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Aktive Strukturpolitik — Ansatzpunkt zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft | APuZ 40/1974 | bpb.de

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APuZ 40/1974 Artikel 1 Aktive Strukturpolitik — Ansatzpunkt zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft Freie Zeit ist Bürgerrecht Plädoyer für eine Neubewertung von „Arbeit" und „Freizeit"

Aktive Strukturpolitik — Ansatzpunkt zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft

Reimut Jochimsen

/ 35 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die schwierige Situation, in der sich die staatliche Wirtschaftspolitik, aber auch die Reformpolitik der sozial-liberalen Koalition insgesamt augenblicklich befinden, sowie der unbefriedigende Stand der innerparteilichen Diskussion zu Fragen der Wirtschaftspolitik geben Anlaß, die Prinzipien zu überdenken, die für die Fortentwicklung unseres sozialen Rechtsstaates durch eine Ausweitung seiner Problemverarbeitungskapazitäten relevant sind. Es wird immer deutlicher, daß diese Kapazitäten dem objektiv steigenden Problemdruck, der z. T. auch subjektiv empfunden wird, nicht mehr gewachsen sind. Ihre Ausweitung kann bei zunehmender Verflechtung und Arbeitsteilung auf nationaler, internationaler und z. T. weltweiter Ebene nicht im Rahmen »großer Lösungen“ (z. B.der Frage des Eigentums an Produktionsmitteln) liegen, sondern sie ist durch eine schrittweise Veränderung bei allmählicher organisatorischer Umgestaltung einschließlich der Verbesserung der Steuerungsmöglichkeiten anzustreben. Der Staat ist in diesem Zusammenhang — über die ihm üblicherweise zuerkannten Aufgaben hinaus — dafür verantwortlich, daß die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen und die Bezugsrahmen für Planungen und Entscheidungen (auch im nicht-staatlichen Bereich) so gesetzt werden, daß die Erarbeitung und Durchsetzung auch längerfristiger Ordnungs-und Strukturkonzeptionen möglich wird. Die Praxis der Struktur-politik zeigt die Notwendigkeit einer solchen Festlegung, aber auch ihre insbesondere organisatorisch bedingten Schwierigkeiten. Die Fähigkeit staatlicher Bürokratien zur Informationsverarbeitung ist begrenzt. Das zwingt uns dazu, dort bestehende Instrumente intakt zu lassen, wenn ihre Ergebnisse in der gesellschaftlichen Beurteilung akzeptiert werden. Ist dies nicht mehr der Fall, dann muß der Staat unter Berücksichtigung aller Informationen den Rahmen für das dezentrale Handeln neu setzen. Hierbei ist es unumgänglich, sich auf besonders wichtige Querschnittsaspekte als Beurteilungsraster zu stützen, die eine Reduktion der Komplexität aus der unendlichen Fülle der existierenden Verflechtungen ermöglichen. Besondere Bedeutung wird im Zusammenhang mit der Ausweitung der strukturpolitischen Aufgabenstellungen und Aktivitäten der Organisation von Prozessen zukommen, die rationale Ziel-findung, effiziente Durchführung und wirksame Kontrolle gewährleisten. Die Vielzahl und die Schwierigkeit der angedeuteten Aufgaben erfordern eine nüchterne Einschätzung der Handlungsmöglichkeiten. Dabei sollte eine Reihe von Maximen beachtet werden, die es erlauben, die Planungs-und Entscheidungsprozesse im politischen und ökonomischen Bereich so zu organisieren, daß sie sich den ständigen Veränderungen und neu entstehenden Problemen anpassen können.

I. Notwendigkeit der Standortbestimmung

Horst W. Opaschowski: Freie Zeit ist Bürgerrecht.

Plädoyer für eine Neubewertung von „Arbeit" und „Freizeit“ ....................... S. 18

I, Die Erörterungen über sozialdemokratische Wirtschaftspolitik werden zur Zeit von drei scheinbar widersprüchlichen Thesen gekennzeichnet. Erstens die Grundsatzdiskussion: Die marxistische Methode der Analyse des sog. Spätkapitalismus erfährt zum Beispiel im Zusammenhang mit der theoretischen Diskussion über den Orientierungsrahmen 1985 und seine Fortentwicklung eine gewisse Renaissance — und zwar vor allem in der analytischen Konstruktion des sog. Grundwiderspruchs zwischen der gesellschaftlichen Natur von Produktion und Reproduktion in der Industriege-Seilschaft einerseits und der individuellen privaten Aneignung ihrer Früchte bzw.der privaten Verfügung über die Produktionsfaktoren andererseits; zentrales Thema dieser Diskussion sind die und -Notwendigkeit die Mög lichkeit, die staatliche Steuerung so auszubauen, daß dieser Grundwiderspruch langfristig aufgehoben wird.

Zweitens die aktuelle Preisdiskussion: Die Hilflosigkeit, mit der Regierungen und politische Parteien in den westlichen Industrieländern und in den meisten Entwicklungsländern die weltweite Preissteigerung einzudämmen versuchen und auf die Olpreis-Krise im weltweiten Maßstab reagieren, ist offenkundig geworden. Die Krise eines total vermachteten Weltmarkts scheint radikale staatliche Eingriffe wie Preisstopp, Kontrolle der Wirtschaftsmacht oder Verstaatlichung, in jedem Falle aber Investitionslenkung und Investitionskontrolle dringend nahezulegen.

Diese Einschätzung wird mit der These verbunden, daß die sich für uns verschlechternden Terms of Trade sowie die langfristig nicht mehr so günstig einzuschätzende Produktionsstruktur der deutschen Volkswirt -schaft erhebliche, gezielte strukturpolitische Anstrengungen erfordern;

Drittens die marktwirtschaftliche Ordnung:

Hier fällt die Beharrlichkeit auf, mit der insbesondere die Parteiführung der SPD und die Sozialdemokraten in der Bundesregierung in Übereinstimmung mit dem Godesberger Programm darauf verweisen, daß die marktwirtschaftliche Ordnung weiterentwickelt, keinesfalls abgeschafft oder beseitigt werden solle, im Gegenteil, unterstützt und gestärkt werden müsse.

Zugleich ist die Reformpolitik der sozialliberalen Bundesregierung ins Gerede gekommen, und zwar aus durchaus unterschiedlichen Gründen. Zum einen richtet sich die Kritik gegen den zu langsamen Fortschritt bei der Durchführung der Reformen; auf der anderen Seite werden die Reformen für zu weitgehend oder zu radikal gehalten. Insgesamt scheint die Reformpolitik eher zu verunsichern, weil ihre Auswirkungen von vielen Bürgern offenbar z. Z. nicht völlig zu überblicken sind. 2. In dieser Situation ist eine mehr systematische als eklektische Standortbestimmung dringlich. Die Faktoren sind kritisch zu analysieren, welche Lage, Trends, Handlungsmöglichkeiten und verfügbare Instrumente gegenwärtig und in absehbarer Zukunft charakterisieren. Dies wird mehr Besinnung auf die Begrenzungen erfordern Konzentration auf die Umsetzung des Machbaren als Höhenflug zu neuen Ufern. Die großen, richtigen, aber unmittelbar nicht in Politik umsetzbaren, weil nicht operationalen Grundwerte und Wahrheiten müssen im Rahmen der Grundwerte des demokratischen Sozialismus, in mittleren Prinzipien, wie Horst Ehmke einmal gesagt hat, konkretisiert werden, d. h„ es sind . mittlere Prinzipien’ herauszukristallisieren, die weder in der Borniertheit isolierter, häufig zu kurz greifender, nicht aufeinander abgestimmter willkürlicher Einzelmaßnahmen, noch in den unangreifbaren, aber auch nicht greifbaren Lehrsätzen zur Lage des Spätkapitalismus enden, sondern die eine strategische Schneise für mehr Rationalität bei der systematischen Fortentwicklung unserer Volkswirtschaft durch aktive Strukturpolitik des sozialen Rechtsstaates darstellen. 3. Ich möchte dazu einen Versuch unternehmen, und zwar von drei Ausgangspunkten:

a) Der Problemstau und der Problemdruck sowie die Grundwidersprüche des modernen Wirtschaftssystems schließen es aus, naturwüchsige Evolution und sporadische Intervention als Wesensmerkmale der. sozio-ökonomischen Entwicklung weiterhin politisch zu akzeptieren.

b) Der knappste Faktor für die Planung, die Willensbildung und die Durchsetzung einer Politik der Veränderung im Sinne des Ausbaus des demokratischen, sozialen Rechts-staats,sind gegenwärtig und auf absehbare Zukunft weder Geld noch Personal oder Macht. Es sind auch nicht die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, sondern es ist die Kapazität zur politisch verantworteten Problemverarbeitung. Dies ist der Engpaß, der heute die Partei, aber vor allem auch staatliche Instanzen einschließlich des Parlaments kennzeichnet. c) Bei dieser Ausgangslage ist eine Konzentration auf ausgewählte kritische Probleme erforderlich und nicht radikale Umwälzung insgesamt sinnvoll oder möglich. Eine solche Maxime kann und darf aber zugleich keinen Rückzug aus der »Fläche“, also aus den vielfältigen Teilgebieten der Gesamtpolitik bedeuten. Strategische Schneisen müssen darauf gerichtet sein, bestimmte Probleme vordringlich zu lösen; zugleich muß die Konzentration auf sie — und dies ist mit dem Blick auf die Vergangenheit und auch die gegenwärtige Praxis besonders wichtig — auch die Chancen verbessern, Strukturen und Verflechtungen offenzulegen und damit der Politik zu ermöglichen, ihre Aufgaben zu systematisieren, und gleichzeitig dem Bürger Ziele, Maßnahmen und Wirkungen konkreter verständlich zu machen.

