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Multinationale Konzerne und internationale Gewerkschaftsbewegung | APuZ 11/1974 | bpb.de

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APuZ 11/1974 Multinationale Konzerne -Internationale Kapitalstrategie ohne Grenzen? Ossip K. Flechtheim zum 65. Geburtstag Multinationale Konzerne und internationale Gewerkschaftsbewegung

Multinationale Konzerne und internationale Gewerkschaftsbewegung

Ernst Piehl

/ 47 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Aufsatz wird als Beitrag vor allem zur Analyse und auch zur Strategie der Arbeiterbewegung im international organisierten Kapitalismus verstanden. Seine Aufgabe sieht der Verfasser darin, die wichtigsten Materialien und Dokumente auszuwerten und zu bewerten, ob und wie sich die Gewerkschaftsbewegung hinsichtlich ihres Programms und ihrer Praxis gegenüber den MNK tatsächlich in einem Prozeß der Internationalisierung befindet. Der weltweiten Kapitalkonzentration und der massiven Interessenorganisation der Unternehmerschaft steht eine zersplitterte Gewerkschaftsbewegung gegenüber. Eine systematische Untersuchung der Aktivitäten von Kapital und Arbeit in ausgewählten MNK unterstreicht, daß die Gewerkschaftsbewegung nicht nur ideologisch gespalten, sondern auch auf die nationalstaatlichen Bedingungen und auf ihre jeweils eigenen Strategien und Organisationen fixiert ist. Zu den strategisch-strukturellen Divergenzen kommen materiell-technische und konzeptionell-intellektuelle Mängel hinzu. Sie alle verursachen partielle Egoismen, Interessenkonflikte und Kompetenzkontroversen. Trotz aller Probleme und Widersprüche in der internationalen Gewerkschaftsbewegung ist eine gemeinsame Strategie zu finden, die sowohl auf einer übersichtlichen Gewerkschaftsstruktur als auch auf einer klaren Arbeitsteilung basiert. Die Ansätze der gewerkschaftlichen Weltkonzernausschüsse können in einen Verbund mit den Internationalen der Branchengewerkschaften und der Bünde gebracht werden. Eine offensiv gegenüber dem multinationalen Kapital zu praktizierende Strategie hat sich an den Zielen internationaler Gegenmacht und Solidarität zu orientieren und die Möglichkeiten koordinierter Aktionen — wie Ablehnung von Überstunden und Durchführung von Teilstreiks — in den MNK-Betrieben zu entwickeln.

Die Macht der Multinationalen Konzerne (MNK) fordert nicht nur die Nationalstaaten, sondern auch die Arbeiterbewegung (Gewerkschaften und politische Parteien) zu Reaktion und Aktion heraus. Jeglicher Strategiediskussion muß allerdings eine gründliche Analyse vorangehen. Dazu will dieser Aufsatz über die Problembereiche der internationalen Gewerkschaftsbewegung beitragen In dieser Teilanalyse konzentrieren wir uns auf die hochindustrialisierten Staaten der kapitalistischen Welt, da eine auch nur annähernd umfassende Analyse der Gewerkschaften sowohl in den sozialistischen Ländern als auch in der sog. Dritten Welt besondere Studien erfordern würden.

Einerseits können wir davon ausgehen, daß die ökonomische und politische Entwicklung des Kapitalismus seit dem Zweiten Weltkrieg vor allem in Westeuropa eine zunehmende Zahl gemeinsamer Bedingungen in den einzelnen Ländern hervorgebracht hat, andererseits werden die Bedingungen für die Gewerkschaften von den „alten" und den „neuen“

1. Primat des Nationalstaates a) Nationale Rechtsschranken und Kapital-interessen In Abwandlung eines in vielen westlichen Verfassungen niedergelegten Anspruches trifft man durchaus die bis heute herrschende Wirklichkeit, wenn man formuliert: „Alle Macht geht vom Nationalstaate aus." Dessen Legislative, Exekutive und Judikative setzen formal in den „parlamentarischen Demokratien“ alle Normen, nach denen sich die gesamte Gesellschaft richten muß. Faktisch wird also nicht in der „klassischen Gewaltentei-

Spaltungen, Divergenzen, Ungleichgewichten, Konflikten, Kontroversen usw. geprägt. Im folgenden werden die hauptsächlichen Probleme — wobei hier die Spannungen zwischen weltweiter und westeuropäischer Ebene ausgeklammert bleiben — in sechs Abschnitten dargestellt: An erster Stelle der Komplex, in dem die beiden Begriffe „Staat" und „Nation" dominieren; zweitens die weltpolitisch-ideologische Spaltung; drittens die strategische Zersplitterung in der gleichen gewerkschaftlichen „Richtungsfamilie“ und viertens die für die Gewerkschaften wichtigen Unterschiede im System der Kollektivverhandlungen. Schließlich sind fünftens die mehr quantitativen Ungleichgewichte — wie verschiedene Organisationsgrade — und sechstens die Interessenkonflikte innerhalb der internationalen Gewerkschaftsbewegung selbst herauszuarbeiten. Abschließend werden die Möglichkeiten der Gewerkschaften gegenüber den MNK skizziert, die sie trotz aller eigenen Probleme als „Gegenmacht" entwickeln könnten.

I. Nationalstaatliche Bedingungen und nationale Gewerkschaftspolitik

lung" regiert, sondern die ökonomisch Mächtigen üben tendenziell über mehrere Vermittlungen in dem „überbau", den Staat, auch politisch den entscheidenden Einfluß aus.

Das Gebiet des Arbeitskampfrechts macht möglicherweise am deutlichsten, wie berechtigt die kritische Definition „des herrschenden Rechts als dem Recht der Herrschenden" tatsächlich ist, oder anders formuliert: wie groß die Deckungsgleichheit zwischen Rechtsvorschriften und Kapitalinteressen heute ist. In einigen Nationalstaaten gibt es gegenwärtig noch gültige Normen, die Solidaritätsbekundungen oder Sympathiestreiks von Beschäftigten des gleichen MNK verbieten, in anderen Ländern wiederum gibt es keinerlei derartige Bestimmungen. Dort, wo es sie gibt — wie in der Bundesrepublik—, sind sie allerdings sowohl voneinander verschieden als auch in der „herrschenden Meinung" umstritten. Hier wirkt offensichtlich die Drohung mit dem Verbot so stark, daß bisher keine Gewerkschaft gewagt hat, es auf die praktische Probe ankommen zu lassen. Während des Streiks vom Frühjahr 1971 in England produzierten beispielsweise die Arbeiter bei FORD Deutschland — in der Befürchtung, entlassen zu werden oder Ausgleichszahlungen bei Kurzbarbeit zu verlieren — Kurbelwellen, die sonst von FORD Britain geliefert wurden

In der gewerkschaftlichen Diskussion mehren sich inzwischen die Stimmen, die meinen, daß zwar die kapitalfreundliche Tendenz für sol-che Reglementierungen vor allem durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angelegt ist, ein Sympathiearbeitskampf jedoch auch in der Bundesrepublik prinzipiell nicht verboten sei Ohne hier auf die detaillierten Voraussetzungen oder auf die Grundsätze der Sozialadäquanzlehre eingehen zu können, muß doch festgehalten werden, daß die von Repräsentanten der Unternehmerinteressen wiederholte Meinung, tarifliche Friedenspflicht verbiete Solidaritätsstreiks, in dieser Generalität falsch ist. Vielmehr scheint uns richtig, daß das jeweilige „positive" Recht — in Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Lehrmeinung — stets im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen zu sehen ist. Allgemeingut wurde inzwischen die Erkenntnis, daß historisch das gewerkschaftliche Streikrecht in den Nationalstaaten nur durch die opferreichen Kämpfe der Arbeiterbewegung erstritten worden ist. Ebenso können gegenwärtig internationale Aktionen und gewerkschaftliche Stärke zur überall gültigen Legalisierung des solidarischen Arbeitskampfes in den MNK führen. Dafür haben die koordinierten Aktionen der betrieblichen Gewerkschaftskomitees in Breda und in Wuppertal des AKZO-ENKA-GLANZSTOFF-Kon-zerns bereits erste Ansätze erbracht. Vor den miteinander abgestimmten Aktionen der „hei-ßen" Septembertage 1972 hieß es in der „herrschenden" Meinung, daß solche Solidaritätsstreiks verboten seien Selbst in der Septemberwoche 1972 fürchteten die Betriebsräte die Folgen ihrer Aktion, was erst durch die breite Solidarität in der Arbeiterschaft und durch den Weitblick einzelner Gewerkschafter zurückgedrängt wurde.

b) Gewerkschaften in den „Grenzen" der Nationalstaaten

Die Gewerkschaften haben sich geschichtlich mehr oder weniger in allen kapitalistischen Industrieregionen gleichzeitig mit der Bildung bzw. Festigung der Nationalstaaten, insbesondere in Mitteleuropa, entwickelt. Seit den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts hat sich die Integration der gewerkschaftlichen Führungen in die staatlichen Lenkungsinstitutionen — „Planification", „Konzertierte Aktion'u. ä. m. — immer weitgehender vollzogen. Die darin liegende vielschichtige „Eingrenzung“ wird nicht nur in ihren gesellschaftspolitischen Gefahren — vor allem auf wirklich autonome Lohnkämpfe in den einzelnen Ländern — sondern auch als Schranke für internationale Aktionen oft unterschätzt. Bei dieser institutionalisierten Mitwirkung der Gewerkschaften im Staat, die im Grunde nichts weiter als ein effektiveres Krisenmanagement zur Lösung der Widersprüche im Kapitalverwertungsprozeß ist, wird bei den Gewerkschaftsführern die Illusion geweckt, sie seien tatsächlich an den Machtzentren beteiligt. Allerdings ist diese Kritik an die „traditionelle" Arbeiterbewegung in allen westlichen Ländern zu richten, die die Umsetzung ihrer antikapitalistischen Konzeptionen überwiegend auf den jeweiligen Nationalstaat bezieht. Dabei ist ihnen nicht immer bewußt, daß „die politisch und wirtschaftlich Mächtigen, deren Privilegien und Macht es aufzulösen gilt, ihre Herrschaft nicht mehr auf der Ebene nationaler Gesellschaften organisiert ha-ben ..." Die führenden Gewerkschafter orientieren sich offensichtlich deshalb am Nationalstaat, weil „ihre Genossen" in den sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien oder in Italien sowie in Frankreich auch in den kommunistischen Parteien in ihm bisher effektiv zu handeln vermögen. In diesem Rahmen verfügen sie über einige erprobte Einflußmittel, für die sie oft über ein Jahrhundert lang gekämpft haben.

Bekanntlich haben kämpferische Aktionen — neben dem Erfolg in der Mobilisierung — nur dann einen bleibenden Wert, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt institutionell abgesichert werden. Deshalb sind etwa die Mitgliedsverbände der Internationalen Chemiearbeiter-Föderation (ICF) gut beraten, wenn sie gezielte Forderungen zu Gesetzesänderungen aufstellen und diese mit kontinuierlicher Information und Mobilisierung der Beschäftigten unterstreichen. Zu solcher Aktivität gibt es im beispielhaften AKZO-Fall auch allen Anlaß, denn die zentrale MNK-Leitung läßt seit ihrer „ersten Niederlage" über ihr Teil-unternehmen ENKA-GLANZSTOFF nichts un-versucht, um durch Vorzugsangebote die nationalen Beschäftigungsgruppen in den Niederlanden, in der Bundesrepublik und in Belgien gegeneinander auszuspielen. Die Chancen dieser sicher schon mehrfach mit Erfolg erprobten Kapitalstrategie stehen auch nicht schlecht, denn die nationale „Anfälligkeit" ist sowohl bei der Arbeiterschaft wie selbst bei international erfahrenen Funktionären nicht zu unterschätzen.

