruchs zusammen, für eine politische Auswertung würde die Handlung dann zu spät kommen. Inzwischen wären unersetzliche Kulturwerte, die wichtigsten Wirtschaftszentren Trümmerhaufen, wäre die Verantwortung der militärischen Führer mit kostbaren Menschenleben überlastet“

Die von Goerdeler, Kordt und Etzdorf genannten Gesichtspunkte kennzeichnen das Dilemma, in dem sich die Verschwörung befand: Ziel und Voraussetzung des geplanten Aufstandes ließen sich nicht auf einen Nenner bringen, sie drohten, einander auszuschließen. Ziel der Verschwörung war, vorzubeugen, zu verhindern, — erst den Kriegsausbruch, dann die Ausweitung des Krieges und schließlich sein katastrophales Ende. Stets war der Inhalt ihrer Staatsstreichparolen düstere Voraus-schau 212). Sie war in der Tat die undankbarste, unpopulärste Empfehlung eines Staatsstreiches, die sich denken ließ, zumal sie einen Schritt begründen sollte, der sich gegen ein Regime dröhnender Verheißungen richtete, das dem Volke bis zum Vortage des totalen Zusammenbruchs Hoffnung, Optimismus und absolute Siegeszuversicht einhämmerte. Die jungen Offiziere seien von Hitler „besoffen", so etwa soll sich Witzleben ausgedrückt haben 226). Die große Ernüchterung im Volk und damit auch das Reifestadium der anonymen „von unten gewachsenen Evolution“ einer millionenfachen Abfallbewegung vom Nationalsozialismus würden zu spät kommen, um dem geplanten Aufstand noch rechtzeitig genug eine populäre Ausgangsbasis zu sichern. Die Verschwörer konnten nicht darauf warten, vom späten Gefälle eines allgemeinen antinationalsozialistischen Erdrutsches mitgerissen zu werden, sie mußten sich begnügen mit dem Signal, das ein äußerer Anlaß ihnen geben würde.

Ereignisse, die einen „schreienden Anlaß“ zum Losschlagen zu bieten schienen und die Verschwörung jedesmal in höchste Alarmbereitschaft versetzt hatten, waren nacheinander: Die Fritschkrise (Februar 193 8) — die Sudetenkrise (September 193 8) — der Kriegsausbruch (September 1939) — die Vortage der Westoffensive (1939/1940) — und vor allem — 1942/43 — die verlorene Entscheidungsschlacht in Stalingrad. „Diktatoren als die Apostel des Erfolges geraten in eine entscheidende Gefahr, wenn der Erfolg zum ersten Mal ausbleibt . . . Ein Murren ging durch das Land“ mit diesen Worten beurteilte Weizsäcker die große Wende in Stalingrad, die jedoch ebensowenig wie alle vorhergehenden Krisen oder Rückschläge Hitlers einen Staatsstreich unmittelbar auszulösen vermochte. Alle oben aufgezählten Krisen oder Rückschläge, die eine aktuelle, öffentliche Handhabe gegen Hitler zu bieten schienen, waren überholt, noch ehe die Putschisten reagieren konnten.

Ein Aufstand von der Größenordnung, wie die Beck/Goerdeler-Verschwörung ihn vorhatte, ließ sich nicht improvisieren. Das war der Vorteil Hitlers; durch seine Methode, vor vollendete Tatsachen zu stellen, die Ereignisse sich überstürzen zu lassen und sich aus Rückschlägen und Krisen stets durch die Flucht nach Vorwärts zu retten, durch seine Methode der Bewegung um jeden Preis, des immer neuen, atemlosen Szenenwechsels, der immer neue Konstellationen und Zukunftsperspektiven schuf, entzog sich Hitler wiederholt dem Zugriff seiner Gegenspieler. Weil Hitler sich immer in Bewegung befand, war es heute noch zu früh und morgen schon zu spät, um ihn aus einem aktuellen Anlaß heraus stürzen zu können.

Um nach dem wiederholten An-und Absagen der Termine für einen Staatsstreich endlich zu einer exakten, ein für allemal verbindlichen Entschlußfassung zu kommen, forderte Goerdeler im Mai 1943: — „Das Nahen des . psychologisch richtigen'Zeitpunktes (darf) nicht abgewartet, er muß herbeigeführt werden“ Goerdeler wollte den . richtigen Zeitpunkt'durch Proklamationen herbeiführen Sie sollten Volk und Wehrmacht schlagartig über das Schuldkonto Hitlers aufklären und davon überzeugen, daß das NS-Regime moralisch und politisch seine Daseinsberechtigung verwirkt habe.

Goerdeler plädierte also dafür, aus der Defensive, die den Gegner oder die Ereignisse auf sich zukommen läßt, herauszutreten, die Initiative des Handelns an sich zu reißen und anzugreifen.

Diesen Angriffsgeist und Aktivismus hatte Stauffenberg mit Goerdeler gemeinsam. Nur wollte Stauffenberg den „psychologisch richtigen Moment“ nicht durch Proklamationen schaffen, sondern durch das Attentat. Das Lauffeuer der Meldung: Hitler ist tot! sollte den öffentlichen Anstoß zum Aufstand geben.

Der Entschluß der Verschwörer, die „Wahl des Zeitpunktes“ vom Datum des Attentats abhängig zu machen, versetzte sie in die Lage, mit dem Vorauswissen der Ausgangsparole (Adolf Hitler ist tot) und des aktuellen Anstoßen am Tage C auch das Befehlsschema, nach dem der Militärputsch abrollen sollte, von langer Hand festlegen und vorbereiten zu können

Nur der Tag des Attentats selbst ließ sich nicht „programmgemäß“ festlegen. Die Gelegenheit zum Attentat mußte ergriffen werden, wann und wo auch immer sie sich bieten würde, sofort, erst in einem halben Jahr, oder nie. Zeitlich blieb deshalb die Entscheidung über den Beginn des Aufstandes nunmehr allen Zufälligkeiten und Wechselfällen ausgeliefert, denen die Versuche der Attentäter unterworfen waren.

Dieses Ausgeliefertsein an das Faktum des Attentats verwandelte die Struktur der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Die Generale und Politiker rückten in den Hintergrund, die Attentäter wurden tonangebend. In der Hand Stauffenbergs und Tresckows konzentrierte sich die Entscheidung über das weitere Schicksal der gesamten Fronde seit 1943. Hatte sich die Beck/Goerdeler-Verschwörung seit 193 8 von Jahr zu Jahr verbreitert, so verengte sich im Hinblick auf das Attentat diese schwer-fällig gewordene Verschwörergemeinschaft erneut auf einen schmalspurigen Kader sprungbereiter Akteure. Die bisher mit demokratischer Vielstimmigkeit von allen Mitwissern und Gesinnungsgenossen diskutierte Frage, ob, wann und wie losgeschlagen werden müsse, handelten sie nunmehr unter sich aus. 4. Der Bürgerkrieg Ideologisch besaß die Beck/Goerdeler-Verschwörung durchaus das Format, Träger einer Revolutionsbewegung zu sein. Organisatorisch jedoch, nach Zahl und Struktur, stellte sie nicht mehr dar, als einen erweiterten politischen Stoßtrupp. Ihr angemessen war die Methode des politischen Handstreiches.

Zur Feldschlacht eines Brügerkrieges mit seinen Massenaufgeboten und seinem Hin-und Hergewoge der Fronten fehlte ihr die Potenz. Mag sein, daß die Macht, die notwendig war, um einen Bürgerkrieg durchzustehen, nachträglich noch zusammenzutrommeln gewesen wäre und eine anschwellende Zahl von Arbeitern, Offizieren und Soldaten sich unter der Fahne und um den Kader der Beck/Goerdeler-Verschwörung gesammelt hätte, mag sein, daß also mit dem Übergang zum Bürgerkrieg die Sache der Verschwörung durchaus noch nicht entschieden und verloren gewesen wäre — keiner weiß es. Wohl aber wußten die Verschwörer, daß das deutsche Volk unter der Doppellast von Weltkrieg und Bürgerkrieg zusammenbrechen mußte. Der zusätzliche Ausbruch eines Bürgerkrieges hätte im Endeffekt, so oder so, mit einer nationalen Katastrophe geendet.

Aufstandsziel der Verschwörer war aber gerade die militärische und politische Rettung des deutschen Vaterlandes. Als Ursache zum Bürgerkrieg — so sahen die Putschisten voraus — würde ihr Aufstand seinen Sinn, seine Legitimation und auch seine Zugkraft für Volk und Wehrmacht verlieren.

Soweit aber brauchten die Warner, die das Schreckgespenst eines möglichen Bürgerkrieges beschworen, gar nicht einmal zu gehen. Unabhängig von seinem drohenden Ausgang war ein Bürgerkrieg an sich schon, als blutigerBruderkampf Deutscher gegen Deutsche, ein Übel, das manchen Verschwörer heftiger zurückschrecken ließ als der Gedanke an den Fortbestand des NS-Regimes. Wortführer ihrer vaterländischen Skrupel waren vor allem diejenigen Generale, die mit der Opposition sympathisierten, ihre aktive Mitwirkung jedoch mit dem Hinweis auf den drohenden Bürgerkrieg versagten Mehr oder minder teilten alle Verschwörer diese Skrupel. Die Akteure bezogen nur insofern eine anderen Standpunkt, als sie entweder aus höherer Notwendigkeit das Risiko eines Bürgerkrieges auf sich nehmen wollten oder aber glaubten, es sei möglich, den'Aufstand gegen das NS-Regime in einer Form zu bewerkstelligen, die die Gefahr eines Bürgerkrieges von vornherein ausschlösse.

Die patriotische Klausel, ein Aufstand gegen Hitler dürfe nur unter der Bedingung gewagt werden, daß kein Bürgerkrieg aus ihm erwachse, belastete und lähmte die Schwungkraft der Verschwörung bis zur Entschlußlosigkeit. Eine Methode ausfindig zu machen, die dieser Bedingung gerecht wurde, war ein Angelpunkt aller Aufstandspläne gewesen, die im Laufe der Jahre entworfen und wieder verworfen wurden. Das Verfahren der Putschisten am 20. Juli — Tötung Hitlers, kein Teilaufstand, der sich ausbreitet, sondern regional lückenlose, totale Erhebung — war die letzte, nicht aber die einzige bürgerkriegsfreie Lösung gewesen, die der Beck/Goerdeler-Verschwörung vorgeschwebt hatte.

Ganz zu Anfang, in den Sommermonaten des Jahres 1938, hatte sogar der Plan zur Debatte gestanden, Hitler als Staatsoberhaupt beizubehalten Vorübergehend setzten die Verschwörer ihre Hoffnung auf Göring Den evolutionär abgewandelten Weg zu gehen oder aber sich eine erdrückende Übermacht zu sichern und nationalsozialistische Potentaten und Mächtegruppen, die in einem Bürgerkrieg Gegenspieler der Beck/Goerdeler-Verschwörung sein würden, vorzeitig auf die eigene Seite zu zwingen, war das Motiv ihrer Spekulationen. Dabei opferten die Verschwörer einen Teil ihrer Ziele um der Durchführbarkeit willen. Sie schwächten ihre Ziele ab, um in der Methode stark zu sein.

Nachdem sich der Beschluß, gegen Hitler radikal vorzugehen und ihn zu verhaften oder zu töten, als unumgänglich erwiesen hatte, nachdem sich ferner hcrausgestcllt hatte, daß Göring seinem „Führer“ bedingungslos ergeben blieb, abgesehen davon, daß er innerhalb der NS-Hierarchie, seit 1941 etwa, im gleichen Maße an Einfluß verlor wie Himmler an Macht gewann, konzentrierten sich die Koalitionsbemühungen prominenter Verschwörer in immer tolleren und auch abwegigen Wendungen auf Himmler und die SS. Nach Hitlers Tod drohte Himmler mit seinen Streitkräften, der Gestapo (Geheime Staatspolizei), der Ordnungs-und der Kriminalpolizei, dem SD (Sicherheitsdienst), den Junkerschulen und den 17 Divisionen der Waffen-SS zum mächtigsten Gegenspieler der Beck/Goerdeler-Verschwörung zu werden. Marine und Luftwaffe, zu deren Offizierskorps konspirativ nur sehr dünne, kaum ins Gewicht fallende Verbindungen bestanden, hofften die Putschisten am Tage X durch vollendete Tatsachen auf die eigene Seite zwingen zu können. Das Heer betrachteten sie als ihre Domäne. Die Partei war unbewaffnet, die SA bedeutungslos. Ob Bürgerkrieg oder nicht, hing nach Meinung der Putschisten davon ab, wie sie mit dem Problem der SS fertig werden würden.

Theoretisch standen folgende Wege zur Diskussion: a) sich mit der SS zu verbünden, b) sie zu neutralisieren, c) sie zu überwältigen.

Mit verteilten Rollen wurden alle drei divergierenden Wege gleichzeitig, wenn auch nur halbwegs, von der Beck/Goerdeler-Verschwörung beschritten, teils tastend, teils energisch, und alle drei Wege führten in seltsamer Überschneidung zu dem Erfolg, daß am 20. Juli Himmler und die SS an den lawinenartigen Rückschlägen, die den Aufstand der Verschwörung im Keim erstickten, fast völlig unbeteiligt blieben. Die Initiative dieser Rückschläge war ausschließlich von Goebbels Hitler und den regimetreuen Gegenkräften im Heer ausgegangen.

Ad a)

Im Mai 1943 notierte Hassell: „Tatsächlich wird in der Verzweiflung über das „Rollen zum Abgrund" und das Versagen der Militärs bei den „Gutgesinnten“ immer häufiger die Möglichkeit erörtert, wenn alle Stricke reißen, sich der SS zum Sturz des Regimes zu bedienen, schon um das Instrument in der Hand zu haben und innere Unordnung zu veshindem. Nachher will man dann natürlich auch die SS ausschalten

Ein vertraulicherZugang zu Himmler und einegemeinsame Interessen-basis mit der SS waren die Voraussetzungen für eine derartige Koalition mit der Leibstandarte Hitlers.

Der Rechtsanwalt Karl Langbehn vermittelte dem ehemaligen preußischen Finanzminister Popitz mit dem „Reichsführer SS“ eine Unterredung. Sie kam am 26. August 1943 zustande. Himmler ließ durchblicken, daß er einer begrenzten Aktion gegen Hitler nicht ablehnend gegenüberstände

Diese Reaktion Himmlers war sensationell, aber nicht unerklärlich. Seine persönliche Rivalität zu Bormann und Göring sowie der allgemeine Antagonismus zwischen Partei und SS waren den Verschwörern bekannt denn als ehemalige oder amtierende Spitzenfunktionäre des „Dritten Reiches“ besaßen sie intime Einblicke in das interne Spannungsseid der NS-Hierarchie.

Der entscheidende Anknüpfungspunkt aber war das relative Einverständnis mit Himmler in der sachlichen Beurteilung der außenpolitischen und militärstrategischen Gesamtlage Deutschlands im 4. Kriegsjahr. Den Verschwörern waren die Friedensfühler bekannt, die Himmler, natürlich ohne und gegen den Willen Hitlers, auszustrecken versuchte Sein zwiespältiger Kurs entsprach verbreiteten Tendenzen im höheren SS-Führerkorps, dessen kalte Intelligenz kritischere Urteile über die deutsche Kriegslage fällte, als das mehr emotional-fanatisch reagierende Führer-korps der Partei. „Da sie (die SS) über den Kriegsausgang nach wie vor real, das heißt sehr skeptisch denkt, folgert sie daraus die Notwendigkeit zu überlegen, wie ein Ausweg zu finden sei.“ (Hassell) Rommel fand 1944 dieses Urteil Hassells lokal bestätigt. Von den Führern der Waffen-SS, die an der Westfront kämpften, erwartete er keine Schwierigkeiten, falls die Oberbefehlshaber der Frankreicharmee Hitler den Gehorsam aufkündigen würden. Das entnahm er rückhaltlos offenen Aussprachen mit den ihm unterstellten SS-Generalen Sepp Dietrich und Hausser -Die gelegentliche Klammer der Waffenbrüderschaft, die Heer und Waffen-SS gegen die Nicht-Soldaten, die „Braunen“ der Partei verband, brach an dem Punkt ab, wo es sich für die Verschwörung darum handelte, durch eine eventuelle Partnerschaft mit der Person Himmlers die unteilbare SS, also auch den SD und die Gestapo, zu akzeptieren. Beide Exekutivorgane verkörperten den unmenschlichen und terroristischen Geist der NS-Herrschaft. Gegen ein Zusammenwirken mit dieser Institutionen empörte sich der liberale und humanitäre Geist der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Er ließ sich auch durch noch so bestehende Zweckmäßigkeitserwägungen nicht beschwichtigen. Soweit sich die Motive und Ziele der Beck/Goerdeler-Verschwörung über die rein realpolitische und fachlich-militärische Ebene erhoben, sich also gegen die nationalsozialistische Staatsidee und Staatsmoral an sich richteten, trennte sie Welten von derSS.

Deshalb stieß der von Popitz und Langbehn betriebene Plan, Himmler in das Komplott mit einzubeziehen, um den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, auf geteilte Meinung der Mitverschwörer Ihre Bedenken versteiften sich schließlich zur energischen Ablehnung. Hinzu war die Sorge getreten, in eine Falle zu geraten oder sich einer Fiktion hinzugeben.

Der als selbstverständlich unterstellte Vorsatz, sich in einem zweiten Waffengang Himmlers zu entledigen und die SS auszuschalten, hatte die Methode, die Popitz vorschlug, zwar legitimiert, verlegte sie jedoch vollends in das Reich freischwebender Konstruktionen.

Ad b)

Realisierbarer und auch moralisch vertretbarer als der Versuch, mit der SS gemeinsame Sache zu machen, erschien den Verschwörern die Absicht, durch Konspiration mit SS-Führern Verwirrung in der gegnerischen Hochburg zu stiften, Himmler also durch Hinweise auf seinen angeblichen Rückhalt bei der Generalität des Heeres zum aggressiven Widerstand gegen die Partei zu ermutigen und ihn dadurch als Gegenspieler der Beck/Goerdeler-Verschwörung gleichsam zu neutralisieren.