II. Problemdruck und Problemverarbeitungskapizität

Inhalt I. Notwendigkeit der Standortbestimmung II. Problemdruck und Problemverarbeitungskapazität III. Grundwiderspruch, Fehlleistungen des Marktes IV. Staatsfunktionen V. Praxis der Strukturpolitik VI. Notwendigkeit verbesserter Bezugsrahmensetzung VII. Querschnittsaspekte, Prüfraster VIII. Zu Inhalt und Organisation der Strukturpolitik IX. Grundsätze struktureller Umgestaltung

4. Die bereits seit mehreren Jahren erkennbare Krise bei der Versorgung insbesondere mit Rohstoffen und ihr bisheriger spektakulärer, wenn auch etwas undurchsichtiger Höhepunkt, die Energiemengenkrise des vorigen Herbstes, hat uns den Problemdruck, unter dem unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung seit einiger Zeit steht und wohl auf absehbare Zeit weiter stehen wird, erschreckend deutlich vor Augen geführt.

Der Problemdruck war übrigens auch an anderen Symptomen kaum weniger eindringlich ablesbar, beispielsweise an den Problemen der Entwicklung unserer Stadtregionen und dem nicht bewältigten Stadt-Land-Gegensatz, den ungelösten Problemen des Straßenverkehrs, aber auch den raschen Preisniveausteigerungen; regionale und sektorale Strukturprobleme sowie Probleme des Arbeitsmarkts, auch im europäischen Rahmen, zeigen permanent die Schwächen unseres Wirtschaftssystems, zugleich aber auch die Schwäche unserer politischen Möglichkeiten zum Eingriff.

In diesem Zusammenhang ist auf eine m. E, sehr ernst zu nehmende Tendenz hinzuweisen: Das Gefühl, daß die etablierten Politikei für einen großen Teil der anstehenden Probleme keine überzeugenden Lösungen anbieten können — Lösungen, für die eine Realisierungswahrscheinlichkeit (sachlich wie politisch) besteht —, führt zu einer Verdrossenheit gegenüber den bisher eingeschlagenen Wegen und kann die Flucht in Patentlösungen, die ein ungezügelter Konservatismus ja anzubieten scheint und zweifellos weiter propagieren wird, zur Massenbewegung werden lassen. Das Beispiel Dänemark — Mogens Glistrup — ist schon beinahe wieder in Vergessenheit geraten. Aber wir sollten darüber nachdenken,'wie ähnlichen Tendenzen, die es in allen westeuropäischen Ländern und in den USA zweifellos gibt, zu begegnen ist. Sie sind eine Gefahr, aber gleichzeitig auch eine Herausforderung für unsere Politik.

5. Der Problemdruck ist also erheblich, und er wächst. Da ist einmal die historische Kompo-nente, der Problemstau der Versäumnisse des letzten Vierteljahrhunderts und seiner politischen Restauration, den aufzuarbeiten wenige Jahre nicht hinreichen. Ferner gibt es objektive Determinanten, die sich vor allem im raschen Strukturwandel sowie in der rapide zunehmenden wechselseitigen binnenwirtschaftlichen wie internationalen Verflechtung niederschlagen. Heute geht der Anteil des in Geldform verfügbar gemachten Realeinkommens in unserer Gesamtwirtschaft sicher auf 95 ° o, während er noch vor 25 oder 50 Jahren bei wohl weniger als 70 °/o lag. Heute beträgt die Außenhandelsabhängigkeit annähernd 50 °/o des Sozialprodukts (Summe von Exporten und Importen). Vor 25 Jahren lag sie wenig über 15 %. Wir sind heute der Welt größtes Exportland (13°/o der Weltexporte) und das zweitgrößte Importland (11 °/o der Weltimporte). Vor 25 Jahren stand unser Außenhandel erst wieder am Anfang. Heute sind fast 90 ’/o der Erwerbstätigen abhängig beschäftigt. Auch die restlichen sind ganz überwiegend nicht mehr in jenem Sinne wirtschaftlich selbständig, wie sie dies früher einmal waren. Vor 25 Jahren waren es erst 70 ’/o. Alle diese Trends zeigen weiter in die Richtung ständig zunehmender Komplexität des Systems und zunehmender Abhängigkeit des einzelnen von der arbeitsteiligen Entwicklung dieses Systems. 6. Auch die subjektiven Determinanten des Problemdrucks beruhen z. T. auf diesen Trends; sie sind indes auch unabhängig von den objektiven Bestimmungsgründen kaum weniger markant und wirksam: Die Truman-sehe „Revolution steigender Erwartungen“ hat die westlichen Industrieländer — und nicht nur diese — nach wie vor im Griff. Die Forderungen nach Wohlstand für alle und Lebensqualität für jeden einzelnen, nach Reichtum im Konsumgüterangebot wie nach leistungsstarker und qualitativ hochstehender Versorgung bei den Gütern öffentlicher Daseinsvorsorge und -fürsorge sprechen eine beredte Sprache. Auch wenn das Bewußtsein von der wechselseitigen Abhängigkeit des einzelnen und seiner Verflechtung in weltweite Entwicklungen durchaus zugenommen bat, so ergibt sich gleichwohl, daß trotz Ölkrise und zweifellos zunächst begrenzterer Möglichkeiten für weitere Wohlstandssteige-rungen die Erwartungen bisher nicht angepaßt sind. Im Gegenteil: Die Angst vor der Zukunft verbindet sich — zumindest zur Zeit noch — mit dem fast trotzigen Rechnen mit und dem Fordern von weiteren raschen Wohlstands-steigerungen. Sicherlich standen auch die Menschen früherer Jahrhunderte vor gleich großen oder größeren Problemen, die ganz überwiegend stärker als heute die Existenz unmittelbar betrafen. Aber die Auffassungen über Anzahl, Dimension, Relevanz und Lösbarkeit der anzupackenden Probleme werden jeweils durch das in der Gesellschaft herrschende Bewußtsein bestimmt. Dabei wuchsen gerade in den letzten Jahrzehnten die denkbaren Problemlösungsmöglichkeiten ganz erheblich. Nicht gleichermaßen zugenommen haben aber die tatsächlich realisierten Problemlösungen.

Denn das denkbare Ereignis ist noch nicht das Mögliche, vom Wahrscheinlichen oder gar sicher eintretenden Faktum ganz zu schweigen. 7. In unserer Situation, beim gegenwärtigen Entwicklungsstand unseres Systems — und ich spreche hier vom politischen System —, kommt es in erster Linie darauf an, die Fähigkeit dieses Systems so zu erweitern, daß vorhandene Möglichkeiten in stärkerem Maß auch in realisierte Problemlösungen umgesetzt werden können. Mit einem Wort: Es kommt darauf an, die staatliche Problemverarbeitungskapazität auszuweiten. Es gibt vielfältige Kapazitätsgrenzen; sie bestehen insbesondere in der Begrenztheit des menschlichen Intellekts, auch in Gruppenarbeit, und der personellen Ressourcen, die sich zusammen in Theoriedefizit, Fehlen von Systemanalyse und Problemidentifikation, Mangel an wichtigen Zahlen, Strukturkenntnis-sen und Lücken in der Praxisaufarbeitung niederschlagen. Die Kapazitätsgrenzen werden außerdem — und dies wirkt auf das eben genannte zurück — durch die institutioneilen und ablaufmäßigen Erfordernisse des Planungs-, Entscheidungs-und Umsetzungsprozesses in der sozialen, rechtsstaatlichen De. mokratie bestimmt.

Die Kapazität des politischen Gemeinwesens zur Problemverarbeitung bestimmt aber seine Handlungsfähigkeit zur Beeinflussung der sozio-ökonomischen Entwicklung. Bei ihrer Steigerung fängt die Strukturpolitik, für die Modernisierung der Volkswirtschaft an. Hier müssen vielfach erst die Voraussetzungen für eine aktive, zielorientierte Beeinflussung bzw. Veränderung gegebener Strukturen geschaffen werden.

III. Grundwiderspruch, Fehlleistungen des Marktes

8. Ich habe eine Renaissance der marxistischen Methode bei der Analyse der Probleme unseres Wirtschafts-und Gesellschaftssystems konstatiert. In ihrer undifferenzierteren Form hat diese dazu beigetragen, daß die Aufhebung des sog. Grundwiderspruchs zwischen der gesellschaftlichen Produktionsweise und der privaten Aneignung in den Mittelpunkt der Erörterung gerückt ist. Die Aufhebung dieses Grundwiderspruchs wird dabei nach wie vor als Patentrezept für die Lösung der grundlegenden Probleme unserer Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung oder zumindest als Voraussetzung für ihre Lösung angesehen. Zum Nachweis der These vom Grundwiderspruch und seiner Zunahme läßt sich vieles anführen — die These als solche wird nicht bezweifelt. Offen bleibt dabei allerdings, inwieweit der Widerspruch ein auf den Kapitalismus beschränktes Phänomen ist. Ich meine, daß es sich dabei um ein Charakteristikum jedes arbeitsteiligen Gesellschaftssystems handelt, das nicht auf die Wirtschaft beschränkt ist, sondern wegen des rationalen Grundprinzips organisierter Lebensgestaltung heute die gesamte Gesellschaft in praktisch allen Lebensbereichen durchzieht, wie schon Max Weber dargelegt hat.