2. Sprache und traditionelle Verhaltensmuster a) Barrieren der Sprache und der Geschichte Der Präsident des AKZO-Konzerns, Kraijenhoff, kann sich in fünf Sprachen ausdrücken und noch weitere verstehen. Ein solcher „international man" ist auf der Kapitalseite kein Einzelfall. Der Chemiewerker des gleichen AKZO-Konzerns in Breda hat lediglich Holländisch in der Volksschule gelernt, aber wegen mangelnder Weiterbildung fällt ihm schon das grammatikalisch richtige Schreiben eines Flugblattes in seiner Muttersprache schwer. Auf keinen Fall kann er sich mit seinem Kollegen aus Wuppertal fließend unterhalten. Selbst die in der Zusammenarbeit multinationaler Konzern-Ausschüsse inzwischen erfahreneren hauptberuflichen Gewerkschafter haben nie eine fundierte Sprachausbildung genossen. Im bilateralen Kontakt werden oft die Kollegen aus den Grenzregionen mit der „internationalen Abteilung" betraut, denn sie sind im Glücksfall zweisprachig aufgewachsen. Alle anderen sind bei grenzüberschreitenden Treffen auf Dolmetscher und in der Korrespondenz auf Übersetzer angewiesen. Beides ist schon generell ein schwieriges Problem, um so mehr aber für die, die nie die INHALT I. Nationalstaatliche Bedingungen und nationale Gewerkschaftspolitik 1. Primat des Nationalstaates 2. Sprache und traditionelle Verhaltensmuster II. Weltpolitisch-ideologische Spaltung 1. Konfrontation der Blöcke 2. Feindschaft zwischen den „Verwandten": IBFG und WGB 3. Konfrontation oder Kommunikation? III. Divergierende Strategien der Gewerkschaften 1. Ursachen und Typen der unterschiedlichen Strategien 2. Gegenwärtige Hauptkonzeptionen in Westeuropa IV. Unterschiede in Gewerkschaftsstruktur und Kollektivverhandlungssystem 1. Verschiedene Organisationsprinzipien 2. Formelles und informelles Verhandlungssystem 3. Flächen-oder betriebliche Tarifabschlüsse V. Materiell-organisatorische Ungleichgewichte 1. Ungleichgewichte im bilateralen Vergleich 2. Schwächen auf multilateraler Ebene VI. Interessenkonflikte und Kompetenz-Kontroversen 1. Betriebsegoismen gegenüber Gesamtinteressen der Beschäftigten in den MNK 2. Konflikte zwischen Vertretern der Zentralen und der Betriebe 3. Kontroversen zwischen konföderalen und föderalen Organen 4. Kontroversen zwischen föderalen Organen auf gleicher Ebene VII. Möglichkeiten gewerkschaftlicher Strategie gegenüber den MNK 1. Ziele 2. Mittel 3. Strategiefelder 4. Bündnispartner Lernmöglichkeit bekamen, sich in der eigenen Sprache verständlich auszudrücken. Darüber hinaus gibt es sicher viele Dolmetscher, die internationale Fachmedizinkongresse gut übersetzen können, aber sehr wenige, die mit der Sprachwelt eines Arbeiters vertraut sind. Für die internationale Arbeit der Gewerkschaften müssen Dolmetscher mehr als nur „Übersetzer“, nämlich gleichzeitig „Interpreten" sein. Diese Qualifikation müssen die Sekretäre der internationalen Büros auf jeden Fall haben. Beispielsweise hat das Generalsekretariat der Internationalen Union der Lebensmittelarbeiter-Gewerkschaften (IUL) mit nur drei qualifiziert ausgebildeten Kräften eine Korrespondenz zu erledigen, die in zehn Sprachen eingehen darf und in fünf Sprachen beantwortet werden muß. Aber keineswegs alle Gewerkschafter, auch wenn sie nationale Vorstandspositionen bekleiden, beherrschen eine dieser „Weltsprachen“. Deshalb beteiligen sich Verbände mit „ausgefallenen" Sprachen oft nicht einmal an einem Minimum von Informationsaustausch Darüber hinaus kann aus Kostengründen auf internationalen Treffen meist nur eine Simultanübersetzung weniger Verbandssprachen — Englisch, Französisch, Spanisch — arrangiert werden; so können zwar diejenigen, die mit anderen Muttersprachen kommen, im besten Fall einigermaßen verstehen, sie sind aber kaum in der Lage, eigene Beiträge in Fremdsprachen vorzutragen. Die Begriffe „Mutter" -und „Fremd" -Sprache deuten eine weitergehende Problematik an: Sprache ist mehr als eine technische Kapazität, dahinter verbirgt sich eine Fülle historisch-soziologisch-psychologischer Zusammenhänge.

b) Traditionelle Verhaltensweisen Noch schwieriger als die Sprachbarrieren sind die Denk-und Verhaltensstrukturen zu überwinden, die von der Zugehörigkeit zu einer Nation geprägt worden sind; vor allem deshalb, weil hier auch irrationale und emotionale Einflüsse eine Rolle spielen. Ohne den Anspruch zu haben, eine systematische Soziologie der internationalen Gewerkschaftsbewegung zu liefern, wollen wir doch einige für uns symptomatische Beobachtungen anführen. Auf allen internationalen Gewerkschaftsversammlungen, an denen ich bisher teilnahm, bildeten sich in den Pausen oder in der sitzungsfreien Zeit überwiegend nationale Grüppchen. Und das kann nicht nur an den Sprachbarrieren liegen, denn inzwischen gibt es so viele „internationale Hasen", die durchaus zumindest kleine Privatgespräche in anderen Sprachen führen können. Falls solche hier und da zustande kamen, drehten sie sich mehr um die letzten Fußballänderspiele der Nationen als um die jüngsten Tarifrunden der am Tisch Versammelten. Diese Impressionen werden auch von anderen Gewerkschaftern bestätigt, wenn beispielsweise der Betriebsratsvorsitzende der Honeywell GmbH, Roll Knecht, nach einer internationalen Konferenz berichtet, „daß bei konkreter Diskussion un-sere Kollegen verstehen lernen, welcher Unterschied zwischen dem Arbeitsleben und der Austraqunq eines Länderspiels im Fußball besteht“

Die weitgehende Glorifizierung der eigenen Nation ist im Sport problematisch genug, für die internationalen Gewerkschaftsbeziehungen können sie deren Existenz in Frage stellen. Vom Stolz auf das jeweils im „eigenen" Land Erreichte, über die nationale Selbstgerechtigkeit ist der Weg zu gegenseitigem Mißtrauen nicht mehr weit. Ursachen dafür sind sowohl mangelnde Detailinformationen über andere Länder und die Befangenheit in „nationalen" Klischees und Vorurteilen als auch unterschiedliche Auffassungen über das gewerkschaftliche Verhalten im Alltag. Bezeichnenderweise sind die Verhaltensmuster jeweils von Nation zu Nation verschieden und nicht bestimmt vom ideologisch-politischen Standort. So verschieden die drei größten Gewerkschaften Frankreichs, CGT, CFDT und FO, auch sein mögen, ihre Verhaltensweisen sind gleich, im krassen Unterschied etwa zum bundesdeutschen DGB. Zwei Belege dafür: Die Vorstandsmitglieder aller drei französischen Gewerkschaftsbünde erhalten das Ge-halt eines Facharbeiters auf dem Niveau der Pariser Region, dagegen sind die Gehälter der gleichen Funktionsträger in der Bundesrepublik nicht einmal in den Gewerkschaften selbst bekannt. Die unterschiedlichen Rollenverständnisse spiegeln sich auch im Auftreten auf internationalen Zusammenkünften wider: Die solidarische Aussprache im Interesse aller abhängig Beschäftigten eines MNK wird sicher nicht besonders gefördert, wenn die deutschen Kollegen gerade mit Mercedes und Chauffeur vorgefahren sind.

II. Weltpolitisch-ideologische Spaltung

1. Konfrontation der Blöcke Der Problembereich der weltanschaulich-politischen Spaltung wird in den meisten Abhandlungen zur Zersplitterung der internationalen Gewerkschaftsbewegung an erster Stelle herausgestellt. Dabei wird ausführlich und meist mit entgegengesetzter Interpretation die wechselvolle Geschichte von Einheit und Schisma in der Gewerkschaftsbewegung dargestellt. Oft werden deshalb die jüngeren Ansätze eines kommunikativen Verhaltens gerade gegenüber den MNK übersehen. Dennoch bleiben bis heute Gräben zwischen den Gewerkschaftsrichtungen bestehen.

Im Unterschied zu dem internationalen Kapital haben sowohl gegenseitige Feindbilder, wie „Kommunismus" und „Sozialdemokratis-mus" seit über 50 Jahren als auch der Kalte Krieg seit über 25 Jahren die internationale Gewerkschaftsbewegung tief gespalten. Die Folgen waren und sind wechselseitiges Mißtrauen sowie insbesondere für die IBFG-und auch WGB-Richtung die jeweilige Integration in die weltpolitischen Blöcke. Dies geht so weit, daß z. B.der mehrheitlich sozialdemokratische „Internationale Bund Freier Gewerkschaften" (IBFG) erst Ende 1972 zum Vietnamkrieg Stellung nahm oder daß der mehrheitlich kommunistische „Weltgewerkschaftsbund" (WGB) schwieg, als die Kohlelieferungen aus Polen den letzten Streik der spanischen Bergarbeiter wirkungslos mach-ten. An Beispielen für die jeweilige Blockbindung fehlt es auf beiden Seiten nicht. Dabei ist ein Anachronismus gerade für den IBFG bemerkenswert: Er unterstreicht seine Zugehörigkeit zur westlichen Allianz fast noch stärker nach Austritt des nordamerikanischen Bun-des AFL-CIO, der sich in seiner strikt antikommunistischen Politik direkt auf die US-Administration verläßt und nicht müde wird, zumindest Teilen des IBFG eine prokommunistische Haltung vorzuhalten. Die Befangenheit in den jeweiligen Blöcken wird durch die Tendenz verstärkt, daß in den dominierenden Ländern die Gewerkschaften die Rolle von „staatserhaltenden Kräften" von Beginn an haben bzw. mehr und mehr annehmen. Vermittlungsinstanz sind einerseits die kommunistischen, andererseits die sozialdemokratischen Parteien, sofern sie an der Regierung sind.

Von der Blockkonfrontation her erklären sich auch grundlegend die Konfrontationen in der praktischen Politik gegenüber dem internationalen Kapitalismus, obgleich sich die konkrete Programmatik bei näherem Hinsehen meist nur noch in der Terminologie unterscheidet. Nehmen wir das Beispiel des DUN-LOP-PIRELLI-Konzerns: Obwohl dort sicher noch die geschilderten subjektiven Rivalitäten hinzukamen, können wir dennoch zwischen den beiden Welträten der Gewerkschaften keine Unterschiede in der Sache ausmachen. Die dem WGB angeschlossene Internationale Vereinigung der Gewerkschaften (IVG) Chemie, bei der nur knapp 20 °/o aller Beschäftigten dieses MNK organisiert sind, versuchte vor allem über ihre italienische Mitgliedsgewerkschaft zu einer „Aktionseinheit" zu kommen, während sich die ICF dadurch in ihrem „Alleinvertretungsanspruch" gegenüber DUNLOP-PIRELLI bedroht sah und wahrscheinlich erst dann überhaupt an eine Kommunikation denkt, wenn die osteuropäischen Kapitalinvestitionen auch dieses Konzerns in die Gewerkschaftsstrategie vom WGB miteinbezogen werden 2. Feindschaft zwischen den „Verwandten“

des IBFG und des WGB Die bis in die jüngste Zeit andauernden, zwar zunehmend versteckten, aber nicht minder brisanten Rivalitäten zwischen den Gewerkschaftsführungen der drei internationalen Richtungen spielen sich vor allem zwischen dem IBFG und dem WGB ab. Das nicht nur deswegen, weil die Gewerkschaften des ehemals christlichen „Weltverbands der Arbeitnehmer" (WVA) nur noch in wenigen Regionen von Bedeutung sind, sondern weil die beiden größten internationalen Bünde aus der historisch gleichen europäischen Arbeiterbewegung hervorgingen und auch nach dem Zweiten Weltkrieg über vier Jahre lang wiedervereinigt waren. Sie können als „verfeindete Verwandte" charakterisiert werden, und eine solche Feindschaft ist bekanntlich schwieriger aus der Welt zu schaffen als die zwischen Fremden. Die oft personalisierte, gegenseitige Bekämpfung wird international vor allem von denjenigen Mitgliedsgewerkschaften betrieben, die sich auch auf nationaler Ebene in offenen Fronten gegenüberstehen und die dort keinerlei Anstrengungen machen, zumindest zu gemeinsamen Aktionen zu kommen. Dies trifft insbesondere auf Frankreich zu, wo die von der CGT in der Nachkriegszeit abgespaltene FO auf einem scharfen Kollisionskurs steuert Dies gilt aber auch für Länder, wo der Antikommunismus eine ganze Generation geprägt hat, die auch in den Gewerkschaften heute an der Macht ist, z. B. in der Bundesrepublik.