Dieser Effekt scheint, zum Teil wenigstens, wirklich aus dem Langbehn-Himmler-Kontakt herausgesprungen zu sein. Anzeichen sprechen dafür, daß Himmler die geräuschvollen Umtriebe der Beck-Goerdeler-Verschwörung seit 1943 tolerierte -Der Aufstand selbst am 20. Juli traf die Gestapo in Berlin „technisch auffälligerweise“ ganz unvorbereitet. Sie blieb zunächst auch tatenlos „Es scheint aber ziemEdi sicher zu sein“, meint Hagen, „daß die beiden (Himmler und Müller) am 20. Juli zunächst abwarten wollten, wie sich die Dinge weiter entwickeln würden. Himmler hatte ja das Versprechen Langbehns, daß er nach einer Absetzung Hitlers Stabschef werden sollte“ Trotz ihres räumlichen Vorsprungs und ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit den in und um Berlin stationierten Heereseinheiten gegenüber traten die im Weichbild Berlins kasernierten SS-Truppen erst in Aktion, als der Putsch durch frühzeitiger angerückte Heereseinheiten bereits liquidiert worden war Nach Mitternacht erst besetzten sie die Bendlerstraße, um dann allerdings mit Hochdruck die Welle der Verhaftungen, Verhöre und Folterungen, die über die Verschwörung hereinbrach, einzuleiten

Ad c)

Aber noch in einer dritten Modifizierung spielte die „HimmlerLösung“ in die Vorgänge des „ 20. Juli“ hinein.

„Es könnten zwei Stadien in der Beseitigung (Hitlers) gegeben sein“, hatte Schönfeld 1942 Bishop Bell gegenüber angekündigt, „ 1. eine Revolte innerhalb der Nazi-Partei, in welcher Himmler und die SS ermutigt würden, Hitler zu vernichten, 2. die Mobilisierung durch die Opposition aller anderen Streitkräfte in der Armee und in der Nation gegen Himmler und die SS, die am bittersten gehaßt werden“

Diese Entwicklung wurde zum fiktiven Ausgangspunkt des wichtigsten, von Stauffenberg und Tresckow im Sommer 1943 entworfenen Putschplanes Er lag dem Aufstand des „ 20. Juli“ zu Grunde und ging, „in Walküre-Befehle“ umgemünzt, von der Behauptung aus, die SS habe einen Putschversuch unternommen Diese Behauptung, zusammen mit der Alarmnachricht, Hitler sei tot, sollte die Auslösung des Walküre-Alarms begründen. Unter dem Deckwort „Walküre" lag bei allen Kommandeuren in Berlin und allen Wehrkreisbefehlshabern des Heimatkriegsgebiets ein versiegelter Befehl, der von Fromm, dem Ober-befehlshaber des Ersatzheeres, unterzeichnet, Anweisungen für den Eventualfall „Innere Unruhen“ enthielt (I. a. Besetzung aller öffentlichen Gebäude, Übertragung der vollziehenden Gewalt auf die militärischen Befehlshaber.)

Mit ihrer Fiktion eines SS-Putsches konstruierten die Verschwörer einen latenten Bürgerkrieg, um den akuten zu verhindern. Innere Unruhen sind ausgebrochen, wir, d. h. das Ersatzheer, gehen gegen die LInruhestifter vor und stellen die reguläre, legale Ordnung wieder her. Mit dieser Devise wollten die Verschwörer, zumindest in Berlin, ihre Einzelbefehle zum Angriff auf die SS motivieren. Sie hätten damit auch den lähmenden Makel, Anstifter eines möglichen Bürgerkrieges zu sein, von vornherein auf die SS abgewälzt.

Diese Patentlösung war alles andere als lauter und korrekt. Den Moralisten und Utopisten Goerdeler übergingen die rigorosen Praktiker Stauffenberg und Treskow. Sie waren damals entschlossen, der skrupellos agierenden SS mit ihren eigenen Waffen zu begegnen. Denn die Analogie zur Methode, die Himmler und Göring anwandten, als sie 1934 Schleicher, v. Bredow, Edgar Jung u. a. unter der fragwürdigen Parole verhaften und erschießen ließen, sie hätten gemeinsam mit Röhm und der SA-Führung einen Putschversuch gegen Hitler unternommen, drängt sich auf.

Stauffenberg selbst scheinen nachträglich Bedenken gekommen zu sein. Beides, moralpolitische Einwände und die Sorge, die unwahrscheinlich klingende Parole eines SS-Putsches würde den eigenen Aufstand auf allzu tönerne Füße stellen, sowie der feste Plan, das Attentat auch auf Himmler auszudehnen mögen ihn bewogen haben, die Ausgangs-parole vom „SS-Putsch“ später weitgehend wieder fallen zu lassen und die von ihm selbst, Tresckow und Örtzen 1943 verfaßten Befehle nachträglich abzuändern. „Stauffenberg legte Wert darauf, daß in jedem Einzelbefehl Zug und Zug ein neuer Geist spürbar werde, nicht des Hasses und der Rache, sondern des Abstandnehmens, bewußt vollzogener Reinigung und des neugeheiligten Rechtes. Er machte es sich bei allen von ihm ausgehenden, teils neuentworfenen, teils neugefaßten Texten zur Richtschnur, alles schwierig zu Erklärende wegzulassen, bevor die Erhebung gelungen sei, im Gesagten sich aber so auszudrücken, daß nichts Unrichtiges behauptet und jeder Versuch vermieden wurde, über die eigene Gesinnung zu täuschen.

Täuschung und „unrichtige Behauptung“ — das läßt sich nicht idealisieren, — blieb die auch von Stauffenberg aufrechterhaltene und am 20. Juli verbreitete Präambel des ersten großen Putschbefehls, in der behauptete wurde, innere Unruhen seien ausgebrochen, Hitler sei tot, Parteiführer, frontfremde . und gewissenlose, hätten unter Ausnutzung dieser Lage versucht, der Front in den Rücken zu fallen und die Macht an sich zu reißen.

In der Bedingtheit und bewußten Unklarheit dieser halben Lüge dokumentierte sich noch einmal der alte Zwiespalt zwischen Taktik und Moral, den die Verschwörer wohl im Vorsatz und in der Theorie, nicht aber in der Praxis ihrer Methoden zu überwinden vermochten.

Ob die ganze, präzise Lüge erfolgreicher gewesen wäre? In Paris bewährte sie sich. Dort war die Fiktion des SS-Putsches Ausgangs-parole für die reibungslose Verhaftung der gesamten Pariser SS-Verbände (etwa 1200 Mann).

Wie sich die Putschisten im einzelnen die schlagartige und totale Überwältigung der SS vorgestellt haben, geht ziemlich klar aus den überlieferten Aktionsbefehlen des „ 20.

Juli“ hervor. „Die gesamte Waffen-SS ist mit sofortiger Wirkung in das Heer eingegliedert“, und weiter „Die Inhaber der vollziehenden Gewalt haben insbesonders zu sorgen für a) die Sicherung der Nachrichtenanlagen, b) die Ausschaltung des SD.

Jeder Widerstand gegen die vollziehende Gewalt ist rücksichtslos zu brechen.“ Und in einem weiteren Befehl heißt es unter ,, d) Waffen-SS: Bestehen Zweifel am Gehorsam von Führern der Verbände der Waffen-SS oder der Standortältesten der Waffen-SS oder erscheinen sie ungeeignet, sind sie in Schutzhaft zu nehmen und durch Offiziere des Heeres zu ersetzen. Verbände der Waffen-SS deren uneingeschränkte Unterordnung zweifelhaft ist, sind rücksichtslos zu entwaffnen. Dabei energisches Zugreifen mit überlegenen Kräften, damit stärkeres Blutvergießen vermieden wird. Die frühzeitige Bereitschaft zum Schießbefehl an Deutsche gegen Deutsche (ein auf 5 Minuten befristetes Ultimatum sollte den SS-Kommandeuren gestellt werden) war nach Auffassung der Verschwörer — und die Vorgänge am 20. Juli in Paris bestätigten das — die einzig gangbare Methode, um zu verhindern, daß aus dem Putsch ein Bürgerkrieg werde.

Er habe das deutsche Volk vor einem Bürgerkrieg bewahrt, erklärte Major Remer der als Nationalsozialist maßgeblich dazu beitrug, daß der Putsch in Berlin zum Erliegen kam. In der Tat sind die Verschwörer am Spätnachmittag des 20. Juli doch noch gewillt gewesen, die Gewißheit eines Bürgerkrieges auf sich zu nehmen. Obwohl die beiden Voraussetzungen, die einen Bürgerkrieg verhindern sollten, Tod Hitlers und totale Erhebung im ganzen Reich, entfallen waren, entschied Beck, den Aufstandsversuch fortzusetzen. Er wollte es nunmehr auf eine „Kraftprobe“ ankommen lassen. „Das ist unsere Aufgabe für das deutsche Volk in der heutigen Lage“, begründete er seine Entscheidung Höppner gegenüber.

Auch in Paris bestürmten Stülpnagel und Hofacker den Oberbefehlshaber v. Kluge, durch einen geglückten Teilaufwand im Westen zu retten, was noch zu retten sei. Kluge weigerte sich, diesen chaotischen Weg zu gehen. Für ihn war der Bürgerkrieg das größere Übel, für die Akteure war es der hemmungslose Fortbestand des NS-Regimes. Ohnehin gab es für sie kein Zurück mehr. So kam es denn, daß sie als Getriebene, kurz bevor der Ausgang des „ 20. Juli“ ihren endgültigen Zusammenbruch besiegelte, doch noch in Richtung auf den Bürgerkrieg die ersten Schritte eines Weges gingen, den sie eigentlich nicht hatten gehen wollen. 5. „Levee en mässe.“

Das Gefühl der Vereinsamung und Vereinzelung, das die Putschisten am Abend des „ 20. Juli“ überkommen haben mag, traf sie unerwartet. Stets hatte sich die Beck/Goerdeler-Verschwörung von einer breiten, heimlichen Volksbewegung des Widerstandes getragen und ermutigt geglaubt.

Dennoch trat diese Volksbewegung, diese anonyme Stimme aller Deutschen, die 1944 den Sturz des NS-Regimes herbeisehnten, am „ 20. Juli“ überhaupt nicht in Erscheinung. Der Aufstand dieses Tages war das perfekte Gegenteil einer Massenerhebung, — und er war es mit voller Absicht der Akteure. Sie hatten einem „leve en mässe“ geradezu entgegengewirkt. Die Konzentrationslager zum Beispiel sollten besetzt, aber nicht geöffnet werden. „Den politischen Häftlingen ist zu eröffnen, daß sie sich bis zu ihrer Entlassung aller Kundgebungen und Einzelaktionen zu enthalten haben“, heißt es in einem Aktionsbefehl der Putschisten. Die Erhebung sollte unter Ausschluß der Öffentlichkeit abrollen, blitzschnell, beinah lautlos, mit einem Minimum an Aufsehen. Es waren keine Rundfunkappelle vorgesehen, die das deutsche Volk aufforderten, sich gegen das Regime zu empören. Ihr erstes Wort über den Rundfunk wollten die Verschwörer nicht als Aufrührer und Agitatoren sprechen, sondern im Namen einer bereits konstituierten neuen Regierungsgewalt. Nicht einmal die illegalen Arbeiter — und Gewerkschaftsorganisationen, deren Führer der Beck/Goerdeler-Verschwörung angehörten und mit ihr in konspirativer Verbindung standen, waren aufgeboten worden. Aufstandswillige Soldaten der Truppe erfuhren am 20. Juli ebensowenig wie die Zivilbevölkerung, daß eine exklusive Gruppe verschworener Offiziere im Begriff stand, das NS-Regime zu stürzen. Alle Putschbefehle liefen unter dem Mantel einer „geheimen Kommandosache.“ (G. Kdos.)

Diese überraschende Beschränkung auf einen reinen Militärputsch der Offiziere hatte nicht von Anfang an festgestanden.

Getrieben von der Sorge, ein reiner Militärputsch der als „rechts" und „konservativ“ verschrieenen Generalität werde die Arbeiterschaft übergehen und statt der leidenschaftlich ersehnten radikalen Änderung nur eine Wachablösung innerhalb der Rechten zur Folge haben, hatten die Führer der illegalen Sozialdemokratie (Leber, Mierendorff) sich und ihre Anhängerschaft darauf vorbereitet, am „Tage X“ in breiter Front mit auf dem Plan zu erscheinen. Zusammen mit illegalen Gewerkschaftsführern, (Leuschner, Kaiser, Letterhaus) bildeten sie den linken Flügel der Beck/Goerdeler-Verschwörung. Ihre Bestrebungen waren von den Militärs hoffnungsvoll begrüßt worden, nicht nur von denen, die wie Hammerstein und Stauffenberg betont sozialistisch eingestellt waren, sondern auch von den bürgerlich-monarchistisch gesinnten oder parteipolitisch farblosen Offizieren. Sie alle hatten das warnende Beispiel des Kapp-Putsches vor Augen. Ohne Plebiszit der Arbeiterschaft wollten sie nicht handeln, zumal sie sich keinerlei Selbsttäuschung darüber hingaben, daß das NS-Regime mehr war als nur die raffinierte Terrororganisation einer Minorität. Es war in der Volksmeinung verwurzelt. Diesem Doppelcharakter des NS-Regimes war am sichersten zu parieren durch eine doppelgleisige Stoßrichtung des Aufstandes, durch einen Staatsstreich also, der, mit einem „leve en mässe“ koordiniert, dem NS-Regime mit der mechanischen zugleich auch die psychologisch-demagogische Macht entreißen würde.

In den Jahren 1942/43 etwa scheinen die Anstrengungen der Verschwörer, ein „leve en mässe“ vorzubereiten, ihre größte Intensität erreicht zu haben. Jedoch nahmen diese Vorbereitungen — auch aus Sicherheitsgründen — niemals den Charakter agitatorischer Werbearbeit an. Die Verschwörung verbreiterte sich zwar. Aus Hunderten wurden Tausende. Die Methode dieser Verbreiterung schnellte jedoch nie über den Rahmen der individuellen Konspiration hinaus. „Die Nationalsozialisten hatten das Prinzip der Quantität an Stelle des der Qualität gesetzt in ihrer rage du nombre, die soweit ging, daß sie . .. eine erreichte hohe Zahl als nationalsozialistische Großtat nahmen“, heißt es in einem Rückblick Pecheis. Triumphierend fährt er fort: „Wir blieben beim Prinzip der Qualität. Denn eine spätere Massenbewegung konnte nur erfolgreich entfesselt werden, wenn eine zuverlässige Kerntruppe vorhanden war“ 279).

Fraglos war es auch den Verschwörern, die ein „leve en mässe" erhofften und betrieben, zunächst einmal um nichts anderes gegangen als um den Triumph der großen Zahl, um den Machtfaktor einer „Massenbasis", um die Demonstration der momentanen und lokalen Majorität, um den Beistand der hunderttausend Hände, Schritte und Kehlen im Kampf gegen den natioalsozialistischen Koloß.

Auffallend ist jedoch die Systematik, mit der die Beck/Goerdeler-Verschwörung bestrebt war, diesem möglichen Massenaufgebot gegenüber eine klar profilierte Führerstellung zu behaupten. Nichts deutet darauf hin, daß sie sich darauf eingestellt hatte, mit dem Anstoß zum „leve en mässe“ die eigene Aufgabe als erfüllt zu betrachten, in den anonymen, nivellierenden Strom einer Massenerhebung einzutauchen und sich mit ihm zu identifizieren. Stets stellte sich die Beck/Goerdeler-Verschwörung darauf ein, als zügelführende Elite zu agieren.

Lim den geplanten Staatsstreich mit einem „leve en mässe“ zu verbinden, hatte es drei verschiedene Möglichkeiten gegeben, die von den Verschwörern diskutiert, sondiert und schließlich alle wieder verworfen worden waren.

1) Ein „leve en mässe“, getragen von der illegal organisierten Arbeiterschaft, leitete den Aufstand ein. Die Militärfronde schließt sich an, oder — 2) Die Militärfronde macht den Anfang und öffnet der Flutwelle einer Revolution von unten die Schleusen, oder — 3) Arbeiterschaft und Armee agieren gleichzeitig. Der Tag X wird zum Stichtag des totalen Aufstandes.

„Wir müssen ohne die Massen handeln und die Initiative den Generälen überlassen", „Wir werden die Massen nicht auf die Straße bringen“ war 1942 ein nüchternes Ergebnis systematischen Herumhörens. Das Stimmungsbarometer in der Bevölkerung blieb weit unter dem roten Strich. Die Zivilbevölkerung, und mit ihr die regime-feindlichen Kreise der Arbeiterschaft, waren eingeschüchtert, kriegs-und revolutionsmüde, übernächtigt und apathisch. Den Unermüdlichen hatten permanente Verhaftungs-und Prozeßwellen immer wieder das Rückgrat gebrochen. Selbst in Österreich und in den katholischen Gegenden West-und Südwestdeutschlands, wo Groll und heimliche Empörung gegen das NS-Regime geschlossene Bevölkerungskreise ergriff, fehlte der entscheidende Impuls, der die Putschisten zu der Hoffnung berechtigt hätte, Aufrufe würden die Bevölkerung auf die Straße, hinter die Transparente und auf die Barrikaden bringen. Diese nur allzu berechtigte Zurückhaltung der regimefeindlichen „Massen“, die nur zu gut wußten, daß ein lokaler Zivilaufstand gegen eine intakte Diktatur selbstmörderisch und wenn überhaupt, dann nur über ein „ungeheures Blutbad“ möglich war, setzte dem Aktions-und Organisationswillen der illegalen Arbeiter-und Gewerkschaftsführer bescheidene Grenzen. Ihr Netz von Vertrauensmännern und Kurierverbindungen erfaßte lediglich den Kader einer Gesinnungsgemeinschaft. Der Versuch dieses Kaders, sich zur Avantgarde einer gewaltsamen Massenerhebung auszubilden, blieb Ansatz und Hoffnung, blieb Kühnheit in der Theorie. Praktisch erschöpfte sich seine Wirksamkeit im systematischen Verbreitern von „Informationen und Ermunterungen“, um „tausenden von Arbeitern ... die Hoffnung zu stärken, daß „der Tag“ kommen würde.