Die hochgradige nationale und internationale Verflechtung, die die Wirtschaftssysteme heute kennzeichnet, impliziert, daß der Bezugsrahmen der gesellschaftlichen, arbeitsteiligen Produktion in bezug auf Produktionsweise, Arbeitsbedingungen, Technologie, Erzeugung bzw. Reproduktion der Produktionsfaktoren gesamtgesellschaftlich und heute mithin — genau genommen — weltweit bestimmt ist. Die Abhängigkeit unserer Wirtschaft von internationaler Rohstoffversorgung oder von der Anwesenheit und Mitarbeit ausländischer Arbeitnehmer sind Beispiele für den weltweiten Bezugsrahmen, in den unsere nationale Wirtschaft eingepaßt ist. Aufhebung des Grundwiderspruchs müßte bedeuten, daß Planungen und Entscheidungen über die Durchführung von Produktion und Reproduktion sowie die Aneignung und Verteilung des Produktionsergebnisses innerhalb des gleichen Bezugsrahmens organisiert sind.

Daß dies nicht der Fall ist, muß nicht erläutert werden. Es zu fordern, wäre Illusion angesichts der Tatsache, daß eine Weltregierung, bei der alle und jede Entscheidung läge, heute weder möglich noch sinnvoll wäre und auch mit unserer Auffassung von Demokratie, Betroffenheit und Mitwirkungsrechten dei Bürger, Mitbestimmung und dezentraler Wirtschaftsorganisation usw. nicht in Einklang zu bringen wäre. 9. Der ungeheuer weite Bezugsrahmen, in dem weltweit verflochtene arbeitsteilige Produktion stattfindet, läßt sich also in bezug auf Planung und Entscheidung (noch) nicht entsprechend dem empirischen Ausmaß der Gesamtgesellschaftlichkeit der Einzelproduktion ausfüllen. Dies gilt nicht nur im Weltmaßstab, sondern auch für die geradezu unzähligen Teilausschnitte innerhalb des insgesamt verflochtenen Weltsystems, die ihrerseits organisatorische Bezugsrahmen bilden: Nationalstaaten, Regionen, Gemeinden, Wirtschaftsunternehmen, Haushalte usw. In jedem Fall handelt es sich um Verflechtungen, die empirisch nicht mehr aufhebbar sind, auch wenn es politisch oder vom einzelnen gewollt wäre. Für die nationale Ebene folgt daraus, daß die Vor Stellung von der Interdependenz der Nationen kein zutreffendes Bild mehr darstellt. Andernfalls müßte auch Independenz möglich bleiben, die Interdependenz autonomer Größen auch gelöst oder gekündigt werden können. Dies ist nicht mehr denkbar; es handelt sich also um Dependenz, und zwar wechselseitige, teilweise schmerzliche, aber vor allem auch förderliche und gewollte.

Eine Übereinstimmung der tatsächlichen Bezugsrahmen für die Produktion und für Planung und Entscheidung wird sich dabei jedoch höchstens zufällig ergeben. Nur im Ausnahmefall handelten dann ein bestimmter Staat oder eine Region oder eine Unternehmung in voller Übereinstimmung mit dem an sich erforderlichen Bezugsrahmen.

Im gesamtgesellschaftlichen bzw. weltweiten Maßstab des eigentlichen Bezugsrahmens von Produktion und Reproduktion könnte es durchaus eine optimale Dezentralisierung geben, die auch regional und sektoral ableitbar sein könnte. Warum aber sollte sie gerade mit den historisch gewachsenen Dezentralisierungen übereinstimmen?

Die arbeitsteilige Wahrnehmung der Funktionen innerhalb verschiedener Bezugsrahmen verhindert faktisch das Zusammenfallen von (gesamt-) gesellschaftlicher Produktion einerseits und gesellschaftlicher Aneignung oder Verfügung andererseits. Es ist naheliegend — und unsere Erfahrungen bestätigen dies —, daß weder das Modell maximaler Dezentralisierung im Rahmen „freier Marktwirtschaft" noch der „Kunstgriff" totaler Zentralisierung aller Entscheidungen eine solche Übereinstimmung herstellen können. Vielmehr verbleibt in jeder Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung eine „Privatheit" bei der Aneignung, Planung, Entscheidung usw. im Sinne des Abschneidens, „Beraubens" von Verflechtungen, die tatsächlich vorhanden sind und zu berücksichtigen wären.

Entfremdung und mangelnde Selbstbestimmung der wirklichen Produzenten sowie Fremdbestimmung durch andere sind damit letztlich unaufhebbare Charakteristika jeder hocharbeitsteiligen Gesellschaftsorganisation, und zwar — wenn auch in Details abweichend — sowohl sozialistischer wie kapitalistischer Ausprägung. 10-Entscheidung für diese Analyse ist ihre Konsequenz: wenn es letztlich eine vollständige Aufhebung des Widerspruchs nicht gibt, so bleibt doch die Kärrnerarbeit seiner Minderung, seiner möglichst weitgehenden Beseitigung. Wenn für den Widerspruch kein Allheilmittel, etwa durch die „Lösung" der Eigentumsfrage, besteht, weil auch eine Vergesellschaftung oder eine Verstaatlichung keine Aufhebung bedeutete, so steht das Problem dort, wo es hingehört: es ist das gesamtgesellschaftliche Ausmaß der Abhängigkeit und Verflechtung unserer Produktionsund Lebensbedingungen, das sich empirisch erfahren läßt und politisch adäquat in der Festlegung des organisatorischen Bezugsrahmens niederschlagen muß. Dann geht es darum, als Anweisung an das praktisch-politische Handeln, soviel Planung wie nötig, soviel Freiheit des einzelnen wie möglich zur Maxime zu machen. Dann geht es nicht mehr darum, unsere Überlegungen auf das einfache Rezept eines einzigen Instruments zu reduzieren.

Eine solche Heilsgewißheit, wie sie das zukünftige Verschwinden des Widerspruchs darstellen mag, verstellt allzu leicht den Blick auf das praktisch Mögliche. Mit der Blickrichtung auf die möglichst weitgehende Beseitigung seiner Konsequenzen erhält die Grundfigur vom Widerspruch zwischen Produktionsweise und Verfügung jedoch eine wesentliche Funktion, indem sie nämlich die Probleme, mit denen wir es, wenn auch nicht ausschließlich, zu tun haben, wenn wir vom wachsenden Problemdruck oder vom Problemstau sprechen, in einen Zusammenhang einordnet und ihre Beurteilung in Zusammenhängen erleichtert.

Die Metapher vom Problem läßt ja die Dimension, die Einordnung in kategoriale Größen, noch vollständig offen. Und es wäre sicherlich falsch — wie dies die Gegner marxistischer Analyse zumeist tun —, die Probleme nur aus einer mangelnden Anpassung an den jeweils erreichten Stand von Wissenschaft und Technik, also als eine Art generalisierter Zeitverzögerung in der Anpassung der sozioökonomischen an die technologisch-wissenschaftliche Entwicklung, zu erklären.

Eine differenzierte Betrachtungsweise verschiebt die vor uns liegenden Aufgaben aus dem Bereich der „großen Lösungen“ auf die Ebene einer schrittweisen Veränderung bei allmählicher organisatorischer Umgestaltung einschließlich der Verbesserung der Steuerungsmöglichkeiten. Dabei geht es uns hier in erster Linie um die staatlichen Kapazitäten der Systemsteuerung bzw. -beeinflussung.

IV. Staatsfunktionen

11. Bestrebungen zur Verbesserung staatlicher Organisation und zur Erweiterung staatlicher Steuerungsmöglichkeiten stoßen nun gerade in jüngerer Zeit auf verstärkten Widerspruch — und dies nicht nur aus dem konservativen Lager. Eine Ursache hierfür ist sicherlich darin zu erkennen, daß — zum Teil bedingt durch nicht zu beeinflussende äußere Schwierigkeiten — die konkret erkennbaren Leistungen des Staates scheinbar kaum verbessert wurden, obwohl der Aufwand zur Erbringung dieser Leistungen sehr zugenommen hat.

Um dieser Argumentation, die ja nicht nur auf Parkinson aufbaut, sondern auch in der wissenschaftlichen Diskussion eine Rolle spielt (Milton Friedman), entgegentreten zu können, sollten wir auf einige grundsätzliche Überlegungen zu den Funktionen des Staates zurückgreifen, die von Fritz Scharpf und Horst Ehmke dargestellt worden sind. 12. Die kapitalistisch organisierte Wirtschaft erzeugt notwendigerweise eine Reihe von Strukturproblemen, die im einzelnen, insbesondere aber in ihrer Kumulierung das Funktionieren des Systems — und dann nicht nur des wirtschaftlichen — in Frage stellen können. Die Lösung dieser Probleme bzw. die Beseitigung ihrer Folgen ist in zunehmendem Maße in die staatliche Zuständigkeit verlagert worden. Dies ist heute nicht mehr rückgängig zu machen, und im Grunde glaubt niemand — auch diejenigen nicht, die heute gegen jede Ausweitung der Steuerungsmöglichkeiten Sturm laufen —, daß auch ein grundsätzlich anderer Weg möglich oder sinnvoll gewesen wäre.

Der Staat übernimmt hier entscheidende Funktionen der Systemstabilisierung, was nicht bedeuten kann, daß er durch diese Stabilisierung das System nicht auch verändert. Es gehört zu den Grunderkenntnissen auch konservativer System-und Gesellschaftstheoretiker, daß offene Systeme sich nur stabilisieren lassen, wenn sie wandlungsfähig und veränderbar sind.