Gleichwohl konnte die „Normalisierung" in den Beziehungen zwischen beiden Richtungen, die simultan zu der weltpolitischen Entspannungspolitik verläuft, nicht mehr aufgehalten werden, und die Kontakte haben sich gegenwärtig auf allen Ebenen vervielfacht. Dennoch bleibt eine Fülle von Widersprüchen bestehen und zumindest auf selten der IBFG-Gewerkschaften beteiligt man sich an der gewerkschaftlichen „detente" halbherzig und mißtrauisch. Zum Beispiel hat der DGB in den letzten Jahren — bewußt als Flankierung zur Brandtschen Ostpolitik — mit den WGB-Ge-werkschaften Osteuropas zahlreiche Beziehungen angeknüpft, aber weiterhin werden Sanktionen gegen alle Kontaktaufnahmen mit WGB-Gewerkschaftern in Westeuropa, auch wenn sie nur privaten, wissenschaftlichen oder jugendpolitischen Charakter haben, angewandt. Der Exekutivausschuß des „Europäischen Bundes Freier Gewerkschaften in der Europäischen Gemeinschaft" (EBFG) hat 1969 mehrheitlich bestätigt, „daß er es ablehnt, mit Delegationen der CGIL und der CGT in Sitzungen auf Gemeinschaftsebene vertreten zu sein" Inzwischen haben allerdings genau dies EBFG-Delegierte in den ständigen Beratungsgremien und auf außerordentlichen Konferenzen vielfach getan, ohne daß der offizielle Beschluß aufgehoben worden wäre. Einen mindestens ebenso zähen wie realitätsfernen Kampf führt auf Weltebene der IBFG. Das faktische Verbot für bilaterale Kontakte, z. B. zwischen dem DGB und dem sowjetischen WZSPZ, ist zwar 1970 aufgehoben worden, aber auf multilateraler Ebene scheut der IBFG weiterhin Kontakte und Verhandlungen. Die formalistische Trennung zwischen beiden Kommunikationsmöglichkeiten führt ihn ständig mehr in die Defensive, die darüber hinaus viel Zeit und Energien der ohnehin knappen Gewerkschaftskapazitäten auf internationaler Ebene verschleißt.

3. Konfrontation oder Kommunikation?

Bei allen gewerkschaftlichen Organisationen sind — allerdings mehr oder weniger ausgeprägt — Tendenzen der Verselbständigung der Apparate festzustellen. Dabei ist die Distanz der internationalen Vertretungen von den Vertretenen, nämlich den gewerkschaftlich Organisierten, die durch ihre Beiträge auch die internationalen Sekretariate finanzieren, noch größer als auf der nationalen Ebene. Deshalb werden auch die Entscheidungen, wie wir sie oben für das Verhältnis IBFG/WGB beschrieben haben, ohne jede direkte Kontrollmöglichkeit durch die Betroffenen getroffen. Die Rechenschaftspflicht des Generalsekretärs gegenüber dem Exekutivausschuß des IBFG beispielsweise ist deshalb nur eine reine formale Angelegenheit, weil die Präsidenten der Mitgliedsbünde derart von den nationalstaatlichen Anforderungen in Anspruch genommen werden, daß sie in der Regel die internationalen Sitzungen lediglich als Routineangelegenheit betrachten. Die Folgen, gerade in bezug auf das inter-nationale Gewerkschaftsschisma, haben die Kollegen in den MNK-Betrieben zu tragen, übereinstimmend wird berichtet, daß „ideologische Unterschiede verschiedenster Art ein Hemmnis (waren), um zur Aktion (zu) gelangen" oder man bedauert, daß wegen der divergierenden internationalen Bindungen auf Seiten der Gewerkschafter „am Verhandlungstisch nicht unbedingt die stärkste Gruppe (sitzt)"

Die Gräben der weltanschaulichen Gewerkschaftspaltungen werden in den letzten Jahren am wirkungsvollsten von der WVA (Weltverband der Arbeitnehmer) zu überbrükken versucht. Als eine heute sich „pluralistisch" bezeichnende Internationale hat sie, namentlich durch den französischen Mitgliedsbund CFDT, eine Mittlerrolle eingenommen, die allerdings bisweilen wegen eigener Repräsentationsinteressen widersprüchlich ausfiel. Zum Beispiel widersetzte sie sich auf dem Genfer Parkett der IAO (Internationale Arbeitsorganisation) nach Absprache mit dem WGB Anfang 1972 der Vertretungsdominanz der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat durch den IBFG. Als letztere davon erfuhr, setzte er alle diplomatischen Hebel an, um bei den Wahlen im Juni eine noch erdrückendere Repräsentation durchzusetzen. Nachdem dies tatsächlich gelang, bemühte sich der WVA wieder um bessere Beziehungen zu dem IBFG, was zu der ersten Zusammenkunft von Delegationen beider Vorstände Ende 1972 führte. Wenn diese nur als „bilaterale" Kontakte fortgesetzt werden, verärgern sie aber wiederum den WGB, dessen Strategie ja gerade auf die „Multilateralität“ zielt.

Eindeutiger noch als auf Weltebene nutzen WVA-Gewerkschafter auf westeuropäischer Ebene ihre Chance einer Vermittlung zwischen den beiden nahezu total zerstrittenen „Familien". Dazu trägt die gradlinie Politik ihrer noch bedeutenden Mitgliedsbünde in Westeuropa, gerade der bereits erwähnten CFDT (Französische Demokratische Arbeitervereinigung), bei. Diese Gewerkschaft trägt bei aller Deutlichkeit ihrer eigenen politischen Programmatik, die um die Kernbegriffe: Demokratie, Sozialismus und „Autogestion" formuliert ist, keine Scheuklappen in ihrer internationalen Strategie. Sie arbeitete ebenso mit den größten Metallgewerkschaften Frankreichs und Italiens zusammen, z. B. im Konzern FIAT-CITROEN, wie ihre Metallgewerkschaft als Mitglied des IBM bei all deren Aktivitäten, z. B. gegenüber FORD direkt beteiligt ist. Eine Fallstudie PHILIPS könnte aufzeigen, daß auch die WVA-Metallgewerkschaf-ten Belgiens und der Niederlande zu praktischer Kooperation über die Richtungsgrenzen hinweg bereit und kontinuierlich dazu imstande sind. Von dieser gemeinsamen Erfahrung sind sicher wesentliche Impulse für den nationalen Einigungsprozeß der Gewerkschaften in den Niederlanden ausgegangen, wenn dieser auch „leichter" zu wägen ist als derjenige in Italien.

III. Divergierende Strategien der Gewerkschaften

1. Ursachen und Typen der unterschiedlichen Strategien Die Systeme der Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten und der gewerkschaftspolitischen Strategie im Kapitalismus haben eine Vielzahl von Begriffen und Typen hervorgebracht: „Partnership", „Participation", „Wirtschaftsdemokratie", „ Mitbestimmung", „Workers'Control", „Contröle ouvrier" sind lediglich die am häufigsten genannten. Allein unter den sieben Bünden des ehemaligen EBFG im Sechsereuropa waren mehrere davon schlagwortartig im kontroversen Gespräch — vor allem die Konzepte der bundesdeutschen „Mitbestimmung" gegenüber der belgischen. „Arbeiterkontrolle". Diese Kontroverse wurde nur ansatzweise im EBFG vor der Kampfabstimmung über die Europäische Aktiengesellschaft, aber nie systematisch ausdiskutiert, etwa spezifiziert nach den Ebenen im Entscheidungsprozeß: Arbeitsplatz, Betrieb, Unternehmen, Konzern, MNK und Gesamtwirtschaft (national, europäisch und weltweit) ausgetragen, so daß sich die Mißverständnisse häuften und die gegenseitigen Aversionen zunahmen Bis heute — auch im Entstehungsprozeß des neuen Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) — bleiben die scheinbar unvereinbaren Positionen nebeneinander stehen, mit der Folge, daß das seit Jahren angekündigte Grundsatzprogramm der IBFG-Gewerkschaften in Westeuropa noch nicht einmal diskutiert wurde. Im Gegenteil, die nationalen Bünde verstärken ihre Anstrengungen, um das jeweils „eigene" und „bewährte" Konzept in einem EGB-„Aktions-programm" fortzuentwickeln

Unter den größten Gewerkschaften der kapitalistischen Welt lassen sich im wesentlichen — bei Hintanstellen vieler Besonderheiten — vier voneinander verschiedene Grundkonzepte der Arbeiterinteressenvertretung ausmachen, die auch gegenüber den MNK in den jeweiligen Bereichen ihren Einfluß haben:

a) Institutionalisierte Beteiligung von Vertretern der Belegschaft und der Gewerkschaften in den wichtigsten Organen des Betriebes, des Unternehmens und des Konzerns. Dieses „Modell" wird am weitestgehenden von dem Einheitsgewerkschaftsbund DGB in der Montanindustrie der Bundesrepublik als „Mitbestimmung" seit über 20 Jahren in die Praxis umgesetzt, als Folge älterer Vorstellungen von „Wirtschaftsdemokratie" und jüngerer von einer „Neuordnung der Wirtschaft".

b) Nicht formalisierte Gegenmachtkonzeption, allerdings mit ausgesprochen pragmatischer Orientierung zur reformerischen Weiterentwicklung der bestehenden Wirtschafts-und Gesellschaftsstruktur. Hauptvertreter dieser offiziellen Konzeption der „industrial de-mocracy", die allerdings von der auf einer starken Mobilisierung aufbauenden „shop-ste-ward" -Bewegung durch eine „workers’ con-trol" ergänzt bzw. ersetzt werden soll, ist der britische Einheitsverband TUC (Trade Union Council). c) Nicht formalisierte Gegenmachtkonzeption zur offensiven und radikalen Umgestaltung der kapitalistischen Machtverhältnisse durch möglichst kontinuierlichen Gewerkschaftskampf, der allerdings nicht auf die institutioneile Absicherung erkämpfter Positionen verzichtet. Zentral ist der teilweise verschieden interpretierte Begriff der „Arbeiterkontrolle", der von den stärksten Richtungsgewerkschaften Belgiens, Frankreichs und Italiens zu verwirklichen versucht wird.

d) Nicht institutionelle Verhandlungspartnerschaft mit dem Unternehmertum wird in dem sukzessive ausgebauten System des „collective bargaining" von den US-Gewerkschaften betrieben. Deren überwiegend materiell-pragmatische Einstellung geht soweit, daß man sie grob als bloße „Lohnmaschinen" ohne jegliche gesellschaftspolitische Konzeptionen bezeichnen kann.

Allerdings gibt es in der gerade durch die MNK zunehmend bestimmten Wirklichkeit durchaus Tendenzen zur Vereinheitlichung der historisch unterschiedlich entwickelten Konzeptionen. Daneben entstanden auch diverse Mischsysteme, die beispielsweise einige Elemente des amerikanischen Typus der „business Union" mit der dem deutschen Typus ähnelnden „codetermination Union" vermischten. 2. Gegenwärtige Hauptkonzeptionen in Westeuropa a) Mitbestimmung (Bundesrepublik Deutschland) Unter Mitbestimmung (MB) im weiteren Sinne versteht man die formelle Einflußnahme auf die Gestaltung aller gesellschaftlichen Lebensbereiche — wie Betrieb, Hochschule usw. Im engeren Sinne des deutschen Sprachgebrauchs bedeutet die MB die gesetzlich verankerte Teilnahme von Vertretern der Belegschaft und der Gewerkschaften in den Unternehmen. Man spricht von qualifizierter oder paritätischer MB, wenn im — formal die Unternehmenspolitik kontrollierenden — Aufsichtsrat gleichviele Vertreter der Arbeitnehmer den Kapitalverfügern gegenübersitzen. Durch die Fixierung auf dieses und das andere Unternehmensorgan Vorstand, in den nach dem „Montanmodell'ein „Arbeitsdirektor" sitzt, blieben bisher praktisch sowohl die „unteren" Ebenen — vor allem die des Arbeitsplatzes — als auch die gesamtwirtschaftliche Sphäre aus dem Blickfeld der bundesdeutschen Gewerkschaften Daran haben weder die Novellierung des 1952 sozial-partnerschaftlich angelegten Betriebsverfassungsgesetzes noch die bisher eher halbherzigen Vorschläge für Wirtschafts-und Sozialräte wesentliches geändert. Auch weist die wachsende Macht der MNK die deutschen MB-Regelungen insofern in ihre Schranken, als z. B. im Fall AKZO deutlich wurde, wie ein internationaler Konzern durch die Auslagerung der Entscheidungskompetenz ins Ausland deutsche MB-Rechte von Betriebsrat oder Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat de facto außer Kraft setzt.