Dieser „Tag X“ würde, — damit müßten sich die illegalen Arbeiter-führer abfinden, — das alleinige Werk einer Militärverschwörung sein. Spruchreif aber blieb der Plan, am zweiten oder dritten Tag danach, wenn der erste Würfel gefallen und die Spitze des Regimes gestürzt sein würde, die regimefeindliche Arbeiterschaft zum „leve en mässe“ aufzurufen.

Auch diese Form einer Massenerhebung als zweite Welle blieb — wie gesagt — am 20. Juli unausgeführt; nicht nur, weil der Staatsstreich bereits im Anfangsstadium steckengeblieben war, sondern auch, weil ein „leve en mässe“ den offenbar neu gefaßten Dispositionen der militärischen Akteure widersprach. Das hatte technische und politische Gründe. a) Die Putschisten hatten darauf verzichtet, den (massen) psychologisch richtigen Moment abzuwarten; sie handelten ohne Rücksicht auf den Termin des „populären Augenblicks“. Des spontanen Echos im Volk waren sie sich nicht sicher. Lieber gar keinen, als einen kläglichen Beweis der öffentlichen Zustimmung und des eruptiven Beifalls „von unten“, mögen sie gedacht haben, als sie sich am 20. Juli entschlossen, keine Revolution, sondern einen ausgesprochenen Putsch in Szene zu setzen. b) Mitgespielt hat ferner das Fehlen einer populären Persönlichkeit. Es fehlte der Verschwörung ein „Volksführer“, dessen „Name als Erlösung und Programm" wirken würde. Strölin meint, wohl zu recht, daß Rommel fähig gewesen wäre, „die Massen mitzureißen“. „Sie sind jung, Sie kennt und liebt das Volk, Sie müssen es machen“, hatte Rundstedt einmal zu Rommel gesagt. Dessen schwere Verwundung, kurz vor dem 20. Juli, machte die großen Hoffnungen, die seine Mitverschwörer auf ihn gesetzt hatten, jäh zunichte. „Die große Partie spielt zwischen dem plebiszitären Demos und den Resten der Aristokratie“, faßte Jünger 278) im Vormonat des „ 20. Juli“ seinen Eindruck über das Wesen der Verschwörung zusammen. Diesen Eindruck widerlegte die Mitwirkung Julius Lebers. Er war das stärkste und einflußreichste revolutionäre Temperament der illegalen Sozialdemokratie. Freisler nannte ihn den „Lenin der deutschen Arbeiterbewegung“. Leber war am 4. Juli 1944 von der Gestapo verhaftet worden. Mit ihm, der in enger Korrespondenz zu Stauffenberg agierte, verlor die Beck/Goerdeler-Verschwörung den Mann, der wohl am ehesten, vielleicht sogar als einziger, fähig und bereit gewesen wäre, am 20. Juli als Trommler eines „leve en mässe“ der Arbeiterschaft aufzutreten.

Temperament und Begabung Leuschners lagen mehr auf organisatorischem als agitatorischem Gebiet. Er stand Goerdeler nahe und hatte sich bereits auf den sehr repräsentativen, konstitutionellen Weg der Regierungsbildung festgelegt. Demnach sollten die Arbeiter-und Gewerkschaftsführer der Beck/Goerdeler-Verschwörung nach dem Tode Hitlers nicht als Agitatoren, sondern als Delegierte, nicht als Revolutionsführer, sondern als Minister eines Koalitionskabinetts vor die „Massen“ hintreten und mitregieren, beifallsheischend oder auch autoritär, je nachdem, wie es der Zwang des Ausnahmezustandes erfordern würde.

c) Entscheidender noch als der Ausfall Lebers und Rommels mag die taktische Einsicht gewesen sein, daß ein Militärputsch seine eigenen Ablausgesetze habe, die eingchalten werden müssen, wenn der Aufstand „funktionieren“ soll. Ein Militärputsch, der in unorganisierbare Bahnen einmündet, liquidiert sich selbst. Nicht in einem Massenaufstand sollte am 20. Juli der Militärputsch einmünden, sondern in eine interrimistische Militärdiktatur, die über Gerechte und Lingerechte regieren und ein heilloses Durcheinander verhindern würde; denn 4) — jedem Massenaufstand, auch dem anfänglich gesteuerten, droht der Auslauf ins Chaos. Er entfesselt mit den guten auch alle bösen Geister, den Mob und seine Begleiterscheinungen, die Lynchjustiz und die Zerstörung um der Zerstörung willen.

Für den ersten, rein destruktiven Teil des Aufstandes, für den „Sturz“ des NS-Regimes und die Zerschlagung seines Machtapparates also, mochte ein Massenaufstand die radikalste und sicherste Waffe sein, die sich denken ließ. Im zweiten Akt aber, der nur noch das „Ausfegen“ besorgen, im übrigen aber unter dem Zeichen des Ordnung-Schaffens stehen sollte, drohte ein Massenaufstand eher fehl als nützlich am Platz zu sein; umso mehr, als die Beck/Goerdeler-Verschwörung geradezu besessen war von der Idee des geordneten, konstruktiven Aufstands. Das negative, aber entscheidungsvolle zerstörerische Werk, das der geplanten Neuordnung vorauszugehen hatte, wurde von ihr widerwillig, fast flüchtig angepackt; auch am „ 20. Juli“. Die Methode dieses Aufstandes diktierte der Vorbehalt, den Machtapparat des Regimes nicht zu zerschlagen, sondern möglichst intakt in die Hand zu bekommen. Daß die Militärs dabei vor allem an das Machtinstrument der Armee, einschließlich der Waffen-SS dachten, lag nahe.

5) Sie mögen befürchtet haben, daß mit einem „leve en mässe“ und seinen unkontrollierbaren Abläufen und Folgen chaotische Zustände auch auf die Truppe übergreifen würden. Eine desorganisierte deutsche Armee war für die Sozialdemokraten der Beck/Goerdeler-Verschwörung kein Schreckgespenst, sie wollten keinen „Kerenskikrieg", ihr Aufstandsziel war die „Liquidierung des Krieges“ auch um den Preis der militärischen Katastrophe. Die Militärverschwörer hingegen hofften am 20. Juli, diese Katastrophe durch eine „gesteuerte Niederlage“ abmildern zu können. Die Ostfront sollte gehalten werden. Kein Bürgerkrieg im Rücken der Front, keine Selbstauslösung der Armee, das war am 20. Juli wohl das ausschlaggebende Argument der Militärs gegen den’ ohnehin zweifelhaften Versuch zum „leve en mässe“ gewesen. 6. Der Militärputsch.

Im Akt des Staatsstreiches ging es für die Verschwörer vor allem darum, bewaffnete Machtfaktoren ins politische Feld führen zu können, und nur das Militär besaß neben der SS-Polizeimacht eine bewaffnete Machtposition im Dritten Reich. So hatten denn die Zivilisten der Verschwörung jahrelang wie gebannt auf den militärischen Flügel der Fronde geblickt und ihre ganze Überredungskunst angewandt, um ihre militanten Mitverschwörer zum Losschlagen zu bewegen. Sie hatten zugleich aber auch darüber gewacht — manchmal geradezu eifersüchtig — daß „die Militärs“ des Staatsstreiches nur „Exekutive“ der Verschwörung, nur „Instrument“ des Staatsstreiches blieben. Die militärische Fronde „sollte kein politisches Eigenleben gewinnen“

Diese Sorge hatte auch bei der eingeführten Arbeitsteilung Pate gestanden, bei der Trennung der Kompetenzen in einen „politischen" und in einen „militärisch-technischen“ Sektor des Aufstandes. Mit dieser Arbeitsteilung waren die verschworenen „Militärs“ zunächst durchaus einverstanden gewesen. „Ich habe gleich gesagt, ich verstehe von der ganzen Politik und den inneren zivilistischen Belangen nichts“, bekannte Witzleben 303) vor dem Volksgerichtshof. Wenn auch die politische Ratlosigkeit des Militärs nicht soweit ging, wie diese apologetische Übertreibung Witzlebens, — denn bereits mit dem Entschluß zum Aufstand gegen die herrschende Staatsgewalt hatte ja jeder verschworene General einen autonomen, eminent politischen Standpunkt bezogen, — so waren die beteiligten Militärs doch selbstkritisch und antidillettantisch genug eingestellt, um bereitwillig alle Aufgabenkreise eines ihnen berufsfremden Terrains an die Zivilisten der Verschwörung abzutreten. Sie waren erleichtert gewesen, mit dieser Arbeitsteilung auch die Bürde der Verantwortung teilen zu können. Zudem wirkte die traditionelle Reserve noch nach, die sich das Reichswehroffizierkorps unter Seeckt in allen innenpolitischen Streitfragen auferlegt hatte 304).

So hellhörig und aktiv Beck sich bereits als Generalstabschef allen Fragen gegenüber verhalten hatte, die die Außenpolitik des Reiches betrafen so zurückhaltend war und blieb auch er den innenpolitischen, zivilstaatlichen Belangen gegenüber. Die konkrete Setzung und Auseinandersetzung der innenpolitischen Programmpunkte des Aufstandes überließ er vor allem Goerdeler. Beck selbst verhielt sich interessiert, verantwortungsbewußt, aber rezeptiv

Er sei kein Politiker, hatte auch General Halder 193 8 erklärt und Schacht, damals noch Reichsminister, ersucht, Pläne für die innerpolitische Neuordnung nach gelungenem Sturz des NS-Regimes zu entwerfen. Die Beseitigung Hitlers sei ein negativer Akt, es müsse überlegt werden, was danach geschehen solle 307).

Diese Direktive Halders deutet zugleich an, in welchem Verhältnis der „politische“ und der „militärische“ Sektor des Aufstandes zueinander stehen sollten. Aufgabe der Militärs war der Gewaltakt des Regime-sturzes, Aufgabe der Zivilisten war die Neuordnung danach. Aus diesem Nacheinander wurde ein Miteinander beider Phasen, nachdem sich die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken zwischen den Zivilisten und den Militärs immer enger gestaltete. Die Verschwörer tendierten dahin. den Staatsstreich von vornherein mit zivilen Vorzeichen zu versehen. „ . hat die Reichsregierung . . . mir ... die vollziehende Gewalt übertragen“, heißt es in dem entscheidenden, von Witzleben unterzeichneten Befehl, der am 20. Juli den Staatsstreich einleitete Es war vorgesehen, für jeden Wehrkreiskommandeur einen „gleichgeordneten politischen Beauftragten“ zu bestellen

Viel offenkundiger als es im Torso gebliebenen Putsch vom 20. Juli zu Tage trat, lag allen Staatsstreichplänen der Beck/Goerdeler-Verschwörung das Bestreben zugrunde, Anlage und Verlauf des Militärputsches, „zivilistisch" abzuwandeln. Von vornherein wollten die Verschwörer dem Eindruck entgegentreten, als solle ein „Regime der Bajonette“ aufgerichtet werden. Die Zivilisten, vor allem auch die illegalen Arbeiter-führer der Verschwörung, sollten vom ersten Augenblick an mit auf dem Plan erscheinen. Ihre Assistenz sollte dem Belagerungszustand ein verbindliches, demokratisches Gewicht verleihen. Somit versuchten die Verschwörer, sich bereits im Stil und in der Methode des Staatsstreiches vom militanten und diktatorischen Charakter des NS-Regimes zu distanzieren

Dieser Absicht schienen empfindliche Grenzen gesetzt zu sein:

a) durch die notgedrungene Einsicht, daß „die Diktatur für den Revolutionär die einzige Möglichkeit (ist), die Verhältnisse zu stabilisieren und b) durch den verspäteten politischen Führungsanspruch, den Stauffenberg von militärischer Seite her anmeldete.

Ad a) Wohl der eifrigste Gegner einer militärdiktatorischen Phase nach dem Tage X, Goerdeler, der 1940 für eine Volksabstimmung als Sofortmaßnahme plädiert hatte forderte 4 Jahre später in einer seiner Denkschriften: „Das preußische Gesetz über die Verhängung des Belagerungszustandes, kraft dessen dann alle Gewalten auf den kommandierenden General übergehen, wird sofort für das ganze Reichsgebiet in Kraft gesetzt.“ — „Es bedarf keines Hinweises, daß die ersten Reform-schritte nur unter dem Belagerungszustand vor sich gehen können" Die „diktatorische" Phase sollte nach Goerdelers späteren Plänen sogar über die Zeit des Belagerungszustandes hinausgehen. Allerdings sollten die diktatorischen, zumindest aber autoritären Vollmachten nicht den Militärs, sondern der sofort zu konstituierenden Zivilregierung, einem Direktorium oder dem Kanzler — und dazu war Goerdeler selbst vorgesehen — in die Hand gegeben werden. Das Militär sollte „Executive“ und nur Executive sein. Immerhin hat Goerdeler selbst seinen ursprünglichen Plan, nach dem Sturz Hitlers die neue Ära sofort mit einem parlamentarisch-demokratischen Auftakt einzuleiten, wieder preisgeben müssen.

Eindringlich schildert Ritter die Überlegungen, die Goerdeler und seinen Kreis zu dieser Preisgabe bewogen: „Uns quälte die Sorge, daß nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ überhaupt keine öffentliche Autorität mehr Glauben finden, auf die tyrannische Überspannung autoritativer Staatsgewalt das totale Chaos folgen, das deutsche Volk sich in eine wirre Masse teils politischer, teils landschaftlicher, ja örtlicher Gruppen auflösen würde, die einander bis aufs Blut befehdeten, unter Mitwirkung von wüsten, bewaffneten Soldatenhaufen, die teils vom Heimatheer, der SS und der SA sich loslösten und übereinander herfielen“

Ad b) Die Besorgnis ziviler Kreise der Verschwörung, nach einem Sturz Hitlers könne die vorgesehene Militärdiktatur „unnötig verlängert und ungebührlich verschärft gehandhabt werden" oder sogar zu einer autoritären Militärregierung in Permanenz ausarten, erübrigte sich, so lange die Militärfronde auf einen innerpolitischen Eigenwillen verzichtete, und die politische Assistenz, ja Autorität der zivilen Mitverschwörer, namentlich Goerdelers, respektierten. Das schien jedoch anders zu werden, als die konzilianten, gemäßigten Kreise der Generalität, die zunächst den militärischen Flügel der Verschwörung anführten (Witzleben, Halder, Beck, Hammerstein), u. a. pensioniert oder resigniert in den Hintergrund traten und die radikalere Garde der Jüngeren Offiziere mittlerer Ränge, die Obersten und Oberstleutnante um Stauffenberg, die Initiative der Staatsstreichplanung ergriffen Stauffenberg und seine Freunde beanspruchten auch die politische Federführung Sie wollten nicht nur „Executive“, nicht nur Instrument des Staatsstreiches sein. Sowohl in personeller als auch in programmatischer Hinsicht entwickelten sie eigene Pläne, die mit denen Goerdelers rivalisierten. Stauffenberg dachte nicht daran, sich nur um die technische Seite des Staatsstreiches zu kümmern. Sein Kreis verfaßte selbst Proklamationen, Regierungsprogramme und führte „Koalitionsgespräche“. Es bahnte sich damit an. was Hassell bereits 1941 voraussah. „Die Entscheidung (über die neue Regierungsform) werde im übrigen nach der Lage des Augenblicks getroffen werden müssen, wobei der „Handelnde" ein gewichtiges Wort mitzureden haben würde“ Der Handelnde am 20. Juli war vor allem Stauffenberg, nicht nur als Attentäter, sondern auch als Initiator in Berlin 32°). Er und sein Kreis haben den Vortritt, der ihnen zukam, auch beansprucht. Welches Wort sie mitzureden hatten, ist ein Forschungsproblem und wird es wohl auch bleiben. Der von Gisevius apodiktisch geäußerte Verdacht, Stauffenberg habe militärische Denkkategorien auf zivilstaatliche Ordnungsfragen übertragen und einen „militanten Sozialismus" vertreten ist als Urteil gründlich umstritten, als Gesichtspunkt aber doch von erregender Bedeutung. Er zielt, im Sinne unseres Themas, auf die Frage ab, wieweit eine immanente Eigengesetzlichkeit den „Militärputsch“ zwangsläufig zur Militärregierung hintrieb, eine Methode also ihren ursprünglichen Zweck bis zur Verkehrung umzuprägen drohte. Diese Frage ist vom geschichtlichen Ablauf her nicht mehr zu beantworten, sie bezieht sich auf Zukunftstendenzen, und niemand vermag mit Sicherheit zu sagen, was geschehen wäre, wenn . . . Nur soviel ist erkennbar, daß der Staatsstreich am 20. Juli als ein reiner Militärputsch über die politische Bühne ging, und daß er im Gegensatz zu früheren Plänen seine Fortsetzung im Übergangsstadium einer reinen Militärdiktatur finden sollte 3). Am Tage des 20. Juli selbst traten die zivilen Kreise der Beck/Goerdeler-Verschwörung überhaupt nicht in Erscheinung Nicht einmal Goerdeler war „dabei“. Die Anlage des Staatsstreiches hatte er sich in anderer Form vorgestellt Fest steht ferner, daß sich Stauffenberg zur Idee eines ethischen Führerprinzips bekannte Jedoch verfocht er diese Idee weder als „Militarist“ noch als „nationalsozialistischer Trotzkist“. Soweit überhaupt eine erkennbare Quelle seiner politischen Vorstellungswelt nachweisbar ist, hatte sie ihren Ort im aristokratischen Gedanken-erbe des Stefan George. Außerdem waren die markantesten Figuren seines Kreises, die Grafen Schulenburg (Friedrich) und York von Warten-burg, von Trott zu Solz und der Bruder Berthold Graf Stauffenberg, keine „Militärs“. Sie waren Beamte oder Reserveoffiziere. Auch Stauffenberg sah, wie alle Offiziere der Beck/Goerdeler-Verschwörung das Libergangsstadium der Militärdiktatur als ein Übel an, das zwar unumgänglich sei, jedoch auf ein zeitliches Minimum beschränkt werden müsse.