Der moderne Staat hat neben der Sicherheitsund Ordnungsfunktion auch die Aufgaben der Verteilung, der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen, der globalen Struktursteuerung der sozio-ökonomischen Entwicklung der Gesamtgesellschaft übernommen und nimmt diese zunehmend extensiver wahr. Das ist eine Tatsache. Dabei fällt dem Staat die Rolle zu, als Dienst für alle Bürger dafür zu sorgen, daß die Grundlagen und Bedingungen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung im Sinne der Grundwerte gestaltet werden. Es geht also darum, die grundgesetzlich verbürgten Grundrechte formal und materiell auszufüllen bzw. zu gewährleisten. Der Staat als das von der Gesellschaft für diese Zwecke ausgebildete politische Gemeinwesen soll sich dabei am Gemeinwohl aller Gruppen und Individuen orientieren. Der Staat soll die organisatorischen, personellen, finanziellen und sachlichen Vorkehrungen treffen, um die gemeinsamen Zwecke der Gesamtgesellschaft zu erfüllen. Sicherlich ist die gesamtgesellschaftliche oder die teilgesellschaftliche Selbstorganisation des politischen Handelns — im Gegensatz zum Staat als der instrumentalen Herausdifferenzierung eines Apparates des politischen Gemeinwesens — insgesamt weder eine gangbare noch eine politisch erstrebenswerte Alternative. Denn die Gewährleistung von Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Sicherheit müßte gleichfalls zur Ausbildung eines Apparates führen, der dann neben den Staat tritt. Für eine der parlamentarischen Demokratie verpflichtete Partei kann deshalb nur ein gestuftes Rangverhältnis in Frage kommen: Die gesellschaftliche Selbstorganisation ist nur solange und soweit sinnvoll und möglich, als sie zu Problemlösungen führt, und zwar innerhalb des Rahmens, den die parlamentarische Demokratie setzt.

Die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung funktioniert zwar in jedem Augenblick meiner bestimmten Weise. Wenn aber die relevanten Strukturen und 'Einzelregelungen dieser Arbeitsteilung in der gesellschaftlichen Beurteilung nicht mehr akzeptiert werden, wenn z. B. Entscheidungen in der Weise und ohne die Betroffenen gefällt werden, daß sie unerträglich erscheinen, dann ist es Aufgabe des Staates, eben diese gesellschaftliche Beurteilung konzeptionell umzusetzen. Der Staat muß als übergreifende Organisation die Möglichkeiten, Grenzen und Chancen der Einzelplanung von Wirtschaftseinheiten, Haushalten, Bürgern und Verbänden und ihre wechselseitige Abstimmung regeln. In diesem Sinne ist z. B. die Gewährleistung oder auch nur die Hinnahme einer marktwirtschaftlichen Ordnung der Konsumgütermärkte eine politische und daher ggf. zu überprüfende Entscheidung. Das Beispiel zeigt, daß die staatliche Verantwortung insofern weit über das hinausgreift, was die Tätigkeit der staatlichen Organe normalerweise und in großer Zahl ausmacht. Neben der Erfüllung seiner klassischen Funktionen auf der einen Seite und der Beseitigung konkret erkennbarer Engpässe auf der anderen kommt dem Staat die Aufgabe zu, nicht nur kurzfristig notwendige Strukturveränderungen zu fördern und zu erleichtern, sondern auch durch die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen, durch die bewußte Setzung von Bezugrahmen die Erarbeitung und Durchsetzung auch längerfristiger Ord-nungsund Strukturkonzeptionen zu ermöglichen. Diese Überlegungen lassen sich am Beispiel der Strukturpolitik und an der Diskussion zu ihrer Ausweitung und konzeptionellen sowie instrumenteilen Verbesserung anschaulich verdeutlichen.

V. Praxis der Strukturpolitik

13. Die Erfahrungen der Nachkriegszeit und gerade der letzten Jahre haben gezeigt, daß der Marktmechanismus unter den gegebenen Bedingungen nicht in der Lage ist, die Struktur des Systems, d. h. das Verhältnis der Teilbereiche des Systems zueinander, in politisch akzeptabler Weise — z. B. unter Berücksichtigung anerkannter sozialpolitischer Zielsetzungen — zu gewährleisten.

So bestehen erhebliche strukturelle Probleme in regionaler und in sektoraler Hinsicht, hinsichtlich des Tempos der gewünschten Veränderungen, aber auch hinsichtlich der Versorgung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen und in bezug auf Vermachtungsten-denzen auf den Märkten. Wir haben heute eine Raumstruktur, die — vereinfacht gesagt — gekennzeichnet ist durch die Konzentration von Bevölkerung und Wirtschaft in relativ wenigen Räumen hoher Verdichtung und die breite Streuung der Siedlungsbereiche in den übrigen Räumen. In den Verdichtungsräumen leben ca. 45 0/0 der Bevölkerung auf nur 7°/0 der Fläche der Bundesrepublik. In sektoraler Hinsicht ist festzustellen, daß der Anteil der Beschäftigten, die in Sektoren mit schon mittelfristig rückläufiger Beschäftigung arbeiten, erschreckend hoch ist.

Ungleichgewichte entstehen auch in temporaler Hinsicht, z. B. in der unterschiedlichen Lastenverteilung zwischen den Generationen. Geschieht die Interessenabwägung marktwirtschaftlich, d. h. über die Diskontierung, so entsteht — insbesondere bei hohem Zinssatz — die Tendenz, notwendige Investitionen, 2. B. im Bereich des Umweltschutzes und der Ressourcensicherung (abgesehen von externen Effekten zwischen Unternehmen oder Haushalten, wo nur ordnungspolitische Datensetzung den marktwirtschaftlichen Bezugs-rahmen korrigieren kann), auf die nächste Generation zu verlagern. Diese Tendenz macht eine gezielte Umweltschutzpolitik und eine damit verbundene Erweiterung des Planungshorizonts überhaupt erst erforderlich.

Die Notwendigkeit der Strukturpolitik wie die der globalen Wirtschaftssteuerung ist nicht mehr bestritten; zugleich werden aber auch ihre Grenzen klarer denn je gesehen, wobei die Bedeutung der Strukturpolitik für die Stabilität unseres Systems die der Global-steuerung in absehbarer Zeit noch erheblich übertreffen wird. Ihre Basis wurde jedoch nicht in ausreichendem Maße erweitert; es entsteht der wachsende Abstand zwischen Problemstau und Problemverarbeitungskapazität. Die Erkenntnis, Strukturpolitik betreiben zu müssen, d. h. unter anderem auch bestimmte Fehlleistungen des marktwirtschaftlich organisierten Prozesses zu korrigieren bzw.den Marktprozeß in bestimmten Bereichen ganz außer Kraft zu setzen, erfordert Konsequenzen, die bisher nicht oder nicht eindeutig gezogen worden sind. 14. Marktprozesse, die ablaufen, weisen einen bestimmten Bezugsrahmen auf. Er wird durch die den Marktprozeß bestimmenden Einzelentscheidungen gegeben: Der „relevante Markt“ des Kartell-und Wettbewerbsrechts etwa zieht den Bezugsrahmen hinsichtlich des Produkts oder des Faktors. Transportkosten, Kommunikation usw. bestimmen etwa den räumlichen Bezugsrahmen. Der Eingriff in den Marktprozeß oder gar sein Ersatz durch einen politischen Abstimmungs-und Planungsprozeß bedeutet deshalb, den Bezugsrahmen für diesen Prozeß unter Berücksichtigung aller seiner Auswirkungen bewußt festzulegen, und zwar — sofern es sich um einen wirksamen Eingriff handeln soll — in Abänderung des sich marktwirtschaftlich ergebenden.

Jedes Problem erfordert im Grunde, daß sein spezieller Bezugsrahmen bestimmt und gesetzt wird. So läßt sich die Festlegung von Entwicklungszentren in einem regionalen Entwicklungskonzept nicht als kommunales Problem lösen, die sog. Kohlenkrise nicht in Nordrhein-Westfalen allein anpacken, und die vielbeschworene Energiekrise geht in ihren Konsequenzen und in den Ansatzpunkten zu ihrer Lösung über den nationalen und auch den europäischen Rahmen noch hinaus. 15. Eine wesentliche Schwäche unserer bisherigen Politik liegt nun m. E. in der unzureichenden — häufig nur impliziten bzw. unausgesprochenen und nicht durchanalysierten — Festlegung der Bezugsrahmen für die Lösung von strukturellen Problemen.

Wie geht eine solche Festlegung bei unseren vorgegebenen Organisationsstrukturen praktisch vor sich? Da gibt es einmal das territoriale Prinzip der politischen Willensbildung und Verwaltung, d. h. Organisationen von Bund, Ländern und Kommunen. Da gibt es zum anderen das Ressortprinzip auf allen Ebenen, das sich — wenn auch zunächst in der Regierung angelegt — in die Organe der politischen Willensbildung — Parlamente, Fraktionen, Parteien — und auch der Interessenvertretung der Verbände hinein fortpflanzt. Dieses Prinzip soll — idealtypisch — funktional organisiert sein. Das heißt, bestimmte „zusammengehörende" Funktionsbereiche sollen in den Ressorts zusammengefaßt sein. Es stehen sich also Territorial-und Funktionalprinzip gegenüber, wobei die funktionale Aufteilung sich auf den verschiedenen territorialen Ebenen durchaus unterscheidet.