Auf diesem Hintergrund der tatsächlichen Entwicklung ist die bisher nie versiegende „Skepsis" nahezu aller ausländischen Gewerkschaften gegenüber der MB zu verstehen. Dabei wird nicht so sehr die MB als Prinzip kritisiert, als vielmehr die bisherige Form und Praxis, insbesondere ihre integrativen Wirkungen wie: Mitverantwortung des Arbeitsdirektors an der Unternehmenspolitik, Schweigepflicht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gegenüber Dritten, betriebliche Friedenspflicht u. a. m. Deshalb findet sich trotz intensiver Bemühungen des DGB — namentlich über den EBFG/EGB-Ausschuß „Demokratisierung der Wirtschaft" — kaum eine Resonanz, selbst nicht bei den „treuesten Bundesgenossen" wie der FO (Force Ouv-riere) in Frankreich. Lediglich in den Niederlanden wird seit 1967 diskutiert, ob die Arbeiter ebenso wie die Aktionäre ein Enqueterecht gegenüber der Unternehmensleitung haben sollen allerdings stehen die niederländischen Gewerkschaften der Entsendung von Belegschaftsvertretern selbst nur in den Aufsichtsrat weiterhin skeptisch gegenüber. Eine fundamentale Kritik an der MB führt unter den international mit dem DGB verbundenen Gewerkschaften namentlich Belgiens FGTB, der „die Zweckbestimmung des kapitalistischen Systems als unvereinbar mit den Zielen der Gewerkschaftsbewegung nach politischer und wirtschaftlicher Demokratie,, einschätzt. Als grundsätzliche Alternative hat er sein Konzept der „contröle ouvrier" entworfen. b) Arbeiterkontrolle (Belgien, Frankreich, Italien)

Das Konzept der Arbeiterkontrolle (AK), das genauer als „Arbeiter-Produktionskontrolle" zu bezeichnen wäre, zielt ganz auf den Produktionsbereich, in dem es durch informellen Druck und Kontrolle die Unternehmensentscheidungen im Interesse der Arbeiterklasse beeinflussen will. Unter der Perspektive, das kapitalistische System langfristig aufzuheben, werden die kurzfristigen Forderungen — wie Bestellung der Vorgesetzten durch die Betroffenen oder Gegenüberstellung von Alternativplänen zu den Investitionsvorhaben des Managements — mit einer rätedemokratisch aufgebauten „Minimalorganisation" zu erreichen versucht. Bisher blieb dieses Konzept aber, in dessen Mittelpunkt die permanente Mobilisierung der abhängig Beschäftigten bis hin zu Betriebsbesetzungen und politischen Streiks steht, in Belgien und Frankreich im wesentlichen auf dem Papier

Dagegen sind seit den breiten Arbeitskämpfen in Italien seit 1970 erhebliche Fortschritte, zumindest für Teilkontrollen durch die Gewerkschaften, in Tarifverträgen und Gesetzen erzielt worden. Vor allem in dem „Statuto dei diritti dei Lavoratori" (ein wirklich neues „Betriebsverfassungsgesetz") von Mai 1970 und in den darauf aufbauenden nationalen Kollektivverträgen wurden auch die organisatorischen Erfordernisse für echte Kontrollen durch die Arbeiterschaft durchgesetzt. Sowohl die Werkstattdelegierten („Comitati di Base"), die jeweils von überschaubaren Ar-22 beitsgruppen direkt und ohne Listenverbindungen gewählt werden, als auch die neu geschaffenen Fabrikräte („concilio di fabrica") als höhere Delegationsstufe verdrängten das in Italien ebenfalls integrierte System der al-ten Betriebsräte („Commissioni interni"). Ihnen steht u. a. das Recht zum Kampf für über die nationalen Abkommen hinausgehende Firmentarifverträge zu, in denen nicht nur Lohnhöhen, sondern ständig verbesserte Arbeitsbedingungen — notfalls mit Streiks — durchgesetzt werden.

Wie sich der Verfasser während eines Studienaufenthalts in mehreren Industriebetrieben Italiens im September 1971 überzeugen konnte 25), haben sich die betrieblichen Gewerkschaftsorgane tatsächlich als autonomes — an keine „vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit der Unternehmensleitung gebundenes — Interessenund Kontrollorgan der abhängig Beschäftigten weitgehend durchsetzen können. Freilich gibt es bisher noch wenige von der Kapitalseite abgerungene Kompetenzzusicherungen und die weiterbestehende Übermacht der Konzernleitungen zwingt die Gewerkschaften gerade in der „streikfreien" Zeit zu Kompr haben sich die betrieblichen Gewerkschaftsorgane tatsächlich als autonomes — an keine „vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit der Unternehmensleitung gebundenes — Interessenund Kontrollorgan der abhängig Beschäftigten weitgehend durchsetzen können. Freilich gibt es bisher noch wenige von der Kapitalseite abgerungene Kompetenzzusicherungen und die weiterbestehende Übermacht der Konzernleitungen zwingt die Gewerkschaften gerade in der „streikfreien" Zeit zu Kompromissen. Ferner bleibt auch bei dem italienischen System die Gefahr bestehen, daß sich die Delegierten und Fabrikräte gegenüber ihrer Basis verselbständigen.

c) Industrielle Demokratie (Großbritannien)

Die bis heute im britischen Einheitsbund und TUC dominierende Konzeption ist die der „industrial democracy" die eine „industrielle Demokratie" dann gegeben sieht, wenn eine starke Gewerkschaftsbewegung als Opposition zu den Unternehmern in der „industriellen Gesellschaft" besteht. In diesem Verständnis müssen drei Prinzipien erfüllt sein: Die Gewerkschaften sind sowohl vom Staat als auch von den Kapitalvertretern unabhängig; allein die Gewerkschaften vertreten die Interessen der Arbeiter im Produktionsprozeß; die Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln sind für die „industriellen Beziehungen" nicht relevant, gerade der letztere Punkt verweist auf den pragmatischen Zug im Selbstverständnis der traditionellen Gewerkschaftsbewegung Englands, die nach außen auch keine Flügelbildung in sozialistische, kommunistische oder christliche Richtungen erkennen läßt.

Gleichwohl nimmt seit Jahren die ideologische Auseinandersetzung innerhalb des TUC zu, und vor allem die Vertreter des britischen Weges zur Arbeiterkontrolle gewinnen an Bo-den 27). Namentlich das „Institute for Wor-kers'Control" in Nottingham unterstützt seit 1964 engagiert alle Ansätze dieser teilweise schon vor 1914 praktizierten Konzeption in allen Arbeiterorganisationen. Deren Vertreter und eine wachsende Zahl von „shop Stewards" (gewerkschaftliche Vertrauensmänner im Betrieb) kritisieren scharf den Reformismus der meisten Gewerkschaftsführer; sie ha-ben vor allem in den beiden größten Einzelgewerkschaften TWGU und AUEW in Jones und Scanlon mächtige Fürsprecher. Sie befürworten und praktizieren verschiedene Möglichkeiten kämpferischer Aktionen und hoffen über das wachsende Bewußtsein in weiten Teilen der britischen Arbeiterschaft antikapitalistische Aktionen durchzusetzen. Dabei wird in den vielen Publikationen ein Dreiphasenschema deutlich: Erstens wird eine breite Schulungsarbeit betrieben, zweitens werden in aktuellen Arbeitskämpfen Kontrollprogramme exemplarisch umgesetzt und drittens bemühen sich vor allem die „shop Stewards“, bereits erkämpfte Kontrollpositionen abzusi-ehern „fortzuschreiben ). sowie “ 28)

Letztlich ist aber auch die „workers'control“ eine informale Strategie, d. h. ein ständiger Kampf um den Abbau der einseitigen Entscheidungskompetenz der Kapitalfunktion in den Konzernen. Weder Theoretiker noch Praktiker dieser Strategie lassen ihre Strategie — etwa in einem Gesetz — festschreiben, sondern sie halten sie bewußt offen, um möglichst in besonders kampfstarker Situation weitere Mitentscheidungsrechte zu erkämpfen. „Workers’ control" steht und fällt mit der Bereitschaft und der Fähigkeit zur Mobilisierung der organisierten Arbeiterschaft.

IV. Unterschiede in Gewerkschaftsstruktur und im Kollektivverhandlungssystem

Die Probleme für die internationale Gewerkschaftsbewegung im Hinblick auf eine gemeinsame Strategie gegenüber den MNK wurde bereits aus den vielfältigen nationalen, weltanschaulichen und strategischen Divergenzen deutlich. Daraus erklären sich zum großen Teil die unterschiedlichen Inhalte auch der ureigensten Gewerkschaftspolitik: der Tarifpolitik, die verstanden als kollektive Verhandlungen gegenüber der Kapitalseite auch in Sicht auf die MNK nicht an Bedeutung verlieren wird. Es kommen allerdings weitere Unterschiede hinzu, die sich einmal aus der strukturellen Entwicklung der Gewerkschaften, zum anderen aus der Tradition der kollektiven Verhandlungen herleiten. Die Tarifpolitik hat von Land zu Land unterschiedliche Hauptträger: Dies sind in der Bundesrepublik die größten der 16 Einzelgewerkschaften des DGB, in den USA etwa 130 sehr verschieden strukturierte Verbände der AFL-CIO-Konföderation und in England mindestens 170, heute dem TUC angehörenden, unter den mehr als 500 britischen Gewerkschaften Im FORD-Weltausschuß z. B. sitzt die IG Metall den Vertretern von 16 britischen Gewerkschaften gegenüber.

1. Verschiedene Organisationsprinzipien Bei den internationalen Aktivitäten der Gewerkschaften waren Konfrontation und Kooperation nicht nur zwischen den „Richtungsfamilien" festzustellen, sondern auch zwischen weltanschaulich gleichgerichteten Organisationen, die aber nach verschiedenen Prinzipien organisiert sind. Der zumindest noch teilweise als „Standes-Gewerkschaft" auftretende Internationale Bund der Privatangestellten (IBP) etwa wird von selten der wichtigsten anderen Genfer Berufssekretariate „rechts" liegengelassen. IMB bzw. EMB wünschen keine IBP-Aktivitäten in „ihren" Konzernen, wie FORD oder PHILIPS. Dagegen nahm von WVA-Seite deren Angestellten-Internaüonale an den Gesprächen mit der PHILIPS-Konzernleitung teil. Die sich — im Gegensatz zu den im Standesprinzip weiter verhafteten Beamtenorganisationen — allerdings immer mehr öffnenden Angestellten-Gewerkschaften gehen auf die traditionelle Distanz gegenüber der Arbeiterschaft zurück.

Für die gegenwärtige Praxis scheint die angelsächsische Unterscheidung folgender drei Gruppen wichtiger, die vor allem in Großbritannien bis heute Bestand hat: Erstens „general unions", allgemeine Gewerkschaften, die Arbeiter aller Industriezweige aufnehmen: zweitens „craft oder trade unions", die traditionsgemäß Facharbeiter aus derselben Berufsgruppe bzw.der gleichen Qualifikation organisieren; drittens „industrial unions", die sich auf den Bereich der verarbeitenden Industrie beschränken und sich — im Unterschied zum Kontinent — gegenüber den beiden ersteren nicht durchsetzen konnten. Die Parallelität verschiedener Organisationsprinzipien in einem Land kompliziert schon nicht unwesentlich eine Koordination im nationalen Be-reich, um so mehr auf internationaler Ebene, da sich die Verschiedenheiten hier potenzieren. Die Tatsache, daß z. B. in den englischen PHILIPS-Filialen die Elektriker einer anderen Organisation angehören als die Monteure des gleichen Betriebes, erschwert die Gewerkschaftsarbeit schon in einem ganz praktischen Sinne: Bei Gesprächen mit einem zwölfköpfigen Zentralvorstand eines Konzerns können die Gewerkschaften „nicht mit dreißig Mann anrücken" Wenn auch in jüngerer Zeit ein Zentralisierungsprozeß die gewerkschaftliche Zersplitterung in Großbritannien abbaut bleiben dennoch quantitative und qualitative Unterschiede gerade im Vergleich zur Bundesrepublik bestehen.

2. Formelles und informelles Verhandlungssystem

Während auf dem Kontinent, vor allem in der Bundesrepublik, seit jeher stark formalisierte Strukturen der Kollektivverhandlungen und auch der Interessenvertretung der Arbeitnehmer eingeführt sind, beherrschen wiederum als Gegenstück in Großbritannien informale Verhaltensweisen und Gewerkschaftsaktionen die Szene. Hauptmerkmale der formalen Struktur sind gesetzlich und/oder vertraglich genau vorgeschriebene Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Kapitalvertreter, im Konfliktfall meist mit der Schlichtungsinstanz des Staates. Dagegen wird in Großbritannien bis heute — trotz der Restriktionen durch den „industrial relations act" — weitgehend vermieden, überhaupt Juristen und Staatsdiener zu bemühen. Dort werden die Arbeitsverhältnisse sowohl durch zentral geführte Verhandlungen der beiden Sozialkontrahenten als auch vor allem durch Gespräche auf betrieblicher Ebene geregelt. Bei diesem „workshop bargai-ning" gibt es fast nur Abmachungen, die keinem formellen Schema folgen. Die Hauptrolle dabei spielen die betrieblichen Vertrauensleute-Komitees, die bereits mehrfach hervorgehobenen „shop Stewards". Immer wenn sie Verhandlungen für die Beschäftigten einer Werkstatt, Abteilung oder Betriebseinheit zu führen haben, müssen sie die Vertretenen vorher um ihre Meinung fragen. Dies geschieht meist in kurzen informellen Besprechungen „während der Arbeitszeit oder in einer Pause"

Von kleinen Arbeitergruppen meist für ein Jahr gewählt, vertreten die „shop Stewards" durchschnittlich 60 gewerkschaftlich Organisierte, während die ranghöheren „Senior Stewards" oder „Convenors" rund 350 Gewerkschafter repräsentieren. Im Unterschied zu den einfachen Vertrauensleuten können diese häufig ihre gesamte Arbeitszeit für das „workshop-bargaining" verwenden. Dennoch bleiben sie ehrenamtliche Gewerkschafter im Betrieb und sind, obgleich sie vielerlei Funktionen haben, weder mit einem Betriebsrat noch mit einem „die Betriebe betreuenden", hauptamtlichen Sekretär der Gewerkschaften in der Bundesrepublik gleichzusetzen. Gerade weil in Großbritannien die gewerkschaftliche Zersplitterung sehr groß ist, haben sich gemeinsame Verhandlungskomi-* tees („combine committees") der „shop Stewards" gebildet, die in der Tarifpolitik wichtiger als die jeweiligen örtlichen Gewerkschaftsorgane sind. Namentlich im FORD.