Stauffenberg hat das zivile Element nicht als solches abgelehnt, sondern nur dessen Repräsentation durch Goerdeler. Sein Votum gab er dem befreundeten Sozialdemokraten Leber. Außerdem beugte er sich rückhaltlos der Autorität Becks. Die Qualität dieser Persönlichkeit war vom ersten bis zum letzten Tag eine souveräne Sicherung gegen alle denkbaren Tendenzen, aus dem geplanten Militärputsch ein permanentes Militärregiment zu entwickeln. Zudem mußten die Verschwörer damit rechnen, daß ihre Regierungszeit ohnehin nur von kurzfristiger Dauer sein, ja sich womöglich mit der Periode des Belagerungszustandes erschöpfen würde. „Es sei klar“, meinte Hassell im Dezember 1941, daß die Rolle einer neuen Regierung die undankbarste von der Welt, eine Rolle mitten in der Drecklinie, ja, eine Art Liquidatorrolle sein würde. Man müsse die Möglichkeit, daß man nur zum Ausfegen benutzt und dann, durch andere, ersetzt werde, oder daß man überhaupt scheitere, ins Auge fassen“

Am 20. Juli drohte die Beck/Goerdeler-Verschwörung kurz nach dem Sturz Hitlers durch ein alliiertes Besatzungsregiment abgelöst zu werden. Deshalb drehte sich zu dieser Zeit das Problem des Belagerungs-und Ausnahmezustandes nicht nur um die Frage, wie die nackten Ordnungsaufgaben des Augenblicks am praktischsten zu bewältigen seien; — In seiner Bedrängnis und in seiner tieferen Bedeutung drehte sich dieses Problem letzlich um die Frage der Verschwörer, ob und wie es ihnen noch in der kurzen Frist zwischen dem Sturz Hitlers und der Kapitulation Deutschlands gelingen könne, vor aller Welt demonstrativ zu bekunden, daß Sinn und Tiefgang ihres Staatsstreiches einer wirklichen „demokratischen“ Revolution gegolten habe, keiner bloßen Regimeänderung, sondern einem Systemwechsel, und daß der demokratische Charakter dieses „Systemwechsels" „ohne Schielen“ auf das Ausland 3, eigenem Wollen und Bedürfnis entsprang.

Das Problem der ausführenden Organe Am 20. Juli 1944 gegen 19 LIhr meldete sich Oberst Jäger bei General von Hase, dem Stadtkommandanten von Berlin, und erkundigte sich nach dem Stoßtrupp, mit dem er Goebbels verhaften sollte. Der Stoßtrupp war in der Stärke, wie Jäger ihn verlangte, zunächst nicht verfügbar. Oberst Jäger wartete. Er wartete vergebens

Um 22 LIhr teilte General Olbricht Offiziere seines Stabes als Haus-wache ein, um die Putschzentrale in der Bendlerstraße zu sichern. Es seien zu wenig Wachmannschaften da

Diese beiden Szenen demonstrieren eine Hauptschwäche der Putschisten, die ihren fast lautlosen Zusammenbruch in Berlin besiegelte. „Die Verschworenen verfügten über keine einzige Kompanie“ Eingeweihte Offiziere hoher und höchster Dienstgrade standen ausreichend zur Verfügung, aber keine Verfügungstruppe, die marschierte und schoß.

Die Paradoxie einer Militärverschwörung ohne „Militär“, ohne Waffen, Panzer und Soldaten löst sich auf bei Berücksichtigungen der näheren Umstände. 1. Von Anfang an war der Generalstab des Heeres Zentrum der Militärfronde gewesen. Auch am 20. Juli gehörte das Gros der verschworenen Militärs zum Korps der Generalstabs-und Vermittlungsoffiziere. Gerade die entschlossensten Akteure waren „truppenfremd“. Selbst Stauffenberg war, wie Treskow und Speidel, kein Truppenkommandeur. Er war Stabschef beim Oberbefehlshaber des Ersatzheeres. „Die Befehlsgewalt ist stets an die Person desVOberbefehlshabers gebunden, während die Stäbe, die ihm zur Seite stehen und von „Chefs“ geleitet werden, nur der Beratung, der Bearbeitung und auch der Weitergabe der Befehle dienen" (Halder) 2. Für die wenigen, wirklich aktiven Militärverschwörer, die eine direkte Kommandogewalt über reguläre Truppenverbände besaßen, war „schließlich ... zu bedenken, daß der deutsche Offizier mit seiner Truppe nicht einfach machen konnte, was er wollte“

Dennoch hatte die Beck/Goerdeler-Verschwörung, — wie am 20. Juli so auch bei allen früheren Putschplänen, die entworfen und verworfen wurden, — stets auf der Methode beharrt, den Staatsstreich mit den Mitteln der regulären militärischen Kommandogewalt durchzuführen.

Hierbei hatten sich die Putschisten zu keiner Zeit damit abgegeben, kleinere Formationen mobilisieren zu wollen Sie planten in großem Stil. Sie wollten Regimenter, Divisionen, ja ganze Armeen bewegen. Sie glaubten, in dieser Größenordnung denken und planen zu dürfen, weil sie sich von Anfang an auf Kreise der kommandierenden Generalität stützen konnten oder stützen zu können glaubten.

Dabei gingen die Putschisten von dem schematischen Gesichtspunkt aus, je höher die Dienststellung eines Generals, um so größer sei die Befugnis und um so umfangreicher die Machtentfaltung, die sein Befehl auslösen und zum Einsatz gegen das Regime bringen würde. Die angespro-dienen, der Verschwörung nahestehenden Oberbefehlshaber wiederum verwiesen auf die Ohnmacht und die Kehrseite ihrer hohen Position. Je höher die Dienststellung sei, um so größer sei die Entfernung vom Befehlskopf zum Befehlskörper, um so länger und zerreißbarer seien die Fäden des Dienstweges. Sie verwiesen auf die vielen, auch regimetreuen Zwischenträger, die die entscheidenden Befehle eines Oberbefehlshabers passieren mußten, bis sie bei der ausführenden Mannschaft, bei denen also, die schießen und marschieren sollten, anlangten. Diese dienstliche Entfernung vermochte nur ein Feldmarschall zu überbrücken, der wie Rommel das „Führercharisma" (besaß), die Gabe, die Truppe mit sich zu reißen, die verstandesmäßig nicht mehr erklärbare legendäre Wirkung des Soldatenführers auf die Truppe

Normalerweise jedoch erschöpfte sich die Funktion der militärischen Befehlshaber mehr im Dirigieren, als im Führen. Deshalb, und weil sich die Befehlshaber „der Offiziere vom Major abwärts“ nicht sicher waren scheiterte letzlich auch der Plan von 1939/40, mit Brauchitsch und Halder als „Befehlskopf“ das Heer gegen Hitler zu führen scheiterte 1942 der Plan, wonach der Oberbefehlshaber-West von Witzleben mit seinen in Frankreich stationierten Truppen nach Deutschland marschieren und die vollziehende Gewalt übernehmen sollte (Witzleben: „Bringen Sie mir eine einzige Division, die gehorcht, wenn ich den Befehl gebe, gegen Hitler zu marschieren. Dann schlage ich los“ und scheiterten schließlich auch 1943 die Bemühungen der Putschisten, unter dem Eindruck der Stalingrad-Katastrophe mehrere Oberbefehlshaber gleichzeitig zur gemeinsamen „hochverräterischen“ Befehlsgebung zu vereinigen

Am 20. Juli 1944 schließlich mußten sich die Putschisten sogar damit abfinden, ohne spontane Mitwirkung auch nur eines Oberbefehlshabers, ja gegen den ausdrücklichen Willen fast aller aktiven „Feldmarschälle“ zum Aufstand antreten zu müssen. Trotzdem hielten sie an ihrer Methode fest, auf dem Wege über die reguläre Befehlsgebung hoher und höchster militärischer Instanzen den Staatsstreich durchzuführen. Sie fanden sich mit dem erschwerenden Umstand ab, daß der Befehlsgebung die Usurpierung des Befehlskopfes vorausgehen müsse.

Die Usurpierung des Befehlskopfes Hierbei machten sich die Akteure die Schwäche der mechanisierten, unpersönlichen Form der Befehlsgebung einer modernen Heeresorganisation zu Nutze. Sie machten sich den Umstand zu Nutze, daß die ausführenden Organe eines Befehls „von oben“, den ein Oberbefehlshaber erteilte, normalerweise diesen Befehlshaber aus räumlichen oder organisatorischen Gründen dabei gar nicht zu Gesicht bekamen, sondern nur eine »papierne" Order, einen Fernspruch oder ein Fernschreiben. Olbricht und Stauffenberg waren Zwischenträger derartiger Befehle, die von Generaloberst Fromm, dem Oberbefehlshaber des Ersatzheeres, ausgingen. Sie griffen zu einer Patentlösung und gaben einen Befehl weiter (Walküre-befehl) den sie in dieser Form nie empfangen hatten. Sie verfaßten ihn eigenmächtig und fälschten die Unterschrift. Das war ihr Patent der „Revolution am Klappenschrank“. Es war die notgedrungen bürokratische Methode eines Aufstandes der Stabsoffiziere. Als der empörte Fromm sich am 20. Juli weigerte, den fälschlich in seinem Namen ausgelösten „Walküre-Alarm“ nachträglich gutzuheißen, wurde er von Stauffenberg und Olbricht nach kurzem Handgemenge verhaftet Diese Verhaftung war die einzige Szene, die auch äußerlich den Augenschein einer Meuterei bot. Alles Weitere verlief dem Anschein nach „regulär“.

Von den vielen Befehlswegen, die sich überlagerten und überschnitten, hatten sich die Putschisten am 20. Juli nur einiger Kanäle bemächtigen können. Sie mußten mit Gegenbefehlen benachbarter und übergeordneter Instanzen rechnen Diese Wahrscheinlichkeit parierten sie dadurch, daß der zweite und alle weiteren Befehle, die sie hinausschickten, von Witzleben als „Oberbefehlshaber der Wehrmacht“ unterzeichnet worden waren. Gegenbefehlen aus dem Führerhauptquartier hatten sie durch das Attentat vorbeugen wollen. Der Tod Hitlers sollte das OKW verwirren und lähmen. Außerdem sollte die Blockade der Nachrichtenzentrale das Führerhauptquartier funktionsunfähig machen. „Es ist etwas entsetzliches passiert, der Führer lebt’ Trotzdem, Alles blockieren!“ lautete am 20. Juli ein Befehl des mitverschworenen Generals der Nachrichtentruppe, Fellgiebel.

Auch rückläufigen Bewegungen und Widerständen „von unten“, die seitens der Befehlsempfänger zu erwarten waren, hatten die Putschisten vorzubeugen versucht. Ihre Taktik lief darauf hinaus, den Endzweck der gegebenen Befehle zu verschleiern und vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor der Bluff des usurpierten Befehlskopfes herauskommen würde. Grundsatz ihrer Taktik war die peinlich korrekte, nüchterne Einhaltung der vorschriftsmäßigen Befehlsform. Bis zu der Ebene, wo die Befehls-empfänger zur autonomen Stellungnahme für oder wider den Nationalsozialismus herausgefordert wurden, sollten die Inhalte der Befehle aus der Putschzentrale zunächst gar nicht erst vorstoßen. Die Befehlsempfänger sollten funktionieren, nicht denken. Aber „vielzuviele Offiziere hatten sich Gedanken gemacht, ehe sie handelten“ „Was wird hier eigentlich gespielt“ forschten am 20. Juli regime-treue Offiziere der Bendlerstraße, die in die Maschinerie des Aufstandes eingeschaltet worden waren, ohne es selbst zu wissen. Sie verlangten stürmisch nach Aufklärung.

Kommandeure außerhalb Berlins, die sich diese Aufklärung nicht persönlich verschaffen konnten, weil die Putschisten intensiven Rückfragen dadurch auswichen, daß sie nicht persönlich, sondern immer nur durch das mechanische Medium der Fernsprecher und Fernschreiber in Erscheinung traten, reagierten zunächst mit Passivität. Sie gehorchten nicht, sie widersetzten sich aber auch nicht, sie verhielten sich zögernd, um abzuwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln und klären würden Dadurch fand das Führerhauptquartier Zeit, die befehlsgeberische Gegenaktion einzuleiten, noch ehe der Staatsstreich sich richtig entfaltet hatte, geschweige denn vollendet war.

Während Stauffenberg mit seinem Adjutanten unablässig am Fern-sprecher saß, um den Aufstand in den Wehrkreisen vorwärts zu trei-ben führte vor allem Keitel vom Führerhauptquartier aus, — auch seinerseits mit Fernschreiben und Fernrufen, — einen pausenlosen Kampf um die alarmierten und irritierten Dienststellen an den Fronten und im Heimatheer zur nationalsozialistischen Ordnung zurückzuführen 351). Anstoß und primäre Ursache beider Rückschläge „von oben“ und „von unten“ war das Mißlingen des Attentats.

Der Tod Hitlers war die Spitze gewesen, an der die Putschisten ihr ganzes Aktionsprogramm aufgehängt hatten. Es fiel in sich zusammen, weil Hitler am Leben blieb. „Was folgte, (war) nur ein Zerrbild von dem, was sich sonst plan-und kräftegemäß hätte entfalten können“

Aus den Inhalten der Befehle, die die Putschisten am 20. Juli in alle vier Himmelsrichtungen hinausjagten, geht hervor, daß sie sich nicht damit begnügt hatten, wenige wichtige Schlüsselpositionen des Regimes erobern zu wollen, sondern daß sie in schlagartiger Breite und Verzweigung das gesamte Reichsgebiet materiell und autoritär in ihre Hand bringen wollten. Der Aufstand war — theoretisch — lückenlos. 193 8 hatten sich die Putschisten in ihren Aufstandsplänen fast ausschließlich auf die Reichshauptstadt konzentriert 0. 1944 wollten sie alle Großstädte, Industriezentren und Provinzstädte, alle Dienststellen des Front-und Heimatheeres, alle NS-Formationen und Parteifunktionäre sowie den gesamten zivilen Staatsapparat schlagartig unter ihre vollziehende Gewalt bringen. Sie gingen gleich „aufs Ganze“. Soweit wie das Nachrichten-netz reichte, über das sie verfügten, soweit erstreckte sich auch die Reichweite der Erhebung, die sie auslösten, und soweit, wie die reguläre Macht-vollkommenheit der Befehlsköpfe reichte, die sie innerhalb weniger Stunden bürokratisch usurpierten (Befehlshaber des Ersatzheeres, Reichs-regierung, Oberbefehlshaber der Wehrmacht), so weitreichend war auch der imaginäre Machtanspruch, den sie geltend machten. Dem Chaos, das jeden Aufstand wie den geplanten zu begleiten drohte, setzten sie von vornherein die Symmetrie eines bis ins Letzte durchkonstruierten Organisationsschemas entgegen. Sie verzichteten darauf, Verwirrung stiften zu wollen und sich mit dem Chaos zu verbünden, sie operierten nicht mit Eruptionen, mit politischen Leidenschaften, mit lauffeuerartigen Bewegungen, sondern mit dem Funktions-und Ordnungswillen des Offizierskorps und der Beamtenschaft. Historisch betrachtet war die Methode ihres Aufstandsversuchs von einer tragischen Originalität.

Die Idee der schlagartigen, reibungslosen und totalen Eroberung einer Staatsgewalt von der Machtfülle und Verankerung, wie das NS-Regime sie besaß, mag utopisch gewesen sein. Ihre Methode aber, mit der die Putschisten am 20. Juli dieses gigantische Ziel, das sie sich nun einmal gesetzt hatten, in Angriff nahmen, war unter den gegebenen Umständen kaum anders denkbar.

Die Beck/Goerdeler-Verschwörung hätte ihr Ziel herunterschrauben oder überhaupt verzichten müssen. Da sie das nicht tat, blieb ihr — bei den vorhandenen Bedingungen und Möglichkeiten — kein anderer Weg, als der, den sie am 20. Juli beschritt. „Daß eine Erhebung nach einem solchen Plan (sich auf dem vorhandenen Befehlsweg des Ersatzheeres zu bemächtigen und mit diesem Rückhalt für Front und Heimat zu handeln) zu verwirklichen war, haben die Vorgänge am 20. Juli nicht widerlegt; ob sie zu spät kam und ob sie ohne Zusammenbruch der Fronten, ohne Bürgerkrieg, gelingen konnte, ist vom geschichtlichen Verlauf her nicht zu entscheiden“

Eines aber läßt sich unzweifelhaft am geschichtlichen Verlauf ablesen, nämlich das Maß an innerer und äußerer Mühsal, das die Beck/Goerdeler-Versdiwörung aufgeboten hat, um im Spannungsfeld zwischen Taktik und Moral, zwischen Wollen und Vermögen, zwischen Schwierigkeit und Möglichkeit ihre politische Chance zu finden und zu nutzen. Der Rest war Fügung und Wagnis. Wie groß das Wagnis der Verschwörer gewesen ist, offenbarte das grausige Fiasko des „ 20. Juli“.

Die Verschwörer haben dieses Ergebnis vorausgeahnt. Von Zweifeln geschüttelt, immer wieder resignierend, allenfalls von „getrostem Pessimismus“ erfüllt, ahnten sie den praktischen Mißerfolg ihres Handelns — und handelten dennoch. Es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, motivierte Treskow ihren Verzweiflungsschritt, sondern darauf, daß wir vor Gott und der Welt den entscheidenden Wurf gewagt haben.