Die Bezugsrahmensetzung entspricht so einer Zuständigkeitsverteilung innerhalb dieses vorgegebenen Rasters. Es leuchtet ein, daß die Ergebnisse dieses Verfahrens häufig nicht befriedigen. 16. Im regionalen Rahmen werden inzwischen eine Reihe von Anstrengungen unternommen, um zu einer verbesserten Bezugsrahmensetzung zu kommen. Zu nennen sind die Erarbeitung von Raumordnungs-und Entwicklungsprogrammen, die Ansätze zur Erstellung des Bundesraumordnungsprogramms, aber auch länderübergreifende Planungen. In der Regel sind diese Ansätze besser für die Erarbeitung von Plänen geeignet als für die Umsetzung der Planung in praktische Politik, die ja im Rahmen der bestehenden Verwaltungsstrukturen zu geschehen hat. Hinsichtlich der territorialen der Strukturpolitik haben daher die Versuche zur Regionenabgrenzung in der Wissenschaft und der Gebietsreform in der Praxis ganz besondere Bedeutung.

Die sektorale Strukturpolitik ist sowohl theoretisch wie auch praktisch-organisatorisch noch erheblich weniger vorbereitet als die Regionalpolitik, und dies, obwohl auch hier nicht mehr zu übersehende Ungleichgewichte entstanden sind. Es sei nur auf unsere Abhängigkeit vom Wohlergehen der Automobilindustrie und zugleich auf die Einsicht, daß die Verkehrsverhältnisse der Zukunft nicht mehr im bisherigen Maße vom Automobil bestimmt sein werden, oder die Energiebilanz hingewiesen. Ungleichgewichte sind im System der dezentralen Wirtschaftsorganisation das Resultat von Einzelentscheidungen, bei denen der politische Bezugsrahmen für Planung und Entscheidung abweicht vom tatsächlichen Bezugsrahmen der kumulativen Wirkungen der Einzelentscheidungen und der von ihnen Betroffenen. Dies gilt für den privatwirtschaftlichen Bereich, wo sich (auch ohne Marxsche Analyse) z. B. zeigen läßt, daß die Befriedigung von Bedürfnissen im Grunde ein „Nebenprodukt'privatwirtschaftlicher Wirtschaftstätigkeit neben dem Hauptziel der Erwirtschaftung eines Geldeinkommens darstellt. Zwar wird im idealtypischen System die Bedürfnisbefriedigung über die Preisbildung am Markt gewährleistet. Funktioniert der Preisbildungsmechanismus oder auch nur eine der Marktbedingungen nicht dem Idealtypus entsprechend, so ist die Bedürfnisbefriedigung keineswegs mehr garantiert.

Dies gilt aber auch für den Bereich der öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur, wo der Aspekt der Bedarfsdeckung im Vordergrund steht. Leider — und das sei ausdrücklich angemerkt — wissen wir alle, daß auch dieser Lenkungsmechanismus, wenn ich diesen Begriff einmal so undifferenziert übertragen kann, nicht immer eine sog. „optimale'Bedürfnisbefriedigung gewährleistet, sondern daß auch öffentliche Investitionsentscheidungen Ungleichgewichte unterschiedlicher Art hervorrufen können.

VI. Notwendigkeit verbesserter Bezugsrahmensetzung

17. Es kommt darauf an, den Bezugsrahmen für die Entscheidungen so zu setzen, daß die Wirtschaftseinheiten — hier im Sinne von Entscheidungseinheiten, also auch im öffentlichen Bereich — zum sinnvollen und effizienten Wirtschaften motiviert werden, gleichzeitig aber der Beitrag zum Gemeinwohl vernünftig ausfällt. Die unternehmerische Funktion in den dezentralen Wirtschaftseinheiten muß gestärkt werden, gleichzeitig aber der Rahmen, in dem ihre Entscheidungen wirksam werden, eindeutiger, politisch bewußter beeinflußt, u. U. auch vorgegeben werden. Öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen können in diesem Zusammenhang wichtig werden; sie sollten daher als Instrument unserer Politik bewußt eingesetzt werden, und das bedeutet ihre systematische Nutzung auf der Grundlage eindeutiger Satzungen und Statuten, die sie aus der Vielzahl und Vieldeutigkeit politischer Ansprüche auf den Boden klar umrissener Ziele hinsichtlich ihrer Gewinne, Marktanteile und Selbstfinanzierungsquoten stellen.

Das Prinzip der Kostenminimierung, der Produktion unter Minimalkostenbedingungen, muß auch dann gesichert bleiben, wenn auf Gewinnmaximierung oder „target pricing“, d. h. Orientierung der Preispolitik an angestrebten Kapitalrenditen, verzichtet wird.

Die Notwendigkeit einer verbesserten, politisch bewußteren Bezugsrahmensetzung auch im privatwirtschaftlichen Bereich wird unterstrichen durch den engen Zusammenhang, der zwischen privaten und öffentlichen Investitionen besteht.

Ausgehend von der These, daß der Markt über den Preismechanismus zu einer optimalen Ressourcenallokation führt (diese Auffassung hat sich offenbar auch in die Ära von Global-und Struktursteuerung hinübergerettet), wird den öffentlichen Investitionen die Rolle von Nachfolgeinvestitionen gegenüber den privaten Investitionen aufgezwungen. Sie werden damit implizit und in nicht angemessener Weise den gleichen Optimalitätskriterien unterworfen, wie die privaten Investitionen. Bau und Unterhaltung des Straßennetzes ist in diesem Zusammenhang das bekannteste und wohl auch das eindrucksvollste Beispiel. 18-Die Argumente für eine mehr oder weniger weitgehende Rahmensetzung für die unterein-ander unverbundenen Einzelentscheidungen, insbesondere der Investitionsentscheidungen, sind, über das eben genannte hinaus, außerordentlich zahlreich und vielschichtig. Das Spektrum dieser Argumente reicht von der Förderung nach Selbstbestimmung des Menschen (die Wirtschaft in den Dienst des Menschen stellen) bis zur Skepsis darüber, ob die negativen Folgewirkungen einer inhaltlich-qualitativ ungesteuerten Dynamik, z. B. in bezug auf die Verschlechterung der Umweltqualität ohne stärkere Eingriffe in den Kernbereich unseres Wirtschaftssystems (private Produktion), noch in den Griff zu bekommen sind. Oder es wird gefragt, ob die für die Re-

formpolitik oder den Infrastrukturausbau erforderliche Umsteuerung der Ressourcen wegen der Immobilität von Produktion und Faktoren, wegen politischer Widerstände und wegen Friktionen auf dem Arbeitsmarkt überhaupt erreicht werden kann.

Die Diskussion der Methoden, über die eine politisch bewußte Setzung und Ausfüllung der Bezugsrahmen für Investitionsentscheidungen erreicht werden kann, ist unter dem Stichwort „Investitionslenkung“ (Investitionsbeeinflussung, Investitionskontrolle) inzwischen auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Diese Diskussion ist nützlich und muß vorangetrieben werden. Allerdings hat sie bisher weithin voluntaristische Züge und entbehrt fast jeder theoretischen und empirischen Fundierung im Kontext unserer Politik.

Wir müssen sehen, daß, auch wenn eine Operationalisierung der in der Diskussion befindlichen Vorstellungen gelingt, Veränderungen in Organisation und Durchführung der praktischen Wirtschaftspolitik nur ganz allmählich möglich werden können. Grundlegende Wandlungen sind in unserem komplexen System eben nur Schritt für Schritt zu realisieren. Dies ist nicht nur eine Frage der Macht, sondern auch in erheblichem Maße der Kapazität des Staates, bestimmte Probleme institutionell und organisatorisch in Angriff zu nehmen und zu bewältigen, ferner der Kapazität arbeitsteiliger Gesellschaft, die kumulativen, zeitverzögerten Wirkungen von Problemlösungen aufzunehmen und zu verarbeiten, und diese Kapazität arbeitsteiliger Gesellschaft betrifft objektive wie subjektive Bedingungen, einschließlich des Interesses, der Motivation, des Verhaltens der handelnden und der reagierenden Menschen. Die in der Diskussion befindlichen Methoden lassen sich vereinfacht folgendermaßen kategorisieren:

— Auf der einen Seite wird eine indirekte Investitionslenkung gefordert, die im einzelnen mit den heute schon gebräuchlichen Mitteln der Global-und Struktursteuerung arbeiten soll, also im wesentlichen der Veränderung der Rahmenbedingungen von Investitionsentscheidungen durch Anreize (regionale Investitionszuschüsse bzw. -zulagen, Stillegungsprämien usw.). Hinzu kommen Auflagen und Sanktionen in Einzelfällen (so etwa Herbert Ehrenberg).

— Eine weitergehende Methode ist die von Zinn/Wieczorek/Meißner vorgeschlagene verbindliche Datensetzung auf Teilmärkten, etwa für Mengen, Investitionen und Preise. Hierfür wäre die Schaffung neuer Institutionen erforderlich. Zusätzlich wird häufig die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, insbesondere des Bankensystems, gefordert.