Konzern haben sich relativ autonome Betriebskomitees durchgesetzt, die vor allem in der Hauptproduktion in Dagenham „eine radikale Militanz" an den Tag legten. Einiges davon wurde auch bei den internationalen Aktivitäten gerade bei dem Streik von 1971 sichtbar.

3. Flächen-oder betriebliche Tarifabschlüsse Die Schwierigkeiten, Kollektivverhandlungen im Überblick auf die MNK zu vereinheitlichen, sind auf internationaler Ebene oft schon deshalb so groß, weil die Tarifverträge unterschiedlich lange Laufzeiten haben, z. B. in Italien drei Jahre gegenüber in der Regel 12 Monaten in der Bundesrepublik, oder zu verschiedenen Zeitpunkten ansetzen. Darüber hinaus gibt es noch den komplexeren Unterschied in der geographischen Ausdehnung der Tarifabschlüsse. In einer sehr pauschalen Sicht kann man sagen, daß auf dem westeuropäischen Kontinent nationale und regionale Tarifverträge vorherrschen, während in den USA solche Abschlüsse bevorzugt werden, die auf das einzelne Unternehmen bzw.den Konzern zielen. Während in der ersten Form vor allem das Prinzip der höchstmöglichen Gleichheit hochgehalten wird, ist es bei der zweiten dasjenige, das einen maximalen Lohnzuwachs im Betrieb gewährleistet

Aber diese Gegenüberstellung wird in dem Maße problematisch, wie auch in den EG-Ländern die Tendenz zu einer betriebsnahen Politik zunimmt. Diese wird meist in zusätzlichen Abschlüssen — ob tarifvertraglich oder über Betriebsvereinbarungen — als Realisierung von Offnungsklauseln in Flächenverträgen umgesetzt. Dies geschieht seit den verstärkten Klassenkämpfen vor allem in Italien; aber auch in der Bundesrepublik gewinnt die „betriebsnahe Tarifpolitik" an Boden. Gerade die so gekennzeichnete Strategie versucht die Balance zwischen weiträumig abgesicherter Gleichbehandlung mit punktuell erkämpfba-

ren Durchbrüchen zu halten. Uns scheint sie auch eine Orientierung zu sein, in der in Zukunft internationale Kollektivverhandlungen _ auf absehbare Zeit verankert in national oder regional abgeschlossenen Verträgen — gegenüber den MNK geführt werden könnten.

Allerdings wird der Marsch durch die auf teilweise über hundertjährigen Traditionen gewachsenen Verhandlungsinstitutionen und Gewerkschaftsstrukturen steinig und sicher lang sein.

V. Materiell-organisatorische Ungleichgewichte

1. Ungleichgewichte im bilateralen Vergleich a) Gewerkschaftlicher Organisationsgrad Als wichtige Problembereiche der internationalen Gewerkschaftsbewegung hinsichtlich einer effektiven Strategie gegenüber den MNK gelten Kampfentschlossenheit und Mobilisierungsfähigkeit der organisierten Arbeiter und Angestellten. Wenn es dafür überhaupt einen quantitativen Ausdruck gibt, dann ist es der gewerkschaftliche Organisationsgrad. Bevor wir auf einen Vergleich vor allem in Westeuropa eingehen, sei jedoch vor einer unmittelbaren Gleichsetzung desselben mit dem Kampfniveau oder auch nur der Legitimationsgrundlage der jeweiligen Gewerkschaftspolitik gewarnt. So hat zum Beispiel bis heute die „junge“ Arbeiterschaft in den Peripherieländern der „Dritten Welt" — aus hier zu weit führenden Gründen — einen vergleichsweise niedrigen Organisationsgrad, aber dennoch werden immer wieder einzelne Kämpfe mit hohem Niveau geführt.

In den hochindustrialisierten Ländern sind Großbritannien und Belgien am stärksten organisiert, beide mit annähernd 70 Prozent. Dann folgen in der EG Italien und Luxemburg mit rund 45 bis 50 Prozent vor den Niederlanden und der Bundesrepublik mit 35 bis 40 Prozent Gewerkschaftsmitgliederanteil an den abhängig Beschäftigten. Das Schlußlicht bildet — im Blick auf die Kampfbereitschaft überraschend — Frankreich mit einem Organisationsgrad von nur 20 bis 25 Prozent

Diese Zahlen sind trotz der gemachten Einschränkung nicht nur von statistischem Interesse, sondern die unterschiedliche Organisationsstärke erschwert zweifellos — schon rein numerisch — die Aktionsmöglichkeiten gerade über die Grenzen hinweg. Vor allem dann, wenn sich die ohnehin geringe Zahl an Gewerkschaftern noch in feindliche Richtungen aufspaltet. Zum Beispiel repräsentiert die französische FO im großindustriellen Bereich nur noch fünf Prozent der dort Beschäftigten, in vielen Betrieben ist sie überhaupt nicht vertreten, dennoch blieb sie bis März 1974 für die IBFG-Gewerkschaften der einzig „legitimierte Partner". Tatsächlich sind beispielsweise im Glaskonzern ST. GOBAIN mehr als 60 Prozent bei der mehrheitlich kommunistischen Gewerkschaft CGT organisiert zu der aber offizielle Kontakte verboten sind.

b) Beitragssystem Ganz grob kann man bei der Beitragshöhe etwa eine Parallelität zu dem Organisationsgrad feststellen, d. h. zum Beispiel in Frankreich sind auch die gewerkschaftlichen Einnahmen niedrig. Für die — nahezu überall — allein Beiträge erhebenden Einzelgewerkschaften ist der Einnahmebestand von folgenden Hauptfaktoren abhängig: Erstens von der Höhe des monatlichen Beitrages, d. h. wieviel des prozentualen Verdienstanteils für die Gewerkschaftsbeitrittsmarke aufgebracht wird. Dabei ist festzustellen, daß z. B. in Frankreich die durchschnittlichen Monatsbeiträge weniger als ein Viertel derjenigen in der Bundesrepublik ausmachen Zweitens ist die Beitrags-„Moral" in den romanischen Ländern weit weniger diszipliniert als bei den nördlichen Nachbargewerkschaften. In Frankreich ist es üblich, daß während der Ferienmonate im Sommer keine „timbres" geklebt werden. Als Folge können die Kassierer im Durchschnitt lediglich neun Monate verbuchen. Drittens haben die Gewerkschaften, die ihre Beiträge im Lohnabzugsverfahren von den Personalbüros einbringen lassen, ganz sicher vollere Kassen als diejenigen, die noch von „Mann zu Mann" kassieren; allerdings zahlen sie dafür den möglicherweise hohen Preis weiterer Entfremdung zwischen den zahlenden Mitgliedern und dem ausgebendem Apparat. Viertens sind schließlich nicht in allen Ländern Streikkassen eingeführt; diese können zwar keine Spontaneität hervorbringen, aber sie sollen doch für die Kontinuität einer Aktion nicht unterschätzt werden. Zum Beispiel wurde im AKZO-Werk in Wuppertal die Aktionsfortführung aller gewerkschaftlich Organisierten sicher dadurch gefördert, daß ihnen die IG Chemie-Papier-Keramik (IG CPK) vollen Lohnausgleich fest ankündigte und danach auch zahlte. Konsequenz all dieser Faktoren ist beispielsweise, daß die CFDT-Gewerkschaft in Frank-reich, die etwa das gleiche Arbeitsgebiet zu bewältigen hat wie die IG CPK in der Bundesrepublik, nur über zwei hauptberufliche Mitarbeiter verfügt im Unterschied zu den mehreren hundert Mitarbeitern, die in der Hannoveraner Zentrale, in den Bezirksverwaltungen und in den lokalen Verwaltungsstellen der IG CPK angestellt sind. Das Ungleichgewicht wird noch deutlicher, wenn man die Hilfsdienste der Konföderation, in diesem exemplarischen Fall des mächtigen DGB, hinzuzählt, vor allem in Form der Rechtsschutzsekretäre. Die Stärke der Bünde ist überall von dem Anteilsatz abhängig, den sie von ihren Mitgliedsverbänden erhalten. Bei den DGB-Gewerkschaften ist er — trotz intensiver Bemühungen um eine Erhöhung — bei 12, 5 Prozent geblieben. In den sonst vergleichbaren Ländern liegt er noch weit darunter, wie in Belgien mit 5— 6 Prozent oder in Großbritannien mit nur 2 Prozent der Einnahmen der Einzelgewerkschaften.

2. Schwächen auf multilateraler Ebene a) Finanzmisere Alle internationalen Sekretariate — möglicherweise mit Ausnahme des IMB — leiden unter einem chronischen Geldmangel. Viele davon — wie die IUL — mußten in den letzten Jahren ihre bescheidenen Vermögenswerte veräußern und freiwillig Sonderleistungen eintreiben oder waren gezwungen — wie der IBFG —, den außerordentlichen Solidaritätsfonds zur Deckung des ordentlichen Haushalts aufzubrauchen. Zur Lösung seiner aktuellen finanziellen Misere hätte auf dem letzten Weltkongreß eine 60prozentige Beitragserhöhung beschlossen werden müssen aber selbst die 25prozentige Erhöhung werden längst nicht alle Mitgliedsbünde zahlen, sogar der britische TUC aus einem „reichen" Industrieland stimmte dagegen. Enthaltungen gab es von all den Mitgliedsverbänden aus der Dritten Welt, die aus vielerlei Gründen einfach nicht in der Lage sind, mehr als symbolische Beiträge zu leisten. Im Gegenteil: Sie sind in der Regel eigentlich gerade auf Zuwendungen aus den Internationalen Solidaritätsfonds angewiesen.

Zu den Ursachen der meist chronischen Defizite der Internationalen gehören: Erstens laufend größere Aufgaben und steigende Kosten; zweitens Fluktuation oder Mitgliederrückgang aus „reichen" Ländern; drittens Sonderregelungen bis zur Beitragserlassung für Mitgliedsverbände, die in langen Kampfaktionen standen; viertens Verschweigen von Mitgliedszugängen bei einzelnen nicht auf „repräsentative Show" angewiesenen Gewerkschaften; fünftens prinzipielle oder politisch motivierte Ablehnung von externen Zuschüssen und vor allem sechstens: niedrige Anteile, die pro Mitglied an die internationalen Sekretariate abgeführt werden.

b) Organisatorische Schranken Es mangelt nicht überall an finanziellen und technischen Potentialen, dennoch muß man von einem Defizit in der internationalen Arbeit auch der mitgliederstarken Teile in der internationalen Gewerkschaftsbewegung sprechen. Zunächst ist gerade bei den großen Apparaten kaum eine effektive Arbeitsorganisation ersichtlich. Im Gegenteil: Eine kaum noch überschaubare Zerstückelung in miteinander so gut wie nie kooperierende Fachreferate in den hauptamtlichen Verwaltungen wird lediglich durch die politische Repräsentation von den wenigen gewählten Vorstandsmitgliedern einigermaßen zusammengehalten. Da diese aber schon durch die ihnen wichtiger erscheinenden nationalen Aufgaben völlig überlastet sind, können sie auf der internationalen Ebene buchstäblich nur repräsentieren, ohne Zeit und Engagement für gründliche Vorbereitung zu haben.

Wegen ihrer bereits dargestellten Fixierung auf die Gremien, von denen sie gewählt sind, halten sie auch weder eine fachliche Analyse noch politische Strategiediskussionen für die internationale Arbeit notwendig. So erklärt sich die ständige Addition von „internationalistischen" Gemeinplätzen auf Kongressen oder von „Sonntagsreden". Dieser Arbeit unterziehen sich dann in den Zentralen entweder mehr oder weniger verselbständigte „Experten für Internationales", die praktisch wegen ihrer Informationsvorsprünge von niemandem mehr kontrolliert werden können, oder die internationale Arbeit wird überwuchert vom Kampf der Hierarchie um Ämter und Prestige als ein beliebiges Feld unter anderen.