So wurde der Aufstand am 20. Juli 1944 zum Signal einer Protest-bewegung, die aus der bedrückenden Heimlichkeit ihrer Methoden heraustrat und damit wenigstens einen Sinn und eine Sehnsucht wohl jeder ethischen Widerstandsbewegung doch noch erfüllte, nämlich offen zu bekennen und erkannt zu werden in der Nötigung ihres politischen Anliegens.

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„Am ahten Jahrestag der Verschwörung." Dr. Otto A. W. John. S. 2.

„So geschah es in Berlin.“ Dr. Otto A. W. John. S. 3.

„Weder Reaktionäre noh Revolutionäre.“ Jakob Kaiser. S. 1.

„Zum Gedähtnis des 20. Juli.“ Dr. Hans Lukashek. S. 3.

„Katholishe Arbeitershaft im Widerstand.“ Dr. Hermann Joseph Schmitt. S. 5.

„Warum die „Weltlösung’ nicht verwirkliht wurde.“ Dr. Wilhelm Ritter von Schramm. S. 14.

„Rommels Schicksalsstunden." Generalleutnant a. D. Dr. Hans Speidel. „Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbreher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg 14. November — 1. Oktober 1946.“ 42 Bände. Nürnberg 1949, zit. IMT. „Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß" (der amtlihe Wortlaut der Entsheidung im Fall Nr. 11 des Nürnberger Militärtribunals gegen von Weizsäcker und andere, mit abweihender Urteilsbegründung und Berihtigungsbeshlüssen.) München 1950. „Verhandlung vor dem Volksgerihtshof des Großdeutschen Reihes gegen von Witz-leben und Genossen“ (am 7. und 8. August 1944 im Großen Plenarsaal des Kammergerihts Berlin). IMT. Dokument 3881 — PS Bd. XXXIII, S. 299— 531.

„Die Verfassung des Deutshen Reihes" (Textausgabe). Berlin 1919.

„Die Verschwörung des 20. Juli" — Tragishes Versagen. „Die Welt" 19. 7. 1947 (mit Beiträgen von L. von Hammerstein, Teuhert und A. Oster).

„Völkischer Beobachter.“ Berlin, 22. Juli 1944. dpa-Archiv.

„Der Zwanzigste Juli 1944 in Paris“. Interview mit Generalleutnant a. D. Hans von Boineburg. Frankfurter Rundschau, 20. 7. 1948. Welt-Archiv.

Abkürzungen im Text der Arbeit.

OB = Oberbefehlshaber (vom Armeeführer an aufwärts).

Ob. d. H. = Oberbefehlshaber des Heeres.

OKW = Oberkommando der Wehrmaht.

OKH = Oberkommando des Heeres.

i. G. = im Generalstab.

Kdr. = Kommandeur.

FHQ = Führerhauptquartier.

Gestapo = Geheime Staatspolizei.

Kripo = Kriminalpolizei.

RSHA = Reihssicherheitshauptamt (oberste Polizeidienststelle der SS). SD = Sicherheitsdienst (SS-Formation).

AA = Auswärtiges Amt.

Anhang /Dokumente

Denkschrift des G e n e r a l s t a b s c h e f s Ludwig Beck vom 29. M. ai 1938. Abschrift des auszugsweisen Wort-lautes, den Foerster 1) 1949 aus nachgelassenen Papieren Becks veröffentlichte. „. . . Es ist richtig, das) Deutschland einen größeren Lebensrauvn und zwar sowohl in wie auf kolonialeut Gebiet. Der braucht, Europa erstere Raum ist nur durch einen Krieg zu erwerben, wird aber nicht erworben durch ein Land, das in der Hauptsache selbst Zuschußgebiet ist. Die Erwerbung kolonialer Gebiete braucht an sich nidu durch einen Krieg zu erfolgen.“

„ 2. Es ist richtig, daß die Tschechei in ihrer durch das Versailler Diktat erzwungenen Gestaltung für Deutschland unerträglich ist und ein Weg, sie als Gefahrenherd für Deutschland auszuschalten, notfalls auch durdi eine kriegerische Lösung gefunden werden muß, doch muß bei letzterer den Einsatz auch der Erfolg lohnen.“

„ 3. Es ist riduig, daß jeder Machterweiterung Deutschlands Frankreich stets im Wege stehen und in dieser Hinsicht stets als ein sicherer Feind Deutschlands anzusehen sein wird.“

„ 4. Es ist richtig, daß man jederzeit darauf gefaßt und vorbereitet sein muß, audt gegen den eigenen Willen zum Handeln gezwungen zu “ sein.

„ 5. Es ist riditig, daß verschiedene Gründe für eine baldige gewaltsame Lösung der tsdtechisdten Frage spredten: die zunehmende Stärke der tsdrechischen Landbefestigung, die fortsdireitende Aufrüstung Englands und Frankreichs, die Ausnutzung der fortbestehenden Spannung zwischen Italien einerseits, England und Frankreid'i andererseits. Alle diese Faktoren werden aber zuungunsten Deutsddands überwogen, solange die Tsdrechei mit der Waffenhilfe Frankreichs und Englands redmen kann. Das ist zur Zeit der Fall und mit einer der Gründe für die militärisch provozierende Haltung der Tsdiechei.“ „ 6. Es wäre zu begrüßen, wenn hinsichtlich der gegebenenfalls auf unserer Seite oder nicht gegen uns stehenden Mädite das politische Vorfeld geklärt und in dem einen oder anderen Fall auch in militärisdie Besprechungen eingetreten werden könnte. Möglich und notwendig erscheinen letztere sdion lange mit Ungarn. Erwünscht wäre ferner eine Klärung der polnisdten Haltung und der Jugoslawiens, falls Ungarn sich am Kriege gegen die Tschedtei beteiligt.“ „... 1. Es ist nidit zutreffend, daß das heutige Deutschland stärker als das von 1914 eingeschätzt werden kann. Den Vorteilen des neuen Groß-Deutschlands als Einheitsstaates, der nationalen und weltanschaulidien Geschlossenheit, des zurückgekehrten Vertrauens im Volke und der wiederhergestellten Achtung vor uns stehen, auch wenn man jene Vorteile voll bejaht, unter anderen gegenüber: die unfertige und personell, materiell und ideell geringwertigere Wehrmacht als 1914, der für einen Mehrfronfenkrieg zur Verfügung stehende geringere Kriegs-raum, der vor allem durch die gesteigerte Luftbedrohung weit stärker ins Gewidit fällt und sich auf allen Gebieten des Krieges und des Volks-lebens weit stärker auswirken wird als während des Weltkrieges, der Tiefstand der Finanz-, Ernährungs-und Rohstofflage Deutsddänds, der in vielem größer ist als 1917/18, die Ablehnung, der ein nicht zwingend erscheinender Krieg im Volke begegnen wird. Es muß bezweifelt werden, ob es gelingt, hierin eine Änderung durch psychologische Vorbereitung des Volkes herbeizuführen.“ „ 2. Die Erfolge in den Entscheidungen des Führers in den Jahren 1933— 38 werden von niemand bestritten. Sie sind aber kein Beweis dafür, daß künftig entsprechende Entscheidungen gleich erfolgreich verlaufen. Es kann nicht übersehen werden, daß sie bei den uns nicht wohl- gesitmteu Mächten in steigendem Maße Gegenkräfte ausgelöst und sie stärker zusammengeführt haben.“

„Deutschland steht heute einer Koalition Tschechei, Frankreich, England und Amerika gegenüber, deren Zusammenwirken im Kriegsfall schon heute enger gestaltet ist als 1914. Hinzu kommt, daß unterschiedliche Auffassungen über religiöse, rassische und völkische Probleme auch über die vier genannten Mächte hinaus Ablehnungen, teilweise Haßstimmung gegen das heutige Deutschland hervorgerufen haben.“

„ 3. Den Urteilen über die militärische Madtt Frankreichs und Eng-— lands kann der Soldat nicht folgen. Im übrigen sind beide Gegner schon einmal 1914 unterschätzt worden, allerdings nicht vom Generalstab. Feststehen dürfte ferner, daß Deutsdtland allein oder auch im Bunde mit Italien nicht in der Lage ist, England oder Frankreich militärisch beizukommen.“

„ 4. Der Soldat kann sich ferner nicht den Gedanken zu eigen machen, die tschechische Armee nur als die Armee eines Siebenmillionenvolkes in Red'tnung zu stellen. Sicher wird das völkische Problem in der tschechischen Armee zu unseren Gunsten sprechen. Es ist aber auf Grund der vorliegenden Unterlagen nicht zu vertreten, es von vornherein so hodt einzusdiätzen.“

„ 5. Es ist nfdtt möglich, den Zeitbedarf vorauszusehen, bis der zur völligen Niederwerfung der Tschechei gebraucht wird. Sucht man trotzdem nach einer Zahl, so dürften drei Wochen das Günstigste sein, was auch bei dauernd erfolgreidiem Verlauf der Operation. 1 veransddagt werden muß, oder mit anderen Worten: 14 Tage wird unter Umständen die unzureidtend ausgestattete Westfront den französischen Großangriff auszuhalten haben, ehe die ersten Überführungen deutsdier Heeresteile vom Südost-auf den Westkriegsschauplatz eingeleitet werden können.“

„ 6. Selbst wenn heute ein Angriffsverfahren entwickelt wäre, das ermöglichte, die tsdtediisdien Befestigungen rasch und sicher zu durchbrechen, und wenn ferner die Deckung im Westen heute stärker wäre, als sie es ist, würde das die militärische Lage im Augenblid? nicht entscheidend ändern. Der Kardinalpunkt wird bis auf weiteres der bleiben, ob es sich für Deutsdiland um einen Krieg nur gegen die Tschedtei handelt oder auch gegen die sie zur Zeit unterstützenden Mächte. In letzterem Falle kann der Feldzug gegen die Tsdtedtei an sich erfolgreidt verlaufen, den Krieg wird Deutschland verlieren.“

„ 7. Treten Frankreich und England in den Krieg ein, so wird die Tschechei nur noch die Rolle des Kriegsanlasses spielen, im übrigen aber es sich dann um eine Auseinandersetzung auf ganz anderen Ebenen handeln. Es wird zu einem europäischen, unter Umständen zu einem Weltkrieg kommen.“

„Ein solcher Krieg — und hierin ruht ein vielfach verhängnisvoller Irrtum — wird nicht mehr von den Erfolgen oder Mißerfolgen der ersten Waffengänge abhängen, sondern von ganz anderen Faktoren, die unsere Gegner in der Lage sind gegen uns ins Feld zu führen. Zeit und Raum werden ihnen in nicht abzusehendem Maße zur Verfügung stehen, damit auch in gleichem Maße die überlegenen personellen und materiellen Mitte! eines riesigen Hinterlandes, dem Deutschland selbst mit europäischen Bundesgenossen nichts entgegenzusetzen haben wird. Kommt es aber zu einem großen und langen Krieg, so wird sich auch die Haltung der einzelnen Mächte zu uns weder von vornherein noch auf die Dauer voraussehen lassen.“ . . . (Foerster: „Hitlers Einzelanordnungen über die Intensivierung der Arbeiten am Westwall und die soiortige Besetzung der Befestigungsanlagen lehnte Beck mit folgenden Worten ab:")

„Die vorgebraditen Gedanken können in dieser Form nidrt angenommen werden, ganz abgesehen davon, daß soldre Einzeleingriffe unerträglich sind. Es kann erwogen werden, ihre Unausführbarkeit unter Heranziehung der dafür in Frage kommenden Kommandostellen m beweisen. Im Hintergründe aber hat der feste Wille zu stehen, daß nur Verantwortung eine, die militärische Stelle, die tragen kann, anderenfalls die Kabinettsfrage zu stellen ist.“

. Die Ausführungen des Führers ergeben aufs neue die völlige Unzulänglidtkeit der bisherigen obersten militärischen Hierarchie. Ständige sadiverständige Beratung des obersten Befehlshabers der Wehrmacht in Fragen der Kriegsführung und vor allem des Waffenkrieges muß ebenso gefordert werden wie eine klare Abgrenzung und Aditung der Verantwortlichkeiten. Wird hier nicht bald der Hebel angesetzt, um zu einer Änderung der unerträglich gewordenen Verhältnisse zu kommen, und bleibt die jetzige Anarchie als Dauerzustand, so kann man das weitere Schid^sal der Wehrmacht im Frieden und Krieg, damit aber auch das Schicksal Deutschlands in einem künftigen Kriege nur in den schwärzesten Farben sehen.“

II.

Zwei G r u n d b e f e h l e , die am 20. Juli 1 9 4 4 von den Verschwörern ausgegeben wurden, um den Militärputsch gegen das NS-Regime auszulösen und zu regulieren; — u. a. waren diese Befehle geridttet an alle Wehrkreiskommandeure im Heimatkriegsgebiet und an alle Militär-befehlshaber in den besetzten Gebieten 1).

Femsdtreiben FRR HOKW 02150/20. 7. 44/16. 45 Uhr eingeg. 20. 7. 44/18. 30 Uhr.

la 126/44 G. Kdos.

An Wehrkreis Böhmen und Mähren.

1. („Der Führer Adolf Hitler ist tot.“) 2)

Eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer hat es unter Ausnutzung dieser Lage versucht, der schwerringenden Front in den Rüdzen zu fallen und die Macht zu eigennützigen Zwedzen an sidt zu reißen.

11. In dieser Stunde hödtster Gefahr hat die Reidtsregierung zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung den militärischen Ausnahmezustand verhängt und mir zugleich mit dem Oberbefehl über die Wehrmacht die vollziehende Gewalt übertragen. 111. Hierzu befehle ich:

1. Ich übertrage die vollziehende Gewalt mit dem Redil der Delegation auf die territorialen Befehlshaber — in dem Heimatkriegsgebiet auf den Befehlshaber des Ersatzheeres unter gleichzeitiger Ernennung zum Oberbefehlshaber im Heimatkriegsgebiet; in den besetzten Westgebieten auf den Oberbefehlshaber West (Oberbefehlshaber der Heeresgruppe D); in Italien auf den Oberbefehlshaber Südwest (Oberbefehlshaber der Heeresgruppe C), in dem Südostraum auf den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe F.

In den besetzten Ostgebieten auf die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen Südukraine, Nordukraine, Mitte, Nord und den Wehrmachtsbefehlshaber Ostland für ihren jeweiligen Befehlsbereich.

In Dänemark und Norwegen auf die Wehrmachtsbefehlshaber. 1) Eine ursprüngliche Fassung des ersten Belehls veröflentlicht Schlabrendoili S. 13511. Die endgültige, am 20. Juli vorliegende Fassung dieses und des zweiten Befehls verlas Freisler auszugsweise vor dem Volksgerichtshof. (IMIT Bd. XXXII 1 S. 362 ff.) Die obige Abschrift übernimmt ihren Wortlaut einer Veröffentlichung Zellers (S. 345 ff.). Zeller wiederum gibt den Text so wieder wie ihn General Ferdinand Schaal, 1944 Wehrmachtsbevollmächtigter und Befehlshaber im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren, in der „Schwäbischen Zeitung" vom 26. 7. 52 unter der Überschrift „Der 20. Juli 1944 in Prag, der Attentatstag im Spiegel der militärischen Befehle" veröffentlichte.

2) Mit diesem vorangestellten Satz (s. o. IMIT, vgl. Müller S. 43) ging der Befehl nur bei den zuerst alarmierten Empfängern ein. Er wurde von den Putschisten gestrichen, nachdem das Scheitern des Attentats ruchbar geworden war. — Auch der von Schaal wiedergegebene Befehlstext begann lediglich mit der Feststellung: „ 1. Innere Unruhen." — „Eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer . . . usw." 2. Den Inhabern der vollziehenden Gewalt sind unterstellt:

a) Sämtliche in ihrem Befehlsbereich befindlichen Dienststellen und Einheiten der Wehrmacht einschließlich der Waffen-SS, des RAD und der OT.

b) Alle öffentlichen Behörden (des Reiches, der Länder und der Gemeinden), insbesondere die gesamte Ordnungs-, Sicherheits-und Verwaltungspolizei.

Amtsträger und c) Alle Gliederungen der NSDAP und der ihr angeschlossenen Verbände.

d) Die Verkehrs-und Versorgungsbetriebe.

3. Die gesamte Waffen-SS ist mit sofortiger Wirkung in das Heer eingegliedert.

4. Die Inhaber der vollziehenden Gewalt sind für die Aufrechterhaltung der Ordnung und öffentlidren Sidrerheit verantwortlich. Sie haben insbesondere zu sorgen für:

a) die Sicherung der Nachrichtenanlagen, b) die Ausschaltung des SD.

Jeder Widerstand gegen die militärische Vollzugsgewalt ist rücksichtslos zu brechen.

5. In dieser Stunde hödtster Gefahr für das Vaterland ist Geschlossenheit der Wehrmacht und Aufrechterhaltung voller Disziplin oberstes Gesetz.

Idt madte deshalb allen Befehlshabern des Fleeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe zur Pflidtt, die Inhaber der vollziehenden Gewalt bei der Durdtführung ihrer sdtwierigen Aufgabe zu unterstützen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und die Befolgung ihrer Weisungen durch die untergeordneten Dienststellen sicherzustellen. Der deutsche Soldat steht vor einer geschiditlichen Aufgabe. Von seiner Tat-kraft und Haltung wird es abhängen, ob Deutsdiland gerettet wird.

Gleidies haben alle territorialen Befehlshaber, die Oberkommandos der Wehrmachtsteile und die den Oberkommandos unmittelbar unterstehenden Kommandobehörden des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe (. . .)

Der Oberbefehlshaber der Wehrmacht gez. von Witzleben, Generalfeidmarschall Graf Stauffenberg Aha/Stab 111/44 G. Kdos. Chefs, vom 20. 7. 44.

FRR HOKW 02155 MILKOWICH HUPG -

FRR HOKW 02155 20. 7. 18. 00 Uhr eingegangen 20. 7. 44 20. 10 Uhr ia 416/44 G. Kdos.