— Als dritte Möglichkeit kann man die Methode nennen, für die der Gedanke der Vergesellschaftung der zentrale Punkt ist, das heißt, es soll nicht der Rahmen der privaten (der nicht-staatlichen) Investitionsentscheidung, sondern die Zusammensetzung der Entscheidungsgremien selbst verändert werden. 19. Bei der Beurteilung der verschiedenen Ansätze scheint mir einer Überlegung besondere Bedeutung zuzukommen: Alle diese Vorschläge gehen davon aus, daß es gelingt, geeignete organisatorische Bezugsrahmen festzusetzen, innerhalb derer dann dezentrales Handeln sinnvoll ist. Sieht man von ganzheitlichen Gesamtlösungen einmal ab, so setzt dies voraus, daß es gelingt, die organisatorischen Bezugsrahmen für die Investitionsentscheidungen dem Zuschnitt des jeweiligen Problems anzupassen. Der Rückgang der Automobilproduktion — um bei einem bereits angesprochenen Beispiel zu bleiben — ist ein Problem, das weite Bereiche der privaten Wirtschaft aber auch das staatliche Handeln in vielerlei Hinsicht betrifft. Der Bezugsrahmen der Entscheidung in bezug auf die an ihr Beteiligten ist in diesem Fall jedoch bisher wesentlich enger angelegt. Gerade bei der empirisch begründeten theoretisch abgesicherten Bestimmung eines solchen optimalen räumlichen, sektoralen und temporalen Bezugsrahmens stehen wir aber erst am Anfang. Und die Marktwirtschaft löst diese Bestimmung gewissermaßen automatisch mit. Aber auch wenn man mit dem Marktergebnis nicht zufrieden ist, erfordert doch die Ersatzlösung in mehr oder minder großem Umfang die Substitution der Markt-funktionen durch politisch-administrative Organisation. Daß die personelle Besetzung von Entscheidungsgremien dabei per se ein Äquivalent für fachliche regionale und sektorale Politik sein kann, muß wohl bestritten werden. Dies berührt nicht die Tatsache — und dies ist zu recht politische Forderung —, daß die Mitbestimmung in den Wirtschaftsunternehmen und am Arbeitsplatz die Betroffenheit und das Interesse der Menschen in der jeweiligen Produktion aktiviert und so zur Humanisierung der Arbeitsbedingungen beitragen kann.

Insgesamt müssen jedoch die Fähigkeiten staatlicher Bürokratie oder von Bürokratien insgesamt, die Bezugsrahmen problemadäquat zu setzen und politisch-administrativ auszufüllen, eher vorsichtig beurteilt werden. Dies wird durch eine Fülle von Erfahrungen, die die SPD gerade in der Regierungsverantwortung sammeln konnte, belegt.

Es kann demnach nicht darum gehen, aus dem angeblich stets verfügbaren Werkzeugkasten mit raschem Griff das geeignete Instrument auszuwählen. Vielmehr müssen wir uns darum bemühen, existierende, mehr oder weniger funktionierende Instrumente intakt zu lassen, aber ihre Funktionsfähigkeit zu stärken. Dabei ist es vor allem wichtig, die vorhandenen staatlichen Steuerungsmöglichkeiten auszuloten und abzuschätzen. Daneben sind dann auch die Möglichkeiten zu ihrer Ausweitung zu prüfen.

VII. Querschnittsaspekte, Prüfraster

20. Es gibt gelegentlich immer noch die Illusion, daß politische Führung im Staate einschließt, daß jede Handlung, die irgendwo planmäßig unternommen wird, zuvor mit jeder anderen laufenden Aktivität und allen neuen Handlungsabsichten in der Weise vollständig koordiniert sein könnte und sollte. daß sie zeitlich, sachlich, räumlich, fachlich, personell, sozial, horizontal und vertikal in jeder Hinsicht harmonisiert ist. Dies kann schon wegen des kritischen Engpasses der Problemverarbeitungskapazität nicht der Fall sein. In unserer Situation ist es entscheidend, sich auf die kritischen, die strategischen Verflechtungen, Interdependenzen und Kumulationen zu konzentrieren und nicht auf die denkbare Fülle aller möglichen Beziehungen, die zwar theoretische Aufmerksamkeit beanspruchen mögen, aber praktisch ohne großen Belang sind. So sehr es erforderlich ist, daß der Staat einzelne Probleme in Angriff nimmt, und nicht die rezeptmäßige, patentierte Total-lösung der sog. Systemprobleme, so sehr müssen wir erkennen, daß eine bloß isolierte Behandlung kritischer Einzelprobleme ungenügend ist. Es kommt auf das vernünftige Maß der Verknüpfung der einzelnen Probleme, die es zu verarbeiten gilt, untereinander und mit dem Systemganzen an.

21. Die Kunst der politischen Führung und der Inhalt der systematischen Vorkehrungen zu ihrer Unterstützung besteht nun darin, die Relevanzkriterien für die wichtigen Verflechtungen und die kritischen wechselseitigen Abhängigkeiten herauszuarbeiten. Dazu sind Problemanalysen erforderlich, und es muß selektiv vorgegangen werden. Die jeweils existierende Arbeitsteilung zwischen den Politikbereichen klappt horizontal meist besser als vertikal, und die existierende Geschäftsverteilung verbindet ein unerhörtes Beharrungsvermögen mit einer geringen Lernfähigkeit an den Rändern zu Neuem hin. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, eine die Ressorts, die Fachpolitiken, die Sachbereiche und Problem-gebiete übersteigende, übergreifende Ebene der Problemverarbeitung zu schaffen. Dabei soll es sich um einige wenige Querschnitts-aspekte handeln. Mit ihrer Hilfe könnte einerseits die Reduktion der Komplexität aus der unendlichen Fülle von existierenden Verflechtungen gelingen. Dabei soll jedoch andererseits der Vorzug nicht verlorengehen, daß die — durch ressortübergreifende Betrachtung ermöglichte — Erhöhung der in der Problemanalyse berücksichtigten Komplexität verlorengeht.

Für die fachübergreifende Koordination der Planungen einerseits und die gesamtgesellschaftliche Zielfindung andererseits müssen wir uns dabei auf wenige, zentrale, politisch relevante Querschnittsaspekte konzentrieren, die informationsmäßig und zuständigkeitsmäßig besonders herauszuarbeiten sind. Die Querschnittsaspekte bieten Raster zur Beurteilung von Maßnahmen, insbesondere in ihrer Kumulationswirkung, zur Bestandsaufnahme bisheriger Entwicklung und zur Prognose zukünftiger Trends, und zwar gilt dies sowohl für Makro-Aggregate wie für Mikrostrukturen, sowohl in regionaler wie in sektoraler, aber auch in zeitlicher Hinsicht. Die Querschnittsaspekte sind also in erster Linie zur kritischen Bewertung und erst in zweiter Linie als Elemente voluntaristischer Zielsetzung zu verstehen. Sie müssen eine operationale Erfassung von Politik auf der konkreten Handlungsebene und deren Wirkungen ermöglichen und sind dazu in der Form von statistisch zu fundierenden Beurteilungsrastern zu entwickeln.

Querschnittsaspekte können ziel-oder output-orientiert oder mittel-bzw. input-orien-

tiert sein. Zur output-orientierten Kategorie gehören z. B.:

— die Sozialchancen des einzelnen oder von Gruppen in der Gesamtgesellschaft, nach relevanten Gruppierungen gemessen, strukturpolitische — die Konzeption der Raum-ordnung und der sektoralen Bilanzen der Rohstoff-und Energieversorgung und der Industriestruktur, — die Umweltbelastung, — ganz sicher aber auch der Aspekt der internationalen Friedenssicherung.

Input-orientierte Querschnittsaspekte betreffen: — die Ressourcenperspektive, güterwirtschaftlich und finanziell mit Blick auf die Gesamtwirtschaft, — aber auch personell hinsichtlich des Arbeitsmarktes, — ferner die R& D-Kette Forschung, Entwicklung, Technologie, Innovation (z. B. in ihren kritischen Erfordernissen einer Modernisierung der Bauwirtschaft vom mittelalterlichen zum industriellen Bauen, oder des Aufbaus, des Ausbaus von Telekommunikationssystemen oder der personalsparenden Rationalisierung in der öffentlichen Verwaltung) sowie — die permanente Überprüfung insbesondere der organisatorischen und regelungsbezogenen Erledigung der öffentlichen Aufgabenerfüllung. Neben den Kategorien der input-oder der output-orientierten Querschnitte steht der Querschnittsaspekt der weltweiten Verflechtung, unsere Einbindung in die europäischen und internationalen Bezüge. 22. Stehen Beurteilungsraster dieser Art nicht zur Verfügung, kann sich ergeben, daß eine aktive Regierung, die eine Vielzahl von Reformvorhaben in Gang setzt, per saldo mit weniger herauskommt, als möglich gewesen wäre, wenn ihr von vornherein eine Gesamt-beurteilung der Wirkungen anhand einer Problemanalyse in der Darstellung von Querschnittsaspekten zur Verfügung gestanden hätte.

Die Komplexität der beabsichtigten und unbeabsichtigten Haupt-und Nebenwirkungen ei•ner bestimmten reformpolitischen Maßnahme, die dadurch veränderten Verhaltensweisen der betroffenen Bürger und Gruppen, auf die sich der Staat wiederum einstellen muß, sowie die Muster der Restriktionen und Widerstände und der wechselseitigen Kumulation auch mit den Auswirkungen anderer Maßnahmen werden bei isolierter Betrachtung einzelner Probleme allzu leicht unterschätzt. Dies gilt insbesondere, weil ökonomische und gesellschaftliche Datenänderungen meist erheblich verzögerte und zeitverzögert kumulierte Auswirkungen hervorrufen.

Zunächst droht daher immer wieder, daß der „Fleiß“ der Regierung, die Intensität, das Ausmaß der politischen Bemühungen ständig unterschätzt werden, um danach „mit einem Male" zu einem scheinbar nicht mehr auflösbaren Knoten kumulierter Wirkungen verschnürt zu erscheinen. Außerdem verstärkt der politische Zeitrhythmus in der parlamentarischen Demokratie, der sich durch die Wahlen — zumal im Bundesstaat — ergibt, den Druck, die politische Energie vorzugsweise auf das Erreichen kurzfristiger Erfolge, auf sichtbare Auswirkungen der Politik hier und jetzt zu lenken; dieser Rhythmus scheint oft weder die erforderlichen „Investitionen“ in die Grundlagen der Zukunftspolitik noch die erforderliche Zeit für das Heranreifen der Früchte einer wohlabgewogenen, langfristig angelegten Politik zuzulassen.