VI. Interessenkonflikte und Kompetenz-Kontroversen

Der Mangel an materiell-organisatorischen Möglichkeiten ist für die internationale Gewerkschaftsbewegung nicht zu unterschätzen, aber wichtiger scheint uns noch der Faktor des unausgebildeten Bewußtseins bei den Arbeitermassen — auch denen, die in MNK beschäftigt sind — zu sein. Wir hatten oben ausgeführt, daß die hauptamtlichen Führungskräfte sich tendenziell auf Repräsentation in den internationalen Gremien beschränken und deshalb auch keine Informationen — weder ausführlich noch regelmäßig — an ihre nationale Basis weitergeben. Keine der Gewerkschaften und schon gar nicht die gesamte Arbeiterschaft haben ihrerseits bisher wesentliche Erfahrungen im internationalen Feld machen können.

1. Betriebsegoismen gegenüber Gesamtinteressen der Beschäftigten in den MNK Subjektive, aber auch objektive Faktoren sind es, die bis heute breite Solidaritätsaktionen in vielen MNK verhindert haben. Zunächst fehlt es an fundierten Vergleichsmöglichkeiten, um die unterschiedliche Lage der Beschäftigten in den Zweigbetrieben des gleichen Konzerns überhaupt „objektiv" einschätzen zu können. Die Unterschiede erklären sich sowohl aus dem jeweiligen allgemeinen Lebensstandard als auch aus den Differenzen in den Lohn-und Arbeitsbedingungen. Die Kapitalvertreter lassen nichts unversucht, um diese Differenzen noch zu vertiefen.

Die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung im Genfer IMB-Generalsekretariat untersuchte exemplarisch unter den kanadischen CHRYSLER-Arbeitern, wie groß ihre Bereitschaft wäre, Aktionen ihrer Kollegen in den USA, in England und in Mexiko solidarisch zu unterstützen. Das Ergebnis zeigt bemerkenswerte Differenzierungen auf: Während 53 Prozent der Befragten mit Sympathiestreiks die CHRYSLER-Arbeiter in den USA unterstützen würden, sind es 10 Prozent für die englischen und nur 9 Prozent für die mexikanischen Kollegen. Die weiteren Antworten weisen nahezu alle die gleiche Tendenz auf. Offensichtlich spielt die geographische Nähe und die organisatorische Verbindung mit der US-amerikanischen UAW eine entscheidende Rolle.

An der subjektiven Höherbewertung des Eigeninteresses und der Gleichgültigkeit gegenüber denen, zu denen ein objektiver Interessenverband besteht, wird sich nicht viel durch die Beschwörung internationaler Solidarität ändern. Vielmehr ist dafür wohl ein langer Prozeß der Bildung im umfassenden Sinne erforderlich, der durch kontinuierliche Informationsflüsse von oben nach unten und umgekehrt eingeleitet werden kann. Dabei wird man jedoch durch die bisherigen Erfahrungen sehr ernüchtert. Auch für die internationalistisch denkenden Gewerkschafter war bisher oft das „Hemd" der eigenen Mitgliederinteressen näher als der „Rock" transnationaler MNK-Aktionen. * 2. Konflikte zwischen Vertretern der Zentralen und der Betriebe Bisher dominiert vor allem in den nationalen Zentralen die Tendenz, ihre Informations-und Erfahrungsvorsprünge gegenüber Gewerkschaftern der „unteren“ Ebenen zu behalten. Dazu trägt sicher auch die Furcht bei, unmittelbare Kontakte zwischen Betriebsdelegierten in Gang kommen zu lassen, die „außer Kontrolle“ geraten könnten. So sind die MNK, in denen autonom von der Politik der nationalen Zentren internationale Aktivitäten stattgefunden haben, an einer Hand aufzuzählen. Das bekannteste Beispiel ist der FORD-Konzern. Dort sind nicht nur erste Initiativen für eine deutsch-belgisch-britische Zusammenarbeit von Betriebsdelegierten ausgegangen, sondern diese wurden bis heute in Form von jährlichen Versammlungen — zuletzt im November 1972 in Köln — kontinuierlich fortgesetzt, parallel zu den Aktionen der IMB-Zentrale. Ohne finanzielle oder politische Unterstützung haben vor allem Betriebsratsmitglieder von Köln-Niehl die Kontakte jahrelang gegen die Skepsis des IG Metall-Vorstandes durchgesetzt. Wiederholt wies dieser darauf hin, daß er „eigene Gremien unterhalte, die für derartige Beziehungen zuständig seien" Zu den Arbeiten des FORD-Welt-ausschusses wurden die bundesdeutschen Betriebsratsmitglieder nicht von der koordinierenden IMB-Automobil-Abteilung direkt, sondern vom IG Metall-Vorstand eingeladen und informiert. Dabei konnten wir feststellen, daß die wichtige IMB-Synopse von 1971 bis Juni 1972 nicht an den Betriebsratsvorsitzenden der FORD-Werke in der Bundesrepublik gelangt ist.

Wenn wir die betrieblichen Aktivitäten zu denen der Zentralen als Ergänzung für notwendig erachten, soll damit nicht die „Basis" fetischisiert werden. Dazu gibt es in Kenntnis anderer Fälle wirklich keinen Anlaß. Zum Beispiel zeigt der AKZO-Fall, daß einige Gewerkschafter der IG CPK weit antikapitalistischer auftraten als manche durch langjährige Betriebsratsarbeit in einer sozialpartnerschaftlichen Vorstellungswelt verhafteten Betriebsräte. Während der gesamten Aktionen waren hauptberufliche Gewerkschafter mobiler als die sowohl in der Bundesrepublik als noch mehr in den Niederlanden an restriktive Bestimmungen gebundenen Betriebsräte. Von letzteren sind allerdings die davon freien gewerkschaftlichen Vertrauensleute in den Betrieben zu unterscheiden, die sich namentlich im DUNLOP-PIRELLI-Konzern stark hervorgetan haben. Bisher blieben sie aber im wesentlichen auf die beiden Stammländer Italien und Großbritannien beschränkt. Gerade von den bundesdeutschen Filialen beider MNK. Teile sind bis heute keine Vertrauensleute oder örtliche Gewerkschafter in die internationale Arbeit einbezogen worden: Im italienisch-britischen Komitee aus politischen Gründen nicht, während sich im ICF-Weltrat des gleichen Konzerns Betriebsratsvorsitzende und Hauptamtliche aus der IG CPK-Zentra-le die Plätze teilen

Aus all dem sind folgende Schlüsse zu ziehen: Interessenorganisation auf der untersten Ebene der Produktion und internationale Gewerkschaftsorganisation sind keine Alternativen, sondern sie ergänzen sich wechselseitig in einer notwendigen Gesamtstrategie. Dem notwendigen Mindestmaß an internationalem Gewerkschaftszentralismus sollte ein Maximum an Mobilisierung in möglichst allen Betrieben vieler MNK gegenüberstehen.

3. Kontroversen zwischen konföderalen und föderalen Organen Von den Richtungen des WVA und des WGB konnten wir wegen deren bisher noch vergleichsweise bescheidenen Aktionen gegenüber den MNK keine so detaillierten Informationen erwarten. Deshalb beschränken wir uns in diesem und in dem abschließenden Abschnitt auf die IBFG-Richtung, ohne damit auszuschließen, daß innerhalb der beiden anderen Richtungen ebenfalls Kontroversen zumindest verdeckt ausgetragen wurden. In der IBFG-Richtung sind jedenfalls Zuständigkeitskonflikte in der Frage der MNK zwischen den internationalen Bünden und den Branchen-bzw. Berufsinternationalen auf westeuropäischer und auf weltweiter Ebene bekanntgeworden. Im Kern geht es dabei um folgende Streitfrage: Wo grenzen sich die „direkten“ betriebs-, tarifpolitischen u. a. Aufgaben von den „indirekten" über Gesetzgeber, Rechtsprechung u. ä. ab? So schwierig eine solche Abgrenzung in der Theorie ist, so unabweislich stellt sie sich doch für die internationale Ge-werkschaftspraxis, um sowohl Doppelarbeit als auch Reibungsverluste zu vermeiden.

Daß dieses Problem nicht abstrakt gelöst werden kann, sondern sich ganz handfest stellt, zeigten bisher am deutlichsten Vorbereitung und Verlauf der beiden MNK-Kolloquien, zu denen der EBFG im Februar und Oktober 1972 alle der „freien" Gewerkschaftsbewegung zugerechneten Organe eingeladen hatte. Von den drei — gegenüber den MNK — wichtigsten Berufssekretariaten : IMB, ICF und IUL kamen zum ersten Treffen Protestschreiben und Absagen. Lediglich die Metall-Internationale ließ durch einen Beobachter erklären, daß „wahrscheinlich alle IBS gegenüber einer solchen Initiative Bedenken hätten... und daß es eigentlich Aufgabe der Berufssekretariate sei, sich mit den Problemen der multinationalen Unternehmen auseinanderzusetzen“ Die EBFG-Vertreter versicherten demgegenüber, daß sie nicht beabsichtigten, sich zusätzliche Kompetenzen anzueignen, sondern ihre „besondere Verantwortung gegenüber der Entwicklung des Gesellschaftsrechts in der EWG ... für die Interessen der Arbeitnehmer von multinationalen Gesellschaften" einlösen wollten. Mehr als diese Worte beschwichtigten die anwesenden Vertreter der westeuropäischen Organisationen der Metall-, Chemie-und Lebensmittelgewerkschaften jeweils ihre Internationalen. So kam es, daß zum zweiten EBFG-Kolloquium IMB, ICF und IUL höchst repräsentativ mit ihren Generalsekretären vertreten waren. Obwohl bei dieser Gelegenheit erstmalig zwischen den Hauptakteuren der gleichen Gewerkschaftsrichtung eine mögliche Arbeitsteilung andiskutiert wurde — wenn auch ohne verbindliches Ergebnis —, spielt sich dennoch seit 1973 die gleiche Streiterei in bezug auf die vom Londoner Weltkongreß beschlossene „Gemeinsame Arbeitsgruppe IBFG/IBS" ab.

4. Kontroversen zwischen föderalen Organen auf gleicher Ebene Allein die drei hervorgehobenen Generalsekretariate der Branchengewerkschaften führen offensichtlich regelmäßig Absprachen in ihrer Arbeit gegenüber den MNK durch. Gleichwohl gibt es auch zwischen dieser IMB-ICF-IUL-„Koalition“ Probleme, die sich ständig in neuer Form stellen. Sie beginnen damit, daß z. B. die ICF von 20 Verbänden Beiträge einnimmt, die gleichzeitig auch Mitglieder bei den beiden anderen Internationalen sind. Das liegt einmal an den oben erörterten Organisationsunterschieden der Gewerkschaften, aber auch daran, daß Zahl und Bedeutung der Mischkonzerne zunehmen. Allerdings hat sich bei Aktionen gegenüber diesen „conglomerates" die Kooperation der Drei gut bewährt, beispielsweise im GRACE-Kon-zem mit Zentrale in den USA. Wenn auch eine gute Zusammenarbeit der Generalsekretariate noch nicht mit eben derselben auf den „unteren" Ebenen gleichzusetzen ist, zeigt man sich optimistisch und plant für die Zukunft noch bedeutendere MNK gemeinsam anzugehen, beispielsweise das Super-Konglomerat ITT.

VII. Möglichkeiten gewerkschaftlicher Strategie gegenüber den MNK

1. Ziele Trotz aller Probleme, Kontroversen und Widersprüche in der internationalen Gewerkschaftsbewegung muß eine gemeinsame Strategie gefunden werden, wenn nicht der Macht-vorsprung der MNK noch größer werden soll. Eine gegenüber den MNK offensiv entwickelte Strategie muß längerfristige Ziele als Orientie-rung haben. Internationale Solidarität und Gegenmacht stehen seit Beginn der Arbeiterbewegung zumindest deklaratorisch an oberster Stelle. Wenn sie in die Praxis umgesetzt werden sollen, müssen daraus Aktionen werden. So haben sich im September 1972 zumindest die niederländischen und die deutschen Beschäftigten im AKZO-Konzern der Unternehmensleitung, die mehrere Hauptwerke stillegen wollte, durch aufeinander abgestimmte Aktionen entgegengestellt. Der nach längeren Kämpfen zumindest vorläufig errungene Erfolg hat die in-ternationale Solidarität und Gegenmacht anschaulich gemacht. Es gelang, die Forderungen in den Betrieben verschiedener Nationen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und mit Hilfe des Basisdrucks gegenüber der MNK-Leitung durchzusetzen. Die Tatsache, daß oft Zehn-oder Hunderttausende arbeitenden Menschen letztlich Beschäftigte ein und desselben Konzerns sind, schafft zunächst ein „Gefühl der Zusammengehörigkeit über die Grenzen hinweg und läßt die Erkenntnis gemeinsamer Abhängigkeit wachsen. Dies ist der Hintergrund für die lauter werdende Forderung nach internationaler Gegenmacht der Gewerkschaftsbewegung und zugleich die Basis für den Ruf nach solidarischem Handeln.