An Wehrkreiskommando Böhmen und Mähren.

I. Auf Grund der mir vom Oberbefehlshaber der Wehrmacht erteilten Ermächtigung übertrage ich die vollziehende Gewalt in den Wehrkreisen den Stellv. Komm. Generalen und Wehrkreisbefehlshabern. Mit der vollziehenden Gewalt gehen auf die Wehrkreisbefehlshaber die Befugnisse der Reichsverteidigungskommissare über.

II. Folgende Sofortmaßnahmen sind zu treffen:

a) Nachrichtenanlagen: Die wichtigsten Gebäude und Anlagen des Post-Wehrmacht-Nachrichtennetzes (einschl. Funkanlagen) sind planmäßig militärisch zu sichern. Die hierzu eingesetzten Kräfte sind so stark zu bemessen, daß unbefugte Eingriffe und gewaltsame Zerstörungen verhindert werden. Wichtige nad'irid'itentechnische Anlagen sind mit Offizieren zu besetzen. Insbesondere sind zu sichern: Verstärkerämter, Durchgangsvermitthmgen des Heeres-Führungsnetzes sowie Großfunkstellen (Rundfunksender), Fernsprech-und Telegraphenämter, soweit wid'itige Fernsprechleitungen durchlaufen, Verstärker und Batterieräume, Antennen, Sender-und Nostro-Anlagen sowie Betriebsräume. Das Fernmeldenetz der Reichsbahn ist im Einvernehmen mit den Transportdienststellen zu schützen. Funknetz ist aus eigenen Mitteln zu schaffen.

b) Verhaftungen: Ohne Verzug ihres Amtes zu entheben und in besonders gesidrerte Einzelhaft zu nehmen sind: sämtliche Gauleiter, Reidrsstatthalter, Minister, Oberpräsidenten, Höhere SS-una Polizei-führer, Gestapoleiter und Leiter der SS-Dienststellen, Leiter der Propagandaämter und Kreisleiter; Ausnahmen befehle ich. c) Konzentrationslager: Die Konzentrationslager sind beschleunigt zu besetzen, die Lagerkoimuandanten zu verhaften, die Wachmannschaften zu entwaffnen und zu kasernieren. Den politischen Häftlingen ist zu eröffnen, daß sie sich bis zu ihrer Entlassung aller Kundgebungen und Einzelaktionen zu enthalten haben. d) Waffen-SS: Bestehen Zweifel am Gehorsam von Führern der Verbände der Waffen-SS oder der Standortältesten der Waffen-SS, oder erscheinen sie ungeeignet, sind sie in Schutzhaft zu nehmen und durch Offiziere des Heeres zu ersetzen. Verbände der Waffen-SS, deren uneingesdtränkte Unterordnung zweifelhaft ist, sind rüdzsichtslos zu entwaffnen. Dabei energisdtes Zugreifen mit überlegenen Kräften, damit stärkeres Blutvergießen vermieden wird. e) Polizei: Die Dienststellen der Gestapo und des SD sind zu besetzen. Im übrigen ist die Ordnungspolizei zur Entlastung der Wehrmadtt vjeitgehend einzusetzen. Befehl ergeht durch den Chef der deutschen Polizei auf den polizeilichen Kommandowegen. f) Kriegsmarine und Luftwaffe: Mit den Befehlshabern der Kriegsmarine und Luftwaffe ist Verbindung aufzunehmen. Gemeinsames Handeln ist sicherzustellen. 111. Für die Bearbeitung aller politischen Fragen, die sich aus dem militärischen Ausnahmezustand ergeben, bestelle ich bei jedem Wehrkreis-Befehlshaber einen politischen Beauftragten. Dieser über

nimmt bis auf weiteres die Aufgaben des Verwaltungschefs. Er berät den Wehrkreis-Befehlshaber in allen politischen Fragen. IV. Bearbeitende Stelle des Oberbefehlshabers im Helmatkriegsgebiet ist der Heimat-Führungsstab. Er entsendet zu den Wehrkreisbefehlshabern zur wechselseitigen Unterriditung über Lage und Absichten einen Verbindungsoffizier. (VO OKH.) V. Bei Ausübung der vollziehenden Gewalt dürfen keine Willkür-und Racheakte geduldet werden. Die Bevölkerung muß sich des Abstandes zu den willkürlichen Methoden der bisherigen Machthaber bewußt werden. Der Oberbefehlshaber im Heimatkriegsgebiet gez. Fromm, Generaloberst. Graf Stauffenberg. Nr. 32 160/44 geh.

Anmerkung:

Dr. Dieter Ehlers, geb. 2. Oktober 1924 in Elberfeld. Studium an der Universität Hamburg.

Bei der in dieser und in der vorhergehenden Beilage veröffentlichten Arbeit handelt es sich um eine Dissertation, die aus einem Arbeitskreis des Historischen Seminars der Universität Hamburg hervorgegangen ist. iDeser Arbeitskreis befaßte sich unter der Leitung von Professor Dr. Egmont Zechlin mit Zielen und Grenzen der deutschen Widerstandsbewegung.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Zeller S. 190. (Schilderung eines sechsstündigen Gespräches zwischen Stauffenberg und E. Kleist). „Alles sein vorbereitet“, soll Stauffenberg erklärt haben, „aber die auslösende Tat wolle und wolle bisher nicht gelingen. . . Er dränge Kleist nicht, er frage ihn nur, ob er es sich zutraue und ob er etwas in sich finde, was ihn zu diesem Weg verpflichte, der vielleicht seine Selbstaufopferung nötig mache“ (Nach einem Bericht von Kleist). (Stauffenberg selbst besaß zur damaligen Zeit noch keinen Zutritt zu Hitler.)

  2. Schlabrendorf S. 167. Vgl. Kiesel S. 17.

  3. ders. S. 169. — Zeller S. 189 ff.

  4. „Frhr. v. Gersdorff schildert . , .“ Die Welt 31. 7. 47. Pechei S. 162 ff.

  5. Kordt S. 375.

  6. Zeller S. 181.

  7. Zeller S. 288.

  8. Schlabrendorf S. 195 f.

  9. ders. S. 195.

  10. Kordt S. 371.

  11. Schlabrendorff (S. 120) bemerkt zu den gesetzlichen Bestimmungen über Hoch-und Landesverrat im „Dritten Reich“ u überhaupt: „Solange staatliche Gemeinwesen existieren, solange werden sich Staaten durch Strafgesetze gegen, alles schützen, was ihr Gefüge bedroht. Das liegt in der Natur der Sache. .

  12. Vgl. die grundsätzlichen Ausführungen von Dr. Nelte (Verteidiger Keitels) in Nürnberg. IMT. Bd. XVIII S. 48 ff.

  13. Der Terminus „Hochverrat“ ist hier und im Folgenden nur in formaljuristischem Sinne zu verstehen, so verstanden ihn auch die Verschwörer. Als „Verräter im ungeschriebenen ethischen Sinne haben sie sich nie gefühlt. Insofern deckte sich ihr Selbstverständnis mit der Definition, die Angermair (Parlament S. 25) gibt.

  14. Ausdruck General Hoeppners vor dem Volksgerichtshof. IMT. Bd. XXXlll. S. 379. 147) Siehe Kapitel „Das Attentat“ den Abschnitt: „Persönliche Einflußnahme auf den Diktator".

  15. Gräfin Dönhoff (bei Pechei S. 191).

  16. Vgl. Steltzer S. 81.

  17. Vgl. Bor/Halder S. 121. Schacht S. 79. — „Für den Übergang war ein militärischer Ausnahmezustand geplant wie ihn die Weimarer Verfassung vorsah". — Bor/Halder S. 121. — Goerdeler hingegen berief sich 1943/44 in einer Denkschrift über Plan und Ziel des Staatsstreiches auf „das preußische Gesetz über die Verhängung des Belagerungszustandes, kraft dessen dann alle Gewalten auf den kommandierenden General übergehen“. „Es sollte als Sofortmaßnahme für das ganze Reichsgebiet in Kraft gesetzt werden“. Schlabrendorf S. 142.

  18. Formulierung Jüngers S. 497.

  19. Hassell S. 385 ff. („Richtlinien zur Handhabung des Gesetzes über den Belagerungszustand“ — im Wortlaut abgedruckt -). Sie waren als Ergänzung zu einem (verlorengegangenen) „sehr scharf gehaltenen Gesetz über den Ausnahmezustand“ verfaßt. — Einem ähnlichen Zweck (Regelung des Ausnahmezustandes) diente die vom Kreisauer Kreis verfaßte „Erste Weisung an die Landesverweser“, (vgl. Art. 1 Abs. 2) abgedruckt bei Steltzer S. 154 ff.

  20. Einen Entwurf verfaßte Hassell nach Beratungen mit Bede, Popitz und Jessen im Herbst 1943. Hassell S. 376 ff. Auch Schulenburg (Graf Fr.) soll daran mitgearbeitet haben. Zeller S. 97 ff. (beruft sich auf Aufzeichnungen von W. Muthmann). In der Präambel heißt es: „Das folgende Grundgestz . . . soll Regierung und Volk binden, bis unter Mitwirkung aller Schichten des Volkes dem deutschen Reich eine endgültige Verfassung gegeben werden kann“, Hassell S. 376.

  21. Nicolai Hartmann „Das Problem des geistigen Seins“ (Berlin) 1933, S. 239.

  22. Eine Ausnahme bildete das Schicksal des Publizisten Rudolf Pechei, der am 8. April 1942 verhaftet, ins KZ Ravensbrück eingeliefert, am 1. Febr. 1945 vor dem Volksgerichtshof freigesprochen und anschließend bis April 1945 im Lager Sachsenhausen festgehalten wurde. Pechei S. 302. — Die Jahrelange KZ-Haft von Leber, Leuschner und Haubach fiel in die Zeit vor 193 8, als die Beck-Verschwörung noch nicht bestand.

  23. General Hoeppner, IMT. Bd. XXXIII, S. 379, und Lejeune-Jung. Osas S. 79, 92.

  24. IMT. Bd. XXXIII, S. 403.

  25. — bezogen auf die Generale Fromm und Olbricht als Antwort auf eine Erkundigung Goerdelers. (20. 2. 43). Kaiser-Tagebuch, a. a. O. S. 5 31. Nach Schlabrendorff (S. 161) eine allgemeine Formel Kaisers. Vgl. Goerdeler zu Hassell im Okt. 1939, „genügend Generale stünden bereit, schnell und energisch vorzugehen, wenn der Befehl von oben komme. Hier liegt das Problem“. Hassell S. 96. 159) Goebbels forderte in seiner Eigenschaft als „Reichsverteidigungs" -Kommissar Remer auf, sofort bei ihm im Ministerium zu erscheinen, Remer unterrichtete seinen Vorgesetzten, General v. Hase, der ihm verbot, dieser Aufforderung nachzukommen. Remer S. 10 f.

  26. Hagen, Dr. Hans (Vortrag) a. a. O. Vgl. Zeller S. 264.

  27. Müller S. 44.

  28. Müller S. 44. (Auch Hoeppner beschwichtigte am 20. Juli die mißtrauisch gewordenen Chefs der Amtsgruppe im Stabe Fromms (die Generale Specht, Kuntze, Strecker) mit der Erklärung, Hitler sei tot und man sei dabei, einen von der SS angezettelten Putsch niederzuschlagen. Müller S. 37 ff. Vgl. Zeller S. 266.

  29. Am 20. Juli 1944. 18 Uhr, Befehlsausgabe durch General v. Stülpnagel im Hotel Majestic: „Die SS und die SD haben im Reich einen Putsch gegen Hitler unternommen.

  30. Siehe Anhang.

  31. Bor/Halder S. 101.

  32. ders. S. 113. Vgl. Kosthorst S. 341, Foertsch S. 65.

  33. Picker S. 428 f.

  34. ebenda. -Vgl. Laternser: „Für den Soldaten war es von besonderer Bedeutung, daß Hitler noch durch den Reichspräsidenten v. Hindenburg zur Macht berufen war und dann durch Reichsgesetz und Volksabstimmung unumschränktes Staatsoberhaupt wurde. Das Gesetzmäßige, die formelle Korrektheit bei der Übertragung der Gesetzgebungsgewalt und der Befehlsbefugnis bewirkte, daß die Soldaten sich auch der Persönlichkeit Hitlers unterworfen haben . Laternser S 20 -Vgl. Hossbach (S. 10) „An der Legalität der Stelle Hitlers (war) nicht zu zweifeln^ . ." -Vgl. Halder: „Staatsrechtlich war er (Hitler) völlig -legitim zur Macht gekommen. Es ging für den Soldaten also um die Erkenntnis, daß er trotz äußerlicher Legitimität im inneren und eigentlichen Sinne . illegitim war, weil er nicht in der Überlieferung stand". Bor/Halder S. 106. — Vgl. Foertsch S. 25, 36 und Kordt S. 59. — Zur Stellung Becks s. o. S. 93 f.der vorliegenden Arbeit; dort auch Hinweise auf anderslautende Gutachten und Stellungsnahmen zur Frage, ob Hitler ein Usurpator oder „legitimes Staatsoberhaupt“ des deutschen Reiches war.

  35. Gräfin Dönhoff (bei Peschel S. 191).

  36. Vgl. Hitler „Mein Kampf“ S. 105 f.

  37. s. o. Seite 152.

  38. Vgl. Goerdeler am 1. Dez. 1937 in seinem „politischen Testament“ über den Verfall der Rechtssicherheit. S. 24 f., 37 f., 42.

  39. Vgl. Goerdeler in seinem Abschiedswort nach dem 20. Juli a. a. O. „Die Betrauung Hitlers mit der Reichskanzlerschaft war nicht nur der erste, sondern bezeichnenderweise auch der letzte Akt der Legalität während seiner bisherigen Amtszeit“.

  40. Siehe Kapitel „Die Denkschrift“. — Vgl. Foerster (S. 109). Zur Einstellung Goerdelers vgl. Peschel S. 210, Strölin S. 25. Am offenkundigsten hat Rommel — neben Beck und Goerdeler — das vorsorgliche Nacheinander von legalem Widerstand und illegaler Entschlußfassung durchexerziert. Vgl. Speidel S. 81, 89, 138 f., s. o. Kapitel „Denkschrift“ S. 83. Auch Stauffenberg war zunächst ein eifriger Befürworter legaler Protestaktion (Kollektivschritt der Generalität bei Hitler. Anfang 1943 — Aufforderung zur Reform der Heeres-und Staats-führung) ehe er sich für den Staatsstreich engagierte. Vgl. Görlitz S. 606, Zeller S. 146/3 3 5. — Angermair stellt in einem moraltheologischen Gutachten zum Remer-Prozeß fest: „So ist z. B. jeder aktive Widerstand, auch der unblutige, erst verantwortbar, wenn vorher alle verfassungsmäßigen Mittel zur Abwendung der von einer Regierung verschuldeten Not erschöpft bzw. von vornherein als aussichtslos erkannt sind“. (Parlament S. 25).

  41. Siehe Kapitel „Die Denkschrift" S. 82 f.

  42. Bor/Halder S. 129.

  43. „Sein (Goerdelers) Ordnungssinn ließ ihn den Umsturz als eine normale Kabinettsumbildung vorbereiten mit Regierungsprogramm, Gesetzentwürfen und Ministerlisten“. Vgl. Schwerin-Krosigk S. 225 usw.

  44. Popitz (im Sommer 1938) zu Prof. Zahler, Hildebrandt S. 91.

  45. — am 1. Juli 1944. Zeller S. 206.

  46. Vgl. Kommentar G. Ritters zu einer Veröffentlichung aus dem Nachlaß Goerdelers. „Die Gegenwart“ 24. 7. 46.

  47. Zitat aus einem Bekenntnis Ewald v. Kleists am 3. Februar 1945 vor dem Volksgericatshof. Schlabrendorf S. 212.

  48. Vgl. Schlabrendorff (S. 103): „Eine innere verbindliche Wirkung haben Strafgesetze als Strafgesetze nicht, sondern nur insoweit, als sie mit Maximen der Ethik übereinstimmen. Eine solche Übereinstimmung von Moral und Gesetz fehlte im Dritten Reich notwendig allen politischen Gesetzen. Aus diesem Grunde waren pflichtgemäß Handlungen ethisch gerechtfertigt, selbst wenn sie strafrechtlich gesehen den Tatbestand des Hoch-und Landesverrats erfüllten“.

  49. Vgl. Parlament S. 2, „Badische Zeitung“ 7. 11. 1947; über die z. T. positive Stellung der Verschwörer zum Eventualplan einer Wiederherstellung der konstitutionellen Monarchie: siehe Ritter „Goerdelers Verfassungspläne“, Nordwestdeutsche Hefte, 1. Jg. Heft 9, S. 11 f. — Hassell S. 94 f., 174, 240, Weizsäcker S. 103. Lukascheck (Parlament) S. 3. Schlabrendorff S. 147. Gisevius S. 217. Abshagen S. 111. Prinz Louis Ferdinand von Preußen S. 361. Vgl. Tages-spiegel 1. 5. 1947.

  50. Vgl. Ritter „Goerdelers Verfassungspläne" a. a. O. S. 6 ff.

  51. „Er (Stauffenberg) sah es nicht als das oberste Ziel, Hitler und seine Herrschaft zu Fall zu bringen, als vielmehr die außerordentliche und offenbar vom Schicksal so gewollte Erschütterung Deutschlands zu einem staatlichen Erneuerungsversuch zu benutzen, der in ganz andere Lebensgeschichten reichen sollte als die „Revolution“ von 1918 und 1933. Zeller S. 158.

  52. „ 20. Juli" (Das Parlament, 2. Ausl. a. a. O.) S. 31.