VIII. Inhalt und Organisation der Strukturpolitik

23. Die Querschnittsaspekte werden die Inhalte unserer Strukturpolitik erheblich verändern können. Dabei gilt es auch, das Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen strukturverändernden bzw. strukturbestimmenden Maßnahmen zu überdenken. Die Strukturpolitik, die zweifellos in Zukunft einen zentralen Platz innerhalb unserer Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik einnehmen wird, kann nicht durch privat getroffene Einzelentscheidungen in ihrer Richtung bestimmt und in der konkreten Durchführung nur noch als Reaktion auf diese privaten Entscheidungen stattfinden. Die privaten Investitionen müssen sich vielmehr in das an Querschnittsaspekten orientierte Konzept der Strukturpolitik einpassen und dementsprechend beeinflußt werden können. Dies geschieht im Bereich der Regionalpolitik z. T. auch heute schon durch einen angebotsorientierten, aber nachfragekontrollierten Infrastrukturausbau, zum Beispiel im Bildungswesen, im Verkehr, im Wohnungs-und Städtebau. Diese Erweiterung der strukturpolitischen Aufgabenstellung erhöht die Komplexität der Zielsysteme und verstärkt gleichzeitig ihre Bedeutung für die praktische Entscheidung. Die Erfahrungen mit der bisherigen Praxis der Strukturpolitik haben gezeigt, daß es dabei bisher im wesentlichen um die Beseitigung erkannter Engpässe, weniger um die Gestaltung der strukturellen Bedingungen nach einem zumindest mittelfristig für richtig gehaltenen Konzept geht. Die Bedeutung von Zielkonzeptionen war dementsprechend gering. Im Rahmen einer pragmatischen Politik der Engpaßbeseitigung besteht dafür auch kaum ein echter Bedarf. Das häufig beobachtete Resultat einer solchen Politik ist dann aber — und dies kann im Grunde nicht verwundern —, daß die Lösung eines einzelnen Problems die Anlage eines oder mehrerer neuer Probleme schon in sich birgt.

Auf der anderen Seite hat es auch in der Vergangenheit Planungen gegeben, die relativ konkrete und umfassende Zielsysteme zum Bestandteil hatten. Hier tritt dann, das Problem auf, daß die Zielsysteme, in einem mühevollen Abstimmungsprozeß zustande gekommen, nach ihrer Aufstellung kaum mehr revidierbar und damit inflexibel sind. Die Durchsetzung von Planungen mit inflexiblen Zielsystemen, die also auf neue Erkenntnisse aus dem Durchsetzungsprozeß nicht mehr reagieren können, ist aber sehr problematisch. Die Möglichkeit, von allen Bürgern akzeptierte Pläne aufzustellen, ist theoretisch wie auch in der Praxis eindeutig widerlegt. Das hohe Maß an Interessenhomogenität, das hierfür notwendig wäre, kann, zumal in einer relativ offenen Gesellschaft wie der unseren, nicht vorausgesetzt werden. Aber auch der Hinweis auf die demokratische Macht der Mehrheit und den gleichzeitigen Schutz von Minderheiten kann gerade bei der politischen Erörterung von Fragen der Strukturpolitik nicht befriedigen. Das zentrale Problem besteht vielmehr darin, ob und in welcher Weise komplexe Zielsysteme, die für Richtung und Tempo der gesellschaftlichen Entwicklung so große Bedeutung haben, überhaupt demokratisch entscheidbar gemacht werden können. 24. Zum einen stellt sich in diesem Zusammenhang das Problem der Machtausübung durch die Wähler. Ist es möglich, Parteien nach der Strategie, die sie in bezug auf strukturpolitische Konzeptionen verfolgen, zu identifizieren und eindeutig unterscheidbar zu machen? Diese Problematik ist im Zusammenhang mit der allgemeinen Fähigkeit unseres politischen Systems, eine Willensbildung von unten nach oben möglich zu machen, diskutiert worden. Im Rahmen der Überlegungen zur Investitionslenkung und zur aktiven Strukturpolitik ist dabei auch eine Bildung von paritätisch besetzten und Sozialräten -Wirtschafts-vorge schlagen worden. Es ist aber offen, ob solche Formen einer Institutionalisierung von Willensbildungsund Zielfindungsprozessen neben Parteien, Parlament und Regierung eingeordnet werden können und ob ihr Beitrag unsere im Hinblick auf Diskussion der Bezugsrahmensetzung für Problemverarbeitung und bei der Vermittlung von Meinungen und Verhalten der Betroffenen hilfreich sein kann.

Die erhöhte Komplexität der Entscheidungsgrundlagen stellt auch an das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament besondere Anforderungen. Und selbst wenn wir das allgemeine Demokratieproblem zunächst einmal ausklammern, stellen wir fest, daß auch in diesem, auf den ersten Blick leichter gestaltbaren Bereich bei weitem keine Patentlösungen in Sicht sind. Der Ansatz, die einzelnen Fachplanungen im Parlament über Querschnittsaspekte zu koordinieren und auf der Grundlage der so zu entwickelnden Konzeption Willensbildung und Kontrolle im Rahmen komplexer Zusammenhänge zu erreichen, wird nicht leicht zu verwirklichen sein. Dies liegt zu einem beträchtlichen Teil auch darin begründet, daß sich die Ressortorganisation der Regierung über die Parlamentsausschüsse bis in die Entscheidungsstrukturen der Parteien hinein fortpflanzt. Die Konsequenz einer so durchgängigen Organisation von Willensbildungsprozessen und Kontrollen nach den Zuständigkeiten von Fachministerien ist, daß sich die von der Exekutive organisierte Problemsicht in allen relevanten Bereichen durchsetzen wird. Denn die Ressortorganisation stellt ja ihrerseits expressis verbis die Antwort der jeweiligen Regierungen auf die Aufgaben der laufenden Legislaturperiode mit dem Blick auf ihre rasche Erledigung und eine eher kurzfristige Erfolgsbilanz dar.

Mithin bestimmt die arbeitsteilige, horizontale und vertikale Aufgaben-und Geschäftsverteilung der politischen Organisation des Staates sowohl über die Perzeption von Problemen wie über ihre Identifikation und ihre Bewältigung. Es ist dringend erforderlich, neben und über diese Arbeitsteilung hinweg Vorkehrungen für eine ressort-und aufgaben-übergreifende Problemanalyse, und zwar für die Gesamtgesellschaft betreffende, noch nicht abschließend verortete Fragestellungen an den Staat und die politisch Handelnden, zu entwickeln. 25. Infolge der aufgaben-und geschäftsverteilenden Struktur der arbeitsteiligen politischen Organisation findet auch hier vielfach . Privatheit" der Entscheidung bei ihrer gleichzeitig gesellschaftsweiten Wirkung, . Entfremdung“ und „Fremdbestimmung" für die Bürger, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, statt. Zur effizienten Erfüllung erkannter Aufgaben ist eine klare Geschäftsverteilung erforderlich. Aber erstens produzieren diese Aufgabenerfüllungen ihrerseits Auswirkungen und Zusatzprobleme. Zweitens sind diese Organisationsspaltungen eben neben der Gewährleistung der Erfüllung von Aufgaben auch gleichzeitig die Perzeptionsorgane für neue Probleme, für die gleichfalls Vorkehrungen getroffen werden, ohne daß der Gesamt-apparat entsprechend umstrukturiert werden könnte oder ohne daß dafür ein besonderer neuer Apparat aufgebaut werden kann oder soll.

Diese Zielfindungsund Organisationsprobleme und diese mit der Institutionalisierung entsprechender Prozesse zusammenhängenden Fragen treten auf allen Ebenen der Entscheidung bei Bund, Ländern, Gemeinden und auf europäischer Ebene auf, vor allem auch in den Parteien, den Gewerkschaften, den Verbänden usw. Sie werden weiter kompliziert durch die Notwendigkeit, die auf den einzel-nen Ebenen formulierten Planungen zu koordinieren. Innerhalb der Bundesrepublik wird die Planung einer konsistenten Strukturpolitik durch das föderative System erschwert Auf der europäischen Ebene ist eine praktika-ble Organisationsform, die sowohl eine angemessene demokratische Beteiligung als auch die Möglichkeit tatsächlicher Koordination der strukturpolitischen Konzeptionen bietet, noch gar nicht in Sicht.

IX. Grundsätze struktureller Umgestaltung

26. Für die politische Strategie ist angesichts dieser Sachlage eine nüchterne Einschätzung der Handlungsmöglichkeiten und -chancen von ausschlaggebender Bedeutung. Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß in der Problemverarbeitungskapazität in Staat und Gesellschaft der kritische Engpaß liegt, daß die Fülle der politischen Handlungen und Maßnahmen einer aktiven Regierung ihrerseits die Problemverarbeitungskapazität laufend beansprucht und mit z. T. unvorhergesehenen Folgewirkungen belastet und deshalb weithin ausschöpft.

Zudem wird die Problemverarbeitungskapazität unseres politischen Systems heute zentral durch die europäische und weltweite Entwicklung herausgefordert:

— Die politischen Konstellationen in den anderen westlichen Industrieländern werden dadurch gekennzeichnet, daß ein Konsensus großer Mehrheiten nur noch gelegentlich zustande kommt, strukturell aber labile Gleichgewichts-oder Pattsituationen vorherrschen: Regierungen finden kaum Mehrheiten, Oppositionen sind kaum regierungsfähig. — Die europäische Integration befindet sich am Scheidewege, obwohl selbst die heftigsten Protagonisten, die Deutschen, ihren Frieden bisher nicht mit dem Aufbau einer europäischen Innenpolitik gemacht haben (Typ Regionalfonds).