Unter den weiteren Zielen ist die Sozialisierung hervorzuheben, die allerdings nach den jeweiligen nationalen und kontinentalen Bedingungen differenziert werden muß. Nur so können Interessenkollisionen vermieden werden, da Vergesellschaftung eines MNK-Teils zu Entlassungen bei anderen führen kann, was sicherlich nicht die internationale Solidarität fördert. Demokratisierung bedeutet gegenüber den multinationalen Konzernen, in denen die Entscheidungsebene noch weiter von der Basis entfernt ist als in den nationalen Konzernen, Konzepte der Kontrolle durch die Arbeiterschaft und deren Interessenorganisation zu entwickeln; dabei sind die in verschiedenen Ländern verschieden vorgefundenen Systeme — wie Mitbestimmung in der BRD, Contröle Ouvrier in Belgien, Industrial Democracy in Großbritannien nicht einfach nach oben zu verlängern, sondern es müssen gemeinsame Elemente, wie die Stärkung der Vertrauensleute in den MNK-Betrieben, zu einem international abgestimmten System der Interessenvertretung zusammengefügt werden.

Unter Ziel: Programm für oben verbesserte nach Arbeits-und Lohnbedingungen sind all die materiellen und immateriellen Forderungen gemeint, die in allen Teilen eines MNK aufgestellt werden. Dabei sollten sich die Gewerkschaften einmal auf die immateriellen Forderungen konzentrieren, da die materiellen jeweils abhängig sind von den nationalen Bedingungen — wie Kaufkraft und Währungen. Dagegen besitzt z. B.der Schutz vor Verschärftem Arbeitsrhythmus überall seine Gültigkeit, da schon die MNK bei den Arbeitsbe-dingungen eine Angleichung im Negativen für alle Produktionsstätten betreiben. Verkürzung der Arbeitszeit, Sicherheit am Arbeitsplatz, Ausbau der Gewerkschaftsrechte u. ä. m. stellen sich überall als vorrangige und praxisnahe Forderungen dar. Davon sollten einige für jeden Konzern ausgewählt werden, um für die Durchsetzung der jeweils günstigsten Bedingungen zu kämpfen.

2. Mittel Zu den Mitteln gewerkschaftlicher Gegenstrategie gehört zunächst die Schaffung einer geschlossenen internationalen Organisation, die an den bestehenden Strukturen ansetzt und diese beharrlich weiterzuentwickeln sucht. Anzustreben ist ein flexibles „Dreiersystem", in dem sowohl die internationalen Bünde als auch die Brancheninternationalen ihren Platz haben;

hinzu kommen muß jedoch eine den MNK entsprechende Organisationsform, wozu es in den „Weltkonzernausschüssen,, namentlich von IMB, ICF und IUL erste Ansätze gibt. Für die MNK-Komitees ist generell ein wirksames Minimum an zentralem Apparat mit einem Maximum an Initiativen auf betrieblicher Ebene zu verbinden. Diese gewerkschaftlichen Ausschüsse erhalten die Chance, die herkömmliche Zersplitterung zumindest in den MNK aufzuheben, gleichzeitig können sie freilich eine neue Spaltung schaffen, nämlich die zwischen den Beschäftigten bei den MNK und allen übrigen. Gerade um die Gefahr eines möglichen „MNKSyndikalismus" zu verhindern, bedarf es weiterhin starker Internationalen der Branchen-bzw. Berufsgewerkschaften. Sie haben eine Fülle von Kommunikations-und Koordinationsarbeit in mehrfacher Richtung zu leisten. Zwischen den MNK-Komitees, von Komitee zur Branchenzentrale und zu den Bünden. Insgesamt müssen die Gewerkschaftsinternationalen — wie der IMB — organisatorische Scharniere sein zwischen den „kapitalnah" agierenden MNK-Komitees und den „staatsnah" handelnden internationalen Bünden. Letztere haben gegenüber allen staatlichen Funktionsträgern auf den Ebenen des Nationalstaates, übernationaler Wirtschaftsräume und der gesamten kapitalistischen Welt aktiv zu sein, well sie gegenüber den internationalen Institutionen — wie den UN-Behörden — einen besonderen Beraterstatus haben. Die MNK werden sich aber nur von gewerkschaftlichen Organisationen beeindrucken lassen, wenn diese sowohl Koordinationsund Kooperationsmaßnahmen als auch direkte Aktionen gegenüber den MNK durchführen können. Das erste Aufgabenbündel beginnt mit der Ermittlung und dem Austausch von Informationen, wobei es nicht so sehr auf die Quantität als vielmehr auf die qualitative Auswahl ankommt; zu den wichtigsten Themen gehören u. a. neue Kapitalbeteiligungen, Investitionsentscheidungen und „Rationalisierungen“ innerhalb eines MNK. All dies muß systematisch dokumentiert und fallweise erforscht werden. Analysen sind über die Kapital-Strategie hinaus auf die rechtlichen und politischen Bedingungen für gewerkschaftliche Gegenaktionen auszudehnen. Gleichzeitig müssen technische — wie Arbeitstreffen — und finanzielle Unterstützungen — wie internationale Streik-kassen — organisiert werden.

Unter den direkten Aktionen gegenüber MNK fassen wir zusammen: , — Protest-und Sympathiebekundungen, die von der Verschickung von Resolutionen der Vertrauensleute eines Betriebs, über simultane Flugblattverteilung vor mehreren Betrieben bis zu zentralen Demonstrationen reichen:

— Verweigerung von Mehrarbeit, was sowohl das gemeinsame Ablehnen von „freiwilligen“ Überstunden als auch die Weigerung, aus bestreikten Betrieben geliefertes Material weiterzuverarbeiten, heißen kann.

— Sympathie-, Warn-und Teilstreiks, die alle die präzise Kenntnis des Produktionszusammenhangs zur Voraussetzung haben und die auf dessen für die Kapitalverwertung wichtigsten Teile abzielen.

— Besetzungen von Betrieben bzw. -teilen, wozu ebenso örtlich und zeitlich differenzierte Aktionen angewandt werden müssen. Die Aktionsmittel können je nach den besonderen Situationen geeignet sein, die Kapital-repräsentanten an einen Tisch mit den Gewerkschaften zu bringen. Bei solchen informellen Kontaktgesprächen geht es sowohl darum, sonst nicht zu erhaltende Informationen abzufragen, als auch die Bedingungen für multinationale Kollektivverhandlungen vorzuklären. Wenn diese informellen Gespräche durch MNK-Komitees gründlich und umfassend vorbereitet werden, könnte die Solidarität der Beschäftigten aller Betriebe eines MNK gefördert und die gewerkschaftliche Verhandlungsposition gestärkt werden, um schließlich zumindest Teilabsprachen mit den MNK-Zentralen zu erreichen. Auf dem Weg zu multinationalen Kollektivverträgen sind sowohl die Widerstände der Kapitalseite als auch die vielfältigen institutioneilen Schranken zu überwinden. Dennoch sollten folgende Schritte unternommen werden: -— Synchronisation der Laufzeiten und Zusammenlegung der Ablauftermine, — Vereinheitlichung der Forderungsprioritäten sowie — Durchsetzung von Musterverträgen dort, wo die Gewerkschaften am stärksten sind.

Diese strategischen Mittel auf dem langen Weg zu Kollektivverträgen in den MNK werden nur dann zu dauerhaften Ergebnissen führen, wenn in bestimmten Momenten des Kampfes institutioneile Absicherungen erfolgen.

3. Strategiefelder Die Gewerkschaften haben in ihren Versuchen, eine Gegenmacht zu den MNK zu bilden, in einigen Fällen Fortschritte erzielt — ein umfassender Strategieentwurf steht freilich noch aus. Zu fordern ist eine „Doppelstrategie" für die internationale Gewerkschaftsbewegung insofern als einerseits eine nicht-institutionelle, d. h. eine auf der Kraft der eigenen Organisation aufbauende und als andererseits eine institutioneile, d. h. eine bei allen staatlichen Institutionen ansetzende, Strategie zu betreiben ist. Bei aller Vorrangigkeit der erstgenannten Strategie, vor allem wegen der Lang-samkeit und der vom Kapitalinteresse geprägten Arbeit der Institutionen, sind doch die Möglichkeiten praktischer Umsetzung begrenzt. Im Ergebnis kamen bisher lediglich wenige Gespräche mit den MNK-Zentralen — wie das bekannteste Beispiel bei PHILIPS — heraus, die von Gewerkschaftsdelegationen unter Leitung von internationalen Sekretären geführt wurden. Darin sind erste Ansätze zu Kollektivverhandlungen mit den MNK zu sehen, wie sehr diese auch von gewerkschaftlicher Seite gewünscht werden. Daraus ergibt sich wiederum, daß im Rahmen der internationalen Doppelstrategie auch die Institutionen angegangen werden müssen. Weil alle internationalen Institutionen bisher im Kern Bündnisse zwischen Staaten sind, hat die institutioneile Strategie auf nationalstaatlicher Ebene anzusetzen, um trotz der Aushöhlung der „Souveränität" des Nationalstaates durch die MNK alle Möglichkeiten von Interventionen auszuschöpfen, z. B. für Investitionskontrollen. Auf dem Feld der Beobachtung und der Kontrolle könnten auch die westeuropäischen Institutionen, die OECD und das GATT Beiträge leisten. Von den beiden zuletzt genannten und den Institutionen der UN — wie der Wirtschaftsund Sozialrat und nicht zuletzt die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) — wird insbesondere die Aufstellung eines international verbindlichen „Verhaltenskodex" für die MNK verlangt. Die Arbeit gegenüber allen Institutionen ist für mich nicht so sehr von den formalen Ergebnissen interessant, sondern vielmehr als Beitrag zur Aufklärung über die Zusammenhänge des gegenwärtig organisierten Kapitalismus und der internationalen Gewerkschaftsbewegung. Auf jeden Fall sollte die Wirksamkeit eines international abgestimmten Vorgehens der Staaten gegenüber den MNK nicht überschätzt werden. Divergierende nationale Interessen, siehe Washingtoner Energie-Konferenz im Februar 1974, und Unterschiede in den wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Ausgangs-bedingungen lassen nur schemenhaft eine gemeinsame Haltung gegenüber den MNK namentlich gegenüber den Erdöloligopolen entstehen. Freilich könnte durch die Gleichzeitigkeit eigenorganisatorischer Anstrengungen und Aktionen ein internationaler Druck auf die Institutionen entfaltet werden. Hinzu kommt, daß die Gewerkschaften aufgefordert sind, sowohl gemeinsame Aktionen als auch geeignete Bündnispartner unter den politischen Parteien und Basisbewegungen zu suchen. 4. Bündnispartner Neben der Notwendigkeit, eine eigene Gegen-macht zu bilden, die der internationalen Gewerkschaftsbewegung von keiner anderen Organisation abgenommen wird, muß sie für ihre Strategie gegenüber den Institutionen alles daransetzen, um die Mehrheit der Bevölkerung, vor allem die in der Arbeiterklasse, für ihre Forderungen zu gewinnen. Da der Mehrheitswillen in den Staaten zumindest formal über politische Parteien organisiert wird, sind sicherlich einige für die Gewerkschaften notwendige Adressaten und potentielle Verbündete. Wenn auch in den meisten kapitalistischen Staaten keine gewerkschaftsnahen Parteien die nationale Regierung stellen und obgleich die Internationalisierung der Parteien noch hinter der der Gewerkschaften nachhinkt, kann es doch nützlich sein, das MNK-Problem an Parteien und an Regierungen heranzutragen. Namentlich bei den Organisationen der UN könnte ein Bündnis zwischen Gewerkschaften mit nahestehenden Parteien die die Regierung, stellen — einschließlich der Regierungen der sozialistischen Staaten —, weitergehende Beschlüsse zur Beobachtung und Kontrolle der MNK durchsetzen. Da aber weniger die Verabschiedung als vielmehr die Durchführung der Resolutionen von gewerkschaftlichem Interesse ist, muß auf allen Ebenen der Parteien Druck ausgeübt werden, z. B. vom Ortsverein der SPD in der BRD bis zum Generalsekretariat der Sozialistischen Internationale. In einzelnen Fällen — wie wiederum bei AKZO — haben bereits mehrere Querverbindungen von Gewerkschaften und sozialdemokratische Parteien in der BRD und in den Niederlanden zumindest zu einer moralischen Unterstützung der gewerkschaftlichen Aktionen geführt. Zu weitergehender Hilfestellung waren indessen die Parteien selbst in diesem „populären" Fall nicht fähig, da sie bisher sowohl organisatorisch als auch programmatisch überwiegend auf den Nationalstaat fixiert sind. Schon deshalb sollte die Bündnisfrage auch auf andere Organisationen — wie Genossenschaften, öffentliche Unternehmen und Verbrauchervereinigungen — und Institutionen, wie Kommunal-und Regionalverbände, kurz: auf all die ausgedehnt werden, die von den Entscheidungen der MNK betroffen sind. In einem solchen Verbund könnten vielleicht keine spektakulären internationalen Maßnahmen veranstaltet, aber es könnten gegen das internationale Kapital — gerade in Grenzräu-men — wirksame Direktaktionen durchgeführt werden. Zu eben diesen Aktionen gegenüber strategisch ausgewählten MNK könnten auch einzelne „Bürgerinitiativen", „Basisgruppen" und ähnliche Bewegungen hinzugezogen werden. Nicht zufällig sind in den letzten Jahren von diesen kleinen Gruppen mehrere Anstöße gegenüber, einzelnen MNK ausgegangen, die dann erst von der regionalen, nationalen und internationalen Gewerkschaftsbewegung aufgegriffen worden sind. Nur mit Hilfe geeigneter Verbündeter wird der Macht der MNK im organisierten Kapitalismus eine Gegenmacht der internationalen Arbeiterbewegung entgegengestellt werden können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die vorliegende Abhandlung basiert auf überarbeiteten Teilen meines Buches „Multinationale Konzerne und internationale Gewerkschaftsbewegung. Ein Beitrag zur Analyse und zur Strategie der Arbeiterbewegung insbesondere in Westeuropa". Frankfurt-Köln 1974.