  53. ebenda (. . . „In ihren Konzepten hatten sie nicht vorgesehen, daß uns (Deutschland) die alten Formen neu beschert würden." (Gerstenmaier) Vgl. Halder (Äußerung nach dem Krieg): „Hitler hatte etwas abgeräumt, was tot war.“

  54. Vgl. Kordt S. 339/367. Hassel S. 128. — Vgl. Kosthorst S. 349/351.

  55. Theo Kordt bemühte sich in Bern über Conwell Evans (Okt. 1939), Kordt S. 367, Weizsäcker S. 273, Hassell (Febr. 1940), über einen Mittelsmann der brit. Regierung in Arosa (Hassell S. 128), parallel zu Josef Müller, der in Rom mit Osborne, dem brit. Gesandten beim Vatikan, verhandelte. Siehe Kapitel „Passive Sabotage".

  56. Der sog. „X-Bericht" über die Verhandlungen Müllers (s. o.) u. eine angebliche Erklärung Chamberlains, die Conwell Evans an T. Kordt weitergab. Kordt S. 3 67. 442 (Anhang).

  57. Weizsäcker S. 273.

  58. Bor/Halder S. 127. Vgl. Kosthorst S. 363 ff.

  59. — im Januar 1943, Bishop Bell of Chichester „The Background of the Hitler-Plot“, The Contemporary Review, Sept. 1945, S. 203— 208. Vgl.ders. „July the Twenthieth". The Oberserver 20. 7. 47. — „Das Urteil im Wilhelmstraßenprozeß“

  60. Weizsäcker S. 342.

  61. Plan Stauffenbergs (durch den Umsturz andere Voraussetzungen für die militärische Führung zu schaffen) auch 1944 noch, nach Aussage Yorks. IMT. Bd. XXXIII S. 423.

  62. Kordt S. 365.

  63. ebenda. (Denkschrift an das OKH. Okt. 1939.) Vgl. Hassell S. 229, 372, Gisevius 237, Weizsäcker S. 342.

  64. Schlabrendorf S. 178, Speidel S. 134, 146.

  65. Dulles S. 171.

  66. ebenda u. S. 174.

  67. ebenda. — Vgl. Ritter, die außenpolitischen Hoffnungen der Verschwörer a. a. O.

  68. Stülpnagel, Rommel, Hofacker, Speidel, E. Finckh, Linstow, u. a. — Vgl. Speidel S. 92 f. u. Schramm (Parlament) S. 14.

  69. Speidel S. 92.

  70. Parlament S. 2. — Vgl. IMT. Bd. XXXIII S. 431. Stauffenberg, der — vorsichtig ausgedrückt — der einseitigen sog. „Westlösung“ skeptisch gegenüberstand, wollte am 20. Juli auch der Sowjet-Union Waffenstillstandsverhandlungen anbieten (nach Aussage Yorks s. o.). Er und Beck hatten sich am 20. Juli mehr oder weniger damit abgefunden, daß die Alliierten die bedingungslose Kapitulation fordern und auch erzwingen würden. Vgl. Schlabrendorff S. 172. IMT. Bd. XXXIII S. 423, Reuter S 30, Dulles S. 76.

  71. Gräfin Dönhoff bei Pechei S. 192.

  72. Kordt S. 233.

  73. s. o. S. 102, Anm. 4.

  74. Eine andere Taktik vertrat Weizsäcker s. o. S. 101. Er berichtet: „Am 10. Sept, besprachen wir (Weizsäcker und Henderson, der brit. Botschafter in Berlin), daß eine britische öffentliche Erklärung unterbleiben sollte, da sie die Tschechei zu sehr ermutigen könne“ (Weizs. S. 178). Fraglos haben Kleist und die Brüder Kordt durch ihre Botschaften in London mit dazu beigetragen, die Sudetenkrise bis an die Schwelle des europäischen Krieges zu treiben. Sie haben eine außenpolitische Krise forciert, um einen Krieg zu verhindern. Diese Methode der Kriegsverhinderung widersprach dem konservativen diplomatischen Berufsethos Weizsäckers („ ... das stille stetige Glätten und Versöhnen, das die Diplomatie übt.“ Boveri S. 75) und der selbstgesetzten Richtlinie seines Wirkens. („Kriegsverhinderung ... durch Vermeidung akuter Reizzustände und Zusammenstöße", Weizs. S. 109)

  75. Kordt S. 248.

  76. Die Feststellung, daß die Putschisten (— in falscher Einschätzung der öffentlichen Meinung Englands und vor allem Frankreichs —) von der Bereitschaft der Westmächte, Hitler gegenüber auf ganzer Linie nachzugeben, völlig überrascht wurden, besagt zugleich auch, daß die Putschisten im Herbst 1938 nur eine passive, nicht aber eine aktive „Rückschlagstheorie" verfolgt haben. Sie wollten damals einen außenpolitischen Rückschlag Hitlers (und damit den „historischen Augenblick“ zum innenpolitischen Aufstand) nicht herbeiführen, sondern wollten einen Rückschlag, der ihrer Voraussage nach auch ohne ihr Zutun eintreten würde, lediglich beschleunigen, frühzeitig veröffentlichen und steuern, um in vorletzter Stunde die rettende Initiative (durch einen Staatsstreich) ergreifen zu können.

  77. Bor/Halder S. 122, E. Kordt S. 264 ff. u. „Frankfurter Hefte" Jg. 3 S. 1039 ff.

  78. Speidel S. 89.

  79. „Natürlich ist es schwer, daß der Aktivist, auch der edle Aktivist, den Sinn für die Hintergründigkeit der Geschichte behält. .. Nur der vordergründige, dem Diesseits verhaftete Sinn des Tyrannen meint, ... er habe sich selber geschichtlich berufen", heißt es in einer Betrachtung Liljes (S. 52) über die Tat des „ 20. Juli“. — Wie geläufig vielen Verschwörern ähnliche, ins religiös-metaphysische hinüber-greifende Gedankengänge gewesen sind, bezeugen Hinweise u. a. bei Winnig, S. 245, 246, Hassell S. 73, 23, 160, Speidel S. 14, 139, 177, 189, Moltke S. 12, Boveri S. 34, Gisevius S. 196, Kordt S. 413. Vgl. Abshagen S. 222, Bor/Halder S. 120, Lilje S. 52 ff.

  80. Hassell S. 299. Vgl. Bor/Halder S. 126.

  81. Kordt S. 364 (s. O. S. 73 ff.).

  82. — Goerdeler dachte dabei auch an eine außenpolitische „Auswertung , vor allem an die Abwendung der „bedingungslosen Kapitulation“, die immer unumgänglicher zu werden drohte, je näher sich der Krieg seinem Ende zuneigte. — Von den großen, wiederholt geäußerten Zweifeln auch Becks und Goerdelers, ob es nicht überhaupt schon zu spät sei für eine außenpolitische Rettung Deutschlands, „so daß es richtiger sein würde, die Katastrophe laufen zu lassen“, berichtet Hassell S. 214 (Aug. 43), S. 328 (Okt. 43). Vgl. Kordt S. 413. Schlabrendorf S. 175 (Bericht über eine Anfrage Stauffenbergs bei Treskow, „ob es nun nach der Invasion noch einen Sinn habe, am Staatsstreichplan festzuhalten, da ein praktischer Zweck nicht mehr ersichtlich sei“). Vgl. Zeller S. 148, 208.

  83. „Die Wandlung" Jg. 1, S. 172 f.

  84. Weizsäcker S. 343.

  85. — Brief an General Olbricht vom Mai 1943, a. a. O.

  86. — Goerdeler nannte die Niederlagen von Tunis und Stalingrad und die millionenfachen Morde des Regimes als Beispiele, die jederzeit die Möglichkeit böten, „den psychologisch richtigen Zeitpunkt zu schaffen“ (Brief an Olbricht s. o.).

  87. Bereits im Sommer 1943 hatten Treskow, Stauffenberg und Ortzen den Wortlaut der wesentlichsten Putschbefehle festgelegt, die ein Jahr später dem Staatsstreich am 20. Juli zu Grunde lagen. Schlabrendorf S. 13 5.

  88. Vgl. Bor/Halder S. 120, 125 f. (bezogen auf die Folgezeit nach 193 8). Halder meint, die Armee wäre auseinandergebrochen. Diese Befürchtung (daß ein Putsch zu inneren Kämpfen im Heer führen würde) hätte sich nach Auffassung von General Harteneck (193 8 la beim III. Korps in Berlin — unter Witzleben) bereits 193 8 bewahrheitet. „ ... Dazu kam die unsichere Einstellung der Luftwaffe und die sichere Gegnerschaft der SS. Ohne Bürgerkrieg wäre es bestimmt nicht abgegangen.“ Zitat bei Schacht, S. 9.

  89. Vgl. Hoßbach S. 157. Vgl. Plan Goerdelers, den er im März 1943 Guderian entwickelte. (Hitler nominell als Staatsoberhaupt belassen, aber „internieren".) Guderian 5. 274. — Dieser Plan war keine taktische Version (um Guderian zu gewinnen), sondern „echt Goerdeler“ (vgl. Kapitel „Das Legalitätsproblem“).

  90. — bis 1939/40 etwa. — Zur Person Görings als zugehörig zur „Friedenspartei"

  91. Hitler hatte Göring am 1. 9. 39 in einer Reichstagsrede als seinen Nachfolger bestimmt. Rede im Auszug bei Lüdde-Neurath S. 127.

  92. Stand von 1944.

  93. Nach Aussage von Dönitz (1MT. Bd. XII. 5. 3 52) seien nur zwei Angehörige der Kriegsmarine „in den 20. Juli verwickelt gewesen“ (gemeint sind wahrscheinlich der Korvettenkapitän A. Kranzfelder und der Bruder des Attentäters, Berthold Graf v. Stauffenberg — Marineoberstabsrichter der Res. —). Durch seine Drohung, mit den 5000 Mann der in Paris stationierten Marineeinheiten die festgenommenen SS-Truppen zu befreien, zwang Admiral Krenke am 20. Juli die Putschisten in Paris zur Kapitulation. Boineburg a. a. O. Vgl. Speidel S. 53/144.

  94. Vgl. Remer S. 10 ff.

  95. — in Berlin die Generale Reineke, Specht und Fromm, Oberst Gläserner, Major Remer, Oberstltnt. v. d. Heyden und Herder als Initiatoren der Gegenbewegung.

  96. Hassell S. 312.

  97. Dulles S. 202 (Anklageschrift gegen Popitz u. Langbehn) Kiesel S. 22, 33. Vgl.

  98. Dulles S. 202 ff., Schwerin-Krosigk S. 343.

  99. Vgl. Hassell S. 176. (Goerdeler-berichtet [19. 1. 41], die Gegensätze in der Partei wüchsen: 1. Hitlergruppe. 2. Partei [Bormann], 3. SS. 4. Ley. Letzterer mit der ersten liiert. Parteiorganisationen und SS in schärfstem Antagonismus.)

  100. — durch Langbehn über Schweden und die Schweiz, seit 1942. Hassell S. 205, 274, 285, 326. Vgl. Poelchau S. 141. Dulles S. 183 f (Aussage Wallenbergs). — Hagen S. 95. Himmler streckte Fühler aus u. a. zu Wallenberg, Burkhardt und im April zu Graf Bernadotte. Vgl. Lüdde-Neurath S. 96 (Aussage Himmlers zu Dönitz)

  101. Hassell S. 276 (10. 2. 42). Vgl. S. 223, 236. Vgl. Hoßbach S. 158 (Äußerung Becks zu Hoßbach im Juli 1942).

  102. Speidel S. 136.

  103. - Beck, Olbricht, Treskow und Witzleben u. a. sollen im Sommer 1943 mit der „Himmlerlösung" vorübergehend einverstanden gewesen sein. Dulles S. 201 f..

  104. Siehe Kapitel: Das konspirative Gespräch. S. 65 f.

  105. Hagen S. 95 ff. (Hagen - Pseudonym für W. Hoettl - leitete das Amt Mil [Militärischer Auslandsgeheimdienst im RSHA]), Schlabrendorf S. 192 (Darst.).

  106. Hagen S. 95 ff. - Vgl. die minutiöse Darstellung Zellers über die Ereignisabläufe am 20. Juli (besonders S. 226, 231, 236, 251, 258).

  107. - besonders auffallend ist die Reserve, in der sich die Leibstandarte Adolf Hitlers (LAH in Berlin-Lichtenfelde) verhielt. Für das Zögern der SS (besonders der LAH)

  108. Reiner S. 14. Vgl. Zeller S. 236.

  109. Bell (Parlament) S. 17.

  110. Schlabrendorff S. 131.

  111. ders. S. 135 f.

  112. Vgl. Guderian S. 306.

  113. „Wie konnten Sie annehmen, daß Himmler, der Treueste der Treuen, einem Nachfolger Hitlers — Göring — die Treue bricht? Das kennzeichnet Ihre niederträchtige Gesinnung", wurde Oberst Müller nach dem 20. Juli in einem Gestapo-Verhör vorgehalten. Müller verteidigte sich wie folgt: „Ich weise diese Anschuldigung auf das schärfste zurück. Die Geschichte der Bewegung ist eine Geschichte der Richtungskämpfe. Otto Strasser, Gregor Strasser, Stennes, Röhm, Heß. Ich habe mit einem Richtungsstreit gerechnet.“ Müller S. S. 112.

  114. Siehe Kapitel „Attentat“ S. 128, Anm. 2. Vgl. Zeller S. 175.

  115. Zeller S. 180.

  116. Siehe Anhang. — Folgt man der Aussage Müllers (S. 43), so trug dieser Befehl (Jedenfalls in der Fassung, wie sie der Infanterie-Schule Döberitz vorlag) hinter der Wendung „frontfremde Clique“ den Zusatz „unter Führung von Himmler und Keitel“. Müller zitiert jedoch nur aus dem Gedächtnis. Er war selbst ein spontaner Verfechter der SS-Putsch-These, ein nachträglicher Gedankensprung ist also denkbar. Sicher zutreffend ist seine Angabe, wonach die Putschisten in der Bendlerstraße (Hoeppner) mündlich (und wohl auch fernmündlich) die Fiktion eines SS-Putsches aufgebracht und verbreitet haben. Müller S. 87 ff. Vgl. Zeller S. 266 Vgl. „Wie die Truppe den 20. Juli erlebte“ o. V. Parlament S. 15. Erste „Parole bei der alarmierten 2. Jagd-Div. Im Fliegerhorst Stade: „In München hat die SS eine Revolte gegen den Führer gemacht.“

  117. Boineburg a. a. O. Speidel S. 143, Weniger S. 491, Liddel Hart S. 522 f. (Bericht v. Gen. Blumentritt). Abetz S 290. Nach Speidel (S. 143) wurde der Truppe erklärt, „daß Hitler durch SS-Verbände beseitigt und eine Gewaltherrschaft der SS zu befürchten sei.“

  118. ebenda. Vgl. Teuchert und Bargatzki (Parlament) a. a. O.

  119. siehe Anhang.

  120. siehe Anhang.

  121. „Man weiß .... von genauen Weisungen für das Vorgehen gegen SS-Kasernen und Stützpunkte. Es war darin das Anerbieten einer kampflosen Übergabe unter Belassung der Handwaffen, die feierliche Zusicherung loyaler, nicht kollektiv anschuldigender bestrafender Behandlung, dann aber auch eine auf fünf Minuten und festgelegte Bedenkzeit enthalten.“ Zeller S. 180.

  122. Parlament S. 31. Remer S. 15 f.

  123. 1MT Bd. XXXIII., S. 411 (Aussageprotokoll Hoeppners).

  124. Speidel S. 143. Vgl. Teuchert, Bargatzki (Parlament). Vgl. Zeller S. 242.

  125. Vgl. IMT, Bd. XXXIII, S. 433 (Aussage Hptm. Klausing).

  126. Rothfels (S. 19) kommt auf Grund statistischer Angaben und Schätzungen zu der Zahl von 500 000— 600 000 politischen Häftlingen, die bis 1939 durch Konzentrationslager hindurchgegangen waren oder sich zu dieser Zeit noch hinter Stacheldraht befanden. Müller (S. 54) beruft sich auf eine Gestapo-Statistik vom 10. 4. 1939 und nennt die Zahl von 300 000 politischen Gefangenen, die bei Kriegsausbruch inhaftiert waren.

  127. siehe Anhang.

  128. Vgl. Goerdelers geplante Rundfunkrede, aus dem Nachlaß herausgegeben von G. Ritter „Die Gegenwart“, 24. 7. 1946. — Einen anderen Aufruf Goerdelers (Ende 1943 unter Mitarbeit „vieler Persönlichkeiten“ verfaßt, veröffentlicht Schlabrendorff S. 149 ff. — Speidel (S. 92) und Strölin (S. 3 5) berichten von einem vorbereiteten Aufruf der Verschwörer um Stülpnagel und Rommel. Er sollte über die Westsender verlesen werden. Von einem Aufruf Leuschners an das deutsche Volk berichtet Henk S. 51. — Auch Stauffenberg soll einen Rundfunk-aufruf (Proklamation einer neuen Regierung) verfaßt und mit Billigung Becks zur Verkündigung am 20. Juli bereit gelegt haben. Zeller S. 192. — Die Aufrufe, die Pechei veröffentlicht (S. 304 ff) stammen vermutlich von ihm selbst und waren am 20. Juli durch neue Fassungen überholt. —

  129. — als am „ 20. Juli“, gegen 18. 30 Uhr, eine Sondermeldung des Deutschland-senders das mißlungene Attentat bekanntgab und dadurch der „lautlose Aufstand über den militärischen Befehlsapparat gleich zu Anfang ins Stocken geriet, scheinen die Putschisten mit dem gehetzten Entschluß reagiert zu haben, nach der stündlich erwarteten Bemächtigung des Deutschlandsenders, mit Hilfe dieses Sprachrohrs, nun doch die breite Öffentlichkeit des deutschen Volkes durch fanalartige Appelle und Agitationsreden gegen das Regime zu mobilisieren und zum „leve en mässe aufzurufen. Vgl. IMT Bd. XXXIII, S. 410 f. Aussage Hoeppners.