— Im ökonomischen Bereich konnte uns auch die wagemutige, teils waghalsige Absetzbewegung durch wiederholte Aufwertungen — bei gleichzeitigen Abwertungen der anderen, vor allem des Dollar — nur graduell aus den direkten und indirekten internationalen Währungs-, Produktions-, Preis-und Bewußtseinszusammenhängen lösen. Die unterschiedlich starke inflationäre Entwicklung machte unsere Exporte daher eher attraktiver, während die Importe langsamer wuchsen. Der weiterhin hohe Zahlungsbilanzüberschuß — als inländischer Verwendung entzogener Teil des Sozialprodukts — bewirkt, daß unser Infrastrukturdefizit eher wächst als schrumpft.

— Nach einer Periode günstiger realer Austauschverhältnisse im Außenhandel mit Lebensmitteln, Rohstoffen und vor allem Energie hat eine drastische Umkehr eingesetzt. Zugleich aber geht der reale Anteil der Primärinputs (z. B. Rohstoffe) an der Industrieproduktion zugunsten sekundärer (z. B. Maschinen) und tertiärer (z. B.

Ausbildung, technisches Wissen) Produktionsfaktoren säkular wohl immer weiter zurück.

— Die gewaltige technologische Entwicklung — zumeist in langen Wellen von 30 bis 50 Jahren — zeigt uns, daß wir mit marktträchtigen innovativen Produkten immer noch von den Investitionen aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise und danach zehren, daß wir weiterhin Forschung, Entwicklung und Innovation gleichzeitig gezielt und breit fördern müssen, wenn wir die komparativen Vorteile unserer Volkswirtschaft erhalten wollen.

— Schließlich stellt sich intern die in der Bundesrepublik praktizierte Form des Föderalismus als ein ernst zu nehmendes Problem dar. Seit der Verfassungsreform von 1969 ist dieses System mit zunehmender Aufgaben-und Finanzverschränkung, zugleich aber mit abnehmenden, weil sich wechselseitig blockierenden Handlungs:

möglichkeiten belastet — und dies ist sicherlich nicht einfach ein Reflex der gegenwärtigen politischen Koalition in Bonn und der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. 27. Bei dieser Fülle der Probleme heißt begrenzte Problemverarbeitungskapazität und Unmöglichkeit, die Probleme, so wie sie zu identifizieren sind, einfach in die existierenden, dezentralen Problemlösungsmuster bzw Bezugsrahmen einzuordnen, daß das staatl che Handeln im Rahmen der Strukturpolitik an Maximen ausgerichtet werden muß. Diese Maximen müssen es erlauben, die besondere Aufmerksamkeit auf die kritischen Entwicklungsprobleme, und zwar auch und gerade die der hauptsächlichen Widersprüche zwischen Produktion und Aneignung bzw. Verfügung über die Ergebnisse, zu lenken.

a) Kernpunkt solcher Maximen muß m. E. die These sein, daß wir künftig erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Staates wie der Gesellschaft zu erhöhen, ihre Probleme zu identifizieren, zu erklären, zu prognostizieren, Lösungsmöglichkeiten auszuarbeiten und Alternativen zu entwickeln; denn nur, wenn in die Gewinnung der Informationen, der theoretischen Erklärungen, der soziotechnischen Instrumente, der Problemanalysen usw. genügend Zeit und genügend Personal mit genügend Aufmerksamkeit investiert werden, können wir hoffen, daß unsere Problemverarbeitungskapazität, der kritischste Engpaß für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung, entscheidend ausgeweitet werden kann. Der Kern der Bemühung betrifft nicht die Wissensvermehrung schlechthin, sondern ein an den konstitutiven Bedingungen der staatlichen Praxis orientiertes und festgemachtes theoretischen Wissen, das ko-krete, praxeologische Maximen für das praktische politische Handeln zu formulieren erlaubt. Wir müssen uns in die Lage versetzen, Ersatzlösungen für bisher dezentrale, insbesondere marktmäßig organisierte, Regelsteuerungen nicht nur theoretisch zu konzipieren und ihre Einführung zu fördern, sondern sie dann auch mit unseren organisatorischen Kapazitäten nach zu findenden operationalen Zielen innerhalb zu definierender Bezugsrah-men tatsächlich politisch steuern zu können. b) Die Verbesserung und Umgestaltung unserer staatlichen Steuerungsmittel mit der in dieser ersten Maxime angedeuteten Zielrichtung wird einen erheblichen Teil unserer politischen Energie und der für diesen Bereich verfügbaren Problemverarbeitungskapazität in Anspruch nehmen. Ich möchte daher als zweite, gewissermaßen korrigierende Maxime zur Ausrichtung unserer Strukturpolitik das Postulat nennen: Uneingeschränkte Konzentration auf die relevanten Probleme, deren Verarbeitung mit überschaubarem Mitteleinsatz in überschaubaren Zeiträumen geleistet werden kann. Unsere Erfahrung und die vergleichbarer anderer Länder zeigen uns, daß es fatal sein kann, sich an strukturellen Umgestaltungen zu versuchen, für die man das nötige Instrumentarium insbesondere in praktisch-organisatorischer Hinsicht nicht zur Verfügung hat c) Diese zweite Maxime wird durch eine dritte ergänzt, nämlich durch die Regel, daß nur solche dezentralen Regelungsmechanismen ersetzt werden, die sich eindeutig nicht bewährt haben, zu überwiegend inakzeptablen Ergebnissen führen und auch durch systematische Variation der Daten der Rahmenbedingungen und der indirekten Kontrolle des Bezugsrahmens nicht wirksam gesteuert werden können.

Diese Maxime ermöglicht die dringend erforderlichen Zweckmäßigkeitsentscheidungen angesichts der begrenzten verfügbaren Steuerungskapazitäten unseres politischen Systems und unterstreicht den instrumentalen Charakter der marktwirtschaftlichen Steuerung.

Aber gerade über Instrumente kann man nicht in der Form von Glaubensbekenntnissen pro oder contra verhandeln, sondern sie müssen nüchtern ausgelotet, erprobt und gegeneinander abgewogen werden. Diese Maxime muß daher umgekehrt genauso gelten können, in der Weise nämlich, daß auch zentral gesteuerte Prozesse nicht ohne den Nachweis ihrer Funktionstüchtigkeit und der Ersetzbarkeit durch zweckmäßigere Lenkungsinstrumente dezentralisiert werden sollen.

28. Die Beweislast für theoretische und praktische Verbesserungen liegt in jedem Fall bei den Reformern.

Theorie und Praxis müssen sich zu pragmatisch-praktischen Handlungsanweisungen verdichten lassen, die soziotechnologisch gesichert, gesellschaftstheoretisch fundiert und normiert sind und sich auf die jeweilige Situation beziehen, in der sich das politische Gemeinwesen mit seinen Handlungsmöglichkeiten und -grenzen befindet. Es geht ja weder um isolierten Aktionismus noch um eine theoretisch-ideologische Umwälzung, sondern es geht um praktische Reformpolitik unter den Bedingungen einer hocharbeitsteiligen Demokratie, die viel zu verlieren, aber auch viel zu gewinnen hat. Denn Ausbau der sozialen Sicherheit und des gemeinsamen Wohlstands widersprechen sich nicht, sie ergänzen einander. Der Lernprozeß ständiger Innovation durch praktische und nützliche Verbesserungen muß institutionalisiert, die Modernisierung unserer Volkswirtschaft durch aktive Strukturpolitik muß intensiviert werden.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Reimut Jochimsen, Dr. rer. pol., Professor und Staatssekretär, geb am 8. Juni 1933, Studium der Sozial-und Wirtschaftswissenschaften in Bonn, Harvard, Freiburg, Bologna; Promotion und Habilitation in Freiburg; seit 1964 o. Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften und Direktor des Seminars für Wirtschaftspolitik und Strukturforschung der Universität Kiel, seit 1970 Direktor des Instituts für Regionalforschung der Universität Kiel (z. Z. beurlaubt), 1970 bis 1973 Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt, seit Februar 1973 Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Veröffentlichungen u. a.: Ansatzpunkte der Wohlstandsökonomik. Versuch einer Neuorientierung im Bereich der normativen Lehre vom wirtschaftlichen Wohlstand, Veröffentlichungen der List-Gesellschaft, Bd. 21, Basel, Tübingen 1961; Theorie der Infrastruktur. Grundlagen der marktwirtschaftlichen Entwicklung, Tübingen 1966; Ziele und Strukturen der Universität. Überlegungen zur Hochschulreform, Schriftenreihe Gegenwartsfragen, H. 18 (Hrsg. Der Landesbeauftragte für staatsbürgerliche Bildung in Schleswig-Holstein), Kiel 1968; Theorie und Praxis der Infrastruktur, hrsg. zus. mit U. E. Simonis, Materialband zur Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Innsbruck, 30. 9. bis 2. 10. 1970 über „Grundfragen der Infrastrukturplanung für wachsende Wirtschaften“, Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Nr. 54, Berlin 1970; Gegenstand und Methoden der Nationalökonomie, hrsg. zus. mit H. Knobel, Neue wissenschaftliche Bibliothek Nr. 45, Köln 1971; Studienplatznachfrage und Absolventenbilanz einer Universität, Düsseldorf 1972 (mit H. Knobel, W. Ochel und V. Schmidt); Staatliche Planung in der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 9/74 (mit Peter Treuner).