  2. Dazu ausfürlicher die in Arbeit befindliche Dissertation von Ch. Buchholtz „Die rechtlichen Aspekte des Sympathiestreiks bei Multinationalen Konzernen“ (Arbeitstitel), Universität Bremen, deren vorläufige Ergebnisse mir bekannt sind.

  3. So der Bericht des Vorsitzenden des Betriebsrates der Ford-Werke Köln-Niehl, E Lück, in: Ge-werkschaftliche Monatshefte 7/1971, S. 410.

  4. Vgl. das Gespräch mit dem stellvertretenden Generalsekretär des Internationalen Metallgewerkschafts-Bundes (IMB), W. Thönnessen, in Genf, Juni 1972, (Archiv WSI-Piel).

  5. Symptomatisch kann aus der internationalen Zeitschrift VISION, die sich sonst nicht zu juristischen Fachfragen zu äußern pflegt, Zitiert werden: „Die niederländische und die deutsche Gesetzgebung verbieten Solidaritätsstreiks", 5/1970.

  6. So u. a. J. Steffen, in: KONKRET, 18. 5. 1972, S. 46.

  7. VISION, 5/1972, S. 92.

  8. Diese Anforderung deutet sich prinzipiell in dem französischen Begriff des „interprele“ an.

  9. Vgl. das Protokoll des IUL-Kongresses, 7. — 10. 7. 1970, Zürich-Genf o. J., S. 36.

  10. Zit. aus DER SPIEGEL 30/1972 (17. 7. 1972).

  11. Vgl. u. a. die Erklärung des Generalsekretärs Ch. Levinson, in der er eine Zusammenarbeit mit den Chemiegewerkschaften der CGIL und der CGT in Frage stellt, solange beide „an Bestrebungen des Weltgewerkschaftsbundes mitwirken, die auf Unterwanderung und Zerstörung der ICF hinauslaufen". Und er fügt — trotz seiner kritischen Distanz zur westlichen Allianz — hinzu: „Auf beiden Seiten des Vorhangs (gemeint ist die Ost-West-Grenze) könne doch nicht zugleich gespielt werden“, in: ICF-Bulletin, Januar-Februar 1971, S. 66.

  12. Dies scheint insofern bislang ausgeschlossen, als die WGB-Gewerkschafter das Problem der MNK allein für die kapitalistische Welt betrachten, so die Delegierte des sowjetischen Gewerkschaftsbundes WZSPS, Ljubimova, auf der Arbeitskonferenz der Internationalen Arbeits-Organisation (IAO) in Genf, 26. 10— 4. 11. 1972.

  13. Dieser gründet sich auf einen ungebrochenen Antikommunismus, der bis heute jegliche Kontaktaufnahme strikt ablehnt, auch auf EWG-Ebene, vgl. u. a. die Rede ihres Vorsitzenden A. Bergeron auf dem 9. Kongreß der CGT-FO, Paris, 13. — 16. 4. 1966.

  14. EBFG, Protokoll des ersten (und einzigen) Kongresses, Den Haag 1969, Brüssel o. J., S. 25.

  15. R. Knecht, Bericht aus der betrieblichen Praxis: HONEYWELL GmbH, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 7/1971.

  16. W. Janssen, Bericht aus der betrieblichen Praxis: BROWN BOVERIE AG, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 7/1971.

  17. So ging ein FGTB-Delegierter auf dem Saraje-woer Symposium über Arbeiterselbstverwaltung im Mai 1971 vor über 50 Delegierten mit dem Konzept seiner „Brudergewerkschaft" DGB hart ins Gericht, was wiederum scharfe Proteste bei letzterer aus-löste. Folge war u. a. die Nichtannahme der Einladung zum Europäischen Gespräch des DGB durch den FGTB, vgl. die dort gemachten Ausführungen des Vorsitzenden H. O. Vetter, in: Europäisches Gespräch 1971, Köln o. J., S. 46.

  18. Vgl. u. a. G. Debunne/W. Schugens (Hrsg.), Contröle Ouvrier, Außerordentlicher FGTB-Kongreß, Brüssel, Januar 1971, und DGB-Bundesvorstand (Hrsg.), Mitbestimmung — eine Forderung unserer Zeit, überarb. Neuauflage, Düsseldorf, Januar 1971.

  19. Diese Begriffe prägte A. Kuhn, Labor, Institutions, Economics, New York 1967, S. 531.

  20. Vgl. E. Piehl, Mitbestimmung aus der Sicht der »Neuen Linken", in: DAS MITBESTIMMUNGSGE-SPRÄCH 1970, H. 9/10.

  21. Organisation Internationale du Travail (O. I. T. = Internationale Arbeitsorganisation), La participa-hon des travailleurs aux decisions dans les entre-prises, Genf 1969, S. 52.

  22. Vgl. die Resolution „Refus d'integration" des außerordentlichen Kongresses des FGTB vom 29. — 31. 1. 1971, in: Bericht von R. Peltzer, DGB-Auslandsabteilung, S. 1.

  23. E. Piehl, Arbeiterkontrolle als Alternative zur Mitbestimmung, in: AStA der Universität Freiburg (Hrsg.), Materialien zur Klassenanalyse hochentwickelter Gesellschaften, Freiburg 1970/71, S. 71 ff.

  24. A. Gorz, Marche Commun et Planifications, in: Cahiers d'Etudes Socialistes, Paris 1964, S. 63 und Rapport du Congres-extraordinaire, FGTB 1971, a. a. O.; lediglich Ansätze einer gewerkschaftlichen Kontrolle in den Betrieben bringt das Gesetz vom 27. 12. 1968 als späte Folge der „Maiereignisse", vgl. E Piehl, Jüngere Entwicklungen im französischen Gewerkschaftssystem, in: WWI-Mitteilungen 10/1970.

  25. Vgl.den Reisebericht der Jungsozialisten, Bonn 1971.

  26. Grundlegend ist H. C. Clegg, Industrial Democracy and Nationalisation, London 1951,; vgl. die kritische Interpretation bei P. Blumberg, Industrial Democracy, London 1968. Zusammenfassung bei R. Herding, Industrielle Demokratie in Großbritannien, Arbeitsheft 218 der Bildungsabteilung der IG Metall, Frankfurt 1969.

  27. Vgl. dazu als Überblick E. M. Kassalow, Trade Unions and Industrial Relations. An International Comparaison, New York 1969.

  28. G. Köpke, Stellungnahme in Frankfurter Rundschau vom 15. 7. 1972.

  29. Nach 1968 gab es 574 einzelne Gewerkschaften mit über 10 Millionen Mitgliedern, deren Größe zwischen der 24 Organisierte zählenden Jüdischen Bäckergewerkschaft und der rd. 1, 5 Millionen Mitglieder starken TGWU schwankte, Royal Commission on Trade Unions and Employers’ Associations 1965— 1968 („Donovan-Report”), London 1968, 2. Aufl., S. 7.

  30. Vgl. A. Flanders, Collective Bargaining: Prescription for Change, London 1967, insb. S. 28.

  31. W. E. J. McCarthy, The Role of Shop Stewards in British Industrial Relations, in: Royal-Commission . . . , a. a. O., S. 6.

  32. W. E. J. McCarthy/S. R. Parker, Shop Stewards and Workshop Relations, in: Royal Commission ..., a. a. O.

  33. P. Oehlke, Großbritannien, in: Albers u. a., Klassenkämpte in Westeuropa, Hamburg 1971, S. 225.

  34. K. Casserini, The Challange of Multinational Corporations .... in: H. Günter (Hrsg.), Transnational Industrial Relations, London 1972, S. 71.

  35. Vgl. die Auswertung unterschiedlicher Angaben bei M.de Grave, Dimension Europeen du Syndicalism Ouvrier, Lovain 1968, S 73; und J. L. Roberts, Gewerkschaften und Gewerkschaftsmitglieder in sieben westeuropäischen Ländern, in: Gewerkschaftliehe Monatshefte 4/1973, S. 260 ff.

  36. L. Turner, Le Capital International, Paris 1971.

  37. G. Buiter, Die Rolle der Gewerkschaften im integrierten Europa, in: Nemitz/Becker (Hrsg.), Gewerkschaft-Wirtschaft-Gesellschaft, Köln 1963, S. 351.

  38. IBFG (Hrsg.), Kassenbericht 1969— 1972, vorgelegt zum 10. Welt-Kongreß, London, Juli 1972, S. 76.

  39. Die ICF legt stets Wert darauf, „keinerlei finanzielle Unterstützung aus irgendeiner Quelle außerhalb der ICF-Mitgliedsverbände" erhalten zu haben, während die IUL angibt, „kleine Beträge ... für die Unterstützung von Bildungstätigkeiten" vom Internationalen Arbeitsamt bekommen zu haben, in: IUL-Selbstverständnispapier, Juni 1972, S. 2.

  40. S. die Tabelle im Aufsatz von Siegfried Mielke in diesem Heft, S. 20.

  41. E. Lüde, a. a. O., S. 410.

  42. An der ICF-Weltkonferenz im Juni 1972 nahmen je zwei Betriebsräte von VEITH-PIRELLI und von DUNLOP sowie zwei Abteilungsleiter aus Hannover teil, in: Gewerkschaftliche Umschau 4/1972, S. 13.

  43. Erklärungen von S. Chapatte, in: Protokoll des 1. EBFG-Kolloquiums, 25. 2. 1972, S. 2 (im Archiv des Verfassers).

  44. EBFG-Einladungsschreiben zum 2. Kolloquium, Brüssel, 6. 7. 1972, S. 3.

  45. Bulletin über den 14. ICF-Konqreß, Kopenhagen 1970, S. 6.

  46. So G. Köpke, Multinationale Unternehmen und Gewerkschaften, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 7/1971, S. 395.

  47. Z. B. verschob die Internationale Arbeits-Organisation (IAO) 1971 eine Studie über die MNK, weil sie vom Management verschiedener Konzerne entsprechend bedrängt wurde — so von Reuther auf dem 22. Kongreß des IMB, in: Gewerkschaftsspiegel 23/1971, S. 20; allerdings hat die gleiche IAO 1974 ein umfassendes Forschungsprogramm in Angriff genommen, zu dem der Verfasser als „externer Berater“ der Gewerkschaftsseite benannt wurde.

  48. B. Bendiner nennt in einem Arbeitspapier für den IMB vom 6. 2. 1971 ausdrücklich die Labour Party, die SPD, die SPO und die sozialdemokratischen Parteien Skandinaviens.

Weitere Inhalte

Ernst Piehl, Dr. rer. pol., Dipl. -Politologe, geb. 1943. Studium der Politologie und Ökonomie an der Freien Universität Berlin, seit 1969 Referent für Ge-sellschaftsund Gewerkschaftsfragen im Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Institut des DGB, Düsseldorf. Arbeitsschwerpunkte: Internationale Kapitalkonzentration, EWG/EG — Integration und Gewerkschaftsbewegung in Ost-und Westeuropa. Veröffentlichungen: mehrere Zeitschriftenaufsätze und Beiträge für BuchVeröffentlichungen; Autor der als Bd. 2 der Schriftenreihe der Otto-Brenner-Stiftung erschienenen Studie: Multinationale Konzerne und internationale Gewerkschaftsbewegung. Ein Beitrag zur Analyse und Strategie der Arbeiterbewegung im international organisierten Kapitalismus, Frankfurt — Köln 1974.