  130. Leuschner soll am 16. 7. ein „Vorsignal“ durchgegeben haben. Henk S. 60.

  131. siehe Anhang.

  132. Vgl. Dahrendorf („Telegraf“ 5. 1. 1947). „Leber wußte, in dem Bündnis mit Militaristen und Reaktionären lag die einzige Chance des Aufstandes.

  133. Die Absicht, eine breite Volksbewegung „auch als Gegengewicht gegen die Generale“

  134. Vgl. Hassell S. 299 Bor/Halder S. 126.

  135. Brauchitsch zu Halder: was macht der deutsche Arbeiter? Das ist für uns maßgebend. Ein Umsturz mag gelingen, aber was folgt hinter diesem negativen Akt als Positivum? Wir können doch nur eine Regime der Bajonette schaffen." Bor/Halder S. 126. Vgl. Foertsch (über die gleichlautende Auffassung Fritschs.) S. 205. 279) Pechei S. 46.

  136. Mit den Theorien eines Massenaufstandes im Dritten Reich befaßt sich - in schlagwortartigen Ausführungen - vor allem Henk. S. 77 f„ 12 f., 16 f., 21, 29, 57, 61.

  137. Henk S. 21, Dulles S. 138 (Äußerung Mierendorffs zu Prof. A. Weber.).

  138. Henk S. 29.

  139. Henk S. 21. Vgl. Osas S. 88.

  140. Summarische Berichte über die verschiedenen illegalen Organisationen, die Leuschner, Leber, Mierendorff, Kaiser und Habermann aufzubauen versuchten, geben Dahrendorf („Hamburger Echo" 28. 8. 1946), A. Leber „Telegraf“ 20. 7. 1947. — Kaiser („Neue Zeit" 25. 5. 1946), Winnig S. 203. Schmitt „Parlament“ S. 5. Henk S. 9 f., 8 f„ 22, 47 f. Furtwängler S. 214 f.

  141. Schmitt (Parlament) S. 5.

  142. s. o. Kapitel: „Die Wahl des Zeitpunktes.“

  143. Hassell S. 241. (Dez. 1941) „Die Prämisse, keine Reaktion und Streben nach Echo im Volk“ sei als richtig anzuerkennen. Daher sei ein Regierungschef, dessen Name als Erlösung und Programm wirke, ein Ziel, auf das innigste zu wünschen.

  144. Strölin S. 32.

  145. Speidel S. 90.

  146. — am 17. Juli 1944. Speidel S. 140 f.

  147. Pechei S. 119.

  148. Siehe Kapitel „Das konspirative Gespräch“.

  149. — auch Carlo Mierendorff, der sich in den 20er Jahren als Redner in Massenversammlungen hervorgetan hatte (Vgl. Zuckmayer a. a. O. S. 1102), galt „als große Hoffnung für das Amt des redestarken Volksführers." Zeller S. 60.

  150. Goerdeler hatte in seinem „Schattenkabinett" Leuschner als Vizekanzler vorgesehen. Leber (der Innenminister werden sollte) und Stauffenberg opponierten gegen Goerdelers Methode, Regierungsprogramme und Ministerlisten im voraus festzulegen. Alle Energie habe sich auf den Sturz Hitlers zu konzentrieren. „Was danach kommt, regelt sich von selbst“, man müsse nur im „freien Augenblick“, der dem Tod Hitlers folge, zur Stelle sein und den Willen zur Verantwortung bewahren. Furtwängler S. 216. Vgl. Dahrendorf „Telegraf“ 5. 1. 1947. Vgl. Zeller S. 15 8, 174 (beruft sich auf E. Colsmann). —

  151. s. u. Kapitel „Der Militärputsch".

  152. Ausdruck Hassells. S. 242.

  153. Henk S. 31.

  154. Vgl. Dahrendorf („Telegraf" 5. 1. 1947) (Entscheidend durch Leber beeinflußt, war der 20. Juli für uns Sozialdemokraten ein Bündnis auch mit dem Teufel zu dem ausschließlichen Zweck, Hitler-Faschismus und Hitler-Krieg zu liquidieren.

  155. Vgl. Zeller S. 288. „Zu einem Urteil über den Hergang am Tage (des 20. Juli)

  156. Vgl. Schlabrendorff S. 139.

  157. ebenda. — 303) 1MT Bd. XXXIII, S. 354, 304) Fritsch äußerte 193 8: „Ich habe es mir zur Richtschnur gemacht, mich nur auf mein militärisches Gebiet zu beschränken und mich von jeder politischen Tätigkeit fernzuhalten . . . Zur Politik fehlt mir alles.“ Foertsch S. 41. Mit ähnlichen Worten gab auch Brauchitsch wiederholt seiner Bindung an die »Seecktsche Erziehung“

  158. — nach Foerster (S. 79) „der bewußte Eingriff des Soldaten in ein Gebiet, das außerhalb seiner Dienstbefugnis lag . . .“

  159. Bezeichnend war die — von Hassell beklagt — Zurückhaltung Becks während des großen programmatischen Streitgesprächs zwischen Goerdeler und dem Kreisauer Kreis Anfang 1943 im Hause Yorks. (Teilnehmer waren: Bede, Popitz, Jessen, Hassell, Goerdeler, York, Moltke, Schulenburg (Graf Fr.), Trott und Gerstenmaier.)

  160. Siehe Anhang.

  161. Denkschrift Goerdelers bei Schlabrendorff S. 13 8. Vgl. 142. — „Landesverweser"

  162. „Bei allen Maßnahmen ist, unbeschadet des nach Lage des Falles unnachsichtigen Durchgreifens so zu verfahren, daß sich die Bevölkerung des Abstandes zu den willkürlichen Methoden der bisherigen Machthaber bewußt wird.“ — So heißt es in den „Richtlinien zur Handhabung des Gesetzes über den Belagerungszustand", die Hassell verfaßte. (Hassell S. 388) Stauffenberg und Treskow übernahmen diesen Satz fast wörtlich für den entscheidenden Putschbefehl, der am 20. Juli dem Aufstand zugrunde lag? Vgl. Schlabrendorff S. 138. — Siehe Anhang — Vgl. Hassell S. 242.

  163. Bor/Halder S. 37. Vgl. Ritter: („Goerdelers Verfassungspläne" a. a. O. S. 7) „Auf anderem Wege (als dem über die Diktatur) ist noch nie ein Staatsstreich oder Militärputsch zustande gebracht worden."

  164. Hassell S. 120. (Januar 1940) „Goerdeler wollte abwegigerweise sofort eine Volksabstimmung machen, über deren Ausgang er viel zu sanguinisch dachte". — Vgl.

  165. Schlabrendorff S. 142.

  166. Ders. S. 146. „In der ersten Zeit wollte Goerdeler dem Reichskanzler das Weisungsrecht gegenüber den Ministern geben um später an Stelle des Weisungsrechtes ein förmliches Beschlußrecht treten zu lassen."

  167. Ritter „Goerdelers Verfassungspläne a. a. O. S. 7.

  168. Max Habermann zu Winnig. Ders. S. 209. — (1938 sollte das „reine Militär-regiment"

  169. „Das zivile Element sei jetzt ganz ausgeschaltet“, stellte Max Habermann 1944 mit äußerster Besorgnis fest. Winnig S. 241. Vgl. S. 209.

  170. Zeller S. 176. 182, 342, Anm. 17 (beruft sich auf mdl. Angabe Gotthard von Falkenhausen, der über Äußerungen Schulenburgs [Graf Fr. berichtet). Vgl.

  171. Hassell S. 242.

  172. Gisevius S. 239 ff. S. 260.

  173. John, Gerstenmaier und Gisevius waren die einzigen Zivilisten, die am 20. Juli in der Bendlerstraße zugegen waren. Eine allgemeine Benachrichtigung sei —nach Aussage Yorks — aus Geheimhaltungsgründen unterblieben. IMT Bd. XXXIII. S. 427.

  174. Vgl. Ritter „Goerdelers geplante Rundfunkrede“ a. a. O.

  175. Vgl. „Eidesformel“, die Stauffenberg 1944 verfaßte. — „Wir.. . verachten aber die Gleichheitslüge und beugen uns vor den naturgegebenen Rängen ... Wir wollen Führende, die aus allen Schichten des Volkes wachsend, verbunden den göttlichen Mächten, durch großen Sinn, Zucht und Opfer den andern vorangehen.“ —Wortlaut bei Zeller S. 295 (beruft sich auf unbekannte, aber verbürgte Quelle.)

  176. „Keine Militärdiktatur“ hatte sogar ausdrücklich der „Mobilmachungskalender“

  177. Vgl. Leber. „Telegraf“ 16. 6. 46.

  178. Hassell S. 242/43.

  179. Hassell S. 242/43.

  180. IMT. Bd. XXXIII S. 489 (Aussage Hases). Ursprünglich sollte Remer mit Einheiten des Berliner Wachregiments die Verhaftung durchführen. (Remer S. 10.) — Später versuchte Oberst Jäger vergeblich, im Auftrage Hases den Führer einer zum Zeug-haus beorderten Einsatzgruppe der Heeresfeuerwerkerschule zu bewegen, die Verhaftung von Goebbels vorzunehmen. Zeller S. 228, 362 (Anm. 26). Vgl. IMT.

  181. In der Bendlerstraße Berlins hatte der Oberbefehlshaber des Ersatzheeres (Fromm)

  182. —nachdem die in der Bendlerstraße postierte Einheit des Berliner Wachregiments (auf Befehl Remers) abgerückt war. — IMT. Bd. XXXllI S. 439. Vgl. Gisevius S. 341. Zeller S. 231.

  183. Guderian S. 311. Witzleben bezeichnete es vor dem Volksgerichtshof als seinen grundlegenden Irrtum, geglaubt zu haben. es seien zuverlässige Truppen vorhanden.

  184. Bor/Halder S. 87. Vgl. Hossbach S. 151.

  185. Schlabrendorff S. 132. — Hitler veranlaßte Ende 1938 das OKW, eine Zeittafel zu führen, die es ihm erlaubte, sich jederzeit einen genauen überblick über den Stand und die Bewegung der einzelnen Divisionen zu verschaffen. Deswegen und weil in der mobilen Truppe (seit Kriegsausbruch) das ganze Volk und damit auch seine Gegensätzlichkeiten versammelt waren, sei — so meint Halder — ein Militärputsch in der Form, wie er im September 193 8 geplant war (Truppenzusammenziehung bei Berlin, Aufstand auf höheren Befehl), später nicht mehr möglich gewesen. Bor/Halder S. 124 f. Vgl. Kapitel „Militärische Gehorsamsverweigerung).

  186. Als kleinere, zuverlässige „Sturmtruppe“ der Verschwörung werden häufiger genannt: die Canaris unterstellte Sondereinheit „Brandenburg“ (seit 1942 Divisionsstärke). Vgl. Hassell S. 299 (Anm.des Hrsgs.), Görlitz S. 614. Der Kommandeur dieser Einheit, Oberstltnt. Heinz, gehörte zu den Verschwörern, die Mannschaften waren jedoch (nach Darstellung von Abshagen S. 23 5 ff.) „für die Sache des Führers blindlings Begeisterte“. — Ferner wird genannt das „Reiterregiment Mitte“

  187. Speidel S. 190.

  188. Hassell S. 109 (Dez. 1939). Vgl. Kosthorst S. 358.

  189. Siehe Kapitel „Militärische Gehorsamsverweigerung“ S. 39. Vgl. ferner: Liddel Hart, S. 181 f. (Bericht von General Röhricht) Schlabrendorf S. 61 ff.

  190. Dieser Plan, von Beck, Goerdeler, Hammerstein und Pechei im Dezember 1941 beschlossen, habe, nach Pechels Darstellung, durchaus „Hand und Fuß" gehabt. Er sei gescheitert, weil Witzleben sich im März 1942 einer Operation unterziehen mußte und anschließend seines Postens enthoben wurde. Pechei S. 155 ff. Vgl.

  191. Witzleben zu Dr. Brink im Winter 1941/42, Müller S. 71.

  192. Siehe Kapitel „Militärische Gehorsamsverweigerung S. 39, 41.

  193. Schlabrendorf S. 13 5. „Dies mußte geschehen, obwohl Fromm nicht zu den Eingeweihten gehörte, um bei der Truppe keinen Verdacht zu erregen.“ — Umstritten war und ist die politische Gesinnung Fromms. Nadi Darstellung Schlabrendorffs (Vgl. S. 183) war Fromm „Nazi-Gegner". Auch Müller (S. 86) meint, Fromm habe sich am „ 20. Juli“ nur deswegen gegen den Staatsstreich gestemmt, weil das Attentat mißglückt sei. Vgl. Kiese S. 17. (Auf Initiative und Befehl Fromms wurden Stauffenberg, Merz von Quirnheim, Olbricht und Haffner am 20. Juli gegen Mitternacht standrechtlich erschossen. Fromm selbst wurde später vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.) Nach Aussage von Kaiser (Tagebuch a. a. O. S. 533) war Fromm regimetreu.

  194. Fromm nach längerem Wortgefecht zu Olbricht, Stauffenberg und Merz von Quirnheim: „Ich erkläre Sie hiermit alle drei für verhaftet." — Olbricht: „Sie täuschen sich über die wahren Machtverhältnisse. Wir verhaften Sie.“ IMT. Bd. XXXIII S. 400 ff. (Aussage Hoeppners.) Vgl. Schlabrendorf S. 188 ff. (nach persönlichem Bericht Fromms und der Anklageschrift gegen ihn.)

  195. Gegenbefehle erteilten am 20. Juli vor allem OKH, OKW und der Stab des Generals der Panzerinspektion (Guderian). Zeller S. 267.

  196. Müller S. 98. — Vgl. IMT Bd. XXXIII 319 (Aussage Stiess). S. 407 (Aussage Hoeppners) und G. K. „Hamburger Allgemeine" 20. 7. 49. Wie weit und wie lange die Nachrichtenblockade des FHQ. ’s von Fellgiebel durchgeführt werden konnte, ist nicht bekannt. Zeller S. 25 8 ff. schätzt bis 15. 30. (Um 12. 42 erfolgte das Attentat. Um 15. 30 lief der Putsch in Berlin erst an, sodaß die vorübergehende Nachrichtensperre für die Putschisten ohne Wert blieb.)

  197. Dulles S. 237.

  198. vgl. Müller S. 87 ff.

  199. Oberst Gläserner, Kommandeur der Panzertruppenschule II in Krampnitz machte die Schule am 20. Juli umständlicher als nötig marschbereit und ließ sie — als er den Putsch erkannte — zur Siegessäule abschwenken, statt gegen die SS in Lichter-felde vorzurücken. Müller S. 88. Vgl. Zeller S. 265/66. — Die Infanterie-Schule Döberitz war um 17 Uhr alarmiert worden und um 20. 30 Uhr noch immer nicht abmarschbereit. Müller S. 43 ff. Vgl. Zeller S. 268. — Major Reiner, der Kommandeur des Berliner Wachregiments, der zunächst dem Befehl Hases Folge geleistet und das Regierungsviertel abgeriegelt hatte, ließ seine Truppen wieder abrücken (gegen 21 Uhr), als er den Putsch erkannte. Remer S. 12. Zeller S. 230. Von den Kommandeuren der in und um Berlin stationierten Schulen und Heereseinheiten wirkte nur Oberst Momm von der Reit-und Fahrschule Krampnitz für die Verschwörer. Müller a. a. O., Zeller S. 370.

  200. — Fernschreiben Stauffenbergs um 18. 30 Uhr kurz nach der Rundfunkmeldung, daß ein Attentat auf Hitler verübt und mißglückt sei. — „Das durch den Rundfunk bekanntgegebene Communique trifft nicht zu. Der Führer ist tot. Die angeordneten Maßnahmen sind mit höchster Beschleunigung durchzuführen. — Der Befehlshaber des Ersatzheeres und Oberbefehlshaber im Heimatkriegsgebiet. Stab Nr. 5000/44 geh. gez. St.“ (Stauffenberg). — Ruland „Die Welt“ 2. 8. 47. — Uber ein Ferngespräch Stauffenbergs im etwaigen Wortlaut berichtet John. — „Hier ist Stauffenberg . . . ja. alle Befehle vom Oberbefehlshaber des Heimatheeres ... ja, natürlich .. . das ist so . . . alle Befehle sind unverzüglich auszuführen. Sie müssen alle Rund-funkstationen und Nachrichtenbüros besetzen ... Jeder Widerstand muß gebrocen werden. . . Es ist sehr wahrscheinlich, daß Gegenbefehle vom Führerhauptquartier gegeben werden. .. Sie sind nicht glaubwürdig ... nein ... die Wehrmacht hat die Vollzugsgewalt übernommen, keiner außer dem Befehlshaber des Ersatzheeres ist berechtigt. Befehle zu geben ... verstehen Sie ... ja, das Reich ist in Gefahr, und wie immer übernimmt in der Stunde der Gefahr der Soldat das Kommando...

  201. Zeller S. 289.

  202. Vgl. die Darstellungen bei Bor/Halder S. 120 ff. Kordt S. 241 ff. Schacht S. 79 ff. Gisevius S. 44 ff.

  203. Zeller S. 287.

  204. Das Verzeichnis beschränkt sich auf Quellen und spezielle Darstellungen zur Geschichte der Beck/Goederler-Verschwörung, verzeichnet also nicht das — in weitem Maße mit herangezogene — Material zur allgemeinen militärischen, innen-und außen-politischen Geschichte der nationalsoziälistisdren Zeit.

  205. Wolfgang Foerster „Ein General kämpft gegen den Krieg. — Aus nachgelassenen Papieren des Generalstabschefs Ludwig Beck." München 1949. S. 90 ff. Eine Anmerkung Foersters belegt die oben zitierte Denkschrift wie folgt: „In Becks Papieren seine eigenhändige Niederschrift und ein Schreibmaschinendurchschlag. Die erstere hat er mit dem Vermerk versehen: „Am 30. 5. von mir Ob. d. H. vorgeJesen.“